TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/22 L518 2158253-1

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Veröffentlicht am 22.03.2018
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Entscheidungsdatum

22.03.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §56
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

L518 2158263-1/6E

L518 2158253-1/6E

L518 2158260-1/6E

L518 2158257-1/6E

L518 2158249-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Aserbaidschan, vertreten durch RA Mag. Bertsch, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.04.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 56 iVm § 10 Abs. 3 AsylG 2005 idgF

iVm 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Aserbaidschan, vertreten durch RA Mag. Bertsch, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.04.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 56 iVm § 10 Abs. 3 AsylG 2005 idgF

iVm 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Aserbaidschan, gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX , diese vertreten durch RA Mag. Bertsch, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.04.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 56 iVm § 10 Abs. 3 AsylG 2005 idgF

iVm 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

4.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Aserbaidschan, gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX , diese vertreten durch RA Mag. Bertsch, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.04.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 56 iVm § 10 Abs. 3 AsylG 2005 idgF

iVm 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

5.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Aserbaidschan, gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX , diese vertreten durch RA Mag. Bertsch, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.04.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 56 iVm § 10 Abs. 3 AsylG 2005 idgF

iVm 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als "bP1" bis "bP5" bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Aserbaidschan. Die bP 1 und 2 brachten nach Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 24.10.2011 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge "bB") Anträge auf internationalen Schutz ein.

Die männliche bP1 und die weibliche bP2 sind Ehegatten und die Eltern der minderjährigen, in Österreich geborenen Kinder bP 3, 4 und 5.

Am 25.12.2011 wurde für die in Österreich geborene bP 3 von den Eltern als deren gesetzlichen Vertretern ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht.

2. Mit Bescheiden des Bundesasylamtes (nunmehr Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, BFA) vom 14.12.2011, Zl. 11 12.830-BAS sowie Zl. 11 12.831-BAS und 13.02.2012, Zl. 12 00.968-BAS wurden die Anträge der bP 1, 2 und 3 auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Aserbaidschan verfügt (Spruchpunkt III.) Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG wurde die Durchführung der Ausweisung bis zum 01.03.2012 aufgeschoben (Spruchpunkt IV).

3. Mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 28.03.2012 wurden die Beschwerden der bP 1, 2 und 3 gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde in diesen Erkenntnissen des Asylgerichtshofes zusammengefasst ausgeführt, dass das Bundesasylamt völlig zutreffend argumentiert hat, dass das ausreisekausale Vorbringen im dargestellten Ausmaß als nicht glaubhaft zu qualifizieren war und generell der von der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung zu folgen ist.

Festgehalten wurde unter Aufzählung von zahlreichen Beispielen weiters, dass der bP 1 sein Vorbringen auf Nachfrage immer wieder relativiert hat bzw. sein Vorbringen auf Nachfrage immer wieder widersprüchlich war und letztlich sogar vom Vorbringen seiner Ehegattin stark abwich.

4. Mit Schreiben vom XXXX 2012, beim Bundesasylamt am 19.04.2012 eingelangt, stellten die bP 1 - 3 einen Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG.

Diese Anträge auf Wiederaufnahme der mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren wurden mit Entscheidungen des Asylgerichtshofes vom 11.07.2012 gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG als unbegründet abgewiesen.

5. Über die bP wurde für das Verfahren zur Erlangung von Heimreisezertifikaten das gelindere Mittel der Unterkunftsanordnung und Meldeverpflichtung verhängt.

Die bP 1, 2 und 3 sind am 29.04.2012 untergetaucht.

6. Am 05.07.2012 wurde gegen die bP 1 ein Festnahmeauftrag erlassen, da sie sich aus dem behördlich angeordneten gelinderen Mittel entfernt hatte und eine rechtskräftige Ausweisung vorlag. Zusätzlich wurde im Festnahmeauftrag festgehalten, dass die aserbaidschanische Botschaft bereits eine Zusage zur Vorführung erteilt hat.

7. Die bP 1, 2 und 3 wurden am XXXX 2012 aufgrund des Dublin-Abkommens aus der Schweiz rücküberstellt.

8. Am 29.08.2012 stellte die bP 1 aus dem Stand der Schubhaft ihren zweiten Asylantrag, welcher mit 17.05.2013 rechtskräftig negativ beschieden wurde.

