TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/19 W191 2139666-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.03.2018
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Entscheidungsdatum

19.03.2018

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W191 2139666-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.10.2016, Zahl 1043891001-140111380, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.09.2017 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 und 57 Asylgesetz 2005 sowie §§ 52 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, wurde am 27.10.2014 in der Nähe von Heiligenbrunn (Burgenland) bei der Kontrolle eines Kastenwagens in dessen Laderaum entdeckt. Er stellte anschließend einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

1.2. In seiner Erstbefragung am 28.10.2014 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Paschtu im Wesentlichen Folgendes an:

Er sei am XXXX in Laghman, Afghanistan, geboren. Er sei ledig, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und Moslem. Er habe in Kabul neun Klassen die Grundschule besucht. Im Herkunftsland würden sich noch seine Eltern, vier Brüder und eine Schwester aufhalten.

Er habe Afghanistan vor ca. zweieinhalb Jahren verlassen und sei über den Iran und die Türkei nach Griechenland gelangt, wo er ca. 13 Monate inhaftiert gewesen sei. Anschließend habe er sich noch acht Monate in Athen aufgehalten und sei danach über Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich gereist.

Als Fluchtgrund gab der BF an, dass er ein Mädchen geliebt und dann Probleme mit ihrer Familie gehabt habe. Ihre Brüder hätten ihn gesehen und bedroht, deshalb habe er das Land verlassen.

1.3. Mit Aktenvermerk vom 28.04.2015 wurde die Einstellung des Asylverfahrens gemäß § 24 Abs. 2 AsylG verfügt, da der BF seine bisherige Meldeadresse verlassen habe, ohne sich an einer neuen Adresse anzumelden.

Über Antrag des BF vom 14.07.2015, mit dem dieser seinen nunmehrigen Wohnsitz bekanntgab, wurde sein Asylverfahren wieder fortgesetzt.

1.4. Bei seiner Einvernahme am 29.03.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA), Regionaldirektion Steiermark, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Paschtu, machte der BF Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen und seinen Fluchtgründen.

Bis zu seiner Flucht habe er in der Provinz Laghman, Distrikt Alischang, Dorf XXXX gelebt. Er habe neun Jahre die Schule in Laghman und nicht, wie in der Erstbefragung fälschlich dokumentiert, in Kabul besucht. Im Jahr 1997 sei er mit seiner Familie für fünf Jahre in den Iran gezogen. Er sei nicht erwerbstätig gewesen.

Es würden noch seine Eltern, drei Brüder und eine Schwester in Afghanistan leben, ein Bruder befinde sich im Iran. Die wirtschaftliche und finanzielle Lage seiner Familie sei gut. Sein Vater bewirtschafte Felder, sein ältester Bruder studiere Jus in Jalalabad, ein weiterer Bruder studiere BWL in Jalalabad und arbeite nebenbei als Taxifahrer. Der dritte in Afghanistan aufhältige Bruder sei verschwunden. Seine Schwester sei verheiratet.

Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass er sich in Laghman in ein Mädchen verliebt habe. Er habe zwei Jahre mit ihr geredet und eine Beziehung mit ihr gehabt, dann habe es ihr Vater herausgefunden. Das Mädchen habe ihn angerufen und gewarnt, woraufhin er nach Jalalabad geflüchtet sei. Die Familie des Mädchens sei zu ihm nach Hause gekommen und es habe ein Treffen der Dorfältesten gegeben, bei dem die Familie des Mädchens die Bedingung gestellt habe, dass er entweder den Taliban beitrete und das Mädchen heirate, oder umgebracht werde. Sein Vater habe ihm geraten, dass er den Taliban beitrete und dieses Mädchen heirate; nach ein paar Monaten könne er ja bei den Taliban aussteigen. Er sei dann zurück in sein Heimatdorf gegangen und ungefähr zehn Tage bei den Taliban gewesen. Als sie ihm den Auftrag gegeben hätten, in Jalalabad eine Mine bzw. eine Bombe unter einer Brücke anzubringen, habe er dies nicht ausgeführt und sei zur Polizei gegangen. Die Polizei habe ihn aber verdächtigt, dass er für die Taliban spioniere und ihn drei Tage bei sich behalten. Sein Vater habe dann mit ein paar Dorfältesten betätigt, dass er kein Spion sei, woraufhin er freigelassen worden sei. Sein Vater habe gemeint, dass es im Dorf zu gefährlich sei, woraufhin er erneut nach Jalalabad zu seiner Tante mütterlicherseits gegangen sei. In Jalalabad würden viele Taliban leben, er habe sich dort gar nicht hinausgetraut und auch seine Tante habe gesagt, dass es zu gefährlich sei. Sie sei mittlerweile selbst nach London gezogen. Der BF gab an, dass es zuerst nur das Problem mit einem Mädchen gewesen sei, aber nachdem er bei der Polizei gewesen sei, habe er nun ein Problem mit den Taliban.

