Entscheidungsdatum
05.03.2018Index
90/01 StraßenverkehrsordnungNorm
StVO 1960 §4 Abs5Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Kummernecker über die Beschwerde der Frau C. A. gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat Liesing, vom 12.1.2018, GZ: VStV/917301431957/2017, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960,
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat die Beschwerdeführerin einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 10,-- Euro (das ist der gesetzliche Mindestkostenbetrag) zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Das angefochtene Straferkenntnis enthält im Wesentlichen folgenden Spruch:
„1. Sie sind am 07.09.2017 um 07:45 Uhr in 1230 Wien, Prückelmayrgasse 6 als Lenker(in) des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen MD-… mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt, obwohl Sie und die Person(en) in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihre Namen und Anschriften nicht nachgewiesen haben.
Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:
Geldstrafe von € 40,00, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Stunde(n) Gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO
Ferner hat der Beschuldigte gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG zu zahlen:
€ 10,00 als Beitrag zu den kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens 10 Euro für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher
€ 50,00“.
In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor wie folgt:
„Ich möchte Einspruch wegen der Straferkenntnis vom 12.1.2018 erheben.
Wie ich meinem Mail vom 19 Oktober 2017 bereits ausführte, bin ich mir keinem Fehlverhalten bewusst.
Ich habe nach besten Wissen und Gewissen gehandelt. Da ich vorerst meine Kinder versorgen musste, konnte ich nicht sofort die Selbstanzeige machen.
Nachdem ich meine Kinder (3 und 7 Jahre alt) soweit beruhigt hatte, konnte ich meine Tochter in die Schule bringen, damit sie rechtzeitig zum Unterricht kommt.
Anschließend kümmerte ich mich um meinen Sohn, der sehr aufgeregt war.
Ich brachte ihn in den Kindergarten und achtete darauf, dass er gut versorgt ist.
Anschließend fuhr ich unverzüglich zum PK Wien Liesing um die Selbstanzeige zu machen.
Ich würde meinen, dass dies ohne unnötigen Aufschub bewerkstelligt wurde und bin deshalb erstaunt, nun diese Straferkenntnis bekommen zu haben.
Ich bin eine Alleinerziehende Mutter mit 2 Kindern und kann diese auf €50 reduzierte Strafe auch finanziell nicht stemmen.
Ich bitte um positive Erledigung,“.
Der im angefochtenen Straferkenntnis erhobene Tatvorwurf geht auf eine am 13.9.2017 von der Landespolizeidirektion Wien erstattete Anzeige zurück, wonach die Beschwerdeführerin den am 7.9.2017 um 7.45 Uhr in Wien 23., Prückelmayrgasse 6, verursachten Verkehrsunfall an diesem Tag erst um 8.42 Uhr im Polizeikommissariat Lehmanngasse gemeldet habe.
Der Einspruch gegen die Strafverfügung vom 25.9.2017 nimmt das Vorbringen in der Beschwerde bereits weitgehend vorweg. In der Folge erließ die Behörde das in Beschwerde gezogene Straferkenntnis vom 12.1.2018.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Festgestellt wird, dass es die Beschwerdeführerin zu der in der Tatanlastung des angefochtenen Straferkenntnisses näher umschriebenen Zeit am dort näher umschriebenen Ort nach ursächlicher Beteiligung an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden unterlassen hat, diesen Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub der nächsten Polizeidienststelle zu melden, obwohl kein Identitätsaustausch mit dem Unfallsgegner stattgefunden hat. Die Beschwerdeführerin hat den am 7.9.2017 um 7.45 Uhr in Wien 23., Prückelmayrgasse 6, verursachten Verkehrsunfall an diesem Tag erst um 8.42 Uhr im (nicht weit entfernten) Polizeikommissariat Lehmanngasse gemeldet.
Gemäß § 4 Abs. 5 StVO 1960 haben die im Abs. 1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
Gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726,-- Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer in anderer als der in Abs. 2 lit. a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalles nicht Hilfe leistet.
Das Verwaltungsgericht Wien verweist in diesem Zusammenhang zunächst auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestandes des § 4 Abs. 5 StVO 1960 der tatsächliche Eintritt eines Verkehrsunfalles mit Sachschaden sowie die Kenntnis des Täters hievon ist. Hinsichtlich des letzteren Umstandes genügt es, wenn ihm objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit Sachschaden zu erkennen vermocht hätte (vgl. VwGH 11.9.1979, 1153/79).
