TE Vwgh Beschluss 2018/3/7 Ra 2018/18/0103

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Veröffentlicht am 07.03.2018
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 2005 §11;
AsylG 2005 §8 Abs1;
MRK Art3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revision des N S in A, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. September 2017, Zl. W134 2141539- 1/12E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 1. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

2 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 23. November 2016 wurde der Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.), kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für eine freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 4. September 2017 als unbegründet ab (Spruchpunkt A) und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig (Spruchpunkt B).

4 Begründend führte das BVwG - zusammengefasst - aus, der Revisionswerber sei schiitischer Moslem, gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an und stamme aus der Provinz Lagham. Er sei im Iran geboren und aufgewachsen, seine Mutter und seine Geschwister befänden sich nach wie vor dort. In Afghanistan lebe nur noch sein Onkel väterlicherseits. Zur Nichtgewährung von Asyl stützte sich das BVwG im Wesentlichen darauf, dass es dem Revisionswerber aufgrund seiner widersprüchlichen Angaben nicht gelungen sei, ein konkretes, aktuelles, asylrelevantes Fluchtvorbringen glaubhaft zu machen. Bei der Nichtgewährung von subsidiärem Schutz berücksichtigte das BVwG - zusammengefasst -, dass der 19- jährige Revisionswerber ein mobiler, gesunder, anpassungs- und arbeitsfähiger Mann sei, der vor seiner Ausreise seine Existenz als Maler habe sichern können. Der Revisionswerber verfüge über eine schulische Ausbildung, spreche Paschtu, könne lesen und schreiben und sei mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut. Im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan sei außerdem von finanzieller Unterstützung durch seine im Iran lebende Familie auszugehen, mit der er in regelmäßigem Kontakt stehe, weshalb es ihm im Ergebnis auch ohne unmittelbar in Kabul bestehende soziale bzw. familiäre Anknüpfungspunkte möglich sei, sich dort eine Existenz aufzubauen und diese zu sichern. Zur Rückkehrentscheidung führte das BVwG im Wesentlichen aus, dass sich der Revisionswerber seit Juli 2015 in Österreich aufhalte, über einfache Deutschkenntnisse verfüge und keiner entgeltlichen Tätigkeit nachgehe.

5 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen geltend macht, dass sich das BVwG im Zusammenhang mit der Annahme einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative tragend auf ein mangelhaftes Gutachten des Sachverständigen Mag. M. gestützt habe. Außerdem sei die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bezüglich des bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative anzuwendenden Maßstabs uneinheitlich. Weiters seien dem BVwG Begründungsmängel unterlaufen, da es sich nicht ausreichend mit der Sicherheits- und Versorgungslage in der Herkunftsregion des Revisionswerbers sowie seiner speziellen Situation als Iran-Rückkehrer auseinandergesetzt habe.

6 Die Revision erweist sich als nicht zulässig. 7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erst kürzlich ausgesprochen, dass hinsichtlich des bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative anzuwendenden Maßstabs die allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und die persönlichen Umstände des Asylwerbers zu berücksichtigen sind. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss.

Mit Bezug auf die Verhältnisse in Afghanistan sei hinsichtlich eines jungen und gesunden Mannes, der über Schulbildung und Berufserfahrung verfüge, - auf der Grundlage der allgemeinen Länderfeststellungen zur Lage im Herkunftsstaat - nicht zu erkennen, dass eine Neuansiedlung in Kabul nicht zugemutet werden könne.

Damit übereinstimmend hat auch der Verfassungsgerichtshof in einem jüngst ergangenen Erkenntnis vom 12. Dezember 2017, E 2068/2017, ausgesprochen, dass einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrsche, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut sei und die Möglichkeit habe, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul zugemutet werden könne, und zwar selbst dann, wenn er nicht in Afghanistan geboren worden sei, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan habe, sondern im Iran aufgewachsen und dort in die Schule gegangen sei (vgl. zu alldem VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001, mwN).

11 Die Einschätzung des BVwG, dass der Revisionswerber als 19- jähriger, mobiler, gesunder, anpassungs- und arbeitsfähiger Mann aufgrund der aufgezeigten Umstände des Einzelfalls in Kabul über eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative verfüge, war im Lichte der dargestellten, insoweit einheitlichen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes, nicht zu beanstanden.

12 Soweit die Revision rügt, das BVwG habe sich zur Beurteilung der Lage in Kabul tragend auf ein mangelhaftes Gutachten des Sachverständigen Mag. M. gestützt, ist ihr entgegen zu halten, dass sich das BVwG bei seiner Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten in der afghanischen Hauptstadt nicht nur auf dieses Gutachten stützte, sondern auch Länderberichte heranzog, denen die Revision nicht überzeugend entgegenzutreten vermochte (vgl. wiederum VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001).

13 Auf das Vorbringen des Revisionswerbers, wonach sich das BVwG nicht ausreichend mit der Sicherheits- und Versorgungslage in der Herkunftsregion Lagham auseinandergesetzt habe, musste hier nicht näher eingegangen werden, da schon die Hilfsbegründung des angefochtenen Erkenntnisses, der Revisionswerber finde in der Stadt Kabul eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative vor, das Ergebnis der Entscheidung trägt (vgl. wiederum VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001, mwN).

14 Soweit die Revision Schwierigkeiten von im Iran geborenen Afghanistan-Rückkehrern aufzuzeigen versucht, gelingt es ihr nicht darzulegen, dass diese die Intensität einer Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK erreichen oder subsidiären Schutz rechtfertigen können (vgl. VwGH 22.2.2018, Ra 2017/18/0351, mwN).

15 Im Lichte dieser Erwägungen fehlt es auch den in der Revision vorgebrachten allfälligen Begründungsmängeln an Relevanz (vgl. etwa VwGH 1.2.2018, Ra 2017/18/0337).

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 7. März 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180103.L00

Im RIS seit

27.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

31.07.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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