TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/14 W111 2143399-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.03.2018
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Entscheidungsdatum

14.03.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W111 2143399-1/11E

Schriftliche Ausfertigung des am 09.11.2017 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA.: Somalia, vertreten durch RA Mag. Robert BITSCHE, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2016, Zl. 1081556903-151033937, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.11.2017 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres erteilt.

IV. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger Somalias, stellte am 06.08.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, nachdem er zuvor unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist war.

Anlässlich seiner am Folgetag durchgeführten Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an (vgl. Verwaltungsakt, Seiten 1 bis 6), in XXXX geboren zu sein, er sei traditionell (nicht jedoch standesamtlich) verheiratet, gehöre der Volksgruppe der Ashraf an und sei Moslem. Im Herkunftsstaat befänden sich neben seiner Ehefrau noch seine fünf minderjährigen Töchter, sein minderjähriger Sohn, sowie seine beiden minderjährigen Geschwister; seine Eltern seien bereits verstorben. Den Entschluss zur Ausreise habe er im Jahr 2010 gefasst, im Februar 2015 habe er Somalia auf dem Luftweg verlassen. Als seinen Fluchtgrund nannte der Beschwerdeführer die schlechte Sicherheitslage in seiner Heimat.

Am 17.10.2016 wurde der Beschwerdeführer im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin für die somalische Sprache niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Der Beschwerdeführer gab anlässlich jener Einvernahme kurz zusammengefasst (zum detaillierten Verlauf seiner Befragung vgl. Verwaltungsakt, Seiten 9 bis 16) an, gesund zu sein und sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage zu fühlen. Weiters gab er an, bislang wahrheitsgemäße Angaben erstattet zu haben, er habe den Dolmetscher gut verstanden, die Niederschrift sei ihm auch vorgelesen worden. Er verfüge über keine identitätsbezeugenden Dokumente, gehöre dem Clan der Ashraf an und weise keine familiären Bezugspunkte in Österreich auf. In Somalia habe er gemeinsam mit seiner Familie in einem Haus im Ort XXXX gelebt. Der Beschwerdeführer habe als Leibwächter für den Präsidenten für den Bundesstaat Bay gearbeitet, sein letzter Arbeitstag sei der 18.01.2015 gewesen. Seine Frau, seine Kinder und seine Geschwister würden nach wie vor in Somalia, nahe der äthiopischen Grenze, leben; der Beschwerdeführer stünde in telefonischem Kontakt zu seiner Familie, welcher es gut ginge. Zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, am 14.12.2014 während seiner Arbeit als Leibwächter für den Präsidenten angerufen und aufgefordert worden zu sein, die Arbeit zu verlassen, wobei Drohungen gegen den Beschwerdeführer und seine Familie ausgesprochen worden wären; der Anrufer habe erwähnt, dass er Leibwächter der Terrorgruppe Al Shabaab und ziemlich gefährlich wäre. Der Beschwerdeführer habe dennoch weitergearbeitet, da er für seine Familie habe sorgen müssen. Eines Nachts, am 23.12.2014, sei es zu einer Razzia in seiner Wohnung gekommen, seine Frau sei nach dem Aufenthaltsort des Beschwerdeführers gefragt worden. Es habe sich um fünf Männer gehandelt, drei davon hätten das Haus durchsucht. Man habe seine Frau bedroht und dieser mitgeteilt, dass man den Beschwerdeführer finden werde. Seine Frau habe ihm davon erzählt; der Beschwerdeführer habe Angst gehabt, aber dennoch weitergearbeitet. In der Nacht des 17.01.2015 seien sie zu ihm gekommen, als er zu Hause gewesen wäre, und hätten das Haus beschossen. Dem Beschwerdeführer sei es gelungen, wegzulaufen und sich in einer anderen Wohnung zu verstecken. Der Beschwerdeführer habe folglich zu arbeiten aufgehört, sein letzter Arbeitstag sei, wie erwähnt, der 18.01.2015 gewesen. Sodann sei er nach XXXX zu seinem Cousin gereist und habe diesem erzählt, was vorgefallen wäre; nach einem dreizehntägigen Aufenthalt in jener Stadt habe er das Land verlassen. Aufgrund seiner Arbeit als Personenschützer habe er nicht weiter in Somalia leben können. Weitere Fluchtgründe habe er nicht. Nachgefragt, habe er sich in Bezug auf die dargelegten Drohungen nicht an die Polizei gewandt, da er wisse, dass diese aus Angst vor Al Shabaab nichts unternehmen könnten. In seiner Heimatregion habe der Präsident die Macht, die Al Shabaab gebe es noch immer, doch sei es sicher, da keine Gefahr mehr von Al Shabaab ausgehen würde. Befragt, weshalb er nicht geblieben sei, nachdem er seinen Job aufgegeben hätte, erwiderte der Beschwerdeführer, gewusst zu haben, dass er für einen Mord vorgesehen gewesen wäre und aus diesem Grund habe fliehen müssen. Befragt, weshalb er seine Tätigkeit als Personenschützer im Zuge der Erstbefragung noch mit keinem Wort erwähnt hätte, gab der Beschwerdeführer an, dass dies am Dolmetscher liegen müsse. Nach Rückübersetzung seiner Angaben bestätigte der Beschwerdeführer die Richtigkeit und Vollständigkeit der aufgenommenen Niederschrift durch seine Unterschrift. Vorgelegt wurden Unterlagen über die behauptete Tätigkeit des Beschwerdeführers als Leibwächter, ein Schulabschlusszeugnis aus Somalia sowie Deutschkursteilnahmebestätigungen.

