TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/19 W163 1409999-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.03.2018
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Entscheidungsdatum

19.03.2018

Norm

AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W163 1409999-2/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Daniel Leitner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Nepal, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.10.2016, Zahl XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.09.2017 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheids wird stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

XXXX wird gemäß § 55 Abs. 1 und § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

II. Die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides werden gemäß § 28 Abs 2 VwGVG ersatzlos behoben.

III. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.1. Verfahrensgang

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) hat nach unrechtmäßiger und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet erstmals am 14.10.2005 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Grenzpolizeiinspektion XXXX (im Folgenden: GPI) unter der behaupteten Identität "XXXX" einen Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 gestellt (AIS Zl. 05 17.233).

1.2. Mit Aktenvermerk des Bundesasylamtes vom 28.11.2006 zu Zl. 05

17.233 wurde das Asylverfahren wegen Abwesenheit und unbekannten Aufenthalts des BF gemäß § 24 AsylG 2005 eingestellt.

1.3. Am 16.04.2009 hat der BF im Stande der Schubhaft im Polizeianhaltezentrum des Stadtpolizeikommandos XXXX (im Folgenden: PAZ) unter der behaupteten Identität "XXXX" einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, gestellt.

Am 17.04.2009 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes des PAZ die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt.

In weiterer Folge wurde der Bf. am 08.07.2009 vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Wien (im Folgenden: BAW), im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Im Zuge dieser Einvernahme gab der BF seine Identität mit "XXXX, geb. XXXX" an.

1.4. Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 29.10.2009, Zl. XXXX, zugestellt am 05.11.2009, den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nepal abgewiesen (Spruchpunkt II.) und den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nepal ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

1.5. Gegen den gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes gerichtet Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 01.02.2011, Zl. C9 XXXX, gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1 und 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

2.1. Der BF wurde am 01.04.2011 vor der BPD Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, niederschriftlich einvernommen und von ihm ein Formularantrag zur Ausstellung eines nepalesischen Reisepasses/Ersatzreisedokuments ausgefüllt.

2.2. In weiterer Folge wurde bei der nepalesischen Botschaft in Berlin am 09.04.2011, 21.06.2011, 15.09.2011, 07.03.2012 und 19.07.2012, die Ausstellung eines Heimreisezertifikats beantragt bzw. urgiert.

3. Der BF wurde am 18.04.2012, 21.04.2012, 21.11.2012, 21.02.2013, 25.02.2013 und 30.04.2013 jeweils wegen rechtswidrigen Aufenthalts gem. § 120 Abs. 1a FPG angezeigt.

4.1. Der BF stellte am 14.08.2014 den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gem. § 55 Abs. 1 AsylG. Mit Schriftsatz seines rechtsfreundlichen Vertreters vom gleich Tag wurde ein Vorbringen zur Lebenssituation des BF erstattet und ein Sprachzertifikat A.2. des Österreichischen Integrationsfonds vom 31.05.2013 vorgelegt. Zudem wurden ein Konvolut von Abrechnungen der Zustellhonorare für die Tätigkeit des BF als Zeitungszusteller sowie ein Gebietsbetreuungsvertrag, ein Mietvertrag und ein Unterstützungsschreiben übermittelt.

4.2. Der BF wurde mit Schreiben vom 08.10.2014 des BFA zur Vorlage eines Reisepasses bzw. von Identitätsdokumenten aufgefordert. Hiezu wurde am 24.10.2014 ein Fristerstreckungsantrag gestellt.

Mit Schriftsatz vom 30.10.2014 wurde die Kopie einer Übersetzung von Nepali ins Englische mit dem Titel "Bestätigung des Geburtsdatums" vorgelegt, dazu eine entsprechende Übersetzung in die deutsche Sprache.

Unter einem wurde bezüglich der Nichtvorlage eines gültigen Reisedokuments ein Heilungsantrag gem. § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV gestellt.

4.3. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 11.03.2015 wurden dem BF das Ermittlungsergebnis des BFA sowie Länderberichte zur Kenntnis übermittelt, zugleich wurde die beabsichtigte Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mitgeteilt. Dazu nahm der BF mit Schriftsatz vom 30.03.2015 Stellung.

4.4. Mit Schreiben der nepalesischen Botschaft in Berlin vom 05.08.2015 wurde u.a. die Notwendigkeit der Vorlage von Dokumenten (mit Lichtbild) zu Identifikation von Personen als nepalesische Staatsangehörige und zur Ausstellung von Reisedokumenten mitgeteilt.

4.5. Der BF wurde am 09.03.2016 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei machte er Angaben zu seiner Lebenssituation und legte eine Kopie seines Staatsbürgerschaftsnachweises vor, wobei er angab, dass sich das Original dieses Dokuments derzeit in Nepal befinde, da seine Kinder es zur Verwandtschaftsprüfung brauchen würden. Sodann gab er an, den Staatsbürgerschaftsnachweis im Asylverfahren vorgelegt zu haben. Nach Vorhalt, dass er in beiden Asylverfahren einen solchen nicht vorgelegt habe, gab der BF mehrmals an, dass er es nie verstanden habe, dass er alle Dokumente vorlegen solle.

