TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/13 L519 2173537-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.03.2018
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Entscheidungsdatum

13.03.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L519 2173537-1/11E

L519 2173536-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , auch: XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 18.8.2017, Zl. 1071695702-150599169, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.12.2017 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 und 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, auch: XXXX, geb. XXXX, StA. Iran, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 17.8.2017, Zl. 1071695800-150599223, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.12.2017 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 und 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die Beschwerdeführer (in weiterer Folge entsprechend der Reihenfolge im Spruch als "BF1" und "BF2" bezeichnet), beide Staatsangehörige des Iran, brachten nach nicht rechtmäßiger Einreise am 2.6.2015 bei der belangten Behörde Anträge auf internationalen Schutz ein.

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF1 im Wesentlichen vor, dass er vor 6 Monaten begonnen habe, mehr und mehr an das Christentum zu glauben. Er habe auch an privaten christlichen Treffen teilgenommen. Beim letzten Treffen hätten alle flüchten müssen, da Beamte zum Gebäude gekommen seien. Auch beim BF1 zu Hause seien bereits Beamte gewesen. Er habe dann die BF2 angerufen und sei mit ihr nach Teheran zu einem Onkel, der die Ausreise organisierte. Die BF2 gab bei der Erstbefragung an, Muslima zu sein und selbst keine Probleme gehabt zu haben.

Beim BFA gab der BF1 zusammengefasst an, er habe das Christentum über einen Computerkunden kennengelernt. Sie seien Freunde geworden. Der Freund habe eine Knochenkrankheit gehabt, das Christentum habe ihn geheilt. Ein paar Mal seien sie gemeinsam in eine richtige Kirche in der Stadt gegangen. Der BF1 habe dann eine Bibel bekommen. Der Freund sagte dem BF1 dann, er könne nicht mehr in die Kirche gehen, da sein Name den Behörden bekannt sei. Der BF1 sei dann in einen Hauskreis, als ein Teilnehmer sah, dass die Polizei kommt, worauf alle flüchteten. Als der BF1 nach Hause ging, sah er dort 2 Personen in Zivil mit Funkgerät. Der BF1 habe die BF2 angerufen und gemeinsam hätten sie die Stadt verlassen. Weiter gab der BF1 an, dass er am 23.7.2017 christlich getauft werde.

Die BF2 gab beim BFA an, jetzt ebenfalls Christin, protestantisch, zu sein

I.2. Die Anträge der BF auf internationalen Schutz wurden mit im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status von Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurden nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung der BF in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus:

Aufgrund der Tatsache, dass der BF1 eine gebildete Person mittleren Alters ist, die ihr bisheriges Leben im Iran zubrachte, sei für die Behörde nicht nachvollziehbar und somit auch nicht glaubhaft, dass der BF1 die iranische Gesetzeslage zu Apostasie, wie von ihm bei der Einvernahme behauptet, nicht gekannt hätte und mehrfach eine öffentliche christliche Kirche in seiner Heimatstadt besucht hätte und er sich auch dabei nichts gedacht hätte, als dort seine persönlichen Daten erfasst wurden. Der BF1 habe erst später erfahren, dass die Daten für die iranische Regierung waren, um zu kontrollieren, welche Personen christliche Kirchen frequentieren. Dem BF1 als gebürtigem Moslem hätte in diesem Zusammenhang klar sein müssen, dass es einem Moslem im Iran nicht erlaubt ist, eine öffentliche christliche Kirche zu besuchen.

Weiter sei nicht glaubhaft, dass ein Hauskreis von der iranischen Polizei gestürmt wird und es bei 12 Anwesenden zu keiner einzigen Verhaftung kommt - diese jedoch gleich nach der Auflösung des Hauskreises ausgerechnet beim BF1 zu Hause vor der Tür- für den BF1 sofort erkennbar wartet. Hätten sich die Schilderungen des BF1 tatsächlich so zugetragen, wäre wohl die Stürmung des Hauskreises von der iranischen Polizei sorgfältig vorbereitet und der Veranstaltungsort des Hauskreises mit höchster Wahrscheinlichkeit umstellt worden und es wäre vor Ort zu Verhaftungen gekommen.