2. Mit im Spruch angeführten Bescheid vom 09.12.2016 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und den Antrag gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen die beschwerdeführende Partei eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der beschwerdeführenden Partei nach Somalia gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der beschwerdeführenden Partei zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkte III. und IV.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging im Rahmen der Entscheidungsbegründung aufgrund widersprüchlicher und gesteigerter Angaben von einer Unglaubwürdigkeit der durch den Beschwerdeführer vorgebrachten Bedrohungsalge durch Al Shabaab aus. Beweiswürdigend wurde hierzu im Wesentlichen argumentiert, dass der Beschwerdeführer durch die Beendigung seiner Tätigkeit als Leibwächter am 18.01.2015 die Forderung der Al Shabaab erfüllt und sohin keine weitere Bedrohung hätte fürchten müssen; dennoch habe er seine Familie zurückgelassen und sei aus Somalia ausgereist. Anzunehmen sei, dass ausschlaggebend für die Ausreise des Beschwerdeführers vielmehr dessen Wunsch gewesen wäre, seine Familie von Europa aus zu unterstützten bzw. diese im Fall einer positiven Entscheidung nach Europa nachzuholen. Dafür sprächen auch die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Situation in seiner Herkunftsregion, wonach von Al Shabaab nur mehr geringe Gefahr ausginge und es seiner Familie gut ginge. Zwar habe der Beschwerdeführer Fotos vorgelegt, auf welchen Wände mit Einschusslöchern zu sehen gewesen wären, doch hätten diese Fotos keine näheren Hinweise auf den Eigentümer des Gebäudes respektive den Beschwerdeführer und seine Familie beinhaltet, weshalb diese zur Untermauerung der Fluchtgründe nicht geeignet wären. Angesichts des geschilderten Schussattentats auf sein Haus, könne es als nicht nachvollziehbar erachtet werden, dass der Beschwerdeführer seine Frau und seine sechs Kinder in jener Gefährdungslage zurückgelassen hätte. Durch seinen dort lebenden Cousin und angesichts des Umstandes, dass er sich im Vorfeld seiner Ausreise selbst für zwei Wochen dort aufgehalten hätte, stünde dem Beschwerdeführer jedenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative in XXXX zur Verfügung. Jene Stadt, wie auch die Heimatregion des Beschwerdeführers, seien mittlerweile als sicher zu bezeichnen. Der Beschwerdeführer sei gesund, seine Angehörigen würden nach wie vor in Somalia leben, eine besondere Integrationsverfestigung seiner Person habe sich nicht ergeben.

Mit Verfahrensanordnung vom 12.12.2016 wurde dem Beschwerdeführer amtswegig eine Rechtsberatungsorganisation im Hinblick auf eine allfällige Beschwerdeerhebung zur Seite gestellt.

3. Gegen den oben angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die fristgerecht am 20.12.2016 eingebrachte Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt (im Detail vgl. Verwaltungsakt, Seiten 185 bis 207), die Behörde habe dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit abgesprochen und dies mit haltlosen, willkürlichen und lebensfremden Ausführungen begründet. Zudem habe sie in Bezug auf den Hauptfluchtgrund, insbesondere die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Leibwächter - welche einer Nachprüfung wohl zugänglich wäre - unzureichende Ermittlungen angestellt. Entgegen der Ansicht der Behörde erweise sich weder die Sicherheitslage in der Hauptstadt, noch jene in XXXX , als unbedenklich, wozu auf eine ACCORD-Anfragebeantwortung vom 19.10.2011 sowie ein ACCORD-Themendossier zu Somalia vom 11.05.2016 verwiesen werde. Der Beschwerdeführer habe seine Fluchtgründe umfassend und detailliert geschildert, im Vorfeld der Bescheiderlassung hätte dieser keine Möglichkeit erhalten, auf die nunmehr beweiswürdigend angeführten Argumente zu reagieren. Diese Vorgehensweise widerspreche der Richtlinie 2004/83/EG, wozu auf die Urteile des EuGH vom 22.11.2012, C-277/11, sowie vom 18.12.2008, C-349/07, verwiesen werde. Die Behörde ginge in ihrer Beweiswürdigung mit keinem Wort auf die in Bezug auf die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Leibwächter vorgelegten Beweismittel ein und begründe die Unglaubwürdigkeit in unzulässiger Weise mit einer Steigerung des Vorbringens gegenüber der Erstbefragung. Hätte die Behörde die eigenen Länderberichte sowie das Vorbringen des Beschwerdeführers in gesetzmäßiger Weise gewürdigt, wäre sie zum Ergebnis gelangt, dass der Beschwerdeführer in Somalia von Al Shabaab verfolgt werde und von den dortigen Behörden keinen Schutz erwarten könne. Eine innerstaatliche Schutzalternative sei aufgrund der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zu einem Minderheitenclan nicht gegeben. In eventu wäre dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz zuzuerkennen gewesen. Wie die Behörde angesichts der Integration des Beschwerdeführers zum Ergebnis gelangen habe können, dass sich eine Rückkehrentscheidung zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele als dringend geboten erweise, erscheine nicht nachvollziehbar und im Ergebnis unrichtig. Der Beschwerdeführer könne sich nirgends in Somalia niederlassen, sei strafgerichtlich unbescholten und könne mangels Erlangbarkeit eines Heimreisezertifikates nicht in seinen Herkunftsstaat abgeschoben werden. Die Rückkehrentscheidung hätte daher für dauerhaft unzulässig erklärt werden müssen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung werde beantragt.