4.6. Mit Stellungnahme vom 01.04.2016 wurde auf eine künftige Beschäftigungsmöglichkeit des BF hingewiesen und ein entsprechender Arbeitsvorvertrag vorgelegt, zudem wurde auf Vereinsmitgliedschaften des BF hingewiesen.

4.7. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 13.07.2016 wurden dem BF das Ermittlungsergebnis des BFA sowie Länderberichte zur Kenntnis übermittelt, zugleich wurde die beabsichtigte Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (sowie die beabsichtigte Abweisung eines - nicht verfahrensgegenständlichen - Antrags auf Duldung gem. § 46a Abs.1 FPG) mitgeteilt. Dazu nahm der BF mit Schriftsatz vom 27.07.2016 Stellung.

4.8. Am 03.08.2016 wurde neuerlich die Ausstellung eines Heimreisezertifikats für den BF bei der nepalesischen Botschaft in Berlin beantragt, wobei in der Anlage (Kopien der) "Geburtsurkunde" und "ID-Card" übermittelt wurden.

4.9. Das BFA hat mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid, zugestellt am 10.10.2016, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gem. § 55 AsylG abgewiesen und dem BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 nicht erteilt. Gem. § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 3 FPG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.). Der Antrag auf Heilung eines Mangels nach § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG-DV wurde gem. § 4 Abs. 1 Z 2 und 3 leg.cit. abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gem. § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gem. § 46 FPG nach Nepal zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gem. § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.). Gem. § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

4.10. Gegen den oben genannten Bescheid des BFA richtet sich die beim BFA fristgerecht am 21.10.2016 eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG). Es wurde beantragt, der Beschwerde stattzugeben und den Bescheid im angefochtenen Umfang aufzuheben oder abzuändern sowie der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

5. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG am 02.11.2016 vom BFA vorgelegt.

5.1. Mit Beschluss des BVwG vom 03.11.2016, Zl. W163 1409999-2/3Z, wurde der Beschwerde gem. § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

5.2. Mit Schreiben vom 10.08.2017 wurde über die Auflösung des Vollmachtverhältnisses zwischen dem BF und seinem rechtsfreundlichen Vertreter informiert.

5.3. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 05.09.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF und sein Rechtsberater persönlich teilnahmen. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil.

5.4. Am 26.09.2017 wurde ein Konvolut von Unterlagen zum Nachweis einer vorausgegangenen selbstständigen Tätigkeit des BF vorgelegt.

I.2. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (Sachverhalt)

Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:

a) Zur Person der beschwerdeführenden Partei

1. Der BF führt den Namen XXXX, geboren am XXXX. Der BF ist Staatsangehöriger der Demokratischen Bundesrepublik Nepal und stammt aus dem Distrikt XXXX. Er bekennt sich zur buddhistischen Religionsgemeinschaft. Die Muttersprache des BF ist Nepali, er hat auch Kenntnisse der Sprache Hindi.

Der BF ist in Nepal geboren und aufgewachsen und hat dort vor seiner Ausreise eine eigene Landwirtschaft betrieben, mit der er seinen Lebensunterhalt verdiente.

Der BF ist verheiratet, hat aber zu seiner Ehegattin keinen Kontakt mehr. Die Kinder des BF leben in Nepal, er hat zu diesen Kontakt. Der BF unterstützt seine Familie seit über drei Jahren nicht mehr finanziell.

2. Der BF hat seinen Herkunftsstaat Nepal zuletzt Mitte Oktober 2005 mit dem Flugzeug verlassen und ist am 14.10.2005 am Flughafen Wien-Schwechat schlepperunterstützt und unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet eingereist.

Seitdem lebt der BF im österreichischen Bundesgebiet.

Der BF stellte 14.10.2005 einen Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997. Das entsprechende Verfahren wurde vom Bundesasylamt am 28.11.2006 wegen Abwesenheit und unbekannten Aufenthalts des BF eingestellt.

Der Aufenthalt des BF war sodann bis 16.04.2009 nicht bekannt.

Am 16.04.2009 stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005.

Der Antrag wurde mit Bescheid vom 29.10.2009, Zl. 09 04.496-BAW,

bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und

bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und der BF österreichischen Bundesgebiet nach Nepal ausgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 01.02.2011 als unbegründet abgewiesen.

Der BF verblieb nach der Ausweisungsentscheidung im österreichischen Bundesgebiet.

4. Der BF hat gute Deutschkenntnisse. Für das Sprachkompetenzniveau A.2. hat er am 31.05.2013 ein Sprachzertifikat des Österreichischen Integrationsfonds erlangt.

Der BF hat in Österreich keine Familienangehörigen oder Verwandte.

Der BF war bis zum November 2014 als Zeitungs-/Werbemittelzusteller auf Werkvertragsbasis tätig und verdiente damit zuletzt monatlich rund 1000,- Euro.

Der BF arbeitet derzeit als Zeitungszusteller, indem er einem Freund hilft und verdient damit seinen Lebensunterhalt in Österreich. Er hat eine Einstellungszusage (einen Arbeitsvorvertrag) eines Restaurants für den Fall, dass er einen rechtmäßigen Zugang zum Arbeitsmarkt bekommt.