Darüber hinaus sei nicht glaubhaft, dass der BF1 zu jenem Freund, der ihm das Christentum näher gebracht haben soll, überhaupt keinen Kontakt mehr hätte. Der BF1 habe seine Telefonnummer nicht eingespeichert, obwohl er ein enger Freund über ca. 1 Jahr gewesen sei und man sich 5 bis 6 Mal die Woche getroffen habe. Nachgefragt gab der BF1 an, dass dieser auch keinen facebook-Account habe. In der Folge wurde der BF gefragt, ob der Freund nicht über seine Arbeitsstelle erreichbar sei, worauf er auswich und angab, dieser sei freiberuflich tätig. Diese vagen und unkonkreten Antworten werden klar als Unwahrheit identifiziert, da selbst ein freier Mitarbeiter mit hoher Wahrscheinlichkeit berufliche Kontaktdaten wie eine Firmenhomepage oder dgl. hat. Der BF1 brachte die Stürmung des Hauskreises als fluchtauslösendes Ereignis vor, was für die Behörde impliziere, dass es für den BF1 von Interesse sein wird, was mit den anderen Teilnehmern des Hauskreises passiert ist bzw. vor allem wie es seinem Freund ergangen ist und der BF1 folglich höchstwahrscheinlich auch Kenntnis darüber hat.

Es sei auch nicht realistisch, dass der BF1 bei sich zu Hause eine Bibel aufbewahrt hat, zumal ihm die möglichen Folgen bekannt sein mußten. Selbst bei Wahrunterstellung, dass iranische Beamte beim BF1 zu Hause auf ihn gewartet hätten, sei festzuhalten, dass kurzfristige Inhaftierungen und Hausdurchsuchungen nach der Judikatur grundsätzlich nicht als asylrelevante Verfolgung gelten.

Wenn der BF1 als Gründe für die Hinwendung zum Christentum "Liebe" und dass er im Christentum "direkt mit Gott in Verbindung stünde" angab, sei auszuführen, dass der BF1 darüber hinaus mit keinem Wort von sich aus erklärte, wie er darauf kommt, dass es im Christentum um "Liebe" und wie von ihm vorgebracht im Islam hauptsächlich um "Krieg und Blut vergießen" geht. Dazu ist festzustellen, dass der Koran mit den Worten "Im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Allbarmherzigen", 1. Vers der 1. Sure, beginnt. Überschriftartig steht er am Anfang und nennt gleich zweifach die herausragende Eigenschaft des einen Gottes, den der Koran verkündet: seine Barmherzigkeit. Der Hinweis auf die Barmherzigkeit Gottes steht nicht nur vor der ersten Sure, sondern - außer vor Sure 9 - vor jeder einzelnen der 114 Suren. Wieder und wieder erinnert der Koran an die Barmherzigkeit Gottes, seine weitaus am häufigsten genannte Eigenschaft. Daraus schließt die Behörde, dass sich der BF1 mit seiner alten Religion nicht wirklich auseinandergesetzt hat, weil er sonst nicht nur die beiden Schlagworte "Krieg und Blut vergießen" als Hauptinhalt des Islam angegeben hätte. Die Übernahme von anderen, neuen Glaubensgrundsätzen, religiösen Traditionen und Bräuchen beinhalte jedoch aus Sicht der Behörde naturgemäß ein sich intensives Auseinandersetzen mit der Glaubenslehre. Dabei handle es sich selbstredend um ein längeres Prozedere, um die Unterschiede zwischen der vormaligen und der christlichen Religion für sich zu evaluieren und für sich die Notwendigkeit einer Konversion zu erkennen, denn auch das Kennen und vorherige Akzeptieren der alten Religion ist Voraussetzung, um die "Vorteile" der neuen Religion für sich und vor sich akzeptabel zu machen.

Dem Vorbringen des BF1 könne nicht entnommen werden, warum man nur ansatzweise davon ausgehen sollte, dass ein Prozess einer Zuwendung zu einer neuen Religion statfand und weshalb der BF1 sich so plötzlich für eine neue Religion interessieren hätte sollen, wo er doch laut eigener Angabe vorher im Islam auch seinen Glauben nicht fand und eine nichtreligiöse Lebensweise innehatte. Die Erklärung, die Religion habe ihn wie ein Blitz getroffen, weil der Freund von der Knochenkrankheit geheilt wurde, sei für die Behörde keine hinreichende Erklärung, da der BF1 selbst nie krank war und die Heilung eines Kunden bzw. späteren Freundes mit dem Leben des BF1 in keinem direkten Zusammenhang stehe.

Insbesondere sei aus den schematischen Antworten des BF1 ( wie Liebe, Krieg und Blut vergießen) nicht im geringsten erkennbar, warum man davon ausgehen könne, dass ein derartiger Prozess einer Zuwendung zur Religion stattfand und warum der BF1 die Religion suchte.

Aufgrund der Kürze des Interesses am Christentum (5 - 6 Monate) im Iran und der Tatsache, dass der BF1 davor gänzlich ohne Glauben ausgekommen ist, könne die Behörde von keinem echten und authentischen Einstellungswandel ausgehen. Aus diesem Grund sei auch unwahrscheinlich, dass der BF1 im Iran mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen hätte.