9. Für die bP 4 wurde am 23.10.2013 ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht, welcher mit Entscheidung des Asylgerichtes vom 28.11.2013 abgewiesen wurde.

10. Mit Aktenvermerk vom 13.08.2014 wurde vom BFA festgestellt, dass mangels Vorlage von Dokumenten eine Ausstellung von HRZ-Dokumenten nicht zu erwarten und daher die Voraussetzungen für die Gewährung einer Duldung im Sinne des §46a Abs. 1 a FPG gegeben wären. bP 1 - bP 4 wurden daraufhin Duldungskarten, befristet bis 18.08.2015 ausgestellt.

11. Für die am XXXX geborene bP 5 wurde von den Eltern ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG beantragt. Der Antrag wurde umgedeutet und ebenfalls eine Duldungskarte für die bP 5 ausgestellt.

12. Am 19.09.2016 wurde vom BFA die fehlende Mitwirkung im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates (HRZ) festgestellt, da die bP die Formulare nicht ausgefüllt oder unterschrieben haben.

13. Mit Eingaben vom 07.11.2016 stellten die bP jeweils einen "Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß "§ 56 Absatz 1 AsylG".

Vorgelegt wurden:

-

Heiratsurkunde

-

2 Bestätigungen der Caritas über die monatlichen Sozialleistungen an die bP

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Diplomprüfungszeugnis A2 der bP 1

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Deutschkursbestätigungen bP 1

-

Versicherungsdatenauszug (Meldung der bP als Asylwerber bzw. Flüchtlinge)

-

Bestätigung über die Betätigung der bP 1 bei einem Nachbarschaftsprojekt 2012/2013

-

Bestätigung der Wohnsitzgemeinde der bP dass die bP 1 im Rahmen der Nachbarschaftshilfe bei der Gemeinde beschäftigt ist (Friedhofspflege ca. 2 h täglich für 4 Wochen)

-

Unterstützungsschreiben und Bestätigung des Unterkunftgebers der bP, dass die bP 1 kleinere Tätigkeiten beim Haus selbst durchführt

-

Unterstützungsschreiben der ein freiwilliges soziales Jahr absolvierenden Deutschlehrerin der bP 2

-

Unterstützungsschreiben einer weiteren freiwilligen Deutschlehrerin der bP 2 über die Caritas

-

Unterstützungsschreiben einer benachbarten Familie - die Söhne sind befreundet

-

Unterstützungsschreiben einer im Krankenhaus kennen gelernten Familie

14. Mit Schreiben vom 20.12.2016 bestätigte die entsprechende staatliche Stelle von Aserbaidschan die bP als ihre Staatsangehörige.

15. Mit Verbesserungsauftrag vom 30.12.2016 wurden die bP aufgefordert, Reisedokumente, Geburtsurkunden sowie Unterlagen zu einem etwaig in Österreich gesicherten Lebensunterhalt (Einkommen, Patenschaft) vorzulegen.

16. Mit Urkundenvorlage vom 31.01.2017 wurden von den bP wiederum die Bestätigung der Caritas betreffend der sozialen Unterstützung des Landes sowie Zugfahrkarten vorgelegt. Die Zugfahrkarten nach Wien würden belegen, dass die bP bei der aserbaidschanischen Botschaft gewesen wären, jedoch wären sie dort nicht gehört worden, weshalb sie keine gültigen Dokumente vorlegen könnten.

17. Den bP wurde jeweils mit Schreiben vom 05.04.2017 sowie 06.04.2017 Parteiengehör zur beabsichtigten Abweisung ihrer Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und der Erlassung einer Rückkehrentscheidung eingeräumt.

18. Eine Sachverhaltsmitteilung des BFA an die LPD Vorarlberg erfolgte am 12.04.2017 und wurde daraufhin ein Verwaltungsstrafverfahren gegen die bP 1 und 2 eingeleitet.

19. Am 18.04.2017 langte eine Stellungnahme der bP ein.

Ausgeführt wird darin, dass die bP seit Oktober 2011 in Österreich aufhältig wären, gut integriert wären, die bP 3 und 4 den Kindergarten besuchen und gut Deutsch sprechen würden, die Kinder in Österreich geboren wären und zu Aserbaidschan keinerlei Kontakte mehr bestünden. Die Menschenrechte würden in Aserbaidschan nicht eingehalten werden und gäbe es dort Missstände. Unterlagen wurden dem Schreiben keine beigefügt.