4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 29.12.2016 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Eingabe vom 27.03.2017 wurde die Vollmacht eines Rechtsanwaltes bekannt gegeben.

5. Am 09.11.2017 fand zur Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, an welcher der Beschwerdeführer sowie ein Dolmetscher für die somalische Sprache teilgenommen haben (siehe Verhandlungsprotokoll). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl war ordnungsgemäß geladen worden, verzichtete jedoch auf eine Teilnahme an der Verhandlung.

Die gegenständlich relevanten Teile der Verhandlung gestalteten sich wie folgt:

"(...)

R: Möchten Sie Ihrem bisherigen Verfahren etwas hinzufügen oder korrigieren? Wurden Sie bisher korrekt behandelt?

BF: Ich habe Beweismittel vorgelegt und der Dolmetscher hat falsch übersetzt und man hat gesagt, dass ich gelogen habe. Nachgefragt gebe ich an, dass mir die Einvernahmen rückübersetzt wurden, ich habe allerdings Beweismittel vorgelegt die man als nicht echt qualifiziert hat, das waren Bilder von meinem zu Hause.

Der BF legt ein Zeugnis (laut D ein Schulabschlusszeugnis) sowie ein Empfehlungsschreiben vor.

BF Ich habe weiters Fotos vorgelegt, die bei der Polizei geblieben sind. Nachgefragt gebe ich an, dass die Einvernahme sehr kurz war, die Rückübersetzung war nur kurz und zusammenfassend und ich habe unterschrieben, andere Leute haben mir die Einvernahme vom 17.10.2016 vorgelesen und ich war schockiert. Nachgefragt gebe ich an, dass mich schockiert hat, dass man mir nicht glaubte, dass die Bilder von meinem zu Hause sind. Ansonsten sind meine Antworten richtig übersetzt und der D hat im Übrigen richtig übersetzt.

R:Bitte schildern Sie mir in kurzen Worten Ihren Lebenslauf?

BF: Ich bin in XXXX geboren und dort aufgewachsen dies liegt in der Region Bay. Dort bin ich auch in die Schule gegangen. Ich bin am XXXX geboren, zwei Jahre nach dem ich das Gymnasium abgeschlossen hatte, habe ich geheiratet. Ich habe sechs Kinder fünf Mädchen und einen Buben. Ich habe keinen Beruf erlernt aber ich habe ein Gemischtwarengeschäft gehabt und zwar von 2009 bis 2012. Aufgrund der Dürre musste ich mein Geschäft schließen und ich war arbeitslos von 2012 bis 2014 danach wurde ich Soldat und bekam ein militärisches Training. Ich wurde Bewacher des Präsidenten des südwestlichen Teilstaates.

R: Auf welchen Waffen wurden Sie ausgebildet

BF:AK47

R:Wie viele Patronen sind im Magazin der AK 47?

BF: 30

R: Wie hieß der Präsident den sie bewacht haben?

BF: XXXX

R: Wie alt ist dieser?

BF: 64 bis 65

R: Wann wurde er Präsident?

BF: 18.11.2014

R:Bitte schildern sie mir detailliert und chronologisch, weswegen Sie Ihre Heimat verlassen haben?

BF: Ich war in meinem Heimatland bevor ich Wache des Präsidenten geworden bin. Seit dem ich diese Arbeit angenommen habe, habe ich diese Probleme begonnen, sie haben mich bedroht und ich habe oft Anrufe bekommen dann sind sie in mein Haus gekommen, zufälligerweise war ich nicht dort, sondern nur meine Frau, die mir davon erzählt hat. Als sie das zweite Mal zu mir kamen war ich zu Hause. Ich war im Haus drinnen und es wurde geschossen. Sie wollten mich töten. In der Früh bin ich nach XXXX gegangen.

R: Wann wurden Sie erstmals kontaktiert?

BF: Am14.12.2014

R: Was wollte man von Ihnen?

BF: Sie wollten, dass ich meine Arbeit verlasse

R: Zu welcher Tageszeit war der Anruf?

BF: Es war Vormittag gegen 10 Uhr und ich war in der Arbeit

R: Haben Sie Ihren Vorgesetzten davon kontaktiert?

BF: Jeder wurde bedroht. Nachgefragt gebe ich an, dass mein Chef gesagt hat, das wäre normal.

R: Schildern Sie mir den Vorfall am 17.01.2015.

BF: Sie wollten mich töten nachdem sie mich mehrmals bedroht haben. Ich bin weggelaufen.

R: Wer war in dem Haus als geschossen wurde?

BF: Ich meine Frau und meine sechs Kinder sowie mein Bruder und meine Schwester.

R: Sie sind alleine geflüchtet?

BF: Ja

R: Waren Sie bewaffnet?

BF: Ja, ich hatte eine Pistole

R: Wie lange dauerte der Beschuss bis sie flüchteten?

BF: 15 Minuten Sie sagten, dass ich drinnen bin.

R: Haben Sie das Feuer erwidert?

BF: Nein, ich hatte nur eine Pistole

R: Haben Sie Ihren Vorgesetzten kontaktiert?