Da sich der BF1 nie richtig als Moslem fühlte und gänzlich ohne Glauben ausgekommen ist, handelt es sich bei ihm um eine Person ohne religiöse Bindung. Das sei bei iranischen Asylwerbern aus der aufgeklärten oppositionellen Bürgerschicht keine Seltenheit, sondern eher die Regel. Personen aus diesem Kreis falle es naturgemäß nicht schwer, eine Konversion vorzutäuschen, da ihnen dies keine Gewissenskonflikte beschert. Aus der Natur der islam. Republik Iran als Gottesstaat mit einer untrennbaren Verknüpfung von Staat und Religion führe eine regimefeindliche Einstellung fast zwangsläufig zur Ablehnung des Islam.

Der Vater des BF1 sei laut diesem gläubiger Moslem, habe aber mit der aktuellen Religionsentscheidung des BF1 kein Problem. Wäre der BF1 tatsächlich Christ geworden, wäre dies aus Sicht der Behörde mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr wohl ein Problem für den Vater als Familienoberhaupt im islamisch geprägten Gesellschaftssystem. Dies sei ein weiteres Indiz für die Scheinkonversion.

Die BF2 gab an, in Österreich zum Christentum konvertiert zu sein und sich den Fluchtgründen des BF1 anzuschließen. Da sich die Fluchtgeschichte des BF1 als nicht asylrelevant heraustellte, sei auch der Antrag der BF2 abzuweisen.

Die BF nehmen seit der Ankunft in Österreich regelmäßig an christlichen Gottesdiensten teil, haben sich aber nicht in leitender Funktion exponiert. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie in österreich missionierend tätig sind, da dies aufgrund des nicht glaubhaften Fluchtvorbringens und folglich nicht von Herzen kommender innerer Überzeugung den christlichen Glauben betreffend nicht möglich sei. Im Iran hat der BF1 laut eigener Angabe ebenfalls nicht missioniert. Eine Teilnahme am Gemeindeleben sowie der Anschluss zu einer kirchlichen Gemeinde in Österreich sei zum Vorteil der BF, da sie so in einem für sie kulturell bzw. sozial noch fremden Umfeld in eine Gemeinschaft eingebunden werden und sich geborgen fühlen können. Auch für die christliche Gemeinde ist es von Nutzen, neue Mitglieder zu generieren und so entstehe eine Situation, die beiden Seiten Vorteile bringt.

Dass die BF am 23.7.2017 einen Tauftermin hatten, haben sie durch Vorlage einer Bestätigung der mennonitischen Freikirche XXXX belegt. Die Beweiskraft dieser Bestätigung sei aber als gering einzustufen, da das zentrale Vorbringen der BF die Konversion zum Christentum sei und sie, um ihr Vorbringen zu untermauern, Taufunterricht bzw. Taufe zum Zweck ihrer Asylbegehren für sich nutzen können. Außerdem liege es selbstredend im Interesse der christlichen Gemeinde neue Mitglieder zu generieren.

Der BF haben zwar einfache Fragen zum Christentum beantworten können. Dabei handle es sich um Wissen, dass bei gehöriger Anstrengung für jedermann erlernbar ist, ohne dass es hiefür eines Glaubensübertrittes aus innerer Überzeugung bedarf. Der persönliche Eindruck bei der Einvernahme sei auch nicht dergestalt gewesen, um die Behörde von einem ehrlichen und dauerhaften Glaubens- und Einstellungswandel ausgehen zu lassen. Die Ausführungen zum christlichen Glauben wirkten sehr oberflächlich und wurden wenig ausführlich und keineswegs emotional vorgetragen. Jedoch gerade von einer Person, die sich für einen neuen Glauben begeistert und für sich in Anspruch nimmt, sich diesem zugewendet zu haben, wäre zu erwarten, dass es dieser ein Anliegen und ein Bedürfnis ist, ausführlich über den neuen Glauben zu sprechen und von sich aus Angaben zu machen.

Aufgrund des Gesamteindruckes gehe die Behörde von Scheinkonversionen aus.

I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam.

Es hätten sich weiter keine Hinweise für Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stellen die Rückkehrentscheidungen auch keinen ungerechtfertigten Eingriffe in Art. 8 EMRK (§§ 55, 10 Abs. 2 AsylG 2005) dar.

