TE OGH 2018/2/20 10ObS3/18s

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Veröffentlicht am 20.02.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter KAD Dr. Lukas Stärker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dkfm. G*****, vertreten durch MMag. Christoph Doppelbauer, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4021 Linz, Gruberstraße 77, vertreten durch Dr. Johannes Honsig-Erlenburg, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Kostenerstattung (Revisionsinteresse 213,60 EUR), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Oktober 2017, GZ 12 Rs 75/17m-46, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. April 2017, GZ 18 Cgs 253/15i-42, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 213,24 EUR (darin enthalten 35,24 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Beim Kläger wurden nach einem Bandscheibenvorfall („Prolaps L4/L5 rechts Facettenarthrose“) und einer entsprechenden Überweisung drei Computertomograph-gesteuerte Infiltrationen an der Wirbelsäule unter Verwendung eines Computertomographen („CT“) durchgeführt. Der Arzt, der diese Infiltrationen vornahm, ist nicht Vertragsarzt der beklagten Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse. Das bei der Infiltration von ihm verwendete CT-Gerät ist nicht im Großgeräteplan für Oberösterreich enthalten. Der Kläger hat die Kosten der drei Infiltrationen in Höhe von 561 EUR selbst bezahlt.

Mit Bescheid vom 14. 10. 2015 lehnte die Beklagte den Antrag auf Leistung eines Kostenersatzes unter Hinweis darauf ab, dass für Untersuchungen durch Wahlärzte unter Verwendung von nicht im Großgeräteplan enthaltenen Großgeräten keine Kostenerstattung erfolge.

Das Erstgericht gab dem auf (vollen) Kostenersatz in Höhe von 561 EUR gerichteten Klagebegehren im Umfang von 213,60 EUR (3x 71,20 EUR) statt und wies das Mehrbegehren von 347,40 EUR ab.

Es stellte noch folgenden Sachverhalt fest:

Die CT-gesteuerte Infiltration ist
– insbesondere wenn ein Facettengelenk betroffen ist – die zweckmäßigste Therapiemethode, um Schmerz und allenfalls eine Lähmung zu beheben. Das betroffene Segment der Wirbelsäule wird mittels Computertomographen exakt lokalisiert und unter Beobachtung am Computerbildschirm wird mit einer Injektionsnadel ein entzündungshemmendes und schmerzlinderndes Medikament treffsicher an die Nervenwurzel bzw in die Gelenke gebracht. Im Vordergrund steht die Erfahrung und Fähigkeit des Arztes, das bildgebende Verfahren unterstützt ihn dabei. Diese Methode bietet die höchste Sicherheit für den Patienten und sollte möglichst akut durchgeführt werden. Auch beim Kläger war eine kurzfristige Durchführung der CT-gesteuerten Infiltration medizinisch unbedingt erforderlich. Das Zeitfenster für die Therapie betrug weniger als eine Woche. Bei einer nicht CT-unterstützten Infiltration hätte ein hohes Komplikationsrisiko (Entzündung, Blutung, Lähmung) bestanden.

CT-gesteuerte Infiltrationen sind im Leistungskatalog der beklagten Partei nicht enthalten. Sie werden nicht als direkt zu verrechnende Vertragsleistung angeboten, auch nicht von den im Großgeräteplan enthaltenen Instituten, die mit der Beklagten in einem Vertragsverhältnis stehen. Bei diesen Instituten können die Infiltrationen aber als „private Leistungen“ in Anspruch genommen werden. Den Patienten werden Honoranoten gestellt, nach Bezahlung reichen die Patienten diese zur Kostenerstattung bei der Beklagten ein. Im Jahr 2015 wurde an 225 Anspruchsberechtigte für 587 CT-gesteuerte Infiltrationen eine Kostenerstattung in der Gesamthöhe von 41.807,20 EUR geleistet. Pro CT-gesteuerter Infiltration betrug die Kostenerstattung im verfahrensgegenständlichen Zeitraum 71,20 EUR.

Der Kläger wohnt in Wels. Die in Wels vorhandene Vertragseinrichtung nimmt – auch „privat“ keine CT-gesteuerten Infiltrationen vor. Die Wartezeit im Klinikum Wels-Grieskirchen hätte ca vier Wochen betragen. Die kürzeste Wartezeit für eine CT-gesteuerte Infiltration bei einem der beiden im Großgeräteplan für Oberösterreich enthaltenen, in Linz angesiedelten Institute hätte rund eine Woche betragen, bei dem zweiten in Linz ansässigen Institut nach Durchführung eines Aufklärungsgesprächs ein bis zwei Wochen.