Der BF ist Mitglied in einem Sportverein mit internationalen Mitgliedern und einer nepalesischen Kulturvereinigung sowie bei einem Verein der im Ausland lebenden Nepalesen, in diesen Vereinen ist er auch aktiv.

5. Der BF hat mit der nepalesischen Botschaft in Berlin bislang keinen Kontakt aufgenommen. Er hatte nicht die Absicht, nach der Ausweisungsentscheidung nach Nepal zurückzukehren.

Der BFA legte in der Einvernahme vor dem BFA am 09.03.2016 eine Kopie seines Staatsbürgerschaftsnachweises vor und ließ sich auf nach entsprechender Aufforderung zur Vorlage des Originals dieses Dokuments seinen Staatsbürgerschaftsnachweis aus Nepal schicken. Er legte diesen im Original dem BFA vor, ebenso legte er ihn in der Beschwerdeverhandlung vor.

6. Der BF wurde mehrfach wegen unrechtmäßigen Aufenthalts gem. § 120a FPG angezeigt.

b) Zur Situation im Herkunftsstaat (LIB der Staatendokumentation zum Stand 21.06.2017):

1. Politische Lage

Nepal hat ca. 147.181 km² Fläche und ca. 30,4 Mio. Einwohner. Die Hauptlandessprache ist Nepalesisch (AA 3.2017a). Regierungsform ist eine parlamentarische Mehrparteien-Demokratie, die nach dem zehnjährigen Bürgerkrieg (1996-2006) entstand. Staatsoberhaupt ist seit 28.10.2015 die Präsidentin Bidya Devi Bhandari (AA 3.2017a; vgl. AA 3.2017b). Nepals Parlament wählte Sher Bahadur Deuba im Juni 2017 zum neuen Ministerpräsidenten Nepals. Der 70-Jährige wurde somit zum vierten Mal Regierungschef des Landes. Deubas Vorgänger, Pushpa Kamal Dahal, war knapp zwei Wochen zuvor nach zehn Monaten im Amt zurückgetreten. Verschiebungen wie diese sind in der nepalesischen Politik keine Seltenheit. Seit dem Ende des Bürgerkriegs im Jahr 2006 wird Nepal von oft sehr kleinteiligen Koalitionsregierungen geführt, was zu häufigen Personalwechseln auch auf Ministerebene führt (DS 6.6.2017).

Nepal war 240 Jahre lang ein hinduistisches Königreich. Im Februar 1996 wurde der Kampf der maoistischen Rebellenbewegung unter Führung der United Communist Party of Nepal - Maoist (UCPN-M) gegen das bestehende politische System mit dem Ziel der Etablierung einer Volksrepublik aufgenommen. Der Konflikt zwischen Sicherheitskräften und Maoisten eskalierte nach 1999 landesweit und forderte im Verlauf von zehn Jahren rund 13.000 Todesopfer auf beiden Seiten. Mehr als

1.200 Menschen gelten noch immer als vermisst. Das 12-Punkte-Friedensabkommen wurde im Jahr 2006 unterschrieben (AA 3.2017b; vgl. GIZ 6.2017).

Die nach dem zehnjährigen Bürgerkrieg, Anfang April 2008 gewählte, erste verfassungsgebende Versammlung erklärte in ihrer konstituierenden Sitzung Nepal zur Demokratischen Bundesrepublik. Die zweite verfassungsgebende Versammlung wurde in allgemeinen Wahlen am 19.11.2013 gewählt. Nach der Interimsverfassung vom 15.1.2007 war der Präsident Staatsoberhaupt. Die Exekutive lag beim Premierminister und der Regierung. Die endgültige Staatsform, Regierungs- und Wahlsystem sowie die künftige föderale Gliederung (sieben Provinzen) regelt die neue Verfassung, die am 16.9.2015 durch die verfassungsgebende Versammlung verabschiedet und am 20.9.2015 verkündet wurde. Aus den vorausgegangenen Wahlen am 19.11.2013 waren die vormaligen Oppositionsparteien, Nepali Congress (NC) und die Communist Party of Nepal-United Marxist Leninist (CPN-UML), mit 196 bzw. 175 Sitzen als deutliche Sieger hervorgegangen. Herbe Verluste hingegen musste die vorherige Regierungspartei United Communist Party of Nepal - Maoist (UCPN-M) hinnehmen. Sie konnte, ehemals stärkste Fraktion in der verfassungsgebenden Versammlung, lediglich noch 80 Sitze erringen. Einen Achtungserfolg erzielte die royalistische Rastriya Prajatantra Party - Nepal (RPP-N) mit 24 Sitzen an vierter Stelle. Insgesamt 100 Mandate entfallen auf kleine und kleinste Parteien. Insgesamt konkurrierten 134 politische Parteien bzw. 6.000 Kandidaten um 575 Sitze, die im Verhältnis 40 zu 56 nach Mehrheits- und Verhältniswahlrecht in den 240 Wahlkreisen vergeben wurden. Hinzu kommen 26 vom Präsidenten zu ernennende Mitglieder. Ihr Mandat beträgt fünf Jahre (AA 3.2017b; vgl. LIP 6.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Nepal, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Nepal_node.html, Zugriff 21.6.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (3.2017b): Nepal - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nepal/Innenpolitik_node.html, Zugriff 21.6.2017