BF: Nein, ich bin einfach zum Nachbarn gegangen.

R: Es widerspricht der Lebenserfahrung, dass ein ausgebildeter Leibwächter seine Familie alleine zurück lässt, wenn geschossen wird.

BF: Sie haben auf mich gezielt.

R: Wie viele Eingänge hat Ihr Haus?

BF: Nur eine Türe hinten konnte man über eine Mauer springen.

R: Haben das die Angreifer gesehen?

BF: Nein sie waren vorne

R: Dann müssen sie weiter auf Ihre Familie geschossen haben

BF: Während sie geschossen haben bin ich geflüchtet aber nach 15 Minuten hörte das Feuer auf.

R: Das heißt sie haben ihre Familie im stich gelassen?

BF: Ja

R: Vorher beantworteten sie diese Frage, dass man nur auf sie gezielt hätte. Nunmehr sagen Sie, dass weiter geschossen wird.

BF: Wenn sie von außen auf das Haus schießen dann wissen sie nicht wer drinnen ist. Ich wollte einfach weglaufen, ich bin zur Nachbarin gegangen. Als ich über die Mauer zu meiner Nachbarin gesprungen bin haben meine Nachbarn gefragt wer ich bin, ich nannte meinen Namen und bin über Nacht dort geblieben. In der Früh bin ich weggegangen.

R: Sie haben ein Empfehlungsschreiben vorgelegt, wo ist das Original?

BF: Das Original ist in Ihren Händen

BFV erhält das Schreiben zur Ansicht und schließt sich der Meinung an, dass es sich nicht um ein Original handelt.

BF: Ich weiß nicht ob es sich um ein Original handelt aber eine Karte habe ich bekommen. Ich habe diesen Zettel bekommen als ich mit der Arbeit begonnen habe

R: Warum sollte eine somalische Regierungsstelle zu Beginn einer Arbeit ein englischsprachiges Dokument ausstellen?

BF: Die Bewacher waren nicht nur Somalier sondern AMISOM Truppen waren auch dabei, die Englisch gesprochen haben. Die Regierung schreibt oft auf Englisch. Die meisten Dokumente in Somalia sind in drei Sprachen abgefasst nämlich Somalisch, Englisch und Arabisch.

R: Wie viel hat Ihre Flucht gekostet?

BF: 5.000 Dollar

R: Was arbeitet ihr Cousin?

BF: Er ist Unternehmer für Import und Export von Artikel und wie Parfums und Kleidung.

R: Warum haben Sie das nicht bei der Erstbefragung angegeben?

BF: Sie haben gesagt es ist nur eine kurze Einvernahme.

R: Dann hätten sie es kurz angeben müssen.

BF: Sie haben gesagt alles andere soll ich später angeben.

R: Zu Einsichtnahmen vorgelegt werden:

-

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Somalia Stand:

27.06.2017.

-

2 Berichte von OCHA vom 5.07.2017 und vom 02.06.2017

BFV verzichtet auf eine Stellungnahme

R: Gesetzt den Fall Sie müssten nach Somalia zurückkehren, wie würde es ihnen, gehen wenn Sie nach Somalia zurückkehren müssten?

BF: Ich möchte angeben, dass mein Cousin nicht wohlhabend ist, wie ich vorher angedeutet habe auch ist die finanzielle Situation meiner Familie äußerst schlecht. Ich weiß nicht wie ich meine Familie ernähren soll. Nachgefragt gebe ich an, dass meine Reise nach Europa wirtschaftliche Gründe hatte. Meine Angaben, dass ich Leibwächter des Präsidenten war ist nicht der wahre Fluchtgrund.

BFV. ich weise auf die prekäre Sicherheitssituation hin, auf die Anschläge in jüngster Zeit und möchte ansonsten keine weitere Stellungnahme abgeben.

(...)"

Anschließend wurde das gegenständliche Erkenntnis durch den zuständigen Einzelrichter mündlich verkündet.

Mit Eingabe vom 17.11.2017 ersuchte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl um schriftliche Ausfertigung des in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer, dessen präzise Identität nicht festgestellt werden konnte, ist Staatsangehöriger Somalias, der Volksgruppe der Ashraf und dem moslemischen Glauben zugehörig. Der Beschwerdeführer stammt aus XXXX (Region Bay), im Vorfeld seiner Ausreise hielt er sich für rund zwei Wochen in XXXX auf. Seine (traditionell, nicht jedoch standesamtlich, angetraute) Ehefrau, seine sechs minderjährigen Kinder, seine beiden minderjährigen Geschwister sowie ein Cousin leben nach wie vor in Somalia.

1.2. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte.

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen betreffend eine Gefährdung seiner Person durch Angehörige der Al Shabaab wird der Entscheidung mangels Glaubwürdigkeit nicht zugrunde gelegt.

1.3. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird auf die dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebrachten Länderberichte verwiesen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia, Stand September 2016, letzte Kurzinformation vom 27.06.2017, sowie OCHA-Berichte vom 02.06.2017 und 05.07.2017), aus welchen sich die verfahrensgegenständlich relevante Lage ergibt. Diese stellt sich auszugsweise wie folgt dar:

(...)

