TE Bvwg Beschluss 2018/3/20 W240 2168304-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.03.2018
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Entscheidungsdatum

20.03.2018

Norm

AsylG 2005 §4a
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W240 2168304-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.12.2017, Zl. 1067864608/150482091, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben

und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, eigenen Angaben zufolge ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 10.05.2015 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz.

Eine EURODAC-Abfrage ergab einen Treffer der Kategorie 1 zu Bulgarien vom 13.12.2013 und zwei Treffer der Kategorie 1 zur Schweiz vom 02.08.2010 und vom 15.07.2014.

Der Beschwerdeführer gab in seiner Erstbefragung am 22.12.2015 an, dass er nicht wisse in welchem Jahr er aus seinem Herkunftsland ausgereist sei. Er sei aber damals zu Fuß in Richtung Türkei gegangen. Er habe sich dann eine Woche dort aufgehalten und sei dann weiter nach Bulgarien gegangen. Dort sei er von der Polizei aufgegriffen worden und habe einen Asylantrag gestellt. Wann das gewesen sei, wisse er nicht. Ihm seien Fingerabdrücke abgenommen worden und nach neun Monaten habe er einen positiven Bescheid bekommen. Bulgarien habe er verlassen, da er keine Unterstützung und bekommen habe und nicht ärztlich versorgt worden sei. Nach neun Monaten habe er Bulgarien Richtung Schweiz verlassen und dort einen Asylantrag gestellt. Von der Schweiz sei er nach Bulgarien zurückgeschoben worden. Anschließend habe er sich einen Monat in Bulgarien aufgehalten, sei dann nach Österreich geflogen und habe hier einen Asylantrag gestellt. Der Beschwerdeführer gab weiters an, dass er seine Dokumente wolle und zurück nach Bulgarien wolle. Familienangehörige habe er in Österreich keine. Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst um sein Leben.

Im Akt befinden sich folgende Dokumente:

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Vorläufiger Ambulanzbrief vom 09.06.2015 mit der Diagnose F23.0 Akute polymorphe psychotische Störung ohne Symptome einer Schizophrenie, dem Medikationsvorschlag Zyprexa Velotab 10 mg (Anm. BVwG: Neuroleptikum) und Dominal forte (Anm. BVwG: Beruhigungsmittel) sowie der Empfehlung "aufgrund des aktuellen Zustandsbildes ist eine fortgesetzte psychiatrisch-fachärztliche Behandlung dringend indiziert.

Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA, RD-Wien am 01.06.2016 gab der Beschwerdeführer im Beisein einer Vertrauensperson an, dass er regelmäßig mit seinen Verwandten in Österreich und der Schweiz telefoniere und regelmäßig von ihnen besucht werde. Er habe wegen der Versicherung in Österreich einen Asylantrag gestellt, da er hier eine ärztliche Behandlung erhalte. Außerdem gefalle ihm das Land. In Bulgarien sei er auf den Kopf geschlagen worden. Es habe dort eine Schlägerei zwischen den Asylwerbern und der Polizei gegeben. Er wisse nicht von wem, aber ihm sei auf dem Kopf geschlagen worden. Seitdem brauche er ärztliche Behandlung. Er habe seinen Heimatstaat wegen des Krieges verlassen. Er sei bedroht worden, aber er könne sich nicht mehr daran erinnern. Er habe in Österreich Verwandte, es gehe ihm besser wenn er hier bleibe. In Bulgarien habe er niemanden. In Bulgarien habe er einen positiven Bescheid erhalten, vor einem oder zwei Jahren, er wisse es nicht. Befragt, was dagegen spreche, nach Bulgarien zurückzugehen, erklärte der Beschwerdeführer, dass er dort geschlagen worden sei und keine ärztliche Behandlung bekommen habe. Aufgrund seiner Psychose könne er sich nicht mehr erinnern, seitdem sei er in ärztlicher Behandlung. Er habe niemanden in Bulgarien, sei krank und wolle nicht zurück.

Sodann wurde die Vertrauensperson aufgefordert den Psychiater des Beschwerdeführers anzurufen und abzuklären, ob der Beschwerdeführer fähig sei die Einvernahme zu absolvieren. Der Psychiater habe telefonisch geantwortet, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich in der Lage sei eine Einvernahme durchzuführen unter der Voraussetzung, dass die Fragen entsprechend seiner Psychose aufbereitet werden. Eine schriftliche Bestätigung wolle der Arzt ohne Gutachten nicht ausstellen.

Befragt, ob er wisse, dass er mit einem Konventionsreisepass herumreisen könne, bejahte dies der Beschwerdeführer. Weiters gab der Beschwerdeführer an, dass er Medikamente gegen seine Psychose nehme und die Fragen und Antworten gut verstehen könne.

Mit Schreiben vom 08.06.2016 langte eine Vollmachtbekanntgabe (keine Zustellvollmacht) ein.

Dem Untersuchungsbericht in Kurzform vom 02.06.2016 und vom 08.04.2016 einer LPD, betreffend des Konventionsreisepasses und der Asylkarte des Beschwerdeführers, beide ausgestellt vom bulgarischen Innenministerium, ist zu entnehmen, dass der fragliche Formularvordruck nach dem derzeitigen Kenntnisstand authentisch sei. Bei der Untersuchung der eingetragenen Daten hätten sich keine Hinweise auf das Vorliegen einer Verfälschung gegeben.

