TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/15 W171 2180246-3

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Veröffentlicht am 15.03.2018
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Entscheidungsdatum

15.03.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W171 2180246-3/ 4 E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Algerien, gegen die weitere Anhaltung in Schubhaft auf Grund des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.09.2017, Zl XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.

Die beschwerdeführende Partei (in Folge: BF), ein Staatsangehöriger von Algerien, reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt Anfang März 2017 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 04.03.2017 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Er gab dabei an, den im Spruch angeführten Namen zu führen, Staatsangehöriger von Algerien zu sein und am 02.02.2000 geboren - und sohin zum Antragszeitpunkt minderjährig - zu sein.

Das genannte Verfahren wurde am 28.04.2017 gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 AsylG aufgrund des Untertauchens des BF eingestellt und am 02.06.2017 - nach Vorführung des BF vor die Erstaufnahmestelle Ost - fortgeführt. Im Zuge der Vorführung wurde diesem eine Ladung zur multifaktoriellen Untersuchung im Rahmen einer Altersfeststellung für den 23.06.2017 zugestellt. Der genannte Termin wurde seitens des BF jedoch nicht wahrgenommen, dieser tauchte erneut unter.

Seitens der EAST Ost wurde gegen den BF ein Festnahmeauftrag erlassen.

Am 03.09.2017 wurde der BF einer polizeilichen Kontrolle unterzogen. Aufgrund des erlassenen Festnahmeauftrages wurde die Einlieferung des BF in ein Polizeianhaltezentrum verfügt und mit Bescheid vom XXXX , erstmals die Schubhaft über den BF verhängt.

Am 15.09.2017 wurde der BF einer Altersfeststellung mittels multifaktorieller Altersdiagnostik unterzogen. Laut medizinischem Gutachten der XXXX Uni XXXX vom 17.09.2017 steht fest, dass der BF spätestens am XXXX geboren worden, und somit volljährig ist.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) vom XXXX , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Absatz 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Algerien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 Asylgesetz i.V.m. § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 festgestellt, dass eine Abschiebung nach Algerien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht festgesetzt (Spruchpunkt IV). Des Weiteren wurde einer Beschwerde gegen die Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V). Diese Entscheidung blieb unbekämpft.

Das Ergebnis der oben angeführten Altersfeststellung wurde dem BF in der Einvernahme vom 22.09.2017 zur Kenntnis gebracht und gegen diesen mit Bescheid vom XXXX , erneut Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates und Sicherung der Abschiebung nach Algerien verhängt. Dieser Bescheid wurde dem BF am 22.09.2017 durch persönliche Übergabe zugestellt.

Am 10.10.2017 wurde der BF einer Delegation der algerischen Botschaft zum Zweck der Identitätsprüfung vorgeführt und in Folge seitens der algerischen Botschaft als algerischer Staatsangehöriger identifiziert.

2. Vor Ablauf der gesetzlich vorgesehenen 4- Monatsfrist (§ 22a Abs. 4 BFA-VG) legte das BFA den verfahrensgegenständlichen Akt zur Durchführung der vorgesehenen Verhältnismäßigkeitsprüfung zur Verlängerung der aufrechten Schubhaft dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. In der angeschlossenen abschließenden Stellungnahme wurde seitens des BFA explizit darauf hingewiesen, dass aufgrund der Identifizierung der Verfahrenspartei am 10.10.2017 seitens der algerischen Botschaft ein Heimreisezertifikat ausgestellt werden könne. Erfahrungsgemäß könne mit einer positiven Erledigung im Jänner oder Februar 2018 gerechnet werden.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft ergebe im gegenständlichen Fall, dass das private Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen habe. Im vorliegenden Fall bestehe aufgrund der gegebenen Umstände sowie aufgrund des bisherigen Verhaltens des BF ein hohes Risiko des Untertauchens. Es sei aufgrund des Gesundheitszustandes des BF davon auszugehen, dass die Haftfähigkeit nach wie vor gegeben sei.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.01.2018 wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig sei.

Am 20.02.2018 erfolgte Seitens der algerischen Botschaft eine mündliche Zusage zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF.

3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.02.2018 wurde nach gesetzmäßiger Wiedervorlage neuerlich festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen, und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig sei.