1.5. Mit Stellungnahme vom 06.06.2016, eingebracht durch seinen damaligen Vertreter, erstattete der BF weiteres Vorbringen zu seinen persönlichen Verhältnissen und zitierte aus zahlreichen hg. Erkenntnissen zur volatilen Sicherheitslage in Laghman. Zusammengefasst verfüge er in den Großstädten wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif über keine familiären oder sozialen Netzwerke oder Anknüpfungspunkte, weshalb für ihn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative in Frage komme.

1.6. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 31.10.2016 den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 28.10.2014 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung in Spruchpunkt III. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF zwei Wochen [richtig: 14 Tage] ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Der BF habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Afghanistan. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.

Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse glaubwürdig wäre. Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.

Das Vorbringen des BF zu seinen Fluchtgründen sei vage, nicht schlüssig und zum Teil widersprüchlich gewesen. So habe er ständig zwischen mehreren Verfolgungsvarianten variiert und einmal die unerlaubte Beziehung, dann einen nicht ausgeführten Auftrag der Taliban und schließlich die Anzeige bei der Polizei als Verfolgungsgrund ins Treffen geführt.

Subsidiärer Schutz wurde ihm nicht zuerkannt, da im Falle einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes nicht gegeben sei. Selbst wenn er seinen Heimatort nicht erreichen könne, gehe aus den vorhandenen Unterlagen hervor, dass eine Ansiedelung in Kabul, Mazar-e Sharif, Jalalabad und Herat sogar für Personen ohne Beziehung möglich sei.

1.7. Gegen diesen Bescheid brachte der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein. Begründend wurde ausgeführt, dass die von der Behörde ins Treffen geführten Widersprüche zwischen seinen Angaben bei der Erstbefragung und in der niederschriftlichen Einvernahme vor der BFA keine solchen seien, sondern vielmehr Ergänzungen darstellen bzw. auf unterschiedliche Zeitpunkte abstellen würden. Es handle sich um keine verschiedenen Verfolgungsvarianten, sondern um eine einzige, die zusammengehöre, da die Familie des Mädchens Taliban-Sympathisanten gewesen seien. In Afghanistan drohe dem BF die Gefahr einer auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung durch die Taliban und es sei kein hinreichend staatlicher Schutz gegeben. Die Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des BF sei äußerst angespannt, sodass ihm eine Rückkehr dorthin nicht zugemutet werden könne. Es bestehe aber auch keine innerstaatliche Fluchtalternative, da der BF außerhalb seiner engeren Heimatregion über keine familiären oder sozialen Kontakte verfüge, auf die er im Fall einer Neuansiedelung in einer Großstadt zurückgreifen könnte. Der BF verfüge auch über keine Berufsausbildung und habe keine eigenen finanziellen Ressourcen, um sich eine neue Existenz aufzubauen.

Der Akt langte am 14.11.2016 beim BVwG ein.

1.8. Am 26.06.2017 brachte der BF durch seinen jetzigen Vertreter einen Fristsetzungsantrag beim Verwaltungsgerichtshof (in der Folge VwGH) ein und führte aus, dass das BVwG seiner Entscheidungspflicht "seit über einem Monat" nicht nachgekommen sei.

1.9. Mit verfahrensleitender Anordnung vom 17.08.2017, Fr 2017/01/0031-2, stellte der VwGH den Fristsetzungsantrag des BF dem BVwG mit der Aufforderung zu, binnen drei Monaten die Entscheidung zu erlassen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege.