-

DS - Der Standard (6.6.2017): Deuba wird zum vierten Mal Ministerpräsident Nepals,

https://derstandard.at/2000058826478/Deuba-wird-zum-vierten-Mal-Ministerpraesident-Nepals, Zugriff 21.6.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2017): Nepal - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/nepal/geschichte-staat/, Zugriff 21.6.2017

2. Sicherheitslage

Nepal befindet sich in einer politischen Übergangsphase. Seit Inkrafttreten der Verfassung am 20.9.2015 haben sich die politischen Spannungen erhöht, da sie nicht von allen politischen Parteien und Gesellschaftsgruppen akzeptiert wird. Zwischen Herbst 2015 und Frühjahr 2016 führten zahlreiche Proteste und Generalstreiks auf nationaler, regionaler und Distrikt-Ebene zu mehrmonatigen Versorgungsengpässen; vor allem die Treibstoffversorgung war stark eingeschränkt. Erneute Ereignisse dieser Art sind jederzeit möglich. Im ganzen Land, einschließlich Kathmandu, werden sporadisch Anschläge mit kleineren Sprengsätzen verübt. Sie haben vereinzelte Todesopfer und Verletzte sowie Sachschaden verursacht (EDA 1.6.2017).

Großflächig angelegte Generalstreiks und auch gewalttätige Protestaktionen sind nicht auszuschließen. Im Terai und anderen Gebieten, selbst in Kathmandu, waren in der Vergangenheit vereinzelt auch Fahrzeuge von Diplomaten und internationalen Organisationen Ziel von Angriffen. Auf Grund der politischen Instabilität und der Unzuverlässigkeit des Rechtssystems ist eine steigende Gewaltbereitschaft und Kriminalität im ganzen Land feststellbar. Kriminelle Organisationen und andere Gruppierungen erpressen in vielen Landesteilen nationale und internationale Organisationen, Geschäftsleute und Einzelpersonen und setzen Forderungen teilweise mit Gewalt durch (AA 17.5.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (17.5.2017): Nepal - Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/NepalSicherheit_node.html, Zugriff 21.6.2017

-

EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (1.6.2017): Reishinweise für Nepal, https://www.eda.admin.ch/content/eda/de/home/laender-reise-information/nepal/reisehinweise-nepal.html, Zugriff 21.6.2017

2.1. Regionale Problemzone Terai

Politische und ethnische Spannungen sind im Terai und in den östlichen Hügelgebieten ausgeprägter als in anderen Teilen des Landes. Es besteht deshalb ein höheres Risiko von lokalen Unruhen, Blockaden und Streiks (Bandhs), besonders in Siraha, Sarlahi, Dhanusha, Bara, Kailali, Dang und Kapilbastu, sowie in den östlichen Hügeldistrikten inklusive Jhapa (EDA 1.6.2017; vgl. AA 17.5.2017; BMEIA 5.4.2017).

Am 8. August 2015 einigten sich vier der wichtigsten Parteien darauf, Nepal in der neuen Verfassung als föderale Republik zu definieren und in sieben föderal verwaltete Bundesstaaten aufzuteilen. Ethnische Gruppen im Süden und mittleren Westen von Nepal protestierten gegen die neue Struktur, die ihnen ihrer Meinung nach die politische Repräsentanz verweigerte. In der Folge kam es zu gewalttätigen Protesten in der Terai-Region. Die Sicherheitskräfte wendeten bei mehreren Zusammenstößen mit Protestierenden exzessive, unverhältnismäßige oder unnötige Gewalt an. Bis Oktober 2015 waren mindestens 47 Zivilpersonen und zehn Polizeiangehörige bei diesen Auseinandersetzungen ums Leben gekommen (AI 24.2.2016). Von Ende August 2015 bis zum Frühjahr 2016 forderten Unruhen im westlichen Terai mehrere Todesopfer und Verletzte und es wurde eine Ausgangssperre verhängt (EDA 1.6.2017; vgl. AA 17.5.2017; BMEIA 5.4.2017).

Am 6. März 2017 kam es im Distrikt Saptari (östliches Terai) zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten der United Democratic Madhesi Front (UDMF) und Sicherheitskräften, die mehrere Todesopfer und zahlreiche Verletzte forderten (AA 17.5.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (17.5.2017): Nepal - Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/NepalSicherheit_node.html, Zugriff 21.6.2017

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/319778/466805_de.html, Zugriff 21.6.2017

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (5.4.2017): Reiseinformation - Nepal, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/nepal/, Zugriff 21.6.2017

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EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (1.6.2017): Reishinweise für Nepal, https://www.eda.admin.ch/content/eda/de/home/laender-reise-information/nepal/reisehinweise-nepal.html, Zugriff 21.6.2017

3. Rechtsschutz/Justizwesen

Die Gerichtsbarkeit ist formell unabhängig und gemäß internationalen Maßstäben des Rechtsdenkens ausgerichtet, das Justizwesen ist jedoch anfällig für politischen Druck, Bestechung und Drohungen. Das Gerichtswesen ist dreistufig: an der Spitze steht der Oberste Gerichtshof, darunter rangieren die Appellations- und die Distriktgerichte. Der Oberste Gerichtshof ist für die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zuständig. Die Behörden setzen Gerichtsbeschlüsse, einschließlich Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, nicht konsequent um. Der Respekt für die Einhaltung rechtsstaatlicher Normen und das Vertrauen in die bestehenden Rechtsorgane sind erodiert. Die formelle Justiz ist in Nepal für Konfliktparteien oft kaum erreichbar, unzuverlässig und zu teuer. Die weit verbreitete Korruption der Polizeibehörden und der Staatsverwaltung trägt dazu bei, dass die Bevölkerung kein Vertrauen in die bestehenden Rechtsorgane setzt (GIZ 6.2017; vgl. USDOS 3.3.2017).