I.3. Gegen diese Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde neben Wiederholungen und allgemeinen Angaben vorgebracht, dass die Tatsache, dass die BF als Moslems nur wenig religiös waren, der plötzlichen Hinwendung zum Christentum nicht entgegen stehe. Dies bezeuge vielmehr, dass die BF in ihrer neuen Religion eine Erfüllung gefunden haben. Dass die Ausführungen zum Christentum oberflächlich wirkten, sei auf Übersetzungsprobleme des Dolmetschers bei christlichen Inhalten zurückzuführen. Der BF1 habe sich nie sonderlich für Religion interessiert, weshalb er auch die Bedeutung des Kirchenbesuches für den iranischen Staat nicht erwartet hat. In der Hauskirche sei es deshalb zu keiner Verhaftung gekommen, da der Wächter rechtzeitig Alarm geschlagen habe.

Die BF seien deshalb noch nicht missionarisch tätig, da dies jahrelange Erfahrung voraussetzt.

Anhand der Länderfeststellungen fühlten sich die BF in ihrem Vorbringen bestätigt.

Die BF seien in der Kirchengemeinde bestens integriert und besuchen fast jeden Sonntag den Gottesdienst.

I.4. Für den 21.12.2017 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung, an der die BF mit ihrer Rechtsvertretung teilnahmen.

I.5. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. Die Beschwerdeführer:

Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um Staatsangehörigen des Iran, welche zur Volksgruppe der Gilak gehören. Die BF sind damit Drittstaatsangehörige. Nicht festgestellt werden kann, dass sich die BF tatsächlich im Inneren zum Christentum bekennen, obwohl sie am 23.7.2017 protestantisch getauft wurden und am 14.12.2017 bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde formal aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten sind.

Die BF sind miteinander verheiratete, junge, gesunde, arbeitsfähige Menschen mit einer im Iran - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.

Die BF stammen aus Rasht. Der BF1 und BF2 haben je 12 Jahre die Schule besucht und mit Matura abgeschlossen. Anschließend hat der BF1 4 Jahre "Computeringenieur" studiert, die BF2 4 Jahre "Farsi und Arabisch". Beide BF sprechen Farsi auf muttersprachlichem Niveau.

Im Iran leben nach wie vor die Eltern und 2 Schwestern des BF1 sowie die Eltern und 2 Brüder der BF2.

Die BF sind in Österreich strafrechtlich bislang unbescholten und beziehen Grundversorgung. Die BF haben Deutschkurse besucht.

Die BF haben keine familiären oder relevanten privaten Anknüpfungspunkte in Österreich.

Die Identität der BF steht fest.

Sie reisten unrechtmäßig in die Europäische Union und in weiterer Folge in das österreichische Bundesgebiet ein.

Die BF halten sich lediglich aufgrund der Bestimmungen des Asylgesetzes vorübergehend legal in Österreich auf und besteht kein Aufenthaltsrecht nach anderen gesetzlichen Bestimmungen.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Iran:

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran werden folgende

Feststellungen getroffen:

Politische Lage

Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution", Ayatollah Seyed Ali Khamene'i, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt. Leiter der Exekutive ist der iranische Staatspräsident, seit August 2013 Dr. Hassan Rohani, der vom Volk in direkten Wahlen auf vier Jahre gewählt und vom Revolutionsführer bestätigt wird. Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden im Juni 2013 statt. Der Staatspräsident bildet ein Kabinett; das Parlament muss den einzelnen Ministern zustimmen und kann ihnen das Vertrauen auch wieder entziehen. Auch das Parlament wird auf vier Jahre direkt vom Volk gewählt. Sowohl Parlament als auch Regierung haben legislatives Initiativrecht. Als Kontrollinstanz fungiert im Gesetzgebungsverfahren der "Wächterrat" (bestehend aus sechs vom Revolutionsführer ausgewählten islamischen Rechtsgelehrten und sechs vom Parlament bestellten juristischen Experten), der auch über weitreichende Befugnisse der Verfassungsauslegung und bei der Vorauswahl der Kandidaten bei Parlaments-, Präsidentschafts- und Expertenratswahlen verfügt. Der "Schlichtungsrat" fungiert im Gesetzgebungsverfahren als vermittelndes Gremium und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der "Gesamtinteressen des Systems" zu achten (AA 6.2016a, vgl. ÖB Teheran 10.2016).