1.10. Das BVwG führte am 11.09.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Paschtu durch, zu der der BF persönlich in Begleitung eines gewillkürten Vertreters erschien. Die belangte Behörde entschuldigte ihr Fernbleiben. Der BF legte Belege zu seiner Integration vor und machte Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen und seinen Fluchtgründen.

Er sei ledig, Paschtune und sunnitischer Moslem. Neben seiner Muttersprache Paschtu spreche er auch Dari, Urdu und etwas Deutsch. Sein Geburtsdatum laute richtig auf den XXXX, bei der Erstbefragung sei dies offenbar falsch aufgenommen worden. Mit vier oder fünf Jahren sei der BF mit seiner Familie im Iran gewesen. Sie hätten sich insgesamt fünf Jahre dort aufgehalten, er habe auch ein Jahr die Schule dort besucht. Anschließend seien sie wieder zurück nach Laghman gegangen. Er habe insgesamt zehn Jahre die Schule in Laghman besucht und sei anschließend zwei Jahre in Kabul in die Schule gegangen, wo er die Matura abgelegt habe.

Der BF telefoniere einmal in zwei Monaten mit seinem Vater und manchmal auch mit anderen Familienangehörigen, insbesondere mit seiner Mutter. Sein viertältester Bruder sei vor ca. vier bis fünf Monaten von den Taliban getötet worden.

In Österreich habe der BF keine Familienangehörigen oder Verwandten. Er besuche seit dem Sommersemester 2017 einen Vorstudienlehrgang an der XXXX und absolviere derzeit einen Deutschkurs. Er habe sich bei der Firma XXXX um Arbeit beworben und verfüge im Fall einer positiven Erledigung über eine Arbeitsplatzzusage als Mechaniker. In seiner Freizeit gehe er regelmäßig ins Fitnesscenter.

Zu seinen Fluchtgründen gab der BF an, dass er bereits in der Einvernahme vor dem BFA alles gesagt habe. Auf Nachfrage führte er aus, in Afghanistan Probleme wegen eines Mädchens gehabt zu haben. Dieses Mädchen sei die Tochter eines Kommandanten der Taliban gewesen und die Brüder des Mädchens seien Taliban-Kämpfer gewesen. Er habe das Mädchen bei einer Hochzeit getroffen und dann am Bazar gesehen. Über seine Cousine habe er ihr ein Nokia-Handy übermittelt, woraufhin sie miteinander telefoniert hätten. Nach ein paar Monaten hätten sie sich bei einem Familientreffen in einem getrennten Gästezimmer etwa 25 bis 30 Minuten getroffen, während seine Cousine vor der Tür gestanden sei und Wache gehalten habe. Danach hätten sie ca. sechs bis sieben Monate weiter telefoniert, bis sie ihre Mutter eines Nachts beim Chatten erwischt habe. Das Mädchen habe ihn von einem anderen Handy angerufen und ihm von dem Vorfall erzählt, woraufhin er in der Nacht nach Jalalabad geflüchtet sei. Am nächsten Tag sei das Mädchen geschlagen worden und habe gestanden, wer ihr das Handy gekauft habe. Ihre Familie sei zu ihm nach Hause gekommen, habe nach ihm gefragt und die Geschichte erzählt. Es sei eine Jirga einberufen worden, in der in seiner Abwesenheit beschlossen worden sei, dass er zuerst mit den Taliban arbeiten müsse, sollte er die Absicht haben, das Mädchen zu heiraten.

Wenn er zurückkehren würde, würde er sofort von den Taliban verfolgt werden. Er könne nicht nach Jalalabad oder Kabul gehen, da Jalalabad ganz in der Nähe von ihrem Gebiet liege. Die Taliban hätten ihre Leute und ihre Spitzel auch in Jalalabad. In Kabul wäre es auch so, dass er jede Minute durch die Taliban in Gefahr wäre.

Zur Nachbringung von Belegen betreffend das Vorbringen des BF ersuchte dessen gewillkürter Vertreter um die Einräumung einer Frist von mehreren Monaten, woraufhin eine Frist von sechs Monaten eingeräumt wurde.

Das erkennende Gericht brachte weitere Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF in das Verfahren ein (aufgelistet unter Punkt 2.) und räumte dem BF die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme dazu ein.