20. Mit im Spruch genannten Bescheiden wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §56 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die bP Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Aserbaidschan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen festgelegt.

Das BFA stellte im Wesentlichen fest, dass die bP noch über keinen fünfjährigen Aufenthalt in Österreich verfügen würden und auch die Hälfte der Aufenthaltsdauer der bP iSd § 56 AsylG nicht rechtmäßig gewesen sei.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass sich keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG ergeben und stellten die Rückkehrentscheidungen auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Zudem wären die Abschiebungen zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage, da keine besonderen Umstände, die bei der Regelung der persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen wären, vorliegen, die die Gründe, die zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

21. Gegen diesen Bescheid erhoben die bP durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde und wird darin im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Behörde nicht auf die Stellungnahme der bP eingegangen sei. Die Beschwerdeführer würden sich seit 25.10.2011 in Österreich befinden, seien über einen längeren Zeitraum geduldet gewesen und wären daher die Kriterien des § 56 AsylG erfüllt. Auch eine Einstellungszusage läge wie alle anderen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels vor. Jedenfalls sei die Abschiebung unzulässig, da dies einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK bedeuten würde. Hingewiesen wurde auf die lange Aufenthaltsdauer der bP, die Geburt der Minderjährigen in Österreich und den Umstand, dass die bP in Aserbaidschan weder Verwandte noch sonstige soziale Bindungen hätten. Es würde jeder Grundlage entbehren, den bP die Mitwirkung abzusprechen, da der bP 1 bei der Botschaft in Wien gewesen wäre, um wegen der Reisepässe vorzusprechen. Allgemein bekannt sei, dass "die ausländischen Botschaften, insbesondere jene der Ostblockstaaten, in diesem Zusammenhang immer wieder Probleme machen und Personen einfach wieder abweisen" würden. Unterlagen wurden keine vorgelegt.

22. Am 12.02.2018 langte ein Fristsetzungsantrag betreffend der Verfahren der bP ein. Da über die Beschwerden der bP nicht binnen sechs Monaten entschieden worden wären, seien sie in ihrem Recht auf fristgerechte Entscheidung verletzt.

23. Mit Schreiben vom 23.02.2018 wurde den bP die Möglichkeit eingeräumt, zu den gleichzeitig übermittelten Länderfeststellungen Stellung zu nehmen sowie zu einer etwaigen Änderung in ihrem Privat- und Familienleben.

24. Am 12.03.2018 langte eine Stellungnahme der bP ein. Ausgeführt wurde wiederum, dass sich die bP 1 und 2 seit sechseinhalb Jahren in Österreich befänden und wurde neben Wiederholungen des bisherigen Vorbringens ausgeführt, dass sich die bP 2 seit November 2012 in ärztlicher Behandlung befände und einen Deutschkurs besuche.

Vorgelegt wurden:

-

Deutschkursbestätigung bP 2

-

Ärztliches Attest eines Arztes für Allgemeinmedizin bP 2 (Behandlung wegen Hautproblemen, Rücken- und Bauchschmerzen sowie seit 2015 wegen einer Anpassungsstörung

-

Bestätigung der Wohnsitzgemeinde der bP über Nachbarschaftshilfe der bP 1

-

Zertifikat über das Nichtbestehen der B 1 Prüfung durch die bP 1

25. Einsicht wurde vom BVwG in das Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung (GVS), dem Strafregister, dem Informationssystem zentrales Fremdenregister und dem Zentralen Melderegister der Republik Österreich (ZMR) genommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

1.3. Prüfungsumfang

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2. Zur Entscheidungsbegründung:

Auf der Grundlage des Beweisverfahrens gelangt das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen:

2.1. Feststellungen:

2.1.1. Bei den bP handelt es sich um aserbaidschanische Staatsbürger, welche der aserbaidschanischen Volksgruppe angehören, die Sprache des Herkunftslandes sprechen und moslemischen Glaubens sind.

Die bP 1 und 2 sind junge, ledige, arbeitsfähige Menschen mit bestehenden Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage. Die bP 1, 3, 4 und 5 sind gesund. Die bP 2 leidet an Hautproblemen, Rücken- und Bauchschmerzen sowie einer Anpassungsstörung.