Bei der Umsetzung und Mittelausstattung für die beiden Übergangsmechanismen der Justiz, der Wahrheitskommission (Truth and Reconciliation Commission - TRC) und der Untersuchungskommission für erzwungenes Verschwinden von Personen (Commission on the Investigation of Enforced Disappeared Persons - CIEDP), kommt es zu Verzögerungen. Während der Konfliktzeit begangene Verbrechen werden nur ungenügend strafverfolgt (USDOS 3.3.2017).

Am 26. Februar 2015 hob der Oberste Gerichtshof Bestimmungen die im Gesetz zur Einsetzung einer Kommission für Wahrheit und Versöhnung festgeschriebene Empfehlung von Amnestien für völkerrechtswidrige Straftaten, auf. Das Gesetz war im April 2014 von der Verfassunggebenden Versammlung verabschiedet worden. Die Regierung lehnte das Urteil des Obersten Gerichtshofs ab und reichte einen Antrag auf Überprüfung ein. Die Kommission für Wahrheit und Versöhnung und die Kommission zur Untersuchung von Fällen des Verschwindenlassens, die durch das Gesetz von 2014 geschaffen wurden, nahmen trotz der Amnestiebestimmungen ihre Tätigkeit auf und riskierten so die weitere Straffreiheit für Verantwortliche von Völkerrechtsverbrechen, die während des bewaffneten Konflikts begangen worden waren (AI 24.2.2017).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/319778/466805_de.html, Zugriff 21.6.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2017): Nepal - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/nepal/geschichte-staat/, Zugriff 21.6.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Nepal,

https://www.ecoi.net/local_link/337161/479925_de.html, Zugriff 21.6.2017

4. Sicherheitsbehörden

Die Aufgabe der Nepal Police (NP) ist die Durchsetzung von Recht und Ordnung, während die Armed Police Force (APF) für die Terrorismusbekämpfung, für die Gewährleistung der Sicherheit während Ausschreitungen und öffentlichen Unruhen, für die Unterstützung bei Naturkatastrophen und für den Schutz wichtiger Infrastruktur zuständig ist. NP und APF können Fahndungs- und Haftbefehle ohne gerichtliche oder staatsanwaltschaftliche Überprüfung erlassen. Beide Einheiten verfügen, genauso wie die Armee (Nepal Army - NA), über eine Menschenrechtskommission, aber nur die Kommissionen von NP und NA haben eine unabhängige Ermittlungsbefugnis. Alle Sicherheitskräfte erhalten eine Menschenrechtsschulung. Die NP stellt fest, dass die Missbrauchsvorwürfe bezüglich der Zeit des Bürgerkriegs durch die Truth and Reconciliation Commission (TRC) behandelt werden sollten. Die Menschenrechtskommission der NP berichtet zwischen Juli 2015 und Juli 2016 über drei Beschwerden in Zusammenhang mit Folter; und seit August 2016 über weitere zwei Beschwerden in Zusammenhang mit anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung. Wegen der drei Folterfälle wurden zehn Polizeibeamte betraft. In den anderen zwei Fällen wurden zwei Polizisten bestraft. Die NGO Terai Human Rights Defenders Alliance (THRDA) und das Advocacy Forum (AF) berichten jedoch unabhängig voneinander, dass sie seit August 2016 mehrere Beschwerden wegen Polizeigewalt bei den Bezirksgerichten einreichten, die alle noch anhängig sind. AF informiert weiters, dass es keine Beschwerden mehr an die Menschenrechtskommission der NP richtet, da diese auf keine der über 100 Beschwerden, welche AF seit 2010 eingereicht hat, reagierte. Die Polizeikorruption, vor allem bei unterbezahlten niederen Polizeibeamten, und die mangelhafte Bestrafung polizeilichen Missbrauchs bleiben weiterhin Probleme (USDOS 3.3.2017).

Bemühungen, die strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen zu gewährleisten, werden weiterhin dadurch stark untergraben, dass die Polizei die zur Einleitung von Ermittlungen erforderlichen Berichte (First Information Reports) nicht anfertigt, keine Untersuchungen einleitet und gerichtliche Anweisungen nicht befolgt. Dies gilt selbst in Fällen von mutmaßlichen außergerichtlichen Hinrichtungen, Menschenhandel, geschlechtsspezifischer Gewalt sowie von Folter und anderen Misshandlungen (AI 24.2.2017).

