TE Vwgh Beschluss 2018/2/20 Ra 2018/11/0010

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Veröffentlicht am 20.02.2018
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

AZG §26 Abs1;
AZG §28 Abs2 ;
AZG §28 Abs2 Z1;
AZG §28 Abs2 Z3;
AZG §28 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
VStG §22;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/11/0011 Serie (erledigt im gleichen Sinn):Ra 2018/11/0006 B 22. Februar 2018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revisionen 1. des J S in K, 2. der P GmbH in W, beide vertreten durch Mag. Dr. Dirk Just, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Florianigasse 54, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 5. September 2017, Zl. VGW- 042/013/15468/2016, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurden - in Bestätigung eines entsprechenden Straferkenntnisses der belangten Behörde - dem Erstrevisionswerber zwei Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (AZG) angelastet, weil er es als Vorstand und somit gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der T-AG zu verantworten habe, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin zweier dem Namen nach bestimmter Arbeitnehmer im Zeitraum vom 1. Oktober bis 30. November 2015 (Arbeitnehmer E) bzw. 1. November bis 30. November 2015 (Arbeitnehmer L) entgegen § 26 Abs. 1 AZG keine dieser Bestimmung entsprechenden Arbeitsaufzeichnungen geführt habe.

2 Über ihn wurden deshalb Geldstrafen von Euro 400.-- bzw. 250.-- (samt jeweils Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt; weiters wurde er zur Zahlung von anteiligen Verfahrenskosten verurteilt. Schließlich wurde die Zweitrevisionswerberin als Rechtsnachfolgerin der T-AG gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur Haftung verpflichtet.

3 Dem legte das Verwaltungsgericht Folgendes zu Grunde:

4 In den Arbeitszeitaufzeichnungen betreffend die beiden Arbeitnehmer seien für den Tatzeitraum Oktober und November 2015 (Arbeitnehmer E) bzw. November 2015 (Arbeitnehmer L) keine Ruhezeiten ausgewiesen; teilweise sei zudem die Anfahrt zum Dienstort als Arbeitszeit ausgewiesen. Der Abschluss einer wirksamen Betriebsvereinbarung betreffend den Entfall der Aufzeichnungspflicht könne nicht festgestellt werden. Weiters wurden Feststellungen betreffend die Befugnisse des Arbeitnehmers E und den Inhalt der Bestellungsurkunden zweier namhaft gemachter verantwortlicher Beauftragter (Dipl.Ing. Sch und Dipl.Ing. T) getroffen.

5 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht zunächst - mit näherer Begründung - aus, dass der Verantwortungsbereich der namhaft gemachten verantwortlichen Beauftragten (Dipl.Ing. Sch und Dipl.Ing. T) in den Bestellungsurkunden unzureichend umschrieben worden sei; eine ordnungsgemäße Bestellung sei daher nicht erfolgt, weshalb die Verantwortung für die Einhaltung der übertretenen Bestimmungen die Geschäftsführer der T-AG treffe. Entgegen dem Einwand des Revisionswerbers sei der Arbeitnehmer E nicht als leitender Angestellter zu qualifizieren (was näher ausgeführt wurde); auch er sei daher den Arbeitszeitregelungen unterworfen. Nach Ausführungen zur Unwirksamkeit der vorgelegten Betriebsvereinbarung entgegnete das Verwaltungsgericht schließlich dem Einwand bezüglich einer angeblichen "Doppelbestrafung": Bei den relevierten Übertretungen, einerseits die Überschreitung der zulässigen Höchstarbeitszeit nach § 28 Abs. 2 Z 1 AZG und die Nichtgewährung von Ruhezeiten nach § 28 Abs. 2 Z 3 AZG, andererseits die hier gegenständliche Verletzung von Aufzeichnungspflichten nach § 28 Abs. 2 iVm § 26 Abs. 1 bis 5 AZG, handle es sich um solche, die einander nicht ausschlössen.

6 Die ordentliche Revision sei mangels Vorliegen von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG bei einer außerordentlichen Revision gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung über die Revision zu lösen hätte (vgl. VwGH 21.11.2014, Ra 2014/02/0114, mwN).

12 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. dazu VwGH 10.2.2015, Ra 2015/02/0016, uvm).

13 Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen (vgl. VwGH 25.3.2014, Ra 2014/04/0001, mwN), noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 24.9.2014, Ra 2014/03/0025, 0026).

14 Damit von einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG gesprochen werden kann, muss sie sich inhaltlich auf eine durch die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts mögliche Rechtsverletzung beziehen und sich daher innerhalb der Sache des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht bewegen (vgl. in diesem Zusammenhang etwa VwGH 24.3.2015, Ro 2014/05/0089, und 23.4.2014, Ro 2014/07/0008). Ferner muss die Rechtsfrage für die Entscheidung über die Revision präjudiziell und nach dem Vorbringen vom Verwaltungsgericht unrichtig gelöst worden sein (vgl. etwa VwGH 24.6.2014, Ra 2014/05/0004; vgl. zum Ganzen schließlich VwGH 24.5.2016, Ra 2016/07/0039, mwN).