Die bP 1 spricht Deutsch auf Niveau A2 und Türkisch, auch die bP 2, 3, 4 und 5 haben Deutschkenntnisse und sprechen die aserbaidschanische Sprache. Die bP 2 erhält von zwei Privatpersonen Deutschunterricht und nimmt an einem Deutschkurs teil. Die bP 1 hat die Prüfung B 1 nicht bestanden, jedoch entsprechende Deutschkurse besucht. Die bP 3 und 4 besuchen den Kindergarten.

Die bP 1, 2 und 3 lebten seit ihrer Rücküberstellung aus der Schweiz am XXXX 2012 bis zur gegenständlichen Antragstellung am 07.11.2016 für ca. 4 Jahre und 2 Monate in Österreich.

Die bP 4 lebte von ihrer Geburt am XXXX 2013 bis zur gegenständlichen Antragstellung am 07.11.2016 für 3 Jahre und 2 Monate in Österreich.

Die bP 5 lebte von ihrer Geburt am XXXX 2015 bis zur gegenständlichen Antragstellung am 07.11.2016 für 1 Jahr und 7 Monate in Österreich.

Die bP 1, 2 3 und 4 kamen ihrer Ausreiseverpflichtung trotz der gegen sie rechtskräftig erlassenen Ausweisungen nicht nach.

Die bP verfügten noch nie über ein Aufenthaltsrecht für Österreich außerhalb des Asylverfahrens. Den bP 1, 2, 3 und 4 wurde im Jahr 2014 lediglich eine befristete Duldungskarte für ein Jahr ausgestellt, welche keinen Aufenthaltstitel darstellt.

Die Familie lebt von der Unterstützung des Landes Vorarlberg und sind die Familienmitglieder über die Gebietskrankenkasse als Asylwerber und Flüchtlinge versichert. Sie haben über die im Spruch genannten Kernfamilienmitglieder keine weiteren familiären Anknüpfungspunkte in Österreich und verfügen über normale soziale Kontakte. Sie sind in keinen Vereinen oder Organisationen tätig und waren die bP 1 und bP 2 noch nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Die bP 1 war im Projekt Nachbarschaftshilfe der Caritas engagiert.

Die bP sind nicht straffällig geworden.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für den Aufenthalt aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.

2.1.2. Zur abschiebungsrelevanten Lage in Aserabidschan wird auf die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl getroffenen Feststellungen und die den bP vom BVwG übermittelten Länderberichte zur abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat verwiesen und werden diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses erhoben.

Die Verhältnisse haben sich seit der Erlassung der rechtskräftigen Entscheidungen, in welchen bereits geprüft und festgestellt wurde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der bP 1 - 4 in den Herkunftsstaat für sie keine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2 EMRK, Artikel 3 EMRK oder der Protokolle Nummer 6 und Nummer 13 zur Konvention bedeuten und für sie als Zivilpersonen auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens, Würde und Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Artikels mit sich bringen würde, nicht maßgeblich verändert. Es wurden zwischenzeitlich auch keine Anhaltspunkte dafür bekannt, wonach eine Abschiebung der bP gemäß § 50 FPG idgF in den Heimatstaat Aserbaidschan unzulässig wäre.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden ergänzend zu den Feststellungen des BFA sowie des Asylgerichtshofes, welche sich in den entscheidungsrelevanten Punkten als nach wie vor aktuell darstellen, folgende Feststellungen aus den den bP übermittelten aktuellen Länderfeststellungen hervorgehoben:

Bericht des Auswärtigen Amtes

IV. Rückkehrfragen

1. Situation für Rückkehrer

1.1. Grundversorgung

Die Armut ist in den letzten Jahren durch die stark angestiegenen Einkommen der

Bevölkerung erheblich zurückgegangen. Nach Angaben der Weltbank lebten 2016 5,6 % der

Bevölkerung unter dem Existenzminimum, 2003 waren es noch 44,7 %. Aktuell ist wegen der

Wirtschaftskrise eher wieder von einer Steigerung der Armutsquote auszugehen, belastbare

Zahlen liegen bisher nicht vor.

Das offizielle Existenzminimum liegt nach offiziellen Berechnungen derzeit bei 155 AZN (ca.

80 EUR) pro Kopf und Monat. Für Angestellte betrug das monatliche

Durchschnittseinkommen 2015 462 AZN (ca. 271 EUR), berechnet für die Monate Januar bis

Oktober; eine Steigerung von 4,6 % gegenüber 2014. Nach Erkenntnissen des Auswärtigen

Amts gibt es unter den Arbeitgebern die verbreitete Praxis, neben einem offiziellen,

versteuerten Gehalt einen monatlichen Barbetrag auszuzahlen. Gegen diese Praxis geht die

Regierung durch die 2014 eingeführte online Registrierungspflicht von Arbeitsverträgen vor.