Das iranische Volk hat am 26. Februar 2016 das Parlament und den Expertenrat gewählt. Während Letzterer weiterhin stark konservativ dominiert ist, ist das neue Parlament deutlich zentristischer als zuvor. Der wiedergewählte traditionell-konservative Parlamentspräsident Larijani und Teile seiner Unterstützer haben sich im Zuge des Konflikts um die Verabschiedung des Nuklearabkommens im letzten Sommer der Regierung sichtbar angenähert. Die pragmatische Unterstützung Rohanis durch Larijani dürfte sich auch in Zukunft fallabhängig wiederholen und wirkt insgesamt systemstabilisierend. Weiterhin zeigen institutionelle Vetorechte des konservativen Establishments der Regierung Rohani und ihrer innenpolitischen Agenda von mehr Bürgerrechten und mehr Freiheiten Grenzen auf. Die Regierung Rohani ist überdies weiterhin bestrebt, den Iran aus seiner außenpolitischen Isolierung herauszuführen. Wichtige Grundlage hierfür war der Abschluss des Nuklearabkommens. Die Revolutionsgarden (IRGC) bleiben militärischer, politischer und wirtschaftlicher Machtfaktor im Gefüge der Islamischen Republik. Sie begrenzen die Macht des Staatspräsidenten in grundsätzlichen Fragen. Es gelang der Regierung, den dramatischen Rückgang der Wirtschaftsaktivität seit 2011 aufzuhalten, die Inflation auf unter 10 % zurückzufahren und die Währung zu stabilisieren (AA 8.12.2016).

Seit 1979 ist der Iran eine Islamische Republik, wobei versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Kriterien beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden. Das iranische Regierungssystem ist ein präsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Majlis - Majles-e Shorâ-ye Eslami / Islamische Beratende Versammlung -, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das (mit europäischen Parlamenten vergleichbare) legislative Kompetenzen hat sowie Regierungsmitgliedern das Vertrauen entziehen kann. Über dem Präsidenten, der laut Verfassung auch Regierungschef ist, steht der Oberste Führer, seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Der Oberste Führer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran; Abk.: IRGC) und damit auch die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen. Für die entscheidenden Fragen der Islamischen Republik ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 10.2016).

Ausschließlich politische Parteien und Fraktionen, die sich dem Establishment und der Staatsideologie als loyal erweisen, ist es erlaubt, im Iran zu arbeiten. Reformistische Parteien und Politiker sind seit 2009 immer wieder unter Druck geraten (FH 2017).

Das Parlament, der Expertenrat sowie der Präsident werden in geheimen und direkten Wahlen vom Volk gewählt. Dabei sind Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert. Den OECD-Standards entspricht das Wahlsystem jedoch schon aus dem Grund nicht, dass sämtliche Kandidaten im Vorfeld durch den vom Revolutionsführer und Justizchef ernannten Wächterrat zugelassen werden müssen (AA 8.12.2016, vgl. IPG 27.1.2014). Der Revolutionsführer ist oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter, kann zentrale Entscheidungen aber nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Parteien [im westeuropäischen Verständnis] gibt es in Iran nicht. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Die Mitgliedschaft und Allianzen untereinander unterliegen dabei ständigem Wandel. Aufgrund der schwierigen Lage der reformorientierten Opposition unterstützt diese im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems Islamische Republik angesiedelten Präsidenten Rohani (AA 8.12.2016).

Die Mitte Juli 2015 in Wien erfolgreich abgeschlossenen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm im "Joint Comprehensive Plan of Action" (JCPOA) genannten Abkommen und dessen Umsetzung am 16. Jänner 2016 führten zu einer Veränderung der Beziehungen zwischen dem Iran und der internationalen Gemeinschaft:

Die mit dem iranischen Atomprogramm begründeten Sanktionen wurden aufgehoben bzw. ausgesetzt. Seither gibt es einen intensiven Besuchs- und Delegationsaustausch mit dem Iran, zahlreiche neue Wirtschaftsverträge wurden unterzeichnet. Die Erwartung, dass durch den erfolgreichen Abschluss des JCPOA die reformistischen Kräfte im Iran gestärkt werden, wurde in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt: Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz Teheran an das Lager der Reformer. 217 der bisherigen 290 Abgeordneten wurden nicht wiedergewählt. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen "unislamisches" oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden; insbesondere für einige religiöse Minderheiten, wie die Bahai, und Journalisten wird eher von einer Verschlechterung der Situation im Jahr 2015 ausgegangen. Dies zeigt sich gegenwärtig etwa in der Vorlage einer Gesetzesnovelle für das Medienrecht, welche die Meinungsfreiheit von Journalisten weiter einschränkt. (ÖB Teheran 10.2016).