Dem psychiatrisch-neurologischen Gutachten vom 02.07.2016 eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie im Auftrag des BFA, ist zu entnehmen, dass beim Beschwerdeführer ein leichtgradiges depressives Syndrom, das diagnostisch einer Anpassungsstörung mit längerdauernder depressiver Reaktion (ICD-10: F 43.21) oder einer reaktiven Depression zuordenbar sei. Hierbei handle es sich um einen Zustand von subjektiven Leiden und emotionaler Beeinträchtigung, der soziale Funktionen und Leistungen behindern könne während eines Anpassungsprozesses, nach entscheidenden Lebensveränderungen und nach belastenden Lebensereignissen, auftreten könne. Es sei die Symptomatik beim Untersuchten deutlich ausgeprägt, beinhaltet depressive Stimmungslage, Antriebsverminderung, leichtgradige Konzentrationsstörungen und Verminderung der Freudfähigkeit. Hinweise auf das Vorliegen einer Psychose hätten sich zum Untersuchungszeitpunkt nicht gefunden. Betreffend der Verhandlungsfähigkeit sei festzuhalten, dass beim Beschwerdeführer keine psychische Erkrankung in einem Ausmaß fassbar sei, dass dadurch die Verhandlungsfähigkeit beeinträchtigt wäre. Es hätten sich keine psychischen Störungen gefunden, die Gedächtnisstörungen beinhalten. Hinweise für Denkstörungen hätten sich keine gefunden. Aus psychiatrischer Sicht sei der Untersuchte in der Lage an einer Verhandlung teilzunehmen und auch als verhandlungsfähig zu bezeichnen. Aufgrund der fassbaren Konzentrationsstörungen, die im Rahmen der Anpassungsstörung bestehen würden, seien eventuell vermehrte Verhandlungspausen empfehlenswert. Betreffend die Zurechnungsfähigkeit sei festzuhalten, dass die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit die spezifische Beurteilung des Geisteszustandes zu einem spezifischen Tatzeitpunkt beinhalten würde, wobei diesbezüglich aber keine Unterlagen mitgesandt worden seien. Aus psychiatrischer Sicht sei der Beschwerdeführer derzeit als geschäftsfähig anzusehen.

Am 01.03.2017 wurde der Beschwerdeführer einer neuerlichen Einvernahme unterzogen. Dabei gab der Beschwerdeführer an, so Gott will, sich psychisch und physisch in der Lage zu sehen Angaben zu machen. Im Verfahren habe er bisher die Wahrheit gesagt. Er habe zwei Neffen in der Schweiz und einen Cousin väterlicherseits in Österreich. Er lebe mit keiner Person in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Auch stehe er mit niemandem in einem Abhängigkeitsverhältnis. Dem Beschwerdeführer wurde sodann mitgeteilt, dass es beabsichtigt sei, seine Ausweisung aus Österreich nach Bulgarien zu veranlassen. Dazu gab der Beschwerdeführer an, dass er damit kein Problem habe, aber erstens sei er krank und zweitens kümmere man sich dort nicht so um ihn wie hier. Er beziehe dort keine finanzielle Unterstützung; die Unterbringung dort sei nicht so wie hier, des Weiteren sei sein Cousin väterlicherseits hier in Österreich. Auf die Einsichtnahme in die schriftlichen Feststellungen zu Bulgarien verzichte er. Die Lage in Bulgarien sei überhaupt nicht so wie hier, hier sei es viel besser. Da er krank sei und Österreich liebe, würden aufenthaltsbeendende Maßnahmen in sein Familien- und Privatleben eingreifen. Befragt, wie sich sein momentaner Gesundheitszustand darstelle, gab der Beschwerdeführer an, dass er alles vorgelegt habe. Er nehme Medikamente, vermisse seine Familie sehr; er wolle seinen Cousin in der Schweiz unbedingt besuchen. Er als kranker Mensch sehe, dass die Lebensumstände für ihn hier besser geeignet seien. Wenn er letztendlich nach Bulgarien zurückgeschickt werden solle, dann solle dies noch am selben Tag passieren. Er wolle, dass ihm die Wahrheit gesagt werde. Weiters gab der Beschwerdeführer an, dass im Fall, dass er nach Bulgarien geschickt werden würde, er keine Beschwerde einlegen wolle sondern zurück nach Bulgarien gehen wolle. Nachgefragt, ob er sich zurzeit ärztlichen Behandlungen oder Therapien unterziehe, entgegnete der Beschwerdeführer, dass die Behandlung sehr gut sei, es sei aber kein Problem, er werde sich in Bulgarien behandeln lassen. Die Auflistung seiner Medikamente werde dem Akt beigelegt.

Als Beweismittel oder Identitätsbezeugende Dokumente legte der Beschwerdeführer folgende Dokumente vor:

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Wehrdienstbuch

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Kopie des Führerscheins

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Kopie der ID Karte

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Befürwortung eines Wohnheimwechsels vom 09.11.2016, ausgestellt von einem sozialpsychiatrischen Ambulatorium, aus dem ersichtlich ist, dass beim Beschwerdeführer eine paranoide Schizophrenie bzw. katatone Schizophrenie diagnostiziert worden sei. Als Medikation wurden Sertralin 50mg, Olanzapin 10mg, Temesta 1mg, Trittico 75mg ret. und Abilify 15mg verschrieben. Trotz der genannten Medikation zeige der Beschwerdeführer weiterhin deutliche psychotische Symptome, die eine intensive Betreuung bedürfen würden. Aus fachärztlicher Sicht benötige der Patient eine Unterkunft mit einem erhöhten Betreuungsaufwand.

Im Akt liegen weiters zwei Anfragebeantwortung der Staatendokumentation hinsichtlich der psychologischen Betreuung von Asylwerbern und Schutzberechtigten in Bulgarien vom 02.05.2016 und betreffend Zyprexa Velotab, Dominal forte, psychiatrische Betreuung und Übergriffe von Sicherheitskräften in Bulgarien vom 21.02.2017 auf.

Mit dem Bescheid des BFA vom 04.08.2017, IFA: 1067864608/150482091, wurde I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich die beschwerdeführende Partei nach Bulgarien zurückzubegeben habe (Spruchpunkt I). Weiters wurde der beschwerdeführenden Partei ein Aufenthaltstitel als berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt sowie gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG die Außerlandesbringung nach § 61 Abs. 2 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung nach Bulgarien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist (Spruchpunkt II).