Rechtlich ging das Erstgericht zusammengefasst davon aus, die CT-gesteuerten Infiltrationen seien zeitnah notwendig und zweckmäßig gewesen. Die Rechtsprechung, nach der die Absicht des Gesetzgebers, mit Hilfe des Großgeräteplans teure Großgeräte auf wenige Einsatzstellen zu beschränken, unterlaufen würde, wenn bei Inanspruchnahme eines Wahlarztes zur Durchführung einer CT- oder MR-Untersuchung der Versicherte Kostenerstattung erlangen könnte, stehe der Kostenerstattung im vorliegenden Fall nicht entgegen. Der Großgeräteplan bzw die Gesamt- und Einzelverträge beschränkten nur Vertragsleistungen, nicht aber Leistungen im vertragsfreien Raum. CT-gezielte Infiltrationen seien nicht Gegenstand der Verträge mit den Betreibern von im Großgeräteplan enthaltenen Geräten. Auch diese Anstalten, Institute und Ambulanzen erbrächten die Leistung im vertragsfreien Raum als Wahlärzte ohne Direktverrechnung. Die CT-gesteuerten Infiltrationen fielen daher nicht unter den Großgeräteplan. Selbst wenn die CT-gesteuerte Infiltration von den Einschränkungen des Großgeräteplans ihrer Art nach umfasst wäre, stünde dies einer Honorierung nicht entgegen, da Zweck des Großgeräteplans die Vermeidung von Überkapazitäten sei und dieser Zweck angesichts der gerichtsbekannten Überlastung der Großgeräte mehr als erfüllt wäre. Der Zweck des Großgeräteplans, die flächendeckende medizinische Versorgung im Hinblick auf Qualität und Wirtschaftlichkeit zu steuern, umfasse nicht, außervertragliche Leistungen auf Betreiber von im Großgeräteplan enthaltenen Geräten einzuschränken. Auch stehe bei einer CT-gesteuerten Infiltration nicht die technische Ausstattung im Mittelpunkt, sondern der Arzt und die vom Arzt dafür extra zu absolvierende Ausbildung sowie dessen Fähigkeiten und Erfahrungen. Ungeachtet von Verrechnungsbeschränkungen habe eine Kostenerstattung stattzufinden, wenn die ärztliche Versorgung durch die zur Verrechnung berechtigten Ärzte nicht sichergestellt sei. Die Höhe des Zuspruchs orientiere sich an dem von der Beklagten für eine solche Leistung bei Inanspruchnahme eines im Großgeräteplan enthaltenen CT-Geräts geleisteten Ansatz.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Es folgte im Wesentlichen der Ansicht des Erstgerichts, auf die es gemäß § 500a ZPO verwies. Das bei der CT-gesteuerten Infiltration verwendete CT-Gerät sei ein Großgerät im Sinn des Großgeräteplans. Unbestritten sei aber, dass diese Leistung nicht im Gesamtvertrag geregelt sei, weshalb der Großgeräteplan die CT-gesteuerte Infiltration nicht erfasse. Bei Fehlen vertraglicher Regelungen seien in der Satzung Kostenzuschüsse vorgesehen; für die CT-gesteuerte Nervenwurzelinfiltration seien dies 71,20 EUR. Binde der Großgeräteplan die Vertragsparteien bei Abschluss des Gesamtvertrags, liege aber eine Leistung außerhalb des Gesamtvertrags vor, erfasse der Großgeräteplan die CT-gesteuerte Infiltration nicht. Für Vertragspartner der Beklagten bestehe auch keine Verpflichtung, CT-gesteuerte Infiltration anzubieten. Bieten sie diese Leistungen dennoch an, erfolge dies im vertragsfreien Raum. Die bisherige Rechtsprechung zur Kostenerstattung für Untersuchungen mit Großgeräten außerhalb des Großgeräteplans betreffe Leistungen, die grundsätzlich als Sachleistungen erbracht würden. Sie sei daher auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Vielmehr sei eine Anlehnung an die Judikatur zum sogenannten vertragsfreien Raum angebracht. Wenn selbst Vertragsärzte mit einem im Großgeräteplan vorgesehenen CT-Gerät wie Wahlärzte für die nicht vom Gesamtvertrag erfasste Leistung „CT-gesteuerte Infiltration“ eine Honorarnote legen dürften und der Versicherte einen Kostenzuschuss erhalte, sei eine Differenzierung gegenüber einem Wahlarzt nicht gerechtfertigt, bei dem Kosten in der selben Höhe auflaufen. Das Anliegen der Kostenkontrolle (durch Steuerung der Zahl und Verteilung der Großgeräte) werde nicht unterlaufen, da nicht am Großgeräteplan vorbei eine Kostenerstattung für die Inanspruchnahme der dort begrenzten Leistungen ermöglicht werde. Auch § 338 Abs 2a ASVG, der die Nichtigkeit dem Großgeräteplan widersprechender Verträge anordne, werde nicht außer Kraft gesetzt, da eine Leistung außerhalb des CT-Gesamtvertrags vorliege. Zwar könne eine Beschränkung des Grundsatzes der freien Arztwahl zur Sicherstellung der Finanzierung einer hochwertigen Gesundheitsversorgung gerechtfertigt sein, weshalb der Ausschluss einer Kostenerstattung für Leistungen mit Großgeräten, die nicht im Großgeräteplan enthalten seien, keine unzulässige Einschränkung der freien Arztwahl darstelle. Da aber eine Leistung außerhalb des Gesamtvertrags vorliege, komme der Großgeräteplan als Rechtfertigung für die Beschränkung des Grundsatzes der freien Arztwahl nicht in Betracht. Ein weiteres Argument für eine zulässige Einschränkung der freien Arztwahl sei, dass bei Untersuchungen mit einem Großgerät nicht das besondere Vertrauensverhältnis zu einem bestimmten Arzt, sondern technisch-wirtschaftliche Gesichtspunkte im Vordergrund stünden. Bei der mit erheblichen Risiken verbundenen Behandlungsmethode einer CT-gezielten Infiltration stehe jedoch die Tätigkeit des Arztes und damit auch das Vertrauen zu einem bestimmten Arzt im Mittelpunkt des Interesses des Versicherten. Im vorliegenden Fall sei die freie Arztwahl nicht allein durch die Vertragseinrichtungen der Beklagten als erfüllt anzusehen, weil dem Kläger weder innerhalb des erforderlichen Zeitfensters von weniger als einer Woche, noch innerhalb des im Großgeräteplan herangezogenen Erreichbarkeitsrichtwerts von 30 Minuten hinreichend Ärzte bzw Einrichtungen zur Verfügung gestanden seien. Dass die Fahrzeit für die Strecke Wels – Linz rund 40 Minuten betrage, sei gerichtsbekannt. Außerdem hätten auch die in Linz vorhandenen Vertragseinrichtungen keinen Termin innerhalb des zumutbaren Zeitfensters von weniger als einer Woche zur Verfügung stellen können. Eine Ablehnung einer Kostenerstattung würde daher das Recht des Klägers auf freie Wahl zwischen zwei Ärzten beschränken.