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 27.6.2017: Update zur Dürre-Situation (betrifft: Abschnitt 23 / Grundversorgung)

Nachdem über zwei Jahre beide Regenzeiten (Deyr und Gu) ausgeblieben sind, hat sich in Somalia eine humanitäre Katastrophe entwickelt. Das System von Subsistenz-Landwirtschaften in den Flussgebieten von Shabelle und Juba ist teilweise zusammengebrochen; die Preise für Grundnahrungsmittel haben sich verdoppelt; und Millionen Stück Vieh sind verendet (ICG 9.5.2017). Die Behörden Somalilands sprechen von 80% Verlusten beim Viehbestand (BBC 11.5.2017; vgl. TG 24.5.2017), andere Schätzungen sprechen von 50%. Der Außenminister Somalilands gibt an: "Es gab hier schon immer Dürreperioden, aber nur alle zehn Jahre. Jetzt haben wir sie schon alle zwei Jahre. Und die Dürre in diesem Jahr ist die schlimmste Dürre, die wir in Ostafrika jemals hatten." (TG 24.5.2017)

In vielen Städten Süd-/Zentralsomalias sind Nahrungsmittel für IDPs und sehr arme Bevölkerungsteile kaum mehr leistbar (ICG 9.5.2017). Die Dürresituation hält vor allem im Südwesten Somalias weiter an, dort bleibt die Angst vor einer Hungersnot bestehen. In den nördlichen und zentralen Teilen des Landes hat der teils durchschnittliche, teils überdurchschnittliche Regen im Jahr 2017 zur verbesserten Weide- und Wasserlage beigetragen (UNFPA 14.6.2017)

Dafür ist eine massive Hilfsoperation angelaufen, an der zahlreiche ausländische und lokale NGOs beteiligt sind (ICG 9.5.2017). Dank der großzügigen Ressourcen, die von Gebern zur Verfügung gestellt worden sind, konnten nationale und internationale NGOs sowie UN-Agenturen ihre humanitäre Unterstützung in ganz Somalia massiv nach oben fahren. Dabei wird mit den Behörden zusammengearbeitet. In Mogadischu, Baidoa und Garoowe wurden Koordinierungszentren eingerichtet (UNSC 9.5.2017). Koordinierung und Management der Operationen sind angesichts der Fehler in der Vergangenheit (2011) stark verbessert worden (ICG 9.5.2017). Die internationale Unterstützung erfolgte relativ rasch, die Anstrengungen sind besser koordiniert. Auch auf nationaler Ebene wurde reagiert und geholfen. Die Regierung hat Anstrengungen unternommen, selbst Studenten wurden ermutigt, jeweils 10 USD zu spenden. Firmen und Wirtschaftstreibende haben signifikant zu den Hilfskampagnen beigetragen (ICG 9.5.2017).

Die Zahl der Menschen, die durch die Operationen zur Verbesserung des Zugangs zu Nahrungsmitteln erreicht werden, hat sich von 1,1 Millionen im Februar 2017 auf 1,7 Millionen erhöht. Alleine im März konnten 332.000 Kinder von Ernährungsleistungen profitieren. Darunter waren 69.000 schwer unterernährte Kinder unter 5 Jahren. Auch die Versorgung mit sicherem Trinkwasser wurde hochgefahren. Dabei wurden zwischen Jänner und März 2017 knapp 1.150.000 Menschen erreicht. Allein im Februar hat sich die Zahl der Erreichten verdoppelt (UNSC 9.5.2017).

Rund 50% der gewährleisteten Hilfe wurde in Geld geleistet. Damit werden Märkte stabilisiert, wurde das schnelle Hochfahren der Unterstützung gewährleistet, wurden Menschen auch in entlegenen Gebieten erreicht und wurde das Risiko der Plünderung von humanitären Hilfsgütern minimiert (UNSC 9.5.2017). Außerdem ist diese Form der Hilfeleistung billiger. Gelder werden über Mobilfunksysteme ausbezahlt (ICG 9.5.2017).

Trotz aller Bemühungen wurden die gesetzten Ziele aber nicht erreicht, die humanitäre Lage verschlechtert sich weiter. Das Risiko einer Hungersnot besteht weiterhin. 6,2 Millionen Menschen sind akut von Nahrungsmittelknappheit betroffen, 3 Millionen brauchen lebenserhaltende Unterstützung (UNSC 9.5.2017). Seit November 2016 verließen über 740.000 Menschen aufgrund der Dürre ihre Heimatgebiete, darunter 480.000 unter 18jährige (UNHCR 31.5.2017). Aus manchen Regionen wurden Hungertote gemeldet - etwa aus Bay (BBC 4.3.2017).

Einige Schwierigkeiten, die schon im Jahr 2011 vorherrschten, bestehen auch weiterhin. Unsicherheit und mangelnder Zugang zu Hilfsgütern sind problematisch (ICG 9.5.2017). Vor allem in Süd-/Zentralsomalia hindert die schlechte Sicherheitslage Menschen manchmal am Zugang zu humanitärer Hilfe (UNSC 9.5.2017). Dabei ist Süd-/Zentralsomalia wieder das Epizentrum der humanitären Krise. Diese wird dort durch lokale Clan-Konflikte und al Shabaab noch verschärft (ICG 9.5.2017).

Dahingegen waren zwar auch Teile ("pockets") von Somaliland und Puntland schwer von der Dürre betroffen. Dort ist die Situation aber bei weitem weniger schlecht als im Süden (ICG 9.5.2017).

Überhaupt variiert die Abdeckung mit internationaler humanitärer Unterstützung regional. Die meisten Gebiete in Somaliland und Puntland sind besser abgedeckt, die Möglichkeiten in Süd-/Zentralsomalia mehr eingeschränkt (ICG 9.5.2017).