Der Bescheid legt in seiner Begründung und den aktuellen Feststellungen insbesondere dar, dass im zuständigen Mitgliedstaat die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich sind und den Grundsätzen des Unionsrechts genügen.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass sich unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen im Verfahren keine Hinweise ergeben hätten, dass der Beschwerdeführer an einer schweren körperlichen Krankheit oder an einer schweren psychischen Störung leide. Aus dem psychiatrisch-neurologischen Gutachten gehe hervor, dass der Beschwerdeführer an keiner Psychose leide. Es sei lediglich festgehalten worden, dass er an Antriebslosigkeit, verminderte Freudfähigkeit und leichtgradige Konzentrationsstörung leide. Bezüglich der Medikamente, welche ihm verschrieben wurden, sei mittels Staatendokumentation eruiert worden, dass ähnliche Medikamente mit dem benötigten Wirkstoff in Bulgarien ebenso erhältlich seien. Hinsichtlich seiner Angaben bezüglich eines harten Vorgehens der bulgarischen Sicherheitsbehörde sei durch die Staatendokumentation erhoben worden, dass keine dokumentierten Vorfälle im angegeben Zeitraum stattgefunden hätten.

Ein Antrag auf internationalen Schutz sei als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der "Status des Asylberechtigten" zuerkannt worden sei und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden habe. Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer in Bulgarien subsidiär schutzberechtigt sei, ergebe sich aus der Vorlage des Konventionsreisepasses.

Der Beschwerdeführer habe in Österreich einen Cousin, eine Abhängigkeit zu diesem habe nicht festgestellt werden können, ein gemeinsamer Haushalt bestehe nicht. In Österreich verfüge der Beschwerdeführer über keine weiteren familiären oder verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte.

Gegen den Bescheid des Bundesamtes richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, die mit einem Antrag auf aufschiebende Wirkung verbunden wurde. In der Beschwerde wurde vorgebracht, dass dem Beschwerdeführer in Bulgarien der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei. Im Mai 2015 sei es zu einer Auseinandersetzung zwischen Asylwerbern und Polizisten in Bulgarien gekommen, in dessen Rahmen der Beschwerdeführer am Kopf verletzt worden sei. Nach diesem Vorfall habe der Beschwerdeführer Bulgarien verlassen, sei nach Österreich gelangt und habe hier einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Es sei in weiterer Folge ein psychiatrisch-neurologisches Gutachten in Auftrag gegeben worden. Laut diesem würde der Beschwerdeführer jedoch - entgegen der Diagnose eines anderen Befundes vom 09.06.2015, in welchem dem Beschwerdeführer eine akute polymorphe psychotische Störung ohne Symptome einer Schizophrenie attestiert worden sei, sowie dem Befund eines Facharztes für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin vom 09.11.2106, in dem bei dem Beschwerdeführer eine paranoide Schizophrenie bzw. katatone Schizophrenie diagnostiziert worden sei - nicht an einer Psychose leiden, er leide lediglich an Antriebslosigkeit, verminderter Freudfähigkeit und leichtgradiger Konzentrationsstörung.

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien unvollständig, teilweise unrichtig sowie veraltert und würden sich nur rudimentär mit der spezifischen Situation des Beschwerdeführers befassen. Es fänden sich keine Feststellungen bezüglich der Frage, ob der Beschwerdeführer nach einer mittlerweile mehr als zweijährigen Abwesenheit nach wie vor über einen zum internationalen Schutz berechtigten Status verfüge, es fänden sich keinerlei Feststellungen zur Frage der Versorgung von Schutzberechtigten, insbesondere im Hinblick auf Bestehen, Ausmaß und Dauer von finanzieller Unterstützung sowie Unterstützung durch andere Sozialleistungen bzw. Unterstützung in den Bereichen Unterkunft, Lebensmittelversorgung, Medikamentenversorgung etc. von Schutzberechtigten generell sowie von Schutzberechtigten, die sich für einen längeren Zeitraum außerhalb Bulgariens aufgehalten hätten und es fänden sich keinerlei Feststellungen bezüglich der Leistbarkeit medizinischer Versorgung, insbesondere hinsichtlich psychologischer und psychiatrischer Behandlungen sowie bezüglich der benötigten Medikamente. Im Hinblick auf die Behandlung des Krankheitsbildes des Beschwerdeführers fänden sich keinerlei Feststellungen. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde seien als Beweismittel vielmehr zur Gänze übergangen worden. Weiters fänden sich keine Feststellungen hinsichtlich der Unterbringung von Personen mit erhöhtem Betreuungsbedarf, was die Feststellungen auch insofern mangelhaft werden lasse, als der Beschwerdeführer in Österreich sehr wohl in einer solchen Unterkunft untergebracht sei.

Anhand eines aktuellen AIDA Country Report sei davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rücküberstellung nach Bulgarien unmenschliche Behandlung drohe. Weiters habe die belangte Behörde ihre Ermittlungspflicht auch dadurch verletzt, dass sie die vom Beschwerdeführer vorgelegten ärztlichen Dokumente nicht ausreichend bezeichnet habe und in der Folge mit keinem einzigen Wort mehr erwähnt habe. Die belangte Behörde habe es weiters unterlassen, fundierte und umfassende Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zu treffen bzw. habe sie zu diesen entscheidungswesentlichen Punkten keine Ermittlungen angestellt.

Die belangte Behörde hätte erkennen müssen, dass dem Beschwerdeführer in Bulgarien eine Verletzung seiner Recht nach Art. 3 EMRK drohe, da er mit großer Wahrscheinlichkeit keinen leistbaren Zugang zur medizinischer Versorgung zur Verfügung habe, keine seinem Krankheitsbild angemessene Betreuung erfahren würde, die momentan regelmäßig eingenommenen Medikamente nicht erhalten könnte bzw. sich diese jedenfalls nicht leisten könnte und dies auch nicht der Sphäre der Eigenverantwortung des Beschwerdeführers zuzurechnen sei, da er aufgrund seines Krankheitsbildes nicht in der Lage sein werde, ohne intensive Betreuung selbsterhaltungsfähig zu sein.

Der Beschwerde beigelegt waren folgende Dokumente:

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Vorläufiger Ambulanzbrief vom 09.06.2015 einer allgemein psychiatrischen Abteilung

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Befürwortung eines Wohnheimwechsels vom 09.11.2016 eines sozialpsychiatrischen Ambulatoriums

Mit Beschluss des BVwG vom 04.09.2017, W232 2168304-1/3Z, wurde der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 04.08.2017, IFA:

1067864608/150482091, gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit Beschluss des BVwG vom 21.09.2017, W232 2168304-1/4E, wurde der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 04.08.2017, IFA:

1067864608/150482091, gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Begründend wurde im Wesentlichen wie folgt ausgeführt:

"(...)