Die Durchschnittsrente lag 2015 bei 189,99 AZN (ca. 102 EUR).

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet.

Einkommensschwache Familien erhalten Sozialleistungen. So erhielten 2015 insgesamt

492.400 Personen Leistungen von durchschnittlich 152,60 AZN (ca. 74 EUR) pro Familie

(111.663 Familien) pro Monat.

Staatliche Unterstützungsleistungen erhalten zudem die über 600.000 (Binnen-)Vertriebenen, die im Zuge des Bergkarabach-Konflikts aus ihren bisherigen Wohnorten in den besetzten Gebieten vertrieben wurden oder geflohen sind. Im Rahmen staatlicher Programme wurden laut offiziellen Angaben seit 2004 46.000 neuerrichtete Wohneinheiten den Binnenvertriebenenfamilien (rd. 230.000 Personen) übergeben.

Es gibt keine staatlichen oder sonstigen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer.

Abgeschobene Personen erhalten bei Ankunft am Flughafen lediglich eine Beratung zu

Ansprechpartnern u. ä., die Erstaufnahme nach Rückkehr erfolgt üblicherweise im

Familienverband. 2016 startete ein aus EU-Mitteln gefördertes Programm, dass

Aserbaidschan beim Aufbau entsprechender Beratungs- und Informationsangebote unterstützt.

1.2. Medizinische Versorgung

In den letzten Jahren hat die Regierung erhebliche Investitionen im Gesundheitswesen

vorgenommen. So betrug laut offiziellen Angaben die Zahl der neu errichteten und

renovierten medizinischen Einrichtungen Ende 2016 etwa 500. Nach wie vor befinden sich

aber die größten staatlichen Krankenhäuser (und Spezialkliniken wie Kinderkrankenhäuser,

Herzkliniken und psychiatrische Einrichtungen in Baku.

Es besteht kein staatliches Krankenversicherungssystem; theoretisch gibt es eine alle

notwendigen Behandlungen umfassende kostenlose medizinische Versorgung. Dringende

medizinische Hilfe wird in Notfällen gewährt (was den Krankentransport und die Aufnahme

in ein staatliches Krankenhaus einschließt); mittellose Patienten werden minimal versorgt,

dann aber nach einigen Tagen "auf eigenen Wunsch" entlassen, wenn sie die Behandlungskosten

und "Zuzahlungen" an die Ärzte und das Pflegepersonal nicht aufbringen können. In

diesem Fall erfolgt dann die weitere Behandlung ambulant oder nach Kostenübernahme durch

Dritte.

Neben der staatlichen Gesundheitsversorgung bildete sich in den vergangenen Jahren ein

florierender privater medizinischer Sektor heraus, der gegen Barzahlung medizinische

Leistungen auf annähernd europäischem Standard bietet und mit privaten

Krankenversicherungen kooperiert, die in der Regel große Firmen für ihre Mitarbeiter

abschließen. Die einschlägigen auf dem europäischen Markt registrierten Medikamente sind i.d. R. erhältlich. Seit der Einführung der administrativen Preisobergrenzen nach der ersten

Abwertung im Februar 2015 wird regelmäßig von Engpässen bei einigen Medikamenten

berichtet. Kostengünstigere Ersatzmedikation wird aus Russland, der Türkei oder Pakistan

eingeführt, ist aber oftmals von minderwertiger Qualität. Der Aufbau heimischer

Arzneimittelproduktion ist eine der erklärten Prioritäten der Regierung für die kommenden

Jahre.

Zur Beurteilung der Behandelbarkeit von Krankheiten arbeitet die Botschaft mit einer

aserbaidschanischen Ärztin zusammen. Aus bisherigen Anfragen von Verwaltungsgerichten

und Ausländerbehörden lässt sich festhalten, dass die Behandlung von regelmäßigen

Krankheitsbildern wie z. B. Bluthochdruck, Diabetes, Depressionen etc. in Aserbaidschan

ebenso möglich ist, wie die Beschaffung der meisten üblichen Medikamente.