Die angeblich unangemessene Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte bei den Protesten zwischen August 2015 und Februar 2016 - besonders in der Region Terai - wird kritisiert und als erhebliches Menschenrechtsproblem betrachtet (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/319778/466805_de.html, Zugriff 21.6.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Nepal,

https://www.ecoi.net/local_link/337161/479925_de.html, Zugriff 21.6.2017

5. Folter und unmenschliche Behandlung

Obwohl sich sowohl die Interimsverfassung von 2007 als auch die Verfassung von 2015 mit dem Thema befassen, wird Folter nicht explizit kriminalisiert und das Gesetz enthält keine klaren Leitlinien zur Bestrafung der Täter. Das Folter-Entschädigungs-Gesetz sieht eine Entschädigung für Folteropfer vor; das Opfer muss eine Beschwerde einbringen und den Fall vor Gericht verfolgen. Die NGO Terai Human Rights Defenders Alliance (THRDA) erklärt, dass Folteropfer wegen der Einschüchterungen durch Sicherheitskräfte und aus Angst vor Repressalien oft zögern, eine offizielle Beschwerde einzureichen. Weiters wurden laut THRDA zahlreiche Folterfälle vom Gericht aufgrund fehlender glaubwürdiger Beweise, insbesondere medizinischer Befunde, zurückgewiesen. In Fällen, in denen die Gerichte dem Opfer einen Schadenersatz zusprachen oder eine Disziplinarmaßnahme gegen die Polizei verordneten, wurden die Urteile nur selten umgesetzt. In den ländlichen Teilen der Terai-Region ist gemäß NGO-Angaben keine Verbesserung bezüglich Polizeigewalt feststellbar. Berichten zufolge wird der Polizei im Distrikt Kailali willkürliche Verhaftung, Folter und andere Misshandlungen bzw. erzwungene Geständnisse im Zusammenhang mit der Tötung von Demonstranten und einem Kind in Tikapur im August 2015 vorgeworfen (USDOS 3.3.2017).

Vor allem während der Untersuchungshaft kommt es nach wie vor zu Fällen von Folter um Geständnisse zu erzwingen und Personen einzuschüchtern. Im September 2016 wurde der Gesetzesentwurf über Folter und grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dem Parlament vorgelegt, aber bis Ende des Jahres nicht verabschiedet. Der Gesetzesentwurf enthält Bestimmungen, die nicht internationalen Menschenrechtsnormen entsprechen (AI 22.2.2017).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Nepal, http://www.ecoi.net/local_link/336579/479257_de.html, Zugriff 21.6.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Nepal,

https://www.ecoi.net/local_link/337161/479925_de.html, Zugriff 21.6.2017

6. Korruption

Obwohl das Gesetz Strafen für Behördenkorruption vorsieht, gibt es weiterhin Berichte, dass korrupte Praktiken ungestraft ausgeübt werden. Es gibt zahlreiche Meldungen über korrupte Handlungen von Regierungsbeamten, politischen Parteien und Parteiorganisationen, also auf allen Regierungsebenen. Korruption und Straflosigkeit stellen auch innerhalb der Polizei weiterhin ein Problem dar, vor allem in den unteren Rängen, (USDOS 3.3.2017).

Nepal liegt im 2016 Corruption Perceptions Index von Transparency

International mit einer Bewertung von 29 (von 100) (0=highly

corrupt, 100=very clean) auf Platz 131 (von 176) (je höher, desto

schlechter). 2015 war das Land mit Bewertung 27 auf Platz 130 (von 167) (TI 2015/2016).

Quellen:

-

TI - Transparency International (2015): Corruption Perceptions Index, http://www.transparency.org/cpi2015, Zugriff 21.6.2017

-

TI - Transparency International (2016): Corruption Perceptions Index,

http://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2016, Zugriff 21.6.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Nepal,

https://www.ecoi.net/local_link/337161/479925_de.html, Zugriff 21.6.2017

7. Wehrdienst und Rekrutierungen

Ein freiwilliger Militärdienst ist im Alter von 18 Jahren möglich, eine Wehrpflicht gibt es nicht (CIA 30.5.2017).

Quellen:

-

CIA - Central Intelligence Agency (30.5.2017): The World Factbook

-

Nepal,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/np.html, Zugriff 21.6.2017

8. Allgemeine Menschenrechtslage

Nach dem verheerenden Erdbeben am 25.4.2015 wurde innerhalb weniger Monate eine neue Verfassung verabschiedet, die im September 2015 in Kraft trat. Sie wies zahlreiche Defizite in Bezug auf den Schutz der Menschenrechte auf und sah eine föderalistische Staatsstruktur vor, die von den ethnischen Gruppen in der Terai-Region abgelehnt wurde. Die Verfassungsänderung folgten gewalttätige Zusammenstöße zwischen Protestierenden und Polizei - besonders in den Gebieten der Terai, und führten von August 2015 bis Februar 2016 zu mehr als 50 Toten. In diesem Zusammenhang wurden den Sicherheitskräften schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Die Vorwürfe von Folter, unnötiger und übermäßiger Gewalt durch die Sicherheitsbeamten wurden jedoch nicht effizient untersucht und die marginalisierten Gruppen zeigen sich weiterhin unzufrieden mit der Verfassungsänderung aufgrund der mangelnden Klauseln gegen Diskriminierung (AI 22.2.2017; vgl. AI 24.2.2017). Im August 2016 genehmigte jedoch die Regierung die Gründung einer unabhängigen Juristischen Kommission, um Menschenrechtsverletzungen während der Unruhen bezüglich der Verfassungsänderung zu untersuchen. Aber seit September wurde die Arbeit noch nicht aufgenommen (USDOS 3.3.2017).

