TE Vwgh Beschluss 2018/3/5 Ra 2018/20/0062

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Veröffentlicht am 05.03.2018
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Index

E3R E19104000;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

32013R0604 Dublin-III;
AsylG 2005 §5;
BFA-VG 2014 §21 Abs3;
BFA-VG 2014 §21 Abs6a;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/20/0064 Ra 2018/20/0063

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, in der Revisionssache 1. des M M,

(protokolliert zur hg. Zl. Ra 2018/20/0062), 2. der N A,

(protokolliert zur hg. Zl. Ra 2018/20/0063), und 3. des M M, (protokolliert zur hg. Zl. Ra 2018/20/0064), alle vertreten durch Mag. Josef Phillip Bischof und Mag. Andreas Lepschi, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Dezember 2017,

1)

Zl. W185 2132784-1/19E, 2) Zl. W185 2132783-1/21E und

3)

Zl. W185 2132689-1/11E, betreffend Zurückweisung von Anträgen auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 und Anordnung von Außerlandesbringungen nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die revisionswerbenden Parteien sind Staatsangehörige von Syrien und stellten am 11. Jänner 2016 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet und Eltern des minderjährigen Drittrevisionswerbers.

2 Mit Bescheiden jeweils vom 27. Juli 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der revisionswerbenden Parteien gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück und sprach aus, dass gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 22 Abs. 7 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) Kroatien für die Prüfung der Anträge zuständig sei. Es ordnete weiters gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Außerlandesbringung der revisionswerbenden Parteien an und stellte fest, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG deren Abschiebung nach Kroatien zulässig sei.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobenen Beschwerden der revisionswerbenden Parteien als unbegründet ab. Weiters sprach es aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht - unter Bezugnahme auf Berichte zur Lage in Kroatien - aus, dass in Kroatien die Versorgung der Asylwerber (auch in medizinischer Hinsicht) gewährleistet sei. Die revisionswerbenden Parteien würden auch unter Zugrundelegung ihres Beschwerdevorbringens an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten leiden. Es könne nicht erkannt werden, dass die Überstellung der revisionswerbenden Parteien nach Kroatien eine Verletzung ihrer Rechte nach Art. 3 EMKR darstellen würde.

4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Zum Vorbringen der Revisionswerber, wonach ihnen in Kroatien eine Verletzung ihrer gemäß Art. 3 EMRK geschützten Rechte drohe und Österreich von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Dublin III-VO hätte Gebrauch machen müssen, ist auszuführen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die grundrechtskonforme Interpretation des AsylG 2005 eine Bedachtnahme auf die - in Österreich im Verfassungsrang stehenden - Bestimmungen der EMRK notwendig macht. Die Asylbehörden müssen daher bei Entscheidungen nach § 5 AsylG 2005 auch Art. 3 EMRK berücksichtigen und bei einer drohenden Verletzung dieser Vorschriften das im "Dublin-System" vorgesehene Selbsteintrittsrecht ausüben (vgl. VwGH vom 23.6.2016, Ra 2016/20/0051, 0052, mwN).

7 Vor dem Hintergrund der Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Dublin-Rückkehrer vollen Zugang zum kroatischen Asylsystem, Zugang zu medizinischer, insbesondere psychologischer und psychotherapeutischer, Versorgung und Behandlung hätten, sowie vulnerable Personen und Familien gesondert untergebracht würden, vermag die Revision nicht aufzuzeigen, dass das Bundesverwaltungsgericht mit der gegenständlichen Entscheidung von der angeführten Rechtsprechung abgewichen sei. Auch unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Probleme des minderjährigen Drittrevisionswerbers, der gemäß den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts unter einer posttraumatischen Verhaltensstörung leidet, vermag die Revision vor dem Hintergrund der vorliegenden Berichte zur Lage in Kroatien nicht darzulegen, dass die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte der revisionswerbenden Parteien bei einer Überstellung nach Kroatien verletzt würden (vgl. auch VwGH 18.1.2017, Ra 2016/18/0241-0243). Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die in § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zum Ausdruck gebrachte Sicherheitsvermutung erschüttert wäre (vgl. dazu VwGH 23.6.2016, Ra 2016/20/0069).

8 Auch mit dem Verweis, dass der Mitgliedstaat, in dem sich der Asylwerber aufhalte, darauf zu achten habe, dass eine Situation, in der Grundrechte der revisionswerbenden Parteien "durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert" würden, und erforderlichenfalls den Antrag gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO selbst zu prüfen habe, vermag die Revision im vorliegenden Fall nicht darzulegen, inwiefern die Ausübung des im Ermessen des Mitgliedstaates stehenden Selbsteintrittsrechts geboten gewesen wäre.

9 Insofern eine Abweichung zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhandlungspflicht (Hinweis auf VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018) vorgebracht wird, übersieht die Revision, dass die Verhandlungspflicht in Dublin-Verfahren besonderen Verfahrensvorschriften (§ 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG) folgt, die sich von jenen, welche die Revision im Blick hat (§ 21 Abs. 7 BFA-VG), unterscheiden. Die Auslegung dieser Sondervorschriften hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 30.6.2016, Ra 2016/19/0072, bereits ausführlich vorgenommen. Dass das Bundesverwaltungsgericht von den dort aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren abgewichen wäre, zeigt die Revision nicht auf.

10 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 28. Februar 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018200062.L00

Im RIS seit

27.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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