Im vorliegenden Fall sind mehrere (unterschiedliche) medizinische Diagnosen betreffend den psychischen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers aktenkundig.

Obwohl der Beschwerdeführer konkrete und substantiierte Hinweise auf eine schwere psychische Beeinträchtigung dargetan hat, hat es das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verabsäumt, konkrete Feststellungen zum Gesundheitszustand bzw. zum konkreten Krankheitsbild des Beschwerdeführers zu treffen, und seinen tatsächlichen Status im Hinblick auf eine Überstellung nach Bulgarien abzuklären. Die belangte Behörde hat lediglich das in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten herangezogen, ohne die anderen vorgelegten Befunde in die Erwägungen miteinzubeziehen. Aus Sicht des BVwG ist der aktuelle Gesundheitszustand des Beschwerdeführers nicht geklärt, insbesondere im Hinblick auf die unterschiedlichen Diagnosen, wobei angemerkt wird, dass das von der belangten Behörde herangezogene Gutachten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits über ein Jahr alt war.

Sofern das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid festhält, dass im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer eingenommenen Medikamente, ähnliche Medikamente mit dem benötigten Wirkstoff in Bulgarien ebenso erhältlich seien, erscheint dies dem erkennenden Gericht angesichts der Umstände in diesem Fall als nicht ausreichend. Zwar übersieht das erkennende Gericht nicht und ist den diesbezüglichen Feststellungen der Behörde zuzustimmen, dass in Bulgarien eine medizinische Versorgung besteht, doch ist es dem Bundesverwaltungsgericht zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich, aufgrund der vorliegenden Unterlagen zu beurteilen, ob der Beschwerdeführer aktuell überstellungsfähig ist oder ob außergewöhnliche Umstände vorliegen, die bei einer Überstellung zu einer Verletzung gemäß Art. 3 EMRK führen könnten. Zunächst hat das Bundesamt für Fremdenwesen daher den aktuellen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers abzuklären und sich sodann mit der Frage der Überstellungsfähigkeit, bejahendenfalls der Überstellungsmodalitäten des Beschwerdeführers und in weitere Folge mit seiner medizinischen Versorgung in Bulgarien auseinanderzusetzen.

Wie dargelegt ist im gegenständlichen Verfahren der entscheidungsrelevante Sachverhalt gegenwärtig nicht abschließend abgeklärt, weshalb gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG zwingend mit einer Behebung des Bescheides vorzugehen war. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist daher auf die oben angeführten Ermittlungsaufträge zu verweisen, welchen es im fortgesetzten Verfahren nachzukommen haben wird.

(...)"

Am 19.10.2017 fand eine neuerliche Einvernahme des Beschwerdeführers im Beisein einer Vertrauensperson vor dem BFA statt. Dabei gab der Beschwerdeführer an, dass es ihm schlecht gehe. Er besuche verschiedene Ärzte, sei sehr traurig, da viele aus seinem Herkunftsland einen positiven Beschied bekommen würden und er nicht. Es gehe ihm psychisch sehr schlecht. Befragt nach seiner Wohnsituation, gab der Beschwerdeführer an, dass er mit einem Freund in einer österreichischen Hilfsorganisation wohne und er sehr zufrieden mit seiner Unterkunft sei. Die Mitarbeiter dort würden auf ihn schauen und ihn unterstützen. Pflegepersonal gebe es dort keines. Er könne nicht alleine zum Arzt gehen, deshalb werde er von jemandem von dieser Hilfsorganisation begleitet. Nachgefragt, wie oft er einen Arzt besuche, erklärte der Beschwerdeführer, das komme darauf an, wenn es ihm schlecht gehe, dann gehe er zum Arzt. Er gehe jeden zehnten Tag zum Arzt. Darauf hingewiesen, dass ausschließlich veraltete ärztliche Dokumente vorgelegt worden seien, kündigte der Beschwerdeführer an, aktuelle Dokumente vorzulegen. Er nehme keine neuen Medikamente, sondern noch immer die gleichen wie im letzten Jahr. Befragt, ob er in der Lage sei ohne Betreuung spazieren zu gehen, entgegnete der Beschwerdeführer, dass er nur in der Nähe seiner Unterkunft spazieren gehe, da ihn die Medikamente sehr müde machen würden. Ab und zu sei er für einen Tag im Spital für Infusionen, er schlafe aber immer in seiner Unterkunft. Nachgefragt, ob es Therapien geben würde, die er durchführen müsse, erklärte der Beschwerdeführer, dass er nur die Medikamente nehme, die ihm verschrieben worden seien und er einen "psychischen" [sic] Arzt besuche. Befragt, ob es Gründe gebe, warum die medizinische Versorgung in Bulgarien für seinen Gesundheitszustand nicht ausreichend sein soll, gab der Beschwerdeführer an, dass er erstens Österreich liebe und Bulgarien nicht, zweitens krank sei und daher nicht arbeiten könne. Wenn er in Bulgarien lebe, wisse er nicht, von wo er Medikamente bekommen sollte. Er habe dort nie Medikamente erhalten. In Bulgarien habe er eigenständig keinen Arzt besucht, da er Bulgarien nicht gemocht habe. Er lebe mit keiner Person in einer Familiengemeinschaft und stehe in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu in Österreich aufhältigen Personen, seine Eltern würden ihn ab und zu Geld aus der Schweiz schicken. Er verzichte darauf, die Feststellungen zu Bulgarien übersetzt zu bekommen oder Einsicht zu nehmen.