Die Revision sei zulässig, da keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Kostenerstattung bei nicht vom CT-Gesamtvertrag erfassten Leistungen (wie etwa einer CT-gesteuerten Infiltration durch Wahlärzte) – und damit mit einem Großgerät außerhalb des Großgeräteplans – bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin macht im Wesentlichen geltend, § 84a ASVG verlange die – zwischenzeitig auf alle Vertragspartner der Sozialversicherungsträger – erweiterte Beachtung des „Österreichischen Strukturplans Gesundheit“ (ÖSG) und des Großgeräteplans. Für die Handhabung auch außervertraglicher Leistungen sei daher jeweils zunächst als Vorfrage zu klären, ob diese im Einklang mit dem Großgeräteplan erbracht worden sei. Die Rechtsprechung, wonach das Anliegen der Kostenkontrolle durch Steuerung der Zahlen und Verteilung von Großgeräten unterlaufen würde, wenn unabhängig vom Großgeräteplan eine Kostenerstattung erfolge, sei auch auf außervertragliche Leistungen auszudehnen. Eine Kostenerstattung an Wahlärzte, die planungswidrig Großgeräte im extramuralen Bereich betreiben, würde das System der Sicherstellung einer nachhaltigen Sachleistungsversorgung und damit das Gesamtsystem der österreichweiten Gesundheitsversorgung konterkarieren.