2. Behandlung von Rückkehrern

Nach Kenntnis des Auswärtigen Amts müssen rückgeführte und freiwillig zurückreisende

aserbaidschanische Staatsangehörige wegen ihrer Asylanträge im Ausland bei ihrer Rückkehr

nicht mit staatlichen Zwangsmaßnahmen rechnen.

Zusammen mit dem Visaerleichterungsabkommen ist am 01.09.2014 ein

Rückübernahmeabkommen zwischen der EU und Aserbaidschan in Kraft getreten. Die

Regierung arbeitet derzeit zusammen mit IOM, EU-Kommission und den EU-Mitgliedstaaten

an der Implementierung. Zurzeit verhandeln Deutschland und Aserbaidschan über ein

bilaterales Durchführungsprotokoll zum Rückübernahmeabkommen, das die Umsetzung

weiter verbessern soll. Nach Erfahrungen der innerdeutschen Landesbehörden wird die

Rückführung in der Regel durch zögerliche Ausstellung von Ausweisdokumenten durch die

aserbaidschanische Botschaft in Berlin aufgehalten.

3. Einreisekontrollen

An den internationalen Flughäfen wie auch an den Landesgrenzen erfolgt eine Passkontrolle.

Freiwilligen Rückkehrern ohne Pass wird die Einreise verweigert. Von Deutschland ausgestellte

Passersatzpapiere reichen für eine Einreise nach Aserbaidschan nicht aus.

4. Abschiebewege

Rückführungen von Deutschland aus können nur auf dem Luftweg über den internationalen

Flughafen Baku erfolgen. Neben Deutschland führen nach Kenntnis des Auswärtigen Amts

auch andere EU-Mitgliedstaaten sowie das Schengen-Mitglied Norwegen aserbaidschanische

Staatsangehörige zurück.

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation

Aserbaidschan

Wien am 9.12.2016

letzte Kurzinformation am 19.10.2017 .

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 19.10.2017, Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) zu Menschenrechtssituation (relevant für Abschnitt: 4. Rechtsschutz/Justizwesen, 6. Folter und unmenschliche Behandlung und 11. Allgemeine Menschenrechte )

Die Parlamentarische Versammlung des Europarats (PACE) zeigte sich besorgt über die zunehmende Zahl an Berichten über Verletzungen der Grundrechte und Grundfreiheiten und das Funktionieren der Justiz. In einer am 11.10.2017 angenommenen Resolution äußerte PACE seine besondere Besorgnis angesichts von Berichten über die Verfolgung und Inhaftierung von NGO-Vertretern, Menschenrechtsanwälten, politischen Aktivisten, Journalisten und Bloggern, auch wenn einige von ihnen 2016 freigelassen wurden. Besonders beunruhigt war PACE wegen der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte festgestellten Fälle von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung während der Festnahme, in Polizeigewahrsam und in Gefängnissen sowie über das Fehlen wirksamer Ermittlungen in diesem Zusammenhang, insbesondere in Strafsachen, und Verletzungen des Rechts auf ein faires Verfahren. Die Versammlung bestand darauf, dass das Justizsystem in Aserbaidschan unabhängig und unparteiisch sein müsse, wie in allen Mitgliedstaaten des Europarates. PACE war besorgt über Vorwürfe eines systematischen Mangels an Unabhängigkeit der Justiz gegenüber der Exekutive und der willkürlichen Anwendung des Strafrechts. Sie war besorgt über Behauptungen, wonach Richter auf Ersuchen der Staatsanwälte exzessiv die Untersuchungshaft verhängen ohne eingehende Prüfung der Gründe, die eine solche Inhaftierung rechtfertigen könnten. Außerdem gäbe es Probleme hinsichtlich der Wahrung der Rechte der Verteidigung. Die Versammlung war äußerst besorgt über zahlreiche Behauptungen, die sich sowohl auf ein restriktives Klima für außerparlamentarische Aktivitäten der Opposition bezogen als auch auf Beschränkungen der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, insbesondere im Hinblick auf unabhängige Medien. Diese systematischen Einschränkungen erfüllten laut PACE nicht die Kriterien der Legalität, Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft (PACE 11.10.2017).

Quellen:

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PACE - Parlamentarische Versammlung des Europarats (11.10.2017):

Azerbaijan's Chairmanship of the Council of Europe: what follow-up on respect for human rights? [Resolution 2185 (2017) Provisional version],

http://assembly.coe.int/nw/xml/Xref/Xref-XML2HTML-EN.asp?fileid=24196&lang=en, Zugriff 19.10.2017 .