Es wurden folgende Dokumente vorgelegt:

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Ärztlicher Befundbericht vom 18.08.2017 eines sozialpsychiatrischen Ambulatoriums. Aus diesem geht hervor, dass der Beschwerdeführer seit 07.09.2015 bis Ende Mai 2017 in Behandlung gewesen sei. Im Sommer 2015 sei eine ambulante Behandlung in einem Krankenhaus erfolgt, eine medikamentöse Therapie sei etabliert worden. Der Beschwerdeführer habe sich während der Behandlung in einem schwankenden Zustandsbild präsentiert, immer wieder sei es zu großer Instabilität und wiederholt zu katatonen Zustandsbildern bei fehlender Medikamenteneinnahme gekommen. Der letzte persönliche Kontakt habe im März 2017 stattgefunden. Die Rezepte für die psychiatrischen Medikamente würden regelmäßig von Betreuern abgeholt werden. Als Diagnose wurde "Katatone Schizophrenie ICD10: F20.2" diagnostiziert.

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Schreiben eines Betreuungszentrums vom 23.08.2017. Aus diesem geht hervor, dass der Beschwerdeführer medikamentös gut eingestellt erscheine und sich sehr zufrieden über seine Medikamente äußere. Aus dem Gespräch gehe hervor, dass der Beschwerdeführer unbedingt Betreuung brauche, eine Anleitung und Begleitung, um seinen Alltag zu meistern. Eine begleitende psychotherapeutische Behandlung erscheine aufgrund der Diagnose 23.0 und 43.1 notwendig. Daher werde er auf eine Warteliste für Psychotherapie gesetzt.

Im Akt liegen weiters eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation betreffend der Unterbringung des Beschwerdeführers in Bulgarien vom 17.11.2017 ein. Zusammengefasst wurde vorgebracht, die bulgarischen Behörden würden zwar bestätigen, dass der Beschwerdeführer in Bulgarien anerkannter Flüchtling sei und dass er als solcher das Recht auf medizinische Versorgung wie ein bulgarischer Staatsbürger habe. Zur Frage seiner Unterbringung erklärte sich die bulgarische Asylbehörde jedoch nicht zuständig und erteilte hierzu keine Auskunft.

Mit nunmehr angefochtenem Bescheid des BFA vom 16.12.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom 10.05.2015 gemäß § 4a AsylG 2005 idgF als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass sich dieser nach Bulgarien zurückzugeben habe (Spruchteil I.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt.

Gemäß

§ 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 Z. 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bulgarien zulässig sei.

Im Bescheid wurde im Wesentlichen begründend wie folgt ausgeführt:

"(...)

C) Feststellungen

Der Entscheidung werden folgende Feststellungen zugrunde gelegt:

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zu Ihrer Person: Ihre Identität steht fest.

Es kann nicht festgestellt werden, dass in Ihrem Fall schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestehen.

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zum Schutz im EWR Staat oder der Schweiz:

Festgestellt wird, dass Sie in Bulgarien subsidiärer Schutzberechtigter sind.

Es kann nicht festgestellt werden, dass Sie in Bulgarien systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen sind oder diese dort zu erwarten hätten.

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zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie haben in Österreich einen Cousin, eine Abhängigkeit zu Ihrem Cousin konnte nicht festgestellt werden. Sie leben nicht im gemeinsamen Haushalt.

In Österreich verfügen Sie über keine weiteren familiären oder verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte:

Sie sind am 10.05.2015 illegal in Österreich eingereist.

Es kann nicht festgestellt werden, dass eine besondere Integrationsverfestigung Ihrer Person in Österreich besteht.

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zur Lage in Bulgarien:

Zu Bulgarien werden folgende Feststellungen getroffen:

1. Schutzberechtigte

(Anm. der Staatendokumentation: Zusätzlich zu den Ausführungen in diesem LIB darf auf die AFB BULG_RF_SOL_Soziale Rechte und Beihilfen für rückkehrende Schutzberechtigte_2016_10_07_KE auf dem Koordinationsboard verwiesen werden!)

Anerkannte Flüchtlinge erhalten ein Identitätsdokument mit fünf Jahren Gültigkeit; subsidiär (oder humanitär) Schutzberechtigte ein solches mit drei Jahren Gültigkeit. Damit sind verschiedene Rechte verbunden. Anerkannte Flüchtlinge haben mit wenigen Ausnahmen dieselben Rechte wie bulgarische Staatsbürger, subsidiär Schutzberechtigte haben dieselben Rechte wie Inhaber eines permanenten Aufenthaltstitels. Nach den Jahren 2014 und 2015 wurde auch 2016 von NGOs als "zero integration year" bezeichnet, weil kein operatives National Programme for the Integration of Refugees (NPIR) beschlossen werden konnte. Erst in der zweiten Jahreshälfte 2016 geschah dies, aber keine der 265 Gemeinden hat seither Geldmittel für den Integrationsprozess Schutzberechtigter beantragt, weswegen das NPIR von AIDA weiterhin nicht als operativ betrachtet wird (AIDA 2.2017). Die bulgarische Regierung hat Ende März 2017 die Bestimmungen zur NPIR wieder zurückgenommen, weil ihre Bestimmungen zu ungenau gewesen seien und zu sehr auf negative Einstellungen der Öffentlichkeit Rücksicht genommen habe (FRA 4.2017). Im April wurde eine leicht veränderte Version zur öffentlichen Konsultation vorgelegt (FRA 5.2017).

Generell können sich Schutzberechtigte frei in Bulgarien niederlassen. Das NPIR - wenn operativ- wäre an eine selbst gewählte Gemeinde gebunden. Schutzberechtigte haben auch ein Recht auf eine Wohnbeihilfe für sechs Monate. Da es aber derzeit keine funktionierende Integrationshilfe gibt, ist es den Schutzberechtigten erlaubt für sechs Monate ab Statuszuerkennung in der Asylwerberunterkunft zu bleiben„ solange die Platzverhältnisse dies zulassen. Ende 2016 waren 229 Schutzberechtigte in Asylwerberunterkünften untergebracht. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist für Schutzberechtigte automatisch und bedingungslos gegeben. Sprachbarriere und allgemeine sozioökonomische Lage sind übliche Probleme. Der Zugang zu Bildung ist für Schutzberechtigte genauso geregelt wie für Asylwerber (AIDA 2.2017).

Im Juni 2016 waren in bulgarischen Arbeitsämtern 61 Schutzstatusinhaber arbeitslos gemeldet. Elf von ihnen fanden Jobs und zehn kamen in Schulungsmaßnahmen (USDOS 3.3.2017).