Dazu ist auszuführen:

1.1 Maßgeblich ist im vorliegenden Zusammenhang der sogenannte „Großgeräteplan“, der von der Bundesgesundheitskommission im Rahmen des Österreichischen Strukturplans Gesundheit (ÖSG) beschlossen wurde.

1.2 Zur Regelung der Beziehungen zwischen den Trägern der Krankenversicherung und jenen Krankenanstalten, die ambulante Untersuchungen mit Großgeräten im Sinn des ÖSG in der jeweiligen Fassung durchführen, wurde in Oberösterreich ein Gesamtvertrag über die Erbringung und Verrechnung von ambulanten Computertomographie-Untersuchungen (kurz „CT-Vertrag“) sowie ein Gesamtvertrag über die Erbringung und Verrechnung von ambulanten Magnetresonanz-Untersuchungen („MR-Vertrag“) abgeschlossen (§ 349 Abs 2b ASVG). Laut diesen Gesamtverträgen ist die Erbringung der ambulanten Leistungen mit CT- und MR-Geräten selbständigen Ambulatorien vorbehalten. Mittels dieser Gesamtverträge soll der Zweck des Großgeräteplans umgesetzt werden, eine optimale Kapazitäts- und Leistungsangebotsstruktur zu gewährleisten und Überkapazitäten zu vermeiden. Die Versorgung der Bevölkerung soll durch optimale Standortwahl für Großgeräte regional möglichst gleichmäßig und bestmöglich erreichbar, aber auch wirtschaftlich erfolgen (Regierungsvorlage 382 BlgNR 20. GP, betreffend eine Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000; Teil II Großgeräteplan).

2. Die vertragsschließenden Parteien des CT-Gesamtvertrags haben bisher die CT-gesteuerte Infiltration nicht als neue Sachleistung in den Tarifkatalog eingeschlossen (siehe § 13 des Gesamtvertrags).

3.1 Für Leistungen, die als Krankenbehandlung zustehen, die aber nicht Gegenstand des Generalvertrags (der Honorarordnung sind), gebührt teilweiser Kostenersatz (Kletter in Sonntag, ASVG8 § 341 Rz 21). Darf der Vertragsarzt Leistungen auf Rechnung des Krankenversicherungsträgers nicht erbringen, kann ihn ein Versicherter privat in Anspruch nehmen und hat Anspruch auf nachträgliche Kostenerstattung (RIS-Justiz RS0083858).

3.2 Der Kostenersatzanspruch für die CT-gesteuerte Infiltration ist in § 38 Abs 1 der Satzung der OÖ Gebietskrankenkasse (= der beklagten Partei) verankert. Stehen Vertragspartner/Vertragspartnerinnen für notwendige Untersuchungen mit medizinisch technischen Geräten auf Rechnung der Kasse nicht zur Verfügung, weil die Verträge nicht zustande gekommen sind, sind Kostenzuschüsse nach der Regelung im Anhang 6 zur Satzung zu leisten. Für eine CT-gesteuerte Nervenwurzelinfiltration, Facettengelenks-infiltration oder Nervenwurzel- und Facettengelenksin-filtration betrug die Höhe des Kostenzuschusses im Jahr 2015 71,20 EUR.

4. Ist die CT-gesteuerte Infiltration keine vom Gesamtvertrag umfasste Leistung, ist sie nicht durch dort enthaltene Verrechnungsbeschränkungen für Untersuchungen ausschließlich unter Verwendung von im Großgeräteplan enthaltenen Geräten erfasst. Auch für den Kostenerstattungsanspruch können daher keine (gesamtvertraglichen) Verrechnungsbeschränkungen gelten (vgl Kletter in Sonntag, ASVG8 § 341 Rz 21). Der in § 38 Abs 1 der Satzung vorgesehene Anspruch auf Kostenzuschuss kann somit nicht daran scheitern, dass der vom Arzt bei der Infiltration verwendete Computertomograph nicht im CT-Gesamtvertrag enthalten ist.