2. Politische Lage

Aserbaidschan ist ein säkularer Staat mit einer muslimischen Bevölkerungsmehrheit. Die Verfassung von 1995 etablierte ein Präsidialsystem, das dem Präsidenten weitreichende Vollmachten einräumt. Mit Referendum vom 18.03.2009 wurde die Begrenzung der Wiederwahl des Präsidenten aufgehoben. Der Präsident ernennt und entlässt den Ministerpräsidenten und die Minister, die allein ihm verantwortlich sind. Er ist dem Parlament gegenüber nicht verantwortlich, kann jedoch wegen schwerer Amtsvergehen auf Initiative des Verfassungsgerichts vom Parlament entlassen werden. Er kann Rechtsverordnungen erlassen und das Parlament auflösen. Der Präsident besitzt das Vorschlagsrecht für die Ernennung von Richtern des Verfassungsgerichts, des Obersten Gerichtshofs und des Appellationsgerichts durch das Parlament und ernennt die übrigen Richter. Mit Referendum vom 26.09.2016 wurde die Amtszeit des Präsidenten von 5 auf 7 Jahre verlängert und dessen Position noch weiter gestärkt. Es wurde u.a. die Einführung der Ämter des 1. Vizepräsidenten und weiterer Vizepräsidenten beschlossen. Die Präsidentschaftswahl am 09.10.2013 hat Amtsinhaber Ilham Aliyev erneut klar mit 84,5% der Stimmen gewonnen. Der Kandidat des Oppositionsbündnisses 'Nationaler Rat der Demokratischen Kräfte', Jamil Hasanli, kam auf 5,5%. Die übrigen acht Kandidaten erhielten zwischen 0,6 und 2,4% der Stimmen. Die internationalen Wahlbeobachtungsmissionen des Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) und der Parlamentarischen Versammlung der OSZE kritisierten in ihrem Bericht, dass durch systematische Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit keine Wettbewerbsgleichheit zwischen den Kandidaten gegeben war. Am Wahltag seien ernsthafte Unregelmäßigkeiten in allen Phasen des Wahlprozesses beobachtet worden, insbesondere bei der Auszählung der Stimmen. Positiv vermerkt der Bericht die Teilnahme von Kandidaten der Opposition, die gute technische Organisation und den friedlichen Verlauf der Wahl sowie die hohe Wahlbeteiligung (offiziell 72,3%). Aserbaidschan ist ein Zentralstaat. Die Verwaltungschefs der 66 Provinzen (Rayons) werden vom Präsidenten eingesetzt, ebenso die Kommunalverwaltungen. 1999 wurden Kommunalwahlen eingeführt, bei denen die Gemeinderäte gewählt werden. Die letzten Kommunalwahlen fanden am 23.12.2014 statt. Die Exklave Nachitschewan hat den Status einer Autonomen Republik mit eigener Verfassung und eigenem Parlament (AA 10.2016a).

Die Nationalversammlung (Milli Mejlis) ist ein Einkammerparlament mit 125 Abgeordneten, die nach absolutem Mehrheitswahlrecht für fünf Jahre gewählt werden. Der Einfluss des Parlaments auf die Politikgestaltung ist gering. Nach den letzten Parlamentswahlen am 01.11.2015 verfügt die regierende Partei 'Neues Aserbaidschan' (YAP) mit 72 Sitzen über die Mehrheit der Sitze im Parlament. Die restlichen Sitze verteilen unter sich die unabhängigen Abgeordneten sowie Vertreter von Kleinstparteien. Regierungskritische .

Opposition ist im Parlament nicht vertreten. Das Verfassungsgericht, das am 04.07.1998 gegründet wurde, besteht aus neun Richtern. Es besteht die Möglichkeit der Individualklage. Neben dem Parlament haben auch der Präsident, das Oberste Gericht, die Staatsanwaltschaft und das Parlament der Autonomen Republik Nakhitschewan Gesetzesinitiativrecht. Der Staatshaushalt wird dem Parlament vom Staatspräsidenten zur Zustimmung vorgelegt (AA 10.2016a).