Per 28.02.2018 langte ein Flugbuchungsbestätigung und per 02.03.2018 eine Bestätigung der Flugbegleitung (Escort) durch drei Beamten bei der Behörde ein.

4. Das BFA legte sohin am 13.03.2018 dem Bundesverwaltungsgericht Teile des Verfahrensakts zur Entscheidung nach § 22a Abs. 4 BFA-VG hinsichtlich der neuerlichen Prüfung des Bestehens der Verhältnismäßigkeit einer über die gesetzliche Dauer von vier Monaten dauernden Schubhaftfortführung vor und gab dazu ergänzend wie schon bisher an, dass die Identität des BF bereits seit dem Vorjahr geklärt sei und nunmehr für den XXXX eine Flugbuchung und eine bestätigte Flugbegleitung organisiert sei. Die algerische Botschaft habe hinsichtlich des BF neuerlich am 08.03.2018 schriftlich die Identität des BF bestätigt und seien der Botschaft am 12.03.2018 die für die Ausstellung des Heimreisezertifikates benötigen Flugdaten bekanntgegeben worden. Die Abschiebung des BF sei für den XXXX fixiert und daher auch absehbar.

Am 13.03.2018 erfolgte aufgrund eines hierfür erteilten Auftrages durch das Gericht eine Haftprüfungseinvernahme durch die Behörde. Dabei gab der BF an, dass sich bisher in seinen persönlichen Verhältnissen nichts geändert habe und er keine gesundheitlichen Beschwerden habe. Die Stimmung sei nicht wirklich toll und wolle er nicht mehr länger in Schubhaft sitzen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Allgemein:

1.1. Der BF befindet sich seit 22.09.2017 in Schubhaft. Die gesetzlich normierte gerichtliche Frist (§ 22a Abs. 4 BFA-VG) im laufenden Verfahren (Vierwochenfrist) läuft am 20.03.2018 ab.

1.2. Der der laufenden Haft zugrunde liegende Schubhaftbescheid ist vom BF selbst bisher nicht in Beschwerde gezogen worden. Eine Änderung der Umstände für die seinerzeitige Verhängung der Schubhaft hat sich im Verfahren nicht ergeben.

1.3. Der BF wurde am 10.10.2017 einer Delegation der algerischen Botschaft zum Zweck der Identitätsprüfung vorgeführt und in Folge seitens der algerischen Botschaft als algerischer Staatsangehöriger identifiziert. Im Fall des BF bedarf es zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates keiner weiteren Überprüfung durch die Behörden mehr. Ein Rückflug des BF nach Algerien ist organisiert und für den XXXX gebucht. Der rechtzeitige Erhalt des Heimreisezertifikates kann als sicher bezeichnet werden.

1.4. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Weiterführung der Schubhaft liegen zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung weiterhin vor.

Gesundheitszustand bzw. Haftfähigkeit:

2.1. Der BF ist gesund. Die Haftfähigkeit der Verfahrenspartei ist zum Entscheidungszeitpunkt gegeben.

Effektuierbarkeit der Außerlandesbringung (Prognose):

3.1. Der BF wurde von der algerischen Botschaft als algerischer Staatsangehöriger identifiziert. Eine Überprüfung seitens der algerischen Behörden in Algerien ist abgeschlossen. Mit der rechtzeitigen Ausstellung eines Heimreisezertifikates sowie der Abschiebung des BF am XXXX ist zu rechnen, die Abschiebung der Verfahrenspartei ist somit absehbar.

3.2. Die gegenständliche Überprüfung der Verhältnismäßigkeit vor Ablauf der 4- Wochenfrist hat keine Änderungen hinsichtlich der Effektuierbarkeit der Außerlandesbringung ergeben.

Privat- und Familienleben bzw. Fluchtgefahr:

4.1. Der BF hat keine Familienangehörigen im Bundesgebiet und ist in Österreich weder legal erwerbstätig, noch sozialversichert. Der BF hat keine Anknüpfungspunkte zu Österreich und verfügt über keinen Wohnsitz im Bundesgebiet. Er verfügt kaum über Barmittel und brachte keine identitätsbezeugenden Dokumente in Vorlage. Er ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig, tauchte noch vor Ende seines Asylverfahrensverfahrens unter und hat darüber hinaus einer Ladung zur Altersfeststellung seine Person betreffend ohne plausible Erklärung keine Folge geleistet.

