TE Vwgh Erkenntnis 2018/3/19 Ra 2017/02/0184

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Veröffentlicht am 19.03.2018
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967;
StVO 1960 §82 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs3 litd;
VStG §5 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 7. Juni 2017, Zl. LVwG 30.36-1006/2016-7, betreffend Übertretung der StVO (mitbeteiligte Partei: P in G, vertreten durch Mag. Werner Prettenthaler, Rechtsanwalt in 8572 Bärnbach, Voitsberger Straße 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Zuspruch von Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis vom 2. März 2016 wurde der Mitbeteiligte mit näheren Konkretisierungen schuldig erkannt, sein Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichen Verkehr ohne angebrachte Kennzeichentafeln abgestellt zu haben, ohne dass hierfür eine behördliche Bewilligung vorgelegen sei. Über den Mitbeteiligten wurde wegen Übertretung des § 99 Abs. 3 lit. d i. V.m. § 82 Abs. 2 StVO eine Strafe von EUR 150,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verhängt.

2 Der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten gab das Verwaltungsgericht Folge, behob das angefochtene Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein.

Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass der Mitbeteiligte sein Kfz, dem ein näher bezeichnetes Wechselkennzeichen zugewiesen sei, am Tattag und auch schon einige Monate zuvor ohne angebrachte Kennzeichentafeln an der Adresse in G. abgestellt habe. Die Abstellfläche sei Teil einer Straße mit öffentlichem Verkehr, die sich im Eigentum der Anrainer befinde. Eine entsprechende behördliche Bewilligung für das Abstellen sei nicht vorgelegen. Vor dem erstmaligen Abstellen habe sich der Mitbeteiligte bei einem im Dienst befindlichen Polizisten in der Grazer Innenstadt erkundigt, ob dieses Abstellen ohne Kennzeichen erlaubt sei. Dabei habe er geschildert, dass es sich um eine Straße im Privateigentum, jedoch mit öffentlichem Verkehr handle. Der Polizist habe ihm die Auskunft erteilt, dass das Abstellen erlaubt sei. Er solle lediglich im Kfz einen Zettel mit dem Hinweis auf das Wechselkennzeichen hinterlegen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, dass die vorgeworfene Verwaltungsübertretung grundsätzlich verwirklicht worden sei. Gemäß § 5 Abs. 2 VStG entschuldige der unverschuldete Verbotsirrtum. Zum konkreten Fall führte das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung sodann aus, dass der Mitbeteiligte sich vor dem Abstellen des Fahrzeuges bei einem Straßenaufsichtsorgan, somit einer sachkundigen und verlässlichen Person, über die Rechtslage erkundigt habe. Er sei daher seiner Erkundigungspflicht nachgekommen, die falsche Auskunft wirke entschuldigend.

3 Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision mit dem Antrag, die Revision zuzulassen und das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, in eventu, in der Sache selbst zu entscheiden sowie der revisionswerbenden Partei Kostenersatz zuzuerkennen. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er beantragte, der Verwaltungsgerichtshof möge die Revision als unzulässig zurückweisen, in eventu als unbegründet abweisen.

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Die revisionswerbende Partei rügt im Wesentlichen die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, wonach beim Mitbeteiligten ein entschuldigender Verbotsirrtum vorgelegen sei.

6 Die Revision ist zulässig und im Ergebnis auch begründet. 7 Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall

festgestellt, dass sich der Mitbeteiligte bei einem (nicht näher identifizierten) Polizeibeamten erkundigt habe, ob das Abstellen ohne Kennzeichen auf einer Straße im Privateigentum, jedoch mit öffentlichem Verkehr, erlaubt sei, wobei ihm der Polizeibeamte die Auskunft erteilt habe, dass dies erlaubt sei. Das Verwaltungsgericht kam zu dem Ergebnis, dass der Mitbeteiligte die vorgeworfene Verwaltungsübertretung zwar verwirklicht habe, die falsche Auskunft des Polizeibeamten den Mitbeteiligten jedoch gemäß § 5 Abs. 2 VStG entschuldige.

8 Zur Vorschrift des § 5 Abs. 2 VStG vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass auch eine irrige Gesetzesauslegung einen Beschuldigten nicht zu entschuldigen vermag, der es unterlassen hat, Erkundigungen einzuholen, ob die von ihm zum vorliegenden Fragenkreis vertretene Rechtsansicht zutrifft. Solche Erkundigungen haben an der geeigneten Stelle zu erfolgen, worunter im Zweifelsfall die zur Entscheidung der Rechtsfrage zuständige Behörde zu verstehen ist (vgl. u.a. VwGH 31.3.2006, 2005/02/0305). So kann etwa die von einem Organ der zuständigen Behörde erteilte Auskunft für das Vorliegen eines entschuldbaren Rechtsirrtums von Bedeutung sein, wenn auch die Unkenntnis oder irrige Auslegung von Bestimmungen der StVO und des KFG für "Lenker" von Kraftfahrzeugen grundsätzlich nicht als unverschuldet angesehen werden kann (siehe VwGH 15.5.1990, 89/02/0206). Die Auskunft (der zuständigen Behörde) zu einem bestimmten Sachverhalt schließt das Verschulden aus, sofern der danach verwirklichte Sachverhalt in den relevanten Punkten mit dem angefragten übereinstimmt (siehe VwGH 17.9.2014, 2011/17/0093).

9 Fallbezogen ist den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu entnehmen, dass es sich bei den auskunftserteilenden Polizeibeamten um eine solche "geeignete Stelle" im Sinn der dargestellten Judikatur handelt.

10 Schon deshalb hat das Verwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit belastet. Dieses war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

11 Gemäß § 47 Abs. 4 VwGG hat die revisionswerbende Partei in dem hier vorliegenden Fall einer Amtsrevision gemäß Art 133 Abs. 6 Z 2 B-VG keinen Anspruch auf Aufwandersatz, weshalb der diesbezügliche Antrag der revisionswerbenden Partei abzuweisen war.

Wien, am 19. März 2018

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017020184.L00

Im RIS seit

03.04.2018

Zuletzt aktualisiert am

10.04.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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