Aserbaidschan ist eine Präsidialrepublik. Staatspräsident Ilham Aliyev, der seinem Vater Heydar Aliyev nachgefolgt ist, dominiert das politische Leben. Die Nationalversammlung (Milli Mejlis) wirkt an der Gesetzgebung mit, spielt aber eine nachgeordnete Rolle. Aserbaidschan ist ein Transformationsland. Obwohl es seit Januar 2001 Mitglied im Europa- rat ist und sich ausdrücklich zu einer Integration in die euro-atlantischen Strukturen bekennt, ist das sowjetische Erbe noch spürbar. Der Staatspräsident und die Regierung, an der auch einige Oligarchen beteiligt sind, können sich auf die "Loyalität" der Gerichte und Sicherheitsstrukturen verlassen. Artikel 7 Abs. 3 der Verfassung enthält den Grundsatz der Gewaltenteilung, wonach die Nationalversammlung "Milli Mejlis" die gesetzgebende Gewalt, der Staatspräsident die vollziehende Gewalt und die Gerichte die rechtsprechende Gewalt ausüben. Der Staatspräsident hat nicht das Recht, die für fünf Jahre gewählte Nationalversammlung aufzulösen. Diese kann aber auf Vorschlag des Verfassungsgerichtes ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Staatspräsidenten einleiten. Der Staatspräsident dominiert das politische Leben. Er wird direkt für eine Amtsperiode von fünf Jahren gewählt und kann seit einer am 18.03.2009 durch Referendum angenommenen Verfassungsänderung unbegrenzt oft wiedergewählt werden. Er ernennt und entlässt mit Zustimmung der Nationalversammlung den Ministerpräsidenten; ohne Beteiligung der Nationalversammlung ernennt und entlässt er die Minister sowie die Gouverneure und Vize-Gouverneure der regionalen Verwaltungsbezirke (Rayons). Die Präsidentschaftswahl am 09.10.2013 war nach Einschätzung von ODIHR (Office for Democratic Institutions and Human Rights der OSZE) und OSZE-PV (Parlamentarische Versammlung der OSZE) durch Einschränkungen der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, fehlende Chancengleichheit der Kandidaten, Wählerbeeinträchtigung sowie ein eingeschränktes Medienumfeld gekennzeichnet. ODIHR verzichtete auf das Lang- und Kurzzeit-Monitoring der im November 2015 durchgeführten Parlamentswahlen. Laut der Erklärung der Kurzzeit-Wahlbeobachtungsmission der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) verliefen die Wahlen geordnet und entsprachen der aserbaidschanischen Gesetzgebung (AA 6.4.2016).

Am 26.9.2016 weitete der regierende Präsident Ilham Aliyev seine Machtbefugnisse durch ein umstrittenes Referendum aus. Die Opposition warf Aliyev vor, seiner Familie auf Generationen die Macht sichern zu wollen (Standard 26.9.2016). Annähernd 85% der .

Wähler unterstützten die Verlängerung der Amtszeit von fünf auf sieben Jahre, wodurch die nächsten Präsidentschaftswahlen anstatt 2018 erst 2020 fällig sind (RFE/RL 27.9.2016).

Bereits am 20.9.2016 äußerte die Venediger Kommission des Europarates Bedenken hinsichtlich der aserbaidschanischen Verfassungsänderungen. Laut der Kommission würden viele der vorgeschlagenen Abänderungen das Machtgleichgewicht zugunsten des Präsidenten verschieben. So könne die Verlängerung der Amtszeit angesichts der Machtfülle und des Umstandes, dass seit 2009 eine unbegrenzte Wiederwahl möglich ist, nicht gerechtfertigt werden. Zudem erhält der Präsident die Befugnis, das Parlament auflösen zu können. Die Unabhängigkeit der Justiz ist dadurch betroffen, dass das Parlament nun eine eingeschränkte Rolle bei der Ernennung der Richter innehält. Die Kommission zeigte sich insbesondere besorgt, dass der Präsident von sich aus vorgezogene Präsidentschaftswahlen ausrufen kann und das neu eingeführte Amt eines Vizepräsidenten keiner Wahl unterliegt (CoE 21.9.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (10.2016a): Aserbaidschan: Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aserbaidschan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 01.12.2016

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AA - Auswärtiges Amt (6.4.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Aserbaidschan, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1465539892_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-aserbaidschan-stand-januar-2016-06-04-2016.pdf, Zugriff 01.12.2016

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CoE - Council of Europe (21.9.2016): Venice Commission legal experts raise alarm over draft modifications to Azerbaijan's constitution,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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