1.11. Mit Schreiben vom 11.10.2017 legte der BF weitere Urkunden zur Integration vor und stellte "zum Beweis der Glaubwürdigkeit seines Fluchtvorbringens, insbesondere der Flucht vor den Taliban" den Antrag, seine in Großbritannien lebende Tante als Zeugin zu laden. Dem Antrag beigelegt war - ohne Übersetzung oder nähere Erklärung seines Inhalts - ein Schreiben seiner Tante in Fremdsprache.

Das BVwG veranlasste daraufhin die Übersetzung des Schreibens, die - nach einem Übermittlungsfehler - letztlich am 03.11.2017 einlangte.

In dem Schreiben behauptet die Tante des BF, dass der BF im Jahre 2012 auf Grund seiner Proleme, die er in Laghman gehabt habe, für drei Nächte zu ihnen nach Hause gekommen sei. In Laghman sei eine Jirga einberufen worden und er sei danach nach Laghman zurückgekehrt. Nach dreizehn oder vierzehn Tagen sei er wieder zu ihnen nach Hause gekommen und dieses Mal 20 Tage in ihrem Haus geblieben, um Afghanistan zu verlassen.

1.12. Am 09.11.2017 richtete das BVwG einen Antrag auf Verlängerung der Frist des § 38 Abs. 4 VwGVG an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH), da dem BF auf sein Ersuchen eine Frist von sechs Monaten zur Nachbringung von Belegen bezüglich seines Vorbringens sowie zur Stellungnahme zu den eingebrachten Länderberichten eingeräumt worden sei. Die Fortsetzung der Verhandlung und die Erlassung des Erkenntnisses seien daher innerhalb der dreimonatigen Frist nicht möglich.

Bis zum Ablauf der Frist langten keine weiteren Unterlagen des BF ein.

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 28.10.2014 und der Einvernahme vor dem BFA am 29.03.2016 sowie die Beschwerde vom 08.11.2016

* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (offenbar Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Aktenseiten 135 bis 170)

* Einvernahme des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 11.09.2017

* Einsicht in folgende in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom BVwG in das Verfahren eingebrachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF:

o Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, zuletzt aktualisiert am 25.09.2017, über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat

o Begleitbrief mit deutscher Zusammenfassung der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender vom April 2016 sowie Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Innern vom Dezember 2016

o Artikel in Asylmagazin 3/2017 "Überleben in Afghanistan? Zur humanitären Lage von Rückkehrenden und ihren Chancen auf familiäre Unterstützung" von Friederike Stahlmann

o Auszug aus einem Gutachten des Ländersachverständigen für Afghanistan Dr. Sarajuddin Rasuly in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 13.06.2012 im Verfahren C15 410.319-1/2009

o Gutachten zum Thema Blutrache und Ehrenmord in Afghanistan von Mag. Zerka Malyar vom 27.07.2009 vor dem Asylgerichtshof, zitiert vom BVwG im Erkenntnis vom 21.01.2016, Zahl W174 1436214-1

o Artikel der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Schnellrecherche vom 07.06.2017 zu Afghanistan: Blutrache und Blutfehde)

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Folgende Feststellungen werden aufgrund des glaubhaft gemacht Sachverhaltes getroffen:

3.1. Zur Person des BF:

3.1.1. Der BF führt den Namen XXXX, geboren am XXXX, ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Paschtu, er spricht darüber hinaus auch Dari, Urdu und etwas Deutsch.

3.1.2. Der BF ist ledig und hat keine Kinder.

3.1.3. Der BF wurde in der Provinz Laghman, Distrikt Alischang, Dorf Chaparhar, in Afghanistan geboren. Er zog im Jahr 1997 mit seiner Familie für fünf Jahre in den Iran, wo er ein Jahr die Schule besuchte. Anschließend kehrte die Familie in die Provinz Laghman zurück, wo der BF zehn Jahre die Schule besuchte. Danach besuchte der BF zwei Jahre die Schule in der Stadt Kabul und absolvierte dort die Matura.

3.1.4. Der BF hatte im Herkunftsstaat keine finanziellen Probleme. Die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Familie ist gut, sie verfügt über landwirtschaftlich genutzte Felder in der Provinz Laghman, die von seinem Vater bewirtschaftet werden.