Durch eine ungleiche Verteilung der Katastrophenhilfe nach dem Erdbeben wurden benachteiligte Gruppen diskriminiert; in allen betroffenen Gebieten kam es zu Verzögerungen beim Wiederaufbau. Den zehntausenden vom Erdbeben betroffenen Menschen wurde 2016 weiterhin das Recht auf angemessenes Wohnen und auf andere Menschenrechte verweigert (AI 22.2.2017; vgl. AI 24.2.2017).

Weitere Menschenrechtsprobleme sind die Schikanierung von Medien und die Einschränkung der Presse durch Selbstzensur. Die Regierung begrenzte die Versammlungsfreiheit vor allem in den Gebieten, wo die gewalttätigen Proteste gegen die Verfassungsänderung stattfanden. Die Freiheitsrechte von Flüchtlingen, insbesondere tibetischer Herkunft, wurden teilweise eingeschränkt. Die Staatsbürgerschaftsgesetze und -regelungen sind diskriminierend aufgrund von Geschlecht und somit tragen zur Entstehung von Staatenlosigkeit bei. Früh- und Zwangsehen sowie Vergewaltigung und häusliche Gewalt gegen Frauen, einschließlich Mitgiftmorde, sind nach wie vor ernsthafte Probleme. Es wird weiterhin über Gewalt gegen Kinder, auch in Waisenhäusern, berichtet; die Vorfälle werden jedoch selten gerichtlich verfolgt. Menschenhandel mit Kindern und Erwachsenen zu Zwecken sexueller Ausbeutung kommen häufig vor. Personen mit Behinderung und einige ethnische Minderheiten leiden unter Diskriminierung (USDOS 3.3.2017). Jegliche Diskriminierung auf der Basis der Kastenzugehörigkeit ist von der nepalesischen Verfassung verboten. Trotzdem werden Angehörige "unberührbarer Kasten" (Dalits) vielfach ausgegrenzt (GIZ 6.2017). Die Schikanierung aufgrund von Geschlecht oder Zugehörigkeit zu sexuellen Minderheiten ist nach wie vor verbreitet. Die Arbeitnehmerrechte werden teilweise eingeschränkt. Bei der Bekämpfung von Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft gibt es nur geringe Fortschritte. Trotz Verbots sich diese weiterhin gebräuchlich. Bei der Bekämpfung von Kinderarbeit gibt es moderate Fortschritte (USDOS 3.3.2017).

Die Menschenrechtsorganisationen in Nepal fordern von der Regierung das Schicksal der im Bürgerkrieg verschwundenen, verschleppten und ermordeten Menschen, aufzuklären (GIZ 6.2017). Diesbezüglich wurden bereits die ersten Initiativen ergriffen. Die Untersuchungskommission zum erzwungenen Verschwinden von Personen (Commission of Investigation on Enforced Disappeared Persons - CIEDP), hat eine Gesetzesvorlage erarbeitet, die darauf zielt, Verschwindenlassen unter Strafe zu stellen. Daneben möchte der CIEDP auch solche Fälle untersuchen, in denen die Opfer des erzwungenen Verschwindens auch gefoltert wurden oder anderen Verbrechen ausgesetzt waren. Die o.g. Forderungen wurden jedoch bis jetzt von der Regierung ignoriert. Die Regierung hatte die Kommission gebildet, ohne ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden, das das erzwungene Verschwinden von Personen kriminalisiert, womit sie Vorgaben des Obersten Gerichts ignorierte, den Transitional Justice Act entsprechend zu überarbeiten. Sie sah sich deshalb dem Vorwurf von Zivilgesellschaft, Menschenrechtsorganisationen und internationaler Gemeinschaft ausgesetzt, eine zahnlose Übergangsjustiz etablieren zu wollen, bei der die schweren Verbrechen aus der Konfliktzeit nicht mehr strafrechtlich aufgearbeitet würden. Laut CIEDP dienen die Maßnahmen der Regierung nur dazu, die Erlassung der erforderlichen Gesetze und die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen verzögern zu können (SAB 1.2016; vgl. THT 25.3.2017). Bis Juni 2017 erhielt der CIEDP 3.093 Beschwerden über erzwungenes Verschwinden. Eine weitere Aufsichtsbehörde, die Wahrheits- und Versöhnungskommission (Truth and Reconciliation Commission - TRC) nahm trotz fehlender Ressourcen bereits ihre Arbeit auf; sie ist in sieben Provinzen anwesend und bis Juni 2017 erhielt sie 58.000 Beschwerden bezüglich Menschenrechtsverletzungen vor allem aus der Zeit des Bürgerkriegs. Der Vorsitzende der TRC berichtet, dass Gerechtigkeit für die Opfer von außergerichtlicher Tötung, Verschwindenlassen, Vergewaltigung und Folter, aufgrund der mangelhaften Gesetzeslage nicht gewährleistet werden kann (THT 8.7.2017).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Nepal, http://www.ecoi.net/local_link/336579/479257_de.html, Zugriff 21.6.2017