Das Erfordernis des gegenseitigen Identitätsnachweises wird in der Regel die persönliche (nicht bloß telefonische) Kontaktaufnahme der beteiligten Fahrzeuglenker und/oder -besitzer zur Voraussetzung haben. Durch (wie im Einspruch gegen die Strafverfügung vom 25.9.2017 dargelegt) Hinterlassung eines Zettels mit der Telefonnummer der Beschwerdeführerin am beschädigten Fahrzeug kann der in Abs. 5 geforderte Nachweis nicht erbracht werden (vgl. VwGH 9.7.1964, 245/64).
Die Verständigung gemäß § 4 Abs. 5 StVO 1960 hat ohne unnötigen Aufschub zu erfolgen, wobei dieser Begriff streng auszulegen ist (vgl. VwGH 12.11.1970, 1771/69, 21.3.1975, 1812/74). Dies kann nur ein relativ kurzer Zeitraum (nicht einmal eine halbe Stunde: vgl. VwGH 19.9.1984, 83/03/0358) sein.
Im Übrigen kann die Meldepflicht nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 auch telefonisch (vgl. VwGH 21.3.1975, 1812/74) oder durch einen Dritten (vgl. VwGH 24.1.1990, 89/02/0183) erfüllt werden.
Unter Zugrundelegung der getroffenen Sachverhaltsfeststellungen wurde sohin das in Rede stehende Tatbild erfüllt.
Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Mit ihrem Vorbringen hat die Beschwerdeführerin mangelndes Verschulden nicht dargetan. Für die Annahme, dass die Meldung telefonisch oder durch einen Dritten objektiv nicht möglich oder der Beschwerdeführerin subjektiv nicht zumutbar gewesen wäre bzw. dass sich die Beschwerdeführerin hierüber in einem entschuldbaren Irrtum befunden hätte, fehlen jegliche Anhaltspunkte.
Die Beschwerdeführerin hat sohin die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht begangen, weshalb das angefochtene Straferkenntnis in der Schuldfrage zu bestätigen ist.
Zur Strafbemessung ist auszuführen:
Die behördlich verhängte Geldstrafe kann aus nachfolgenden Gründen nicht herabgesetzt werden:
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten der Beschuldigten sind bei der Bemessung der Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die der Bestrafung zugrunde liegende Tat schädigte das als sehr bedeutend einzustufende und im Übrigen durch die Strafdrohung geschützte öffentliche Interesse an der raschen Ermittlung der an einem Verkehrsunfall ursächlich Beteiligten, weshalb der objektive Unrechtsgehalt der Tat an sich, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, nicht als geringfügig angesehen werden kann.
Das Ausmaß des Verschuldens kann im vorliegenden Fall in Anbetracht der offensichtlichen Außerachtlassung der objektiv gebotenen und der Beschwerdeführerin zuzumutenden Sorgfalt nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen ist, dass die Einhaltung der verletzten Rechtsvorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder dass die Verwirklichung des Straftatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.
Der Aktenlage nach kommt der Beschwerdeführerin der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zugute. Erschwerungsgründe sind nicht hervorgekommen.
Aus den angeführten Gründen erscheint die verhängte Geldstrafe selbst unter Annahme ungünstiger allseitiger Verhältnisse durchaus als angemessen und nicht als überhöht.
Gemäß § 16 Abs. 2 letzter Satz VStG ist die Ersatzfreiheitsstrafe ohne Bedachtnahme auf § 12 VStG nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen.
Eine weitere Herabsetzung der von der Behörde ohnehin bereits gemäßigten Strafen kommt unter Bedachtnahme auf die vorangeführten Strafbemessungsgründe, die general- und spezialpräventive Funktion der Verwaltungsstrafe und den bis zu 726,-- Euro reichenden gesetzlichen Strafsatz nicht in Betracht.
Sohin ist spruchgemäß zu entscheiden. Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die dort genannten Gesetzesstellen. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 44 Abs. 3 Z 1 und 3 VwGVG (ein Verhandlungsantrag wurde nicht gestellt) abgesehen werden.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Verkehrsunfall; Sachschaden; Meldepflicht; Selbstanzeige verspätetEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.031.049.2136.2018Zuletzt aktualisiert am
27.03.2018