5. Aus der Satzung selbst folgt kein anderes Ergebnis:

Aus deren Rechtsnatur als Rechtsverordnung (RIS-Justiz RS0053701) folgt, dass sie wie ein Gesetz auszulegen ist (Pöschl in SV-Komm §§ 453, 454 [54. Lfg] Rz 6 mwN). Auch bei weitestmöglichen Wortverständnis des § 38 Abs 1 der Satzung ist die Kostenerstattung für eine CT-gesteuerte Infiltration nicht an weitere Voraussetzungen, insbesondere nicht an die Verwendung eines im Großgeräteplan enthaltenen CT-Geräts geknüpft.

6. Ein Ausschluss des Kostenersatzanspruchs ist auch nicht dadurch erreichbar, dass unter „Ausblendung“ des Gesamtvertrags auf den Großgeräteplan zurückgegriffen wird. Dieser ist Teil des von der Bundes-Zielsteuerungskommission gemäß § 22 G-ZG (BGBl I 2013/81) zu beschließenden Österreichischen Strukturplans Gesundheit (ÖSG) und wird in § 59j KAKuG als „objektiviertes Sachverständigengutachten“ bezeichnet. Er ist für die Vertragspartner der Art 15a-Vereinbarungen über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens, BGBl I 2008/105, verbindlich und stellt die Rahmenplanung für die Regionalen Strukturpläne Gesundheit (RSG) dar. Für Dritte sind diese Pläne aber nicht unmittelbar rechtsverbindlich (Kletter in Sonntag, ASVG § 338 Rz 23; Schrattbauer, Rechtsnatur und rechtliche Verbindlichkeit der Strukturpläne im Gesundheitswesen, SozSi 2016, 168, [171]). Der Anspruch auf Kostenerstattung für eine CT-gesteuerte Infiltration wird demnach auch nicht (direkt) durch den Großgeräteplan limitiert.

7.1 Dass die vertragsschließenden Parteien des Gesamtvertrags bisher die CT-gesteuerte Infiltration nicht als neue Sachleistung in den Tarifkatalog eingeschlossen haben (siehe § 13 des Gesamtvertrags), hat einen sogenannten „vertragsfreien Raum“ für CT-gesteuerte Infiltrationen zur Folge.

7.2 Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann ein Versicherter im „vertragsfreien Raum“ auch einen Vertragsarzt als Wahlarzt in Anspruch nehmen, sofern es sich um notwendige und zweckmäßige Leistungen der Krankenbehandlung handelt, für die im Gesamtvertrag (noch) keine Leistungsposition festgesetzt wurde (RIS-Justiz RS0111711 [T1 und T2]).

7.3 Wie sich aus den Festellungen ergibt, wird diese Möglichkeit bisher von den Einrichtungen genutzt, zu denen die beklagte Partei in einer durch den Großgeräteplan gedeckten Vertragsbeziehung steht, indem sie CT-gezielte Infiltrationen ohne Direktverrechnung und gegen Kostenerstattung erbringen. Die Vertragsärzte werden bei Erbringung dieser Leistung demnach als Wahlarzt im „vertragsfreien Raum“ in Anspruch genommen; die von ihnen durchgeführten CT-gesteuerten Infiltrationen werden von der beklagten Partei als Wahlarztleistungen abgerechnet.

7.4 Die Beklagte beruft sich in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung, nach der zur Verhinderung der Umgehung des Großgeräteplans davon ausgegangen wurde, dass die Beschränkung der Verrechnungsmöglichkeit für Untersuchungen mit Großgeräten nicht nur auf Vertragsärzte (10 ObS 365/98v), sondern auch auf Wahlärzte wirken muss (10 ObS 79/10f; RIS-Justiz RS0111711).

7.5 Diese Rechtsprechung kann jedoch nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden:

Gegenstand dieser Entscheidungen sind jeweils Untersuchungen mit Großgeräten, für die jeder gesetzlich Krankenversicherte die Möglichkeit hat, sie bei den entsprechenden Vertragseinrichtungen als Sachleistung in Anspruch zu nehmen. Zum Unterschied dazu wird die CT-gesteuerte Infiltration nicht als Sachleistung angeboten, sondern im vertragsfreien Raum „privat“ gegen Kostenerstattung erbracht. Das Argument, „kontrollfrei“ betriebene Großgeräte in Wahlarztordinationen dürften deshalb nicht mittelbar aus öffentlichen Geldern mitfinanziert werden, weil auf diesem Weg das Sachleistungssystem untergraben würde, trifft somit nicht zu.