Im Feber 2017 gab es eine eigens veranstaltete Berufsmesse für Flüchtlinge. 60 vorselektierte Kandidaten wurden in ihren Bemühungen eine Arbeit zu finden beraten (FRA 4.2017).

Vom ersten Tag nach Statuszuerkennung müssen Schutzberechtigte die Krankenversicherungsbeiträge, die bis dahin von SAR entrichtet worden sind, selbst bezahlen. Das sind mindestens BGN 18,40 (ca. EUR 9,40) monatlich für arbeitslos gemeldete Personen (AIDA 2.2017).

Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte haben laut SAR das gleiche Recht auf medizinische Versorgung wie die bulgarischen Staatsbürger. Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, die dringend psychologische oder psychiatrische Unterstützung brauchen, werden an ASET oder NADYA oder an das Zentrum für psychische Gesundheit "Prof. N. Shipkovenski" verwiesen. Von dem Hausarzt können sie zu einem Psychiater in einem diagnostisch-konsultativen Zentrum überwiesen werden (VB 26.4.2016).

Der typische Behandlungsweg eines Patienten in Bulgarien, abhängig von der Art der Versicherung (gesetzlich, privat), sieht theoretisch folgendermaßen aus: Der Patient geht zu seinem Hausarzt. Dessen Überweisung ist nötig, weil viele weitere Schritte nur dann von der Versicherung übernommen werden. Es kann ein Test in einem diagnostischen Labor folgen. Danach erfolgt entweder Behandlung zu Hause durch den Hausarzt oder stationäre Behandlung oder Weiterverweis an einen Spezialisten. Diese Spezialisten sind in diagnostisch-konsultativen Zentren (DCC) zu finden, das sind medizinische Zentren oder Gruppenpraxen. Einweisungen in Spitäler zu stationärer Behandlung können mit Wartezeiten verbunden sein. Ist die Behandlung beendet, erfolgt die Entlassung oder Rehabilitation. Die Krankenversorgung in Bulgarien finanziert sich generell aus Krankenversicherungsbeiträgen, Steuern, Out-of-pocket-Zahlungen, freiwilligen Versicherungen, Arbeitgeberbeiträgen, usw. Über ein Paket an Leistungen der staatlichen Pflichtversicherung hinaus haben Bürger die Möglichkeit sich privat zu versichern, was aber kaum in Anspruch genommen wird. Out-of-pocket-Zahlungen (alles was beim Arztbesuch offiziell und inoffiziell aus eigener Tasche zu bezahlen ist) machten 2013 97,3% (WHO 2015) der privaten Gesundheitsausgaben aus. 2006 waren 47,1% aller Out-of-Pocket-Zahlungen in Bulgarien informelle Zahlungen an Gesundheitsdienstleister. Alle versicherten Personen haben Zugang zu Medikamenten, die ganz oder teilweise von der Krankenkasse bezahlt werden. Es existiert eine entsprechende Liste. Dazu gehören auch bestimmte Psychopharmaka (WHO 2012).

Etwa 1 Million Menschen in Bulgarien sind ohne angemessene Krankenversicherung, was ein großes soziales Problem darstellt. Sie haben nur in Notfällen Zugang zu medizinischer Versorgung. Viele von ihnen können sich die Krankenkassenbeiträge nicht leisten. Der bulgarische Ombudsmann hat betont, dass die psychiatrischen Spitäler des Landes spezielle Aufmerksamkeit erfordern (BS 2016).

(Anm. der Staatendokumentation: Ausführlichere Informationen zu psychologischer Betreuung, eine Liste der Psychologen in Bulgarien (in bulgarischer Sprache) und eine Liste von Apotheken in einigen bulgarischen Städten, in denen Psychopharmaka verfügbar sind, sowie eine Liste von Krankenhäusern in einigen bulgarischen Städten, in denen psychologische/psychiatrische Behandlung verfügbar ist, ist der AFB BULG_RF_MEV_Psychologische Betreuung von Asylwerbern und Schutzberechtigten_2016_05_02_AS auf dem Koordinationsboard bzw. auf ecoi.net zu entnehmen!)

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Bulgarian Helsinki Committee (BHC) / European Council on Refugees and Exiles: Country Report Bulgaria,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2016update.pdf, Zugriff 27.6.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): Bertelsmann Transformation Index,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Bulgaria.pdf, Zugriff 28.6.2017

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FRA - Fundamental Rights Agency (5.2017): Monthly data collection on the migration situation in the EU. May 2017 Highlights. 1-30 April 2017,

http://fra.europa.eu/en/theme/asylum-migration-borders/overviews/may-2017, Zugriff 29.6.2017

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FRA - Fundamental Rights Agency (4.2017): Monthly data collection on the migration situation in the EU. April 2017 monthly report. 1-31 May 2017,

http://fra.europa.eu/en/theme/asylum-migration-borders/overviews/april-2017, Zugriff 29.6.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bulgaria, https://www.ecoi.net/local_link/337129/479890_de.html, Zugriff 27.6.2017

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VB des BM.I Bulgarien (26.4.2016): Auskunft SAR, per E-Mail

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WHO - Weltgesundheitsorganisation (2012): Health Systems in Transition. Bulgaria Health System Review, http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0006/169314/E96624.pdf?ua=1, Zugriff 28.6.2017

D) Beweiswürdigung

Die von der Behörde getroffenen Feststellungen beruhen auf folgenden Erwägungen:

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betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person:

Ihre Identität steht aufgrund der Vorlage eines bulgarischen Reisepasses fest.

Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen haben sich im Verfahren keine Hinweise ergeben, dass Sie an einer schweren körperlichen Krankheit oder an einer schweren psychischen Störung leiden.

Durch Dr. med. XXXX wurde ein psychiatrischen-Neurologischen - Gutachten erstellt.

Zusammenfassend wird darin festgehalten, dass Sie an keine Psychose leiden.