4.2. Der BF ist zur Kooperation mit den Behörden nicht willig. Bereits im Asylverfahren gab er zum Zweck der Verschleierung der Identität ein falsches Geburtsdatum an. Unter anderem sollte dadurch die Erlangung eines Heimreisezertifikates zumindest verzögert werden. Der BF entzog sich mehrmals durch Untertauchen dem Zugriff der Behörden. Im Falle des BF liegt daher Fluchtgefahr vor.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1.: Die Angaben über den Verfahrensgang und die hierzu ergangenen Feststellungen beziehen sich auf die Angaben im vorliegenden Akt sowie dem Akteninhalt der Akten XXXX und XXXX . Unter Heranziehung der Bestimmungen zur Fristenberechnung gemäß § 32 AVG ergibt sich, dass der Ablauf der Viermonatsfrist auf den 22.01.2018, sohin der Ablauf der gerichtlichen Entscheidungsfrist seinerzeit auf dem 23.01.2018 gefallen ist. Die darauffolgende Vierwochenfrist für die weitere Überprüfung endete am 20.02.2018. Die für das gegenständliche Überprüfungsverfahren (weitere vier Wochen) geltende Frist daher am 20.03.2018.

Zu 1.2.: Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass der seinerzeitige Schubhaftbescheid nicht in Beschwerde gezogen wurde. Ebenso konnte aufgrund der Aktenlage festgestellt werden, dass sich die wesentlichen Umstände im Rahmen der Schubhaft seit der seinerzeitigen Verhängung der Schubhaft durch Bescheid nicht verändert haben. Die formalen Voraussetzungen für die laufende Schubhaft sind daher unverändert gegeben.

Zu 1.3.: Die Feststellung, dass der BF von der algerischen Botschaft als algerischer Staatsangehöriger identifiziert wurde, ergibt sich aus den Unterlagen im Akt sowie aus der aktuellen Stellungnahme des BFA.

Zu 1.4.: Aus einer Überprüfung der formalen Grundlagen für die Aufrechterhaltung einer Schubhaft ergibt sich, dass der Antrag des BF auf internationalen Schutz mit Bescheid des Bundesasylamtes für

Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl: XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 i. V.m. § 2 Absatz 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.) wurde. Gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Algerien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 Asylgesetz i. V.m. § 9 BFA-VG wurde gegen die Verfahrenspartei eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 festgestellt, dass eine Abschiebung nach Algerien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht festgesetzt (Spruchpunkt IV). Des Weiteren wurde einer Beschwerde gegen die Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V). Diese Entscheidung blieb seitens der Verfahrenspartei unangefochten. Die Entscheidung erwuchs in Rechtskraft und ist durchsetzbar.

Zu 2. Die Feststellungen zum aktuellen Gesundheitszustand und zur Haftfähigkeit ergeben sich aus dem Verfahrensakt und der glaubhaften Aussage des BF in der Einvernahme am 13.03.2018.

Zu 3.1.-3.2.: Die Feststellung zur Identifizierung der Verfahrenspartei als algerischer Staatsangehöriger durch die algerische Botschaft ergibt sich aus dem Akteninhalt. Aus der vorgelegten Stellungnahme seitens des BFA geht hervor, dass die abschließende Identifizierung des BF durch die algerischen Behörden nunmehr positiv abgeschlossen ist und damit die Erlangung eines Heimreisezertifikates und der Abschiebung des BF am XXXX nichts im Wege stehen sollte.

Zu 4.1.: Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben des BF sowie über dessen kaum vorhandene Barmittel und dessen mangelnde Fähigkeit, sich in Österreich selbst zu erhalten, ergeben sich im Wesentlichen aus den unwidersprochen gebliebenen Angaben im Schubhaftbescheid. Des Weiteren ist auf die Angaben des BF im Rahmen der Schubhafteinvernahme vom 13.03.2018 zu verweisen.

Zu 4.2.: Die Feststellung zum mangelnden Kooperationswillen des BF ergibt sich aus dem Verfahrensakt. Hinzu kommt, dass er bereits im Rahmen des Asylverfahrens ein falsches Geburtsdatum angegeben hat und sohin Minderjährigkeit vortäuschen wollte, weshalb davon auszugehen ist, dass dies unter anderem bewusst zur Erschwerung bzw. Vereitelung der Abschiebung nach Algerien geschehen ist. Es ist auch damit zu rechnen, dass der BF in Freiheit belassen - wie schon während seines laufenden Asylverfahrens - untertauchen würde, um die eigene Abschiebung zu vereiteln.