3.1.5. Die Familie des BF hält sich weiterhin in seinem Heimatdort auf und der BF ist regelmäßig mit ihnen in Kontakt. Sein ältester Bruder studiert Rechtswissenschaften in Jalalabad, ein weiterer Bruder studiert Betriebswirtschaftslehre in Jalalabad und arbeitet nebenbei als Taxifahrer.

3.1.6. Der BF ist gesund, im erwerbsfähigen Alter und verfügt über jahrelange Schulbildung sowie die Matura. Aufgrund seines Schulbesuchs in der Stadt Kabul ist er mit den dortigen örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten vertraut.

3.1.7. Der BF verließ Afghanistan ca. im Oktober 2012 und stellte am 27.10.2014 in Österreich den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Die Kosten der Reise von ca. 14.000 Euro wurden von seinem Vater übernommen.

3.1.8. Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

3.1.9. Der BF verfügt in Österreich über keine verwandtschaftlichen oder engen sozialen Bindungen. Allfällige freundschaftliche Beziehungen in Österreich sind erst zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem sich der BF seiner unsicheren aufenthaltsrechtlichen Stellung bewusst sein musste.

3.1.10. Der BF besucht in Österreich Deutschkurse, legte aber noch keine Deutschprüfung ab. Er besucht seit dem Sommersemester 2017 einen Vorstudienlehrgang an der TU Graz. Er habe sich bei der Firma XXXX um Arbeit beworben und verfüge im Fall einer positiven Erledigung über eine Arbeitsplatzzusage als Mechaniker. In seiner Freizeit geht er regelmäßig ins Fitnesscenter.

3.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

3.2.1. Es konnte vom BF nicht glaubhaft vermittelt werden, dass er in seinem Herkunftsstaat - etwa durch die behauptete Verfolgung durch die Taliban - einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt war.

3.2.2. Der BF wurde nach eigenen Angaben in seinem Herkunftsstaat für drei Tage inhaftiert, ist nicht vorbestraft und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme. Der BF war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an.

3.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:

3.3.1 Es konnte vom BF nicht glaubhaft vermittelt werden, dass er im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen - etwa durch die Taliban - ausgesetzt wäre.

3.3.2. Dem BF würde derzeit bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Laghman ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

3.3.3. Der BF hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm im Fall einer Rückkehr in Jalalabad oder alternativ in der Stadt Kabul ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde oder er Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

3.3.4. Der BF ist gesund, im erwerbsfähigen Alter und männlich. Dass sein allgemeiner Gesundheitszustand erheblich beeinträchtigt wäre, hat der BF im Verfahren weder behauptet, noch ist es dem erkennenden Gericht sonst bekannt geworden. Es ist daher anzunehmen, dass der BF im Herkunftsstaat in der Lage sein wird, sich notfalls mit Hilfstätigkeiten ein ausreichendes Auskommen zu sichern und daher nicht in eine hoffnungslose Lage zu kommen, zumal er über langjährige Schulbildung und Matura verfügt. Auch aufgrund seiner familiären Anknüpfungspunkte in Afghanistan - die Familie ist finanziell gut situiert, und in Jalalabad studieren bzw. arbeiten zwei seiner Brüder - ist anzunehmen, dass er nicht in eine existenzgefährdende Situation geraten wird.

3.3.5. Der BF kann Jalalabad über die Stadt Kabul von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.

3.4. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

Aufgrund der in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen:

3.4.1. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, zuletzt aktualisiert am 30.01.2018, Schreibfehler teilweise korrigiert):

Politische Lage:

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.) und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.01.2004).

Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9.2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.01.2017), nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9.2016; vgl. CRS 12.01.2017).

Parlament und Parlamentswahlen:

Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9.2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.01.2017).

Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.04.2016 vgl. auch: CRS 12.01.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 13.04.2016).

Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge zum Teil über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht (AA 9.2016).

Parteien:

Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einigen von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die afghanische Parteienlandschaft ist mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf fehlende strukturelle Elemente (wie z.B. ein Parteienfinanzierungsgesetz) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016).

Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, das von allen Parteien verlangte, sich neu zu registrieren, und zum Ziel hatte, ihre Anzahl zu reduzieren. Anstatt wie zuvor die Unterschrift von 700 Mitgliedern müssen sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen erbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Parteien von mehr als 100 auf 63, trug aber anscheinend nur wenig zur Konsolidierung des Parteiensystems bei (USIP 3.2015).

Unter der neuen Verfassung haben sich seit 2001 zuvor islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine weltanschauliche Organisation oder ein Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind (USIP 3.2015). Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bis hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani verbrachte selbst die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 9.2016).

Friedens- und Versöhnungsprozess:

Im afghanischen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt es weiterhin keine greifbaren Fortschritte. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Die Reintegration versöhnungswilliger Aufständischer bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 9.2016).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG):

Nach zweijährigen Verhandlungen (Die Zeit 22.09.2016) unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.01.2017), das der Hezb-e Islami Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtet sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.09.2016). Einen Tag nach Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen der Hezb-e Islami und der Regierung erklärte erstere in einer Stellungnahme eine Waffenruhe (The Express Tribune 30.09.2016). Das Abkommen beinhaltet unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.01.2017). Sobald internationale Sanktionen aufgehoben sind, wird von Hekmatyar erwartet, nach 20 Jahren aus dem Exil nach Afghanistan zurückkehren. Im Jahr 2003 war Hekmatyar von den USA zum "internationalen Terroristen" erklärt worden (NYT 29.09.2016). Schlussendlich wurden im Februar 2017 die Sanktionen gegen Hekmatyar von den Vereinten Nationen aufgehoben (BBC News 04.02.2017).

Sicherheitslage:

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.01.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint Einzelberichten zufolge auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.02.2017).

INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).

Mit Stand September 2016 schätzt die Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.01.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 05.01.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: Intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen den Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.08. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Kontrolle von Distrikten und Regionen:

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im dritten Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.01.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal an: Zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit fünf von sechs Distrikten und Helmand mit acht von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.01.2017).

Rebellengruppen:

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin, durch Bedrohungen, Entführungen und gezielte Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistische Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihre Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Taliban und ihre Offensive:

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstützte Regierung zu vertreiben (Reuters 12.04.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD 12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitige Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. Hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand wie einst Mansour (Reuters 27.01.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.05.2016; vgl. auch: The National 13.01.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.05.2016; vgl. auch:

The National 13.01.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.01.2017), und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.05.2016).

Haqqani-Netzwerk:

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.01.2017).

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban - dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.05.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.01.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul -,Operationen durchzuführen; es finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus - wahrscheinlich, um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.01.2017).

Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit, eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.01.2017).

Al-Qaida:

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.01.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Camp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.01.2017; vgl. auch: FP 02.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 02.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.01.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzentrierte und nicht, wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.04.2016).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG):

Siehe oben unter "Friedens- und Versöhnungsprozess".

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat:

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 03.11.2016).

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 03.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen, die Gruppe wird von den Ansäßigen jedoch großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansäßigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verlusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.10.2017).

Unterstützt von internationalen Militärkräften führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.01.2017).

Drogenanbau und Gegenmaßnahmen:

Einkünfte aus dem Drogenschmuggel versorgen auch weiterhin den Aufstand und kriminelle Netzwerke (USDOD 12.2016). Laut einem Bericht des afghanischen Drogenbekämpfungsministeriums vergrößerte sich die Anbaufläche für Opium um 10% im Jahr 2016 auf etwa 201.000 Hektar. Speziell in Nordafghanistan und in der Provinz Badghis verstärkte sich der Anbau: Blaumohn wächst in 21 der 34 Provinzen im Vergleich zum Jahr 2015, wo nur 20 Provinzen betroffen waren. Seit dem Jahr 2008 wurde zum ersten Mal von Opiumanbau in der Provinz Jawzjan berichtet. Helmand bleibt mit 80.273 Hektar (40%) auch weiterhin Hauptanbauprovinz, gefolgt von Badghis, Kandahar und der Provinz Uruzgan. Die potenzielle Opiumproduktion im Jahr 2016 macht insgesamt 4.800 Tonnen aus - eine Steigerung von 43% (3.300 Tonnen) im Gegensatz zum Jahr 2015. Die hohe Produktionsrate kann einer Steigerung des Opiumertrags pro Hektar und eingeschränkten Beseitigungsbemühungen aufgrund von finanziellen und sicherheitsrelevanten Ressourcen zugeschrieben werden. Hauptsächlich erhöhten sich die Erträge aufgrund von vorteilhaften Bedingungen, wie z.B. des Wetters und nicht vorhandener Pflanzenkrankheiten (UN GASC 17.12.2016).

