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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski und MMag. Maislinger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der H AG, Niederlassung W, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 10. Oktober 2017, Zl. RV/7104618/2017, betreffend Versicherungssteuer für die Jahre 2002 bis 2008 und Säumniszuschlag für die Jahre 2004 bis 2008, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Im vorliegenden Fall war im ersten Rechtsgang vor dem Verwaltungsgerichtshof strittig, ob nachträgliche Prämienfreistellungen von mehr als einjähriger Dauer in Verbindung mit einem Rückkauf vor Ablauf von zehn Jahren ab Vertragsabschluss zur Nachversteuerung gemäß § 6 Abs. 1a Z 2 lit. a Versicherungssteuergesetz 1953 führen. Das Bundesfinanzgericht verneinte dies und erklärte eine Revision für zulässig. Mit dem Erkenntnis vom 12. September 2017, Ro 2017/16/0016, gab der Verwaltungsgerichtshof der vom Finanzamt erhobenen Revision Folge. Er bejahte die vom Bundesfinanzgericht - und von der nunmehrigen Revisionswerberin als mitbeteiligter Partei - verneinte Frage und hob das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.
5 Dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis legte das Bundesfinanzgericht die Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde, an die es gemäß § 63 Abs. 1 VwGG gebunden war. Eine Revision erklärte es im Hinblick auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes für unzulässig.
6 Zur Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision bringt die Revisionswerberin erstens vor, trotz des im Revisionsfall schon vorliegenden Erkenntnisses fehle es an Rechtsprechung dazu, ob die Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichtshofes "in jedem Fall" einer nachträglichen Prämienfreistellung gelte, oder ob es Fälle gebe, auf die dies nicht zutreffe. Neben "fehlender Rechtsprechung" zu dieser Rechtsfrage wird dem Bundesfinanzgericht - mit Ausführungen, die sich der Sache nach gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes richten - zweitens eine "unvertretbare Rechtsansicht und gravierende Verkennung der Rechtslage" vorgeworfen. Hervorgehoben werden in diesem zweiten Teil des Zulässigkeitsvorbringens die Fälle einer "Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versicherung" auf Verlangen des Versicherungsnehmers (§ 173 Versicherungsvertragsgesetz), denen meist eine wirtschaftliche Notlage des Versicherungsnehmers zugrunde liege. Dem weiteren Revisionsvorbringen ist zu entnehmen, dass die Revisionswerberin den Standpunkt vertritt, bei solchen Umwandlungen bedürfe es für die Entscheidung über die Nachversteuerungspflicht, falls diese bei nachträglicher Prämienfreistellung in Frage kommen solle, der Ermittlung und Feststellung der Motivation für die Ausübung des Gestaltungsrechtes durch den Versicherungsnehmer sowie einer Gegenüberstellung des Zeitraums laufender und gleichbleibender Prämienzahlungen mit dem Zeitraum der Prämienfreistellung im Einzelfall, um zu prüfen, "ob nicht aus Sachlichkeits- oder Verhältnismäßigkeitsgründen eine Nachversteuerung zu unterbleiben hat". Es scheinen dies die - in der Revision sonst nirgends näher bezeichneten - Fälle zu sein, auf die sich der erste Teil des Zulässigkeitsvorbringens bezieht.
7 Eine solche Einzelfallprüfung hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem zum Revisionsfall ergangenen Erkenntnis aber nicht vorgesehen. Er hat unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die von der Revisionswerberin in den Vordergrund gestellten Fälle zunächst dargelegt, eine "nachträglich vereinbarte Prämienfreistellung von mehr als einer einjährigen Dauer - etwa auf Verlangen des Versicherungsnehmers iSd § 173 Versicherungsvertragsgesetz" sei "eine Vertragsänderung" (Rn. 16), und ohne Einschränkung ausgesprochen, der Tatbestand des § 6 Abs. 1a Z 2 lit. a Versicherungssteuergesetz 1953 sei auch "dann erfüllt, wenn Prämienfreistellungen wie die im Revisionsfall in Rede stehenden erst nachträglich vereinbart werden" (Rn. 20). Von dieser gemäß § 63 Abs. 1 VwGG bindenden Rechtsanschauung könnte der Verwaltungsgerichtshof in diesem Fall auch durch einen verstärkten Senat nicht mehr abgehen (vgl. zuletzt etwa VwGH 30.1.2002, 2000/08/0218, und 29.4.2003, 2002/11/0025).
8 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen, von denen die Entscheidung im vorliegenden Fall abhängen könnte. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 21. Februar 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018130003.L00Im RIS seit
27.03.2018Zuletzt aktualisiert am
14.05.2018