Quellen:

-

BBC (11.5.2017): How do you solve a problem like Somalia? http://www.bbc.com/news/world-africa-39855735, Zugriff 27.6.2017

-

BBC (4.3.2017): Somalia drought - More than 100 die from hunger in one region, http://www.bbc.com/news/world-africa-39166746, Zugriff 27.6.2017

-

ICG - International Crisis Group (): Instruments of Pain (III) - Conflict and Famine in Somalia, https://www.crisisgroup.org/africa/horn-africa/somalia/b125-instruments-pain-iii-conflict-and-famine-somalia, Zugriff 27.6.2017

-

The Guardian (24.5.2017): Somaliland's hunger crisis: 'The world doesn't respond until children are dying', https://www.theguardian.com/global-development/2017/may/24/somaliland-hunger-crisis-world-doesnt-respond-until-children-are-dying-foreign-minister-saad-ali-shire, Zugriff 27.6.2017

-

UNFPA - UN Population Fund (14.6.2017): UNFPA Situation Report 26th May to 16th June 2017,

http://somalia.unfpa.org/sites/default/files/pub-pdf/Somalia%20SitRep%20%23011%2026th%20May%20-%2016th%20June%202017.pdf, Zugriff 27.6.2017

-

UNHCR (31.5.2017): PRMN Drought Displacements, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/57361.pdf, Zugriff 27.6.2017

-

UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/N1712363.pdf, Zugriff 27.6.2017

KI vom 13.2.2017: Farmaajo neuer Präsident (betrifft: Abschnitt 2 / politische Lage)

Der frühere Regierungschef Mohamed Abdullahi Mohamed Farmaajo hat die Präsidentenwahl in Somalia gewonnen. Im zweiten Durchgang der Wahl am Mittwoch ließ der 54-jährige somalisch-amerikanische Doppelstaatsbürger Farmaajo den bisherigen Amtsinhaber Hassan Sheikh Mohamud hinter sich (NZZ 8.2.2017). Tausende Menschen feierten am Mittwochabend (8.2.2017) den Sieg von Farmaajo auf den Straßen von Mogadischu. Es gab Hupkonzerte, und Menschen umarmten Soldaten (FR 10.2.2017; vgl. VOA 9.2.2017). Auch in anderen somalischen Städten sowie in Kenia - in Garissa und Eastleigh - kam es zu spontanen Freudenfeiern, die als Ausdruck aufrichtiger Unterstützung für den neuen Präsidenten durch die Bevölkerung gewertet werden können (VOA 9.2.2017).

Die Wahl von Mohamed Farmaajo kam überraschend, galt doch der Amtsinhaber Hassan Sheikh Mohamud als Favorit (FR 10.2.2017). Letzterer hat jedenfalls seine Niederlage eingestanden (NZZ 8.2.2017; vgl. VOA 9.2.2017), und er forderte alle Somalis dazu auf, den neuen Präsidenten zu unterstützen. Farmaajo wurde unmittelbar angelobt (VOA 9.2.2017).

Die Durchführung einer allgemeinen und freien Wahl war in Somalia zwar nicht möglich gewesen; doch die Zahl von 14.024 Wahlmännern ist ein erheblicher Fortschritt gegenüber früheren Wahlen, als der Sieger unter gerade einmal 135 Clanchefs ausgekungelt wurde. Die Medien konnten hinsichtlich der Wahl relativ frei agieren und Korruption und Wahlverschiebung anprangern - ein gutes Zeichen (DW 10.2.2017).

2010/2011 war Farmaajo acht Monate lang Premierminister von Somalia gewesen. Damals hatte er sich einen Namen als Anti-Korruptionskämpfer erworben (FR 10.2.2017; vgl. VOA 9.2.2017). Seine Entlassung durch den damaligen Präsidenten Ahmed Sheikh Sharif führte zu heftigen Protesten der Bevölkerung (FR 10.2.2017).

Quellen:

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DW - Deutsche Welle (10.2.2017): Kommentar: Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267, Zugriff 13.2.2017

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FR - Frankfurter Rundschau (10.2.2017): Hoffnung für Somalia, http://www.fr-online.de/politik/wahl-hoffnung-fuer-somalia,1472596,35147632.html, Zugriff 13.2.2017

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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (8.2.2017): Präsidentenwahl zwischen Sandsäcken und Ruinen,

https://www.nzz.ch/international/nahost-und-afrika/mohamud-in-somalia-abgewaehlt-praesidentenwahl-zwischen-sandsaecken-und-ruinen-ld.144287, Zugriff 13.2.2017

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VOA - Voice of America (9.2.2017): Somalis Optimistic About New President,

http://www.voanews.com/a/hopes-high-somalia-s-new-president-will-improve-security/3716301.html, Zugriff 13.2.2017

KI vom 19.1.2017: Dürre (betrifft: Abschnitt 23 / Grundversorgung)

Nach einer schwachen Gu-Regenzeit im Jahr 2016 blieben auch die Regenfälle der Deyr-Regenzeit Ende 2016 aus. Von der Nahrungsversorgungsunsicherheit am schlimmsten betroffen sind landwirtschaftlich genutzte Gebiete im Süden und nomadisch genutzte Gebiete im Nordosten des Landes (FEWSNET 16.1.2017). Alleine im sogenannten South-West-State sind 820.000 Menschen dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen. Viele suchen in größeren Städten nach Hilfe. Der Gouverneur der Region Bay schätzt, dass bereits rund 3.000 Familien aus ländlichen Gebieten nach Baidoa geflohen sind (UNSOM 16.1.2017). Dabei ziehen Nahrungsmittelpreise an: Der Preis für Mais liegt in Qoryooley 51% über dem Fünfjahresmittel; für Sorghum in Baidoa um 88% darüber (FEWSNET 16.1.2017).