Die Machtkämpfe zwischen Hardlinern und Reformern dauern im Iran schon fast vierzig Jahre an. Nie zuvor jedoch disqualifizierten die greisen Kleriker des allmächtigen Wächterrates so viele Bewerber bei einer Parlamentswahl [26.2.2016] wie diesmal. Sieben lange Wochen dauerte das Ringen hinter den Kulissen, sieben kurze Tage der eigentliche Wahlkampf. Am Ende kam auf den Stimmzetteln ein Reformkandidat auf 30 Hardliner. Landesweit lag die Zahl der zugelassenen Politiker, die für eine Öffnung der Islamischen Republik eintreten, bei kümmerlichen 200 und damit sogar unterhalb der Gesamtmenge von 290 Wahlkreisen. Und trotzdem erteilte das Volk den durch beispiellose klerikale Machtwillkür dezimierten Mitstreitern des moderaten Präsidenten Hassan Rohani ein eindeutiges Mandat. In der 16-Millionen-Metropolregion Teheran eroberten die Reformer sämtliche Sitze. In der Provinz verschoben sich ebenfalls die Gewichte, wenn auch nicht so fundamental wie in der Hauptstadt. Doch die lähmende Dominanz der Erzkonservativen ist vorbei. Die Mehrheit der Iraner zeigte auf dem Stimmzettel, dass sie dem Ende des Atomkonflikts zustimmt und für mehr Offenheit und Pluralität im Inneren votiert. Hassan Rohani, der den Wahltag zu einem Referendum über seine Politik erklärt hatte, ist gestärkt. Er kann künftig bei der Regierungsbildung freier agieren. Zudem sind die Hardliner durch diese Niederlage mit ihrem Ziel gescheitert, den Handlungsspielraum des Präsidenten in einer möglichen zweiten Amtszeit ab 2017 einzuschränken. Nun aber hat Rohani gute Chancen, während der ersten Neuwahl eines Revolutionsführers in der Geschichte der Islamischen Republik Präsident zu sein. Machthaber Ali Chamenei ist betagt [76 Jahre] und hat [Prostata]Krebs. 2009 verhinderten er und seine erzkonservative Gefolgschaft den Ansturm der Reformer mit einer Unterdrückungskampagne. Doch seit dem Atomkompromiss verschieben sich die innenpolitischen Gewichte massiv. Das Volk will nach dem außenpolitischen Aufbruch nun auch die Umsetzung der Reformen im Inneren. 2013 bei seiner Wahl hatte Rohani den Bürgern sogar eine Grundrechtecharta in Aussicht gestellt, die die Willkürmacht der islamischen Herrschaft begrenzen soll. Gut zwei Jahre hielten die 81 Millionen Iraner still und ertrugen die Betonfraktion, wohl wissend, dass ihr Präsident zunächst den Atomstreit lösen würde. Die Zahl der Hinrichtungen stieg auf ein Rekordniveau, politische Aktivisten und sogar Musiker wurden zu drakonischen Haftstrafen verurteilt, Zeitungen geschlossen. Entsprechend lang ist die politische, soziale und kulturelle Forderungsliste der Menschen für die nächsten beiden Jahre - angefangen von Pressefreiheit und Parteienvielfalt bis hin zur Freilassung aller politischen Häftlinge, allen voran der Ikonen der Grünen Bewegung von 2009, die damaligen Präsidentschaftsbewerber Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karroubi. Ob Rohani diese Erwartungen erfüllen kann, ist ungewiss (Zeit Online 29.2.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (8.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

-

AA - Auswärtiges Amt (6.2016a): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Iran/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.3.2017

-

FH - Freedom House (2017): Freedom in the World 2017, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/iran, Zugriff 25.4.2017

-

IPG - Internationale Politik und Gesellschaft (27.1.2014): Wer jetzt Druck fordert, versteht den Iran nicht!

http://www.ipg-journal.de/kommentar/artikel/wer-jetzt-an-druck-glaubt-versteht-den-iran-nicht-244/, Zugriff 13.3.2017

-

ÖB Teheran (10.2016): Asylländerbericht

-

Zeit Online (29.2.2016): Neue Aufgabe für den Meisterstrategen, http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-02/iran-wahl-parlament-reformer-hassan-ruhani, Zugriff 13.3.2017

Sicherheitslage

Auch wenn die allgemeine Lage als ruhig bezeichnet werden kann, bestehen latente Spannungen im Land, speziell in den größeren Städten. Sie haben in der Vergangenheit gelegentlich zu Kundgebungen geführt, besonders während (religiösen) Feiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Das Risiko von Anschlägen kann nicht ausgeschlossen werden (EDA 21.3.2016). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht (AA 10.5.2017b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen (AA 10.5.2017b, vgl. BMEIA 10.5.2017).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gab es vor einigen Jahren wiederholte Anschlagsserien gegen lokale Repräsentanten aus Justiz, Sicherheitskräften und sunnitischem Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr bereits seit Frühjahr 2009 intensiviertes Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt Kampfhandlungen zwischen Militär und kurdischen Separatistenorganisation wie PJAK und DPIK, mit mehreren Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK am 6. und 7. September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben. In Kurdistan besteht ein erhöhtes Aufkommen an Sicherheitskräften, mit häufigen Kontrollen bzw. Checkpoints ist zu rechnen (AA 21.3.2016b, vgl. BMeiA 10.5.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (10.5.2017b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/IranSicherheit.html, Zugriff 10.5.2017