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/319778/466805_de.html, Zugriff 21.6.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2017): Nepal - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/nepal/geschichte-staat/, Zugriff 21.6.2017

-

SAB - Südasienbüro (1.2016): Nepal: Untersuchungskommission zum erzwungenen Verschwinden von Personen, http://www.suedasienbuero.de/index.php/suedasien-bestellen/99-meldungen/nepal-meldungen/964-1-2016-untersuchungskommission-zum-erzwungenen-verschwinden-von-personen, Zugriff 21.6.2017

-

THT - The Himalaya Times (8.7.2017): Transnational justice bodies await revision of related acts, https://thehimalayantimes.com/kathmandu/transitional-justice-bodies-await-revision-related-acts/, Zugriff 21.6.2017

-

THT - The Himalaya Times (25.3.2017): CIEDP handicapped as legally there's very little it can do,

https://thehimalayantimes.com/nepal/commission-of-investigation-on-enforced-disappeared-persons-handicapped-legally/, Zugriff 21.6.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Nepal,

https://www.ecoi.net/local_link/337161/479925_de.html, Zugriff 21.6.2017

9. Haftbedingungen

Laut Menschenrechtsorganisationen entsprechen die Haftbedingungen nicht internationalen Standards. Nach offiziellen Angaben gab es im August 2016 19.078 Häftlinge verteilt in 74 Gefängnissen, was unter der offiziellen Kapazität von 10.978 liegt. Die NGO Terai Human Rights Defenders Alliance (THRDA) berichtet dennoch, dass Überbelegung ein ernstes Problem ist, jedoch eine gewisse Verbesserung festzustellen ist, da es neue Haftzentren eröffnet wurden. Weiters bemängelt das Büro des Generalstaatsanwalts (OAG) in manchen Haftanstalten das Fehlen von natürlichem Tageslicht, sanitären Einrichtungen, Kücheneinrichtung und Betten. Laut Advocacy Forum (AF) hatten einige Insassen keinen Zugang zu sauberem Wasser und erhielten unzureichendes Essen. Außerdem wurde ein Mangel an Belüftung, Heizung und Bettwäsche festgestellt. Häftlinge in Untersuchungshaft werden generell getrennt von verurteilten Personen untergebracht. Aufgrund des Mangels an Jugendstrafvollzugsanstalten werden jedoch teilweise auch Minderjährige in Einrichtungen für Erwachsene inhaftiert. Kinder dürfen manchmal mit ihren inhaftierten Eltern im Gefängnis bleiben. Nicht alle Haftanstalten verfügen über separate Bereiche für Frauen. Die NGO Child Workers in Nepal berichtet, dass Minderjährige, die in Gefängnissen für Erwachsene untergebracht werden, oft Mobbing durch ältere Insassen ausgesetzt sind, von der Polizei schlecht behandelt und oft gezwungen werden, die Toiletten zu reinigen. Die medizinische Versorgung ist in den Gefängnissen gemäß THRDA und AF unzureichend (USDOS 3.3.2017; vgl. FH 27.1.2016).

Dem Bericht der Nationalen Menschenrechtskommission (NHRC) gibt es Beschwerdemöglichkeiten für Häftlinge nach einem vorgeschriebenen Verfahren. Diese Gelegenheit wird jedoch laut AF von den Insassen aus Angst vor Bedrohung und Einschüchterung nur selten genutzt. Auf Beschwerden, die von NGOs und internationalen Organisationen eingereicht werden, reagieren die Behörden schneller. Es gibt keinen Ombudsmann, um die Beschwerden von Gefangenen zu untersuchen. Es existiert kein institutioneller Mechanismus für die Überwachung der Gefängnisse. Einige unabhängige Menschenrechtsbeobachter, z.B. der UN-Hochkommissar für Menschenrechte und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (ICRC), dürfen Monitoringbesuche in Haftanstalten durchführen. Einigen NGOs wurden der Zugang oder Gespräche mit den Insassen jedoch verwehrt (USDOS 3.3.2017).

Die Regierung verhindert gründliche Untersuchungen bzw. das Ergreifen schwerwiegender Disziplinarmaßnahmen gegen Polizisten, die wegen Brutalität und Folter angeklagt wurden. Der UN-Ausschuss gegen Folter stellte fest, dass Folter von Verdächtigen in Untersuchungshaft weit verbreitet ist. Amnesty International berichtet von Fällen von Folterung von Frauen und Kindern (FH 27.1.2017).

Gemäß dem Folterbericht von AF waren 17,2% der 1.212 befragten Insassen im Jahr 2015 und 16,2% im Jahr 2014, einer körperlichen Misshandlung ausgesetzt. Der gleiche Report weist auf einen leicht erhöhten Anstieg der Folterfälle unter Häftlingen indigener Gruppen hin. Laut der Menschenrechtskommission der Nepal Police (NP) wurde der Großteil der angeblichen Vorfälle nicht offiziell angezeigt oder formell untersucht. Bis August 2016 besuchte die Menschenrechtskommission der NP sieben Haftanstalten in vier Distrikten, und befragte die Häftlinge über die Behand

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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