Die humanitäre Situation in Somalia ist zunehmend fragil. Fünf Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen (UNOCHA 12.1.2017; vgl. UNSOM 16.1.2017) und leiden unter Nahrungsversorgungsunsicherheit (FAO 20.12.2016). 3,9 Millionen davon gelten als "stressed", 1,1 Millionen Menschen leiden unter akuter Nahrungsversorgungsunsicherheit (acutely food insecure) (UNOCHA 12.1.2017) und befinden sich auf den IPC-Stufen drei (Krise) und 4 (Not/Emergency). Alleine im zweiten Halbjahr 2016 hat die Zahl um 20% zugenommen. Prognosen lassen erwarten, dass die Zahl der akut Bedrohten im ersten Halbjahr 2017 um eine weitere Viertelmillion zunehmen wird. Ähnliche Bedingungen hatten im Jahr 2011 zu einer Hungersnot und Hungertoten geführt (FAO 20.12.2016). Folglich fahren humanitäre Organisationen ihre lebensrettenden Maßnahmen hoch, angesammelte Fonds werden angezapft (UNOCHA 12.1.2017).

Eine Entschärfung der Situation ist in rein nomadisch genutzten Gebieten nicht für Mai/Juni zu erwarten; in agro-pastoral genutzten Gebieten nicht vor Juni/Juli. Im schlimmsten anzunehmenden Szenario bleibt auch die Gu-Regenzeit des Jahres 2017 - wie gegenwärtig prognostiziert - schwach und in der Folge sinkt die Kaufkraft auf das Niveau der Jahre 2010/2011. Reicht dann die humanitäre Hilfe nicht aus, wird eine Hungersnot (IPC 5) die Folge sein (FEWSNET 16.1.2017). Bereits jetzt werden vereinzelt Hungertote aus den Regionen Bay (UNSOM 16.1.2017) und Gedo gemeldet (SMN 15.1.2017).

Quellen:

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FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (20.12.2016): With continued drought, Horn of Africa braces for another hunger season,

http://reliefweb.int/report/somalia/continued-drought-horn-africa-braces-another-hunger-season, Zugriff 19.1.2017

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FEWSNET - Famine Early Warning Systems Network (16.1.2017): Severe drought, rising prices, continued access limitations, and dry forecasts suggest Famine is possible in 2017, http://www.fews.net/east-africa/somalia/alert/january-16-2017, Zugriff 19.1.2017

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SMN - Shabelle Media Network (15.1.2017): A Mother and her kids die of hunger in Gedo,

http://allafrica.com/stories/201701160709.html, Zugriff 19.1.2017

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UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (12.1.2017): Somalia: Humanitarian Snapshot (as of 12 January 2017), http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/somalia_humanitarian_snapshot_-_january_2017.pdf, Zugriff 19.1.2017

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UNSOM - UN Assistance Mission to Somalia (16.1.2017): Deputy SRSG de Clercq assesses humanitarian crisis in Somalia's South West state,

http://reliefweb.int/report/somalia/deputy-srsg-de-clercq-assesses-humanitarian-crisis-somalia-s-south-west-state, Zugriff 19.1.2017

KI vom 20.9.2016: Dürre (betrifft: Abschnitt 23 / Grundversorgung)

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Die humanitäre Lage in Somalia bleibt prekär. Etwa 38 Prozent der Bevölkerung sind auf Unterstützung angewiesen, eine Million Menschen können ihren grundlegenden Nahrungsbedarf nicht decken. 305.000 Kinder unter fünf Jahren sind akut unterernährt. Zwischen Jänner und Juni wurden ca. 490.000 Menschen mit Nahrungsmittelhilfe versorgt, 125.000 Kinder konnten wegen akuter Unterernährung behandelt werden (UNSC 6.9.2016). UNOCHA stellt hinsichtlich Nahrungsmittelsicherheit nebenstehende aktuelle Karte zur Verfügung (UNOCHA 9.9.2016).

Das Klimaphänomen El Niño führte in Somaliland und in Puntland zu Dürre. Dort sind 385.000 Menschen akut von Nahrungsmittelunsicherheit bedroht, weitere 1,3 Millionen Menschen sind dem Risiko ausgesetzt, ohne Unterstützung in eine akute Bedrohung abzugleiten (UNSC 6.9.2016; vgl. UNOCHA 1.9.2016). In Süd-/Zentralsomalia brachte El Niño hingegen schwere Regenfälle und teilweise Überschwemmungen (UNOCHA 1.9.2016).