Es wurde lediglich festgehalten, dass Sie an Antriebslosigkeit, verminderter Freudfähigkeit und leichtgradige Konzentrationsstörung leiden. Bezüglich der Medikamente welche Sie vom Arzt verschrieben bekommen haben wurde mittels Staatendokumentation eruiert, dass ähnliche Medikamente mit dem benötigten Wirkstoff in Bulgarien ebenso erhältlich sind.

Nicht unberücksichtigt sollte sein, dass Sie bei Ihrer Befragung am 01.03.2017 alleine das BFA aufsuchten und ohne jegliche Begleitung an der Einvernahme teilnehmen konnten.

Dies ist allein ist schon ein Beweis, dass Sie keine intensive medizinische Betreuung benötigen.

Dabei ist zu erwähnen, dass Sie bei der damaligen Einvernahme angaben, dass man sich dort (Bulgarien) nicht so um Sie kümmern würde wie in Österreich und Sie keine Leistungen beziehen würden.

Dazu ist folgendes zu sagen, aus diesen Angaben ergibt sich nicht, dass man sich dort um Sie nicht kümmern würde sondern, dass Sie persönliche die Betreuung in Österreich als besser empfinden. Darüber hinaus gaben Sie bei Ihrer Befragung am 16.10.2017 an, dass Sie in Bulgarien keine medizinische Einrichtung besuchen wollten. Hinsichtlich, der Sozialleistungen wird angemerkt, dass aus eine Staatendokumentationsanfrage erhoben wurde, dass Sie die gleichen sozialen Ansprüche wie jede andere Person erhalten. Des Weiteren steht Ihnen ein ausreichendes Gesundheitswesen zur Verfügung.

Hinsichtlich Ihrer Wohnsituation wird festgehalten, dass Sie beim Samariterbund wohnhaft sind, jedoch vor Ort kein medizinisches Personal vorhanden ist. Laut Ihren Angaben werden Sie von Mitarbeitern unterstützt. Eine ähnliche Situation wäre für Sie ebenfalls in der bulgarischen Caritas möglich.

Festgehalten wird, dass Ihre gesamte medizinische ärztliche Behandlung in Bulgarien vorhanden und abgedeckt werden kann.

So nehmen Sie ausschließlich noch immer dieselben Medikamente wie vor einem Jahr welche ebenfalls in Bulgarien erhältlich sind. Seit Sie in Österreich aufhältig sind waren Sie noch nie länger als einen Tag stationär aufgenommen. Selbst wenn Sie in Österreich von Personen zu Ihrem Arzt begleitet werden, so ist dies kein Zustand, der in Bulgarien nicht möglich wäre, denn auch in Bulgarien gibt es hilfsbereite Menschen die Sie unterstützen würden eine medizinische Einrichtung zu besuchen. Ebenso ist es Ihnen möglich in bulgarischen Spitälern eine Infusion zu bekommen, da es sich dabei nur um eine gewöhnliche physiologische Kochsalzlösung handelt, welche in jedem Krankenhaus dieser Welt zum Grundinventar gehört.

Etwaige persönliche ärztliche Behandlungen können Sie mit einem bulgarischen Arzt ebenso wie mit einem Österreichischen besprechen.

Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass Sie keine Therapie besuchen, ausschließlich Medikamente nehmen und einen psychischen Arzt besuchen. Wie bereits mehrfach erwähnt, ist Ihnen dies ebenso in Bulgarien zumutbar.

Nachgefragt warum Ihnen dies in Bulgarien nicht möglich sein sollte antworteten Sie wie folgt:

"Nummer eins ich liebe Österreich und ich mag Bulgarien nicht. Zweitens bin ich krank, ich kann daher nicht arbeiten. Wenn ich in Bulgarien lebe von wo soll ich die Medikamente bekommen. Ich habe in Bulgarien nie Medikamente bekommen. "

"Ich habe Bulgarien nicht gemocht, deswegen habe ich keinen Arzt besucht."

Dazu wird festgehalten, dass die für Sie notwendige medizinische Versorgung gewährleistet sein muss, damit Ihnen keine Verletzung der Art. 3 EMRK droht.

Es kann jedoch nicht sein, dass Sie selbst die medizinische Versorgung nach jenem Land wählen welches Ihnen am besten gefällt.

Sollten Sie nach Bulgarien gehen würden Ihnen wie erhoben sämtliche von Ihnen benötigte Medikamente zur Verfügung stehen.

Aufgrund der Staatendokumentationsanfrage vom 23.11.2017 ergibt sich, dass es in Bulgarien diverse Hilfsorganisationen gibt. Diese unterstützen bei der Unterbringung, Integration und vielen weiteren Dingen.

Caritas Bulgarien betreibt in Sofia ein Integrationszentrum für Flüchtlinge und Migranten, das u.a. psychologische Hilfe und Unterstützung bezüglich Wohnen und Arbeit und weiter Integrationsmaßnahmen bietet.

Aufgrund dieser Zusammenfassung ist ersichtlich, dass Ihnen im Falle einer Abschiebung nach Bulgarien keine Verletzung der Art 3 EMRK droht.

Abschließend sei noch zu erwähnen, dass im Falle einer Abschiebung wie üblich die bulgarischen Behörden über Ihre Überstellung informiert werden und diese Sie in Bulgarien in Empfang nehmen. Bei den dortigen Behörden können Sie etwaige Problemstellungen abklären.

(...)"

Gegen den nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 16.12.2017 wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben und wie folgt ausgeführt:

"(...)

II. Mangelhaftes Ermittlungsverfahren

Mangelhafte Länderfeststellungen

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen sind deckungsgleich mit jenen Länderfeststellungen, die angefochtenen Bescheid vom 04.08.2017 herangezogen wurden. Schon damals waren sie unvollständig, teilweise unrichtig, sowie veraltet und befassten sich nur rudimentär mit der spezifischen Situation des BF, wie bereits in der Beschwerde vom 18.08.2017 vorgebracht wurde.

So beschränken sich die Länderfeststellungen zu Bulgarien erneut auf knappe 3 Seiten in dem nunmehr 32-seitigen bekämpften Bescheid. Sie beinhalten immer noch lediglich allgemeine Ausführungen bezüglich der Situation von Schutzberechtigten, sowie deren medizinische Versorgung. Sie befassen sich jedoch kaum mit dem konkreten Vorbringen des BF und sind daher als Begründung zur Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz unzureichend.