Die Behörde hat daher zu Recht das Bestehen einer erheblichen Fluchtgefahr unterstellt.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A. - Fortsetzungsausspruch:

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der

Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 Gelinderes Mittel lautet:

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

§ 80 FPG lautet:

Dauer der Schubhaft

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrechterhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl.

2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3.

Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Ebenso bei einer Überschreitung von weiteren vier Wochen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung über die gesetzlich vorgesehene Viermonatsfrist hinaus, weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse so zeigt sich, dass er im Bundesgebiet weder über Familienangehörige, noch über sonstige Kontaktpersonen verfügt. Er ist zudem in Österreich weder legal erwerbstätig, noch sozialversichert. Er hat letztendlich gar keine Anknüpfungspunkte zu Österreich und verfügt auch über keinen Wohnsitz im Bundesgebiet. Der BF verfügt kaum über Barmittel und brachte bisher auch keine identitätsbezeugenden Dokumente in Vorlage. Er ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig. Außerdem tauchte er während seines laufenden Asylverfahrens unter, die Ladung zur Altersfeststellung am 23.06.2017 nahm dieser nicht war und war auch sonst für die Behörden nicht greifbar, woraus zu schließen ist, dass der BF nicht zur Kooperation mit den Behörden willig ist. Im Zuge der durchzuführenden Abwägung bleibt daher festzuhalten, dass (wenn überhaupt) lediglich geringe soziale Bindungen des BF zu Österreich entstanden sind und Selbsterhaltungsfähigkeit nicht gegeben war.

Das Verfahren hat in keiner Weise ergeben, dass der BF durch die Inhaftierung einer unzumutbaren (unverhältnismäßigen) Belastung ausgesetzt sein könnte.

Aufgrund der dem Gericht vorgelegten Stellungnahme des BFA lässt sich aus derzeitiger Sicht auch erkennen, dass eine zügige Außerlandesbringung des BF mittlerweile terminisiert wurde. Die Erlangung eines Heimreisezertifikates ist mit der algerischen Botschaft akkordiert, die Abschiebung für XXXX fixiert. Das Gericht geht daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zum Zeitpunkt der Entscheidungserlassung davon aus, dass eine Außerlandesbringung des BF nach heutigem Wissensstand am XXXX auch erfolgen wird.

Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung auch die Voraussetzungen für eine nunmehr über die Vierwochenfrist hinausgehende Schubhaft weiter vorliegen.

Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel nicht zur Anwendung kommen kann. Eine Sicherheitsleistung kommt auf Grund der fehlenden finanziellen Mittel des BF nicht zur Anwendung. Aber auch die konkrete Zuweisung einer Unterkunft und/oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens - insbesondere die Tatsache dass er durch die beharrliche Verweigerung einer Kooperationsbereitschaft mit den Behörden gezeigt hat - nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens des BF besteht. Dies umso mehr, als bereits ein konkreter Abschiebetermin feststeht und der BF in der Vergangenheit auch schon zwei Mal untergetaucht ist.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher nach Ansicht des Gerichtes weiterhin nicht in Betracht.

3.1.4. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine "ultima ratio" dar, da sowohl ein Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten. Aufgrund der vorliegenden Informationen im Gerichtsakt lässt sich aus derzeitiger Sicht erkennen, dass seitens der Behörde stets Bemühungen gesetzt wurden, die Dauer der laufenden Schubhaft zu verkürzen. Es war jedoch durch den notwendigen großen organisatorischen Aufwand dennoch nicht möglich, eine zeitlich früher angesetzte Außerlandesbringung zu bewerkstelligen.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die für ihre Fortsetzung maßgeblichen Voraussetzungen im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebungsnähe, Altersfeststellung, Amtswegigkeit, Fluchtgefahr,
Geburtsdatum, Gutachten, Schubhaft, Sicherungsbedarf, Überprüfung,
Untertauchen, Verhältnismäßigkeit, Verschleierung, Volljährigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W171.2180246.3.00

Zuletzt aktualisiert am

30.03.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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