Zivile Opfer:

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 01.01. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation war weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED) und gezielten und willkürlichen Tötungen (UNAMA 06.02.2017).

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 06.02.2017).

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivile Opfer (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffen auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte) sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 06.02.2017).

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfe zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% zivile Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 06.02.2017).

Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen und der US-Streitkräfte:

Die Taliban greifen weiterhin Mitarbeiter/innen lokaler Hilfsorganisationen und internationaler Organisationen an - nichtsdestotrotz sind der Ruf der Organisationen innerhalb der Gemeinschaft und deren politischer Einfluss ausschlaggebend, ob ihre Mitarbeiter/innen Problemen ausgesetzt sein werden. Dieser Quelle zufolge sind Mitarbeiter/innen von NGOs Einschüchterungen der Taliban ausgesetzt. Einer anderen Quelle zufolge kam es im Jahr 2015 nur selten zu Vorfällen, in denen NGOs direkt angegriffen wurden (IRBC 22.02.2016). Angriffe auf Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen wurden in den letzten Jahren registriert; unter anderem wurden im Februar 2017 sechs Mitarbeiter/innen des Internationalen Roten Kreuzes in der Provinz Jawzjan von Aufständischen angegriffen und getötet (BBC News 09.02.2017); im April 2015 wurden fünf Mitarbeiter/innen von "Save the Children" in der Provinz Uruzgan entführt und getötet (The Guardian 11.04.2015).

Die norwegische COI-Einheit Landinfo berichtet im September 2015, dass zuverlässige Berichte über konfliktbezogene Gewalt gegen Afghanen im aktiven Dienst für internationale Organisationen vorliegen. Andererseits konnte nur eine eingeschränkte Berichtslage bezüglich konfliktbezogener Gewalt gegen ehemalige Übersetzer, Informanten oder andere Gruppen lokaler Angestellter ziviler oder militärischer Organisationen festgestellt werden (Landinfo 09.09.2015). Ferner werden reine Übersetzerdienste, die auch geheime Dokumente umfassen, meist von US-Staatsbürgern mit lokalen Wurzeln durchgeführt, da diese eine Sicherheitszertifizierung benötigen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Grundsätzlich sind Anfeindungen gegen afghanische Angestellte der US-Streitkräfte üblich, da diese im Vergleich zu ihren Mitbürger/innen verhältnismäßig viel verdienen. Im Allgemeinen hält sich das aber in Grenzen, da der wirtschaftliche Nutzen für die gesamte Region zu wichtig ist. Tätliche Übergriffe kommen vor, sind aber nicht nur auf ein Arbeitsverhältnis bei den internationalen Truppen zurückzuführen. Des Weiteren bekommen afghanische Angestellte bei den internationalen Streitkräften Uniformen oder Dienstbekleidung, Verpflegung und Zugang zu medizinischer Versorgung nach westlichem Standard. Es handelt sich somit meist um Missgunst. Das Argument der Gefahr im Beruf für lokale Dolmetscher wurde von den US-Streitkräften im Bereich der SOF (Special Operation Forces), die sehr sensible Aufgaben durchführen, dadurch behoben, dass diesen Mitarbeitern nach einer gewissen Zeit die Mitnahme in die USA angeboten wurde. Dieses Vorgehen wurde von einer militärischen Quelle aus Deutschland bestätigt (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

Distrikt Kabul Gewalt gegen Einzelpersonen-21

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe-18

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen-50

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften-31

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt-28

Andere Vorfälle-3

Insgesamt-151

(EASO 11.2016)

Im Zeitraum 01.09.2015 - 31.05.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Provinz Kabul

Gewalt gegen Einzelpersonen-5

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe-89

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen-30

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften-36

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt-1

Andere Vorfälle-0

Insgesamt-161

(EASO 11.2016)

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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