Außer die Feststellung, dass sich Schutzberechtigte frei in Bulgarien niederlassen können, ein Recht auf Wohnbeihilfe für sechs Monate haben und, solange dies Platzverhältnisse zulassen, sechs Monate ab Statuszuerkennung in der Asylwerberunterkunft bleiben können, sowie grundsätzlich Zugang zum Arbeitsmarkt haben, finden sich keinerlei Feststellungen über die Versorgung von Schutzberechtigten in Bulgarien, insbesondere im Hinblick auf finanzielle Unterstützung, sowie Versorgung mit Nahrungsmitteln, Wohnraum etc.

Im Hinblick auf die medizinische Versorgung von Schutzberechtigten finden sich außerdem im Wesentlichen lediglich folgende Ausführungen:

"Vom ersten Tag nach Statuszuerkennung müssen Schutzberechtigte die Krankenversicherungsbeiträge, die bis dahin von SAR entrichtet worden sind, selbst bezahlen. Das sind mindestens BGN 18,40 (ca. EUR 9,40) monatlich für arbeitslos gemeldete Personen. (...) Alle versicherten Personen haben Zugang zu Medikamenten, die ganz oder teilweise von der Krankenkasse bezahlt werden. Es existiert eine entsprechende Liste. Dazu gehören auch bestimmte Psychopharmaka. Etwa 1 Million Menschen in Bulgarien sind ohne angemessene Krankenversicherung, was ein großes soziales Problem darstellt. Sie haben nur in Notfällen Zugang zu medizinischer Versorgung. Viele von ihnen können sich die Krankenkassenbeiträge nicht leisten."

Es finden sich in den Informationen bezüglich der Lage in Bulgarien jedoch keine Feststellungen bezüglich der Frage, ob der BF nach einer mittlerweile mehr als 2-jährigen Abwesenheit nach wie vor über einen zum internationalen Schutz berechtigenden Status verfügt, es finden sich keinerlei Feststellungen zur Frage der Versorgung von Schutzberechtigten, insbesondere im Hinblick auf Bestehen, Ausmaß und Dauer von finanzieller Unterstützung, sowie Unterstützung durch andere Sozialleistungen bzw. Unterstützung in den Bereichen Unterkunft, Lebensmittelversorgung, Medikamentenversorgung etc. von Schutzberechtigten generell, sowie von Schutzberechtigten, die sich für einen längeren Zeitraum außerhalb Bulgariens aufgehalten haben und es finden sich keinerlei Feststellungen bezüglich der Leistbarkeit medizinischer Versorgung, insbesondere psychologischer und psychiatrischer Behandlungen, sowie der benötigten Medikamente. Es ist dem BF hierbei zwar bewusst, dass nach der Rechtsprechung kein Kranker ein Recht darauf hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, nur um medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leide oder sogar selbstmordgefährdet wäre, sowie dass es grundsätzlich unerheblich wäre, dass die medizinische Behandlung im Zielland nicht gleichwertig bzw. schwerer zugänglich oder kostenintensiver wäre, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat gäbe. Es darf aber hiezu ausgeführt werden, dass es im Falle des BF nicht um die Frage der Leistbarkeit als solche bzw. einen allenfalls schwereren Zugang zur medizinischen Versorgung geht, sondern, vor dem Hintergrund der Feststellungen der belangten Behörde, dass in etwa 1 Million Menschen in Bulgarien nicht ausreichend krankenversichert sind, da sie sich die Krankenversicherungsbeiträge nicht leisten können, der BF aufgrund seines Krankheitsbildes bzw. Gesundheitszustandes, der Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK ausgesetzt ist, da er aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht in der Lage sein wird, sich soweit selbst zu erhalten, dass er in der Lage ist, seine Krankenversicherungsbeiträge zu bezahlen bzw. existentielle Grundbedürfnisse, wie Nahrung und Unterkunft zu befriedigen.

Bezüglich ergänzender Länderberichte, die Aufschluss in Bezug auf die spezielle Situation des BF im Einzelfall in Bulgarien geben könnten, darf auf die bereits im Rahmen der Beschwerde von 18.08.2017 zitierten Länderberichte verwiesen werden, die die belangte Behörde in dem bekämpften Bescheid zur Gänze unberücksichtigt lässt.

Mangelhafte Feststellungen zur Person des BF

Abseits der mangelhaften Länderfeststellungen zur Lage in Bulgarien, setzt sich die belangte Behörde erneut überhaupt nicht mit der konkreten Situation des BF im Falle einer Überstellung nach Bulgarien auseinander. Sie verabsäumt es vielmehr zur Gänze sich mit der spezifischen Situation des BF auseinanderzusetzen.

Dies gilt vor allem im Hinblick auf die Feststellungen zur Person des BF respektive seinem Gesundheitszustand. Erneut übergeht die belangte Behörde die bereits vorgelegten Befunde, die dem BF eine akute polymorphe psychotische Störung ohne Symptome einer Schizophrenie bzw. ein Jahr später schon eine paranoide Schizophrenie bzw. katatone Schizophrenie attestieren. Lediglich pauschal und wortgleich kann die belangte Behörde erneut nicht feststellen, dass im Fall des BF eine schwere psychische Störung und/ oder eine schwere oder ansteckende Krankheit bestehe. Erneut zieht die belangte Behörde für diese Feststellung ausschließlich das psychiatrisch-neurologische Gutachten von Dr.med. XXXX heran und verabsäumt es die anderen, seitens des BF vorgelegten Befunde in ihre Erwägungen miteinzubeziehen. Die belangte Behörde verabsäumt es damit erneut konkrete Feststellungen zum Gesundheitszustand bzw. zum konkreten Krankheitsbild des BF zu treffen. Nach wie vor setzt sich die belangte Behörde außerdem nicht mit der Frage auseinander, ob der BF in Hinblick auf sein Krankheitsbild in der Lage wäre, ohne spezielle Betreuung nicht zur Gänze zu verwahrlosen bzw.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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