-

BMeiA - Bundesminsterium für europäische und internationale Angelegenheiten (10.5.2017): Reiseinformation Iran, http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/iran-de.html, Zugriff 10.5.2017

-

EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (10.5.2017): Reisehinweise Iran, http://www.eda.admin.ch/eda/de/home/travad/hidden/hidde2/iran.html, Zugriff 10.5.2017

Rechtsschutz/Justizwesen

Seit 1979 ist der Iran eine Islamische Republik, wobei versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Kriterien beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 10.2016). In der Verfassung ist eine unabhängige Justiz verankert, in der Praxis steht sie unter politischem Einfluss. Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Der Oberste Führer ernennt den Chef der Judikative. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 3.3.2017, vgl. AI 22.2.2017).

Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Er ist laut Art. 157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz formalen Verbots in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer ("Iranian Bar Association"; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen insbesondere in politischen Verfahren ausgesetzt (AA 8.12.2016).

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung des Iran steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß Art. 167, 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden (AA 9.12.2015).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die "Sondergerichte für die Geistlichkeit" sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015).

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

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Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";

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Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;

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Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;

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Spionage für fremde Mächte;

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Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;

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Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).

Das Sondergericht für Geistliche und die Revolutionsgerichte waren besonders empfänglich für Druck seitens der Geheimdienste und anderer Sicherheitsbehörden, die darauf drängten, Angeklagte schuldig zu sprechen und harte Strafen zu verhängen (AI 22.2.2017).

Im Juni 2015 trat die neue Strafprozessordnung in Kraft, die nahezu ein Jahrzehnt in Arbeit war. Es sind nun einige überfällige Reformen im Justizsystem enthalten, wie Einschränkungen der provisorischen Untersuchungshaft bei Fällen von Fluchtgefahr oder Gefahr für die öffentliche Sicherheit, striktere Regulierungen betreffend Befragungen von beschuldigten Personen und die Ausweitung des Rechts auf einen Anwalt. Nichtsdestotrotz scheitert die Strafprozessordnung an vielen großen Mängeln im iranischen Strafjustizsystem (AI 11.2.2016). Justizbedienstete des Ministeriums für Geheimdienste, der Revolutionsgarden und anderer Behörden setzten sich ständig über Bestimmungen hinweg, die die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsah, wie das Recht auf einen Anwalt unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft und das Recht auf Aussageverweigerung. Strafverteidiger erhielten oft keine vollständige Akteneinsicht und konnten ihre Mandanten erst unmittelbar vor Prozessbeginn treffen. Untersuchungshäftlinge befanden sich über lange Zeiträume hinweg in Einzelhaft und hatten entweder überhaupt keinen Kontakt zu einem Rechtsbeistand und ihrer Familie oder nur sehr selten. Unter Folter erzwungene "Geständnisse" wurden vor Gericht als Beweismittel zugelassen. Richter begründeten ihre Urteile häufig nicht ausreichend, und die Justizverwaltung machte die Urteile nicht öffentlich zugänglich. Die Staatsanwaltschaft nutzte Paragraph 48 der Strafprozessordnung, um Gefangenen einen Rechtsbeistand ihrer Wahl zu verweigern (AI 22.2.2017, vgl. ÖB Teheran 10.2016).

Das iranische Strafrecht ist islamisch geprägt. Es ist kodifiziert im "Gesetz über die islamischen Strafen" vom 30. Juli 1991. Die letzte Änderung des Gesetzes trat am 18.06.2013 in Kraft. Zudem existieren einige strafrechtliche Nebengesetze, darunter das Betäubungsmittelgesetz sowie das Antikorruptionsgesetz. Die statuierten Straftatbestände und Rechtsfolgen enthalten zum Teil unbestimmte Formulierungen. Den Kern des "Scharia-Strafrechts", also des islamischen Strafrechts mit seinen z.T. erniedrigenden Strafen wie Auspeitschung, Verstümmelung, Steinigung, sowie der Todesstrafe bilden die Abschnitte zu den Qesas-und Hudud-Delikten:

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"Hudud" (Verstoß gegen das Recht Gottes) enthält Straftatbestände, die im Koran und in der Sunna genauer beschrieben sind, wie z.B. Diebstahl, Raub, Alkoholgenuss, Sexualstraftaten inkl. Homosexualität und Unzucht, sowie Verbrechen gegen Gott. Zu all diesen Tatbeständen enthält das Gesetz detaillierte Beweisregelungen, nach denen der Täter jeweils nur bei Geständnis oder ihn belastenden Aussagen mehrerer Zeugen verurteilt werden soll.