Die Regenzeit Gu (März-Juni) brachte für Puntland und Somaliland zwar eine teilweise Entlastung; doch wird für den Zeitraum Juli-Dezember 2016 wieder eine Erhöhung der Nahrungsmittelunsicherheit erwartet (UNSC 6.9.2016). Für eine nachhaltige Besserung bedarf es mehr als nur einer guten Regenzeit. Prognosen zufolge könnte sich die Situation durch das nachfolgende Wetterphänomen La Niña weiter verschärfen. So bietet auch die Nahrungsmittelsicherheit in Süd-/Zentralsomalia zunehmend Grund zur Sorge. Derzeit sind also - v.a. im Norden - noch die Auswirkungen von El Niño zu spüren, während aufgrund von La Niña eine schlechte Deyr-Regenzeit (Oktober-Dezember) erwartet wird. Die schwere Hungersnot der Jahre 2011/2012 war durch La Niña verursacht worden (UNOCHA 1.9.2016).

Quellen:

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UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (9.9.2016): Somalia - Humanitarian Snapshot, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Somalia%20Humanitarian%20Snapshot%20-%20September%202016.pdf, Zugriff 20.9.2016

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UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (1.9.2016): Humanitarian Bulletin Somalia, August 2016, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/August%202016%20Somalia%20Humanitarian%20Bulletin.pdf, Zugriff 20.9.2016

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UNSC - UN Security Council (6.9.2016): Report of the Secretary-General on Somalia [S/2016/763], http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1473923936_n1627603.pdf, Zugriff 20.9.2016

Politische Lage

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.12.2015).

Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.12.2015). Somalia ist keine Wahldemokratie. Es gibt keine demokratischen Institutionen. Das Parlament wurde durch Clan-Repräsentanten ausgewählt, und zwar entlang der sogenannten 4.5-Formel. Diese gibt den vier Hauptclans jeweils gleich viele Sitze, und den kleineren Clans und Minderheiten insgesamt halb so viele Sitze, wie einem Hauptclan. Trotzdem wird die Förderung der Demokratie formell von allen politischen Akteuren - mit der Ausnahme von al Shabaab - akzeptiert. So ist das politische System Somalias weder demokratisch noch autoritär; alles dreht sich um die Repräsentation auf Basis der Clans (BS 2016).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Das derzeitige Bundesparlament wurde konsensual unter Einbeziehung traditioneller Eliten bestimmt und hat dann den Präsidenten gewählt (AA 1.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Dies ist die erste Regierung Somalias seit 1991, der breite internationale Unterstützung zukommt (BS 2016). Somalia gilt laut dem UN-Repräsentanten nicht mehr als failed state, sondern als fragiles Land. Die Situation hat sich in den vergangenen drei Jahren stabilisiert (AP 23.12.2015; vgl. AA 1.12.2015).

Eigentlich waren für 2016 Wahlen vorgesehen. Der Präsident hat aber im Juni 2015 angekündigt, dass diese "one person, one vote"-Wahlen verschoben werden (USDOS 13.4.2016; vgl. UNSC 8.1.2016). Dagegen hat es im Parlament Proteste gegeben (AI 24.2.2016). Ein von der Regierung einberufenes National Consultative Forum soll über einen anderen Wahlprozess für das Jahr 2016 beraten. Gleichzeitig soll das Forum auf Vorbereitungen für allgemeine Wahlen im Jahr 2020 treffen (UNSC 8.1.2016).

Obwohl seit dem Ende der Übergangsperiode wiederholt der politische Wille zur umfassenden Reform des Staatswesens (Etablierung von Rechtsstaatlichkeit, Schutz von Menschenrechten, Demokratisierung, Föderalisierung) bekundet wird, ist die faktische Situation nach wie vor in all diesen Bereichen sehr mangelhaft (AA 1.12.2015). Die Erfolge der aktuellen Regierung bei Friedens- und Staatsbildung waren sehr bescheiden. Politische Grabenkämpfe zwischen dem Präsidenten und dem Premierminister haben zu mangelnder Kontinuität beim Regierungspersonal geführt (BS 2016). Zuletzt gab es im August 2015 eine Regierungskrise, als das Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Mohamud einleiten wollte (UNSC 11.9.2015; vgl. AI 24.2.2016). Dieses Begehren wurde später zurückgezogen (UNSC 8.1.2016).

Die anhaltenden politischen Grabenkämpfe und der Fokus auf die Föderalisierung haben die Regierung von Reformen im Justiz- und Sicherheitsbereich abgelenkt (HRW 27.1.2016). Das Clansystem hat wiederum die Einrichtung nachhaltiger Regierungs- und Verwaltungsstrukturen behindert (UNHRC 28.10.2015). Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt (AA 1.12.2015).

Es gab einen signifikanten Fortschritt bei der Einrichtung staatlicher Strukturen auf regionaler Ebene, und für alle Bezirke (außer Baardheere) gibt es vorläufige Verwaltungen (UNSC 8.1.2016). Gleichwohl gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach, wesentliche Staatsfunktionen können nicht ausgeübt werden (AA 1.12.2015). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 10.2015). Die regionalen Verwaltungen kämpfen noch damit, ihre Autorität durchzusetzen. Sie stehen dabei einem Mangel an Geld, einem Mangel an Regierungsinfrastruktur und einem Mangel an Personal gegenüber. Außerdem fehlt es an Details zu den Strukturen der Bundesstaaten sowie an breiter Unterstützung beim Staatsbildungsprozess (UNSC 8.1.2016). Die internationalen Partner werden auch weiterhin signifikante Unterstützung gewähren müssen (UNSC 8.1.2016), wie etwa über laufende Projekte zur Kapazitätsbildung und zu Kernfunktionen der Regierung durch die Weltbank und UNDP (UNSC 11.9.2015).

...

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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