15 In der nach dem Gesagten für die Zulässigkeit der Revision allein maßgebenden Zulässigkeitsbegründung wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen hätte:

16 Die Zulässigkeitsbegründung macht geltend, die verantwortlichen Organe und der ordnungsgemäß bestellte verantwortliche Beauftragte gemäß § 9 Abs. 2 VStG könnten nicht für ein und denselben Sachverhalt verwaltungsstrafrechtlich belangt werden; eine rechtskräftige Entscheidung der Verwaltungsbehörde entfalte Bindung. Aufgrund der Bestellung komme es zu einer echten Verantwortlichkeitsübertragung; nach Vorlage der Bestellungsurkunde wäre das Verfahren auf den jeweils zuständigen verantwortlichen Beauftragten umzustellen gewesen und hätten nicht parallel dazu die zur Vertretung nach außen berufenen Organe weiterverfolgt werden dürfen. Durch die Verurteilung der zur Vertretung nach außen berufenen Organe und des verantwortlichen Beauftragten wegen der gleichen vorgeworfenen Verwaltungsübertretung sei § 9 VStG unrichtig angewendet worden. Zudem sei der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs widersprochen worden, wonach es zulässig sei, einen verantwortlichen Beauftragten einer Gesellschaft für ein Bundesland und für im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften bearbeitete Baustellen jeweils gesondert für jede Arbeitsgemeinschaft einen verantwortlichen Beauftragten zu bestellen.

17 Mit diesem Vorbringen wird zum einen nicht konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen dargestellt, inwiefern dem Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis der behauptete Vorwurf einer unzulässigen Doppelbestrafung unterlaufen sei. Zum anderen wird mit der bloßen Behauptung, die Auffassung des Verwaltungsgerichts widerspreche "der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs", die Begründung für die Zulässigkeit der Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt, schon weil nicht konkret - unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshof - angegeben wird, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nach Ansicht des Revisionswerbers abgewichen worden sein soll (vgl. VwGH 6.10.2015, Ra 2015/02/0187). Abgesehen davon wird von der Revision nicht mehr in Frage gestellt, dass es sich bei der Überschreitung der zulässigen Höchstarbeitszeit nach § 28 Abs. 2 Z 1 AZG und der Nichtgewährung von Ruhezeiten nach § 28 Abs. 2 Z 3 AZG einerseits und der hier gegenständlichen Verletzung von Aufzeichnungspflichten nach § 28 Abs. 2 iVm § 26 Abs. 1 bis 5 AZG andererseits um einander nicht ausschließende Übertretungen handelt, also um zwei verschiedene, iSd § 22 VStG gesondert zu bestrafende Delikte. Es ist aber auch nicht zu erkennen, dass die implizite Auffassung des Verwaltungsgerichts, eine (mit dem in Rechtskraft erwachsenen Straferkenntnis vom 6. Februar 2017 erfolgte) Bestrafung des Dipl.Ing. T. als verantwortlichen Beauftragten für die auch hier gegenständliche Übertretung nach § 28 Abs. 2 iVm § 26 Abs. 1 bis 5 AZG schlösse eine Bestrafung des Erstrevisionswerbers als organschaftlichen Vertreter der Zweitrevisionswerberin wegen des gleichen Delikts nicht aus, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abwiche (vgl. VwGH 20.1.1998, 96/11/0133, 9.11.1999, 98/11/0206, und 4.10.2012, 2011/09/0049: Danach ist in einem vergleichbaren Fall - ohne Bindung an ein Straferkenntnis - zu beurteilen, ob die Bestellung des namhaft Gemachten zum verantwortlichen Beauftragten wirksam wurde und die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des organschaftlichen Vertreters damit entfallen ist). Schließlich handelt es sich beim Inhalt der Bestellungsurkunde um eine Erklärung im Einzelfall, die auszulegen ist. Wie eine solche Erklärung aufzufassen ist, ist jeweils nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und stellt im Allgemeinen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar. Auch die Frage, ob irgendwelche Besonderheiten - etwa auf Grund des Unternehmensgegenstandes oder der Unternehmensorganisation - eine andere Deutung der Willenserklärung zuließe, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Die Auslegung einer Bestellungsurkunde im Einzelfall wäre nur revisibel, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0041, mwN); derartiges wird von der Revision aber nicht aufgezeigt.

18 Die Revisionen waren daher zurückzuweisen.

Wien, am 20. Februar 2018

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018110010.L00

Im RIS seit

27.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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