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"Qesas"(Vergeltung) ist gekennzeichnet durch das Prinzip der körperlichen Vergeltung für die Tatbestände Mord und Körperverletzung mit Folge des Verlustes von Gliedmaßen. Hierbei können Geschädigte oder deren Familie selbst bestimmen, ob sie auf Vergeltung bestehen oder sich mit einer Schadensersatzzahlung zufrieden geben ("Diyeh" oder "Dyat", sog. Blutgeld; Minimalsatz rund 31.500 €). Für die in Art. 13 der Verfassung genannten religiösen Minderheiten ist Blutgeld in gleicher Höhe zu zahlen wie für die Tötung von Muslimen (AA 9.12.2015).

Die "Taazirat"-Vorschriften (vom Richter verhängte Strafen), Strafnormen, die nicht auf religiösen Quellen beruhen, bezwecken in erster Linie den Schutz des Staates und seiner Institutionen. Während für Hudud- und Qesas-Straftaten das Strafmaß vorgeschrieben ist, hat der Richter bei Taazirat-Vorschriften einen gewissen Ermessensspielraum (AA 9.12.2015).

Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Personen zu Peitschenhieben verurteilt werden, die selbst Alkohol weder besessen noch konsumiert haben, u.U. ist bereits die bloße Anwesenheit bei einer Veranstaltung, bei der Alkohol konsumiert wird, für die Betroffenen gefährlich. So wurden etwa im Mai 2016 mehr als 30 Studenten wegen Teilnahme an einer Party mit Alkohol und Tanz zu je 99 Peitschenhieben verurteilt. Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch Auspeitschungen wer-den zum Teil öffentlich vollstreckt. Berichten zufolge werden auch die Strafen der Amputation (z.B. von Fingern bei Diebstahl) und der Blendung noch angewandt - auf die Anwendung letzterer kann die/der ursprünglich Verletzte jedoch gegen Erhalt eines Abstandsgeldes verzichten (ÖB Teheran 10.2016).

Entgegen anfänglicher Erwartungen ist in der Strafrechtsnovelle die Steinigung als Bestrafung für Ehebruch noch immer vorgesehen, auch wenn der Richter auf eine andere Form der Hinrichtung ausweichen kann. Darüber hinaus wurden alternative Maßnahmen für Kinder im Alter von 9 bis 15 implementiert, wie zum Beispiel Besuche beim Psychologen oder die Unterbringung in einer Besserungsanstalt, Auch nach neuem Strafrecht ist die Verhängung der Todesstrafe für Minderjährige möglich, wobei im Einzelfall auch die mangelnde Reife des Täters festgestellt und stattdessen eine Haft- oder Geldstrafen verhängt werden kann (AA 9.12.2015).

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da diese sich durch scheinbare Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Häftlinge ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch. Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte über durch Folter und psychischen Druck erzwungene Geständnisse. Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach iStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind allerdings keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden. Hinsichtlich der Ausübung von Sippenhaft liegen gegensätzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht möglich ist (AA 8.12.2016).

Körperstrafen sowie die Todesstrafe sind nach wie vor an der Tagesordnung. Die Todesstrafe steht auf Mord, Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, "Mohareb", Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen, sowie auf Vergehen wie Drogenkonsum oder außerehelichen Geschlechtsverkehr (ÖB Teheran 10.2016).

Es gibt verfahrensrechtliche Bestimmungen, die den Richtern die Anweisung geben, Quellen zu kontaktieren, wenn es keinen Gesetzestext zum Vorfall gibt. Weiters gibt es eine Bestimmung im Strafgesetzbuch, die Richtern ermöglicht, sich auf ihr persönliches Wissen zu berufen, wenn sie Urteile fällen (ICHR 7.12.2010).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

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AA - Auswärtiges Amt (8.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

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AI (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Iran, http://www.ecoi.net/local_link/336510/479174_de.html, Zugriff 24.4.2017

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AI (11.2.2016): Flawed reforms: Iran's new Code of Criminal Procedure [MDE 13/2708/2016],

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1455175709_mde1327082016english.PDF, Zugriff 24.4.2017

-

ICHR - International Campaign for Human Rights in Iran (7.12.2010): Unprecedented Death Sentence for Christian Pastor on Charge of Apostasy,

http://www.iranhumanrights.org/2010/12/khanjani-nadarkhani-apostasy/; Zugriff 24.4.2017

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ÖB Teheran (10.2016): Asylländerbericht

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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