7.6 Die Revisionswerberin verweist weiters auf die Absicht des Gesetzgebers, jedwede Leistungen mit Großgeräten extramural ausschließlich durch hiefür autorisierte Ambulatorien iSd § 3a KAKuG erbringen zu lassen, um zu gewährleisten, dass sich die Großgerätebetreiber in Übereinstimmung mit dem Großgeräteplan allen Verfahrensschritten zum bewilligungskonformen Betrieb eines Großgeräts unterwerfen. Diese Zielsetzungen sind aber im vorliegenden Fall zu relativieren. Dass den Betreibern von im Großgeräteplan aufgenommenen Großgeräten bei der Erbringung von CT-gesteuerten Infiltrationen eine Konkurrenz erwächst bzw sie Gefahr laufen könnten, einen Teil ihrer Honorare zu verlieren, die sie bisher für diese Behandlung „privat“ erwirtschaftet haben, stellt keine ausreichende sachliche Rechtfertigung dafür dar, die Verrechnungsbeschränkung auf Bereiche außerhalb des Gesamtvertrags zu erstrecken.

7.7 Da die Höhe der Kostenerstattung für CT-gesteuerte Infiltrationen ident ist, gleichviel ob ein im Großgeräteplan enthaltenes Gerät verwendet wird oder nicht, wird auch das Anliegen der Kostenkontrolle nicht unterlaufen. Sollte die Beklagte die Gefahr sehen, dass bei Inanspruchnahme von Wahlärzten für CT-gesteuerte Infiltrationen eine größere Anzahl von Anträgen auf Kostenerstattung für CT-gesteuerte Infiltrationen gestellt werden, könnte den dadurch entstehenden Mehrkosten durch Aufnahme in den Tarifkatalog (§ 13 des Gesamtvertrags) entgegengesteuert werden.

8. Da für einen Versicherten bei der CT-gesteuerten Infiltration die Fähigkeiten bzw das besondere Vertrauensverhältnis zum Arzt im Vordergrund steht, ist letztlich auch § 135 Abs 2 ASVG zu beachten, nach dem die Auswahl zwischen mindestens zwei zur Behandlung berufenen, für den Erkrankten in angemessener Zeit erreichbaren Ärzten bzw Vertragseinrichtungen frei stehen soll. Der daraus abgeleitete Grundsatz der freien Arztwahl wäre für den Kläger beeinträchtigt gewesen, weil bei Inanspruchnahme der im Großgeräteplan enthaltenen Einrichtungen medizinisch nicht vertretbaren Wartezeiten aufgetreten wären. Zudem hat das Berufungsgericht aufgezeigt, dass die in Linz ansässigen Vertragsinstitute für den Kläger außerhalb des vom Großgeräteplans herangezogenen Erreichbarkeitswert von 30 Minuten gelegen waren (Die von der Revisionswerberin in diesem Zusammenhang behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor.). Das Revisionsvorbringen, bei Auftreten von längeren Wartezeiten wäre als alleinige Maßnahme eine Änderung des Großgeräteplans in Betracht zu ziehen, bis zu welchem Zeitpunkt die Wartezeiten bzw der erhöhte Bedarf ohne Auswirkung zu bleiben haben, erscheint jedenfalls nicht geeignet, den Anspruch des Klägers in Frage zu stellen.

9. Erhält demnach ein Versicherter für eine CT-gesteuerte Infiltration, die von einem Vertragsfacharzt mit einem im Großgeräteplan enthaltenen Computertomopraphen im vertragsfreien Raum vorgenommen wird, einen Kostenzuschuss, hat auch jener Versicherte, der diese Infiltration bei einem (nicht in Vertragsbeziehung zur Beklagten stehenden) Wahlarzt durchführen lässt, einen entsprechenden Anspruch, mag auch das vom Wahlarzt dabei verwendete genommene CT-Gerät nicht vom Großgeräteplan umfasst sein.

Die Revision der Beklagten bleibt somit erfolglos.

Der Kostenzuspruch beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E121007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00003.18S.0220.000

Im RIS seit

30.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

22.06.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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