TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/12 L524 2135003-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.03.2018
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Entscheidungsdatum

12.03.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L524 2135003-1/30E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER, LL.B. über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.08.2016, Zl. 1077179208-150820337, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.02.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3

und § 57 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 09.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der Beschwerdeführer vor, er sei Araber und sunnitischer Moslem. Im Irak würden noch seine Mutter, vier Brüder und zwei Schwestern leben. Sein Vater und ein weiterer Bruder seien bereits verstorben. Er habe von 1996 bis 2005 die Grundschule in Bagdad besucht. Er habe im Stadtteil XXXX in Bagdad gelebt und sei Anfang Juni 2015 legal mit einem Flugzeug aus dem Irak ausgereist. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes brachte er vor, dass im Irak Krieg herrsche und er beim Militär gewesen sei. Es sei von ihm verlangt worden, dass er als Soldat Leute, die sie kontrolliert hätten, schlecht behandle. Er hätte sie schlagen sollen und außerdem hätten sie ihn in den Krieg gegen den IS schicken wollen. Er sei deshalb vom Militär weggelaufen und werde deshalb gesucht. Außerdem habe er Probleme mit den schiitischen Milizen, weil er Sunnit sei. Daher hebe er sich zur Flucht entschlossen.

2. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 20.06.2016 legte der Beschwerdeführer seinen Staatsbürgerschaftsnachweis, Personalausweis und Reisepass vor. Weiters legte er eine Lebensmittelbezugskarte, Meldezettel, Hausbesitzbestätigung, ein Einstellungsschreiben der Polizei, einen Haftbefehl vom XXXX und die Sterbeurkunden seines Bruders XXXX (Sterbedatum: XXXX ) und seines Vaters (Sterbedatum: XXXX ) vor. Sein Bruder sei bei einem Bombenanschlag im Jahr 2006 getötet worden. Sein Vater sei an einem Herzinfarkt im Jahr 2012 verstorben.

Der Beschwerdeführer gab an, im bisherigen Verfahren die Wahrheit gesagt zu haben. Ihm sei alles korrekt rückübersetzt worden. Er wolle nur korrigieren, dass er Polizist gewesen sei und kein Soldat. Hinsichtlich der richtigen Schreibweise seines Namens verwies der Beschwerdeführer auf seinen Reisepass.

Er sei in Bagdad geboren und aufgewachsen. Im Alter von sechs Jahren habe er mit der Schule begonnen und sechs Jahre die Grundschule, drei Jahre die Mittelschule und sechs Jahre das Gymnasium besucht, dieses aber nicht abgeschlossen. Etwa 2011 habe er den Schulbesuch beendet und danach zwei Jahre in der Werkstatt seiner Brüder in XXXX als Schweißerhelfer gearbeitet. Danach habe er etwa acht Monate in einem Handyshop gearbeitet. Im April 2014 habe er bei der Polizei begonnen und dort bis Mitte Mai 2015 gearbeitet. Seine Dienststelle sei am Flughafen in Bagdad gewesen. Am 03.06.2015 habe er den Irak verlassen. Von Mitte Mai 2015 bis zur Ausreise sei er ausschließlich zu Hause gewesen und sei nicht mehr hinausgegangen. Der Beschwerdeführer habe Kontakt zu seiner Familie. Seine Mutter bekomme die Pension des Vaters, lebe in ihrem eigenen Haus, wo auch der Bruder XXXX mit seiner Familie lebe. In diesem Haus habe auch der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise gelebt. Seine Brüder XXXX und XXXX würden in einem eigenen Haus in der Nähe der Mutter leben und seien beide Schweißer. Auch XXXX arbeite als Schweißer. XXXX lebe in XXXX in einem eigenen Haus und arbeite im Restaurant seines Schwiegervaters. Seine beiden Schwestern seien verheiratet und Hausfrauen.

Ungefähr im Mai 2015 habe er sich entschlossen, den Irak zu verlassen, da ihm ein Freund und Arbeitskollege erzählt habe, dass es einen Haftbefehl gegen ihn gebe. Er habe bei der Polizei in der Verwaltung gearbeitet und Computerreparaturen durchgeführt. Er habe keine Waffe gehabt.

Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass sein Vorgesetzter zu ihm gesagt habe, er müsse sie bei den Kämpfen unterstützen. Das habe er abgelehnt und sei deshalb zwei Wochen im April 2015 in seiner Dienststelle eingesperrt worden. Nach seiner Freilassung sei er nach Hause gegangen und nicht mehr zu seiner Dienststelle zurückgekehrt. Er hätte aber nach zehn Tagen wieder zurückkehren müssen. Sein Vorgesetzter und die anderen Kollegen hätten unschuldige Menschen festgenommen und gefoltert. Er habe sich nicht daran beteiligen wollen. Nachdem er nicht mehr zur Dienststelle zurückgekehrt sei, habe ihn ein Kollege angerufen und ihn gewarnt, dass ein Festnahmebefehl gegen ihn ausgestellt worden sei. Bevor sein Name auf die Fahndungslisten gekommen sei, sei er ausgereist.

3. Mit Bescheid des BFA vom 29.08.2016, Zl. 1077179208-150820337, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft gemacht habe. Es sei auch davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe. Eine Interessenabwägung ergebe, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, der ein handschriftlich verfasstes Schreiben des Beschwerdeführers in arabischer Sprache beigelegt wurde. Aus deren Übersetzung ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer am 01.05.2015 von seinem Vorgesetzten befohlen worden sei, nach Al Ramadi zu gehen, um dort zu kämpfen. Auf Grund seiner Weigerung sei er eingesperrt und am 15.05.2015 aus dem Arrest entlassen worden. Am XXXX sei ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden.

5. Am 11.07.2017 legte der Beschwerdeführer ein Schreiben vor, aus dem im Wesentlichen hervorgeht, dass ein Soldat, der während des Militärdienstes flüchte, kein politisches Asyl erhalte und aus der Flucht zurückkehre, mit fünf Jahren Haft bestraft werde.

6. Am 25.09.2017 legte der Beschwerdeführer ein Schreiben einer Miliz vor, das ihm ein Bruder via Handy geschickt habe. Es stamme von der Miliz Asaib ahl al-Haq, die darin alle sunnitischen Bewohner von XXXX auffordere, binnen drei Tagen den Bezirk zu verlassen. Danach werden acht Personen namentlich angeführt. Der Beschwerdeführer befinde sich an fünfter Stelle. Zwei seiner Brüder würden darin auch genannt.

7. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 15.02.2018 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer als Partei teilnahm. Die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter, beantragte jedoch die Abweisung der Beschwerde. Dem Beschwerdeführer wurden im Rahmen der Verhandlung Berichte zur Lage im Irak ausgehändigt und ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zu den Länderberichten eingeräumt.

8. Am 28.02.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein, in der jedoch nicht auf die ausgehändigten Länderberichte eingegangen wird, sondern - trotz Schluss des Beweisverfahrens in der mündlichen Verhandlung - eine Äußerung zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers erfolgt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist Moslem. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer hat in Bagdad sechs Jahre die Grundschule, drei Jahre die Mittelschule und drei Jahre das Gymnasium besucht. Der Beschwerdeführer hat als Schweißer bei seinen Brüdern in deren Werkstatt und in einem Handyshop gearbeitet.

Der Beschwerdeführer verließ am 09.06.2015 legal den Irak und reiste schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 09.07.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der Beschwerdeführer lebte gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder XXXX sowie dessen Familie in einem Haus im Bezirk XXXX in Bagdad. Alle Geschwister des Beschwerdeführers sind verheiratet und haben Kinder. Die beiden Schwestern des Beschwerdeführers sind Hausfrauen. Eine Schwester lebt in Tikrit, die andere Schwester in der Umgebung von Bagdad. Sämtliche Brüder des Beschwerdeführers leben in Bagdad. Zwei Brüder des Beschwerdeführers arbeiten als Schweißer bzw. Schmied. Der Bruder XXXX arbeitet als Taxifahrer. Die Mutter des Beschwerdeführers lebt jetzt mit zwei Brüdern des Beschwerdeführers und deren Familien im eigenen Haus. Die Mutter lebt von der Pension des Vaters und wird von den Brüdern des Beschwerdeführers unterstützt. Die Kinder seiner Geschwister besuchen die Schule. Die Geschwister des Beschwerdeführers gehen gewöhnlichen Freizeitaktivitäten nach.

Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen in Österreich und er ist auch kein Mitglied in einem Verein oder sonstigen Organisation. Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2015 an einer Sprachförderung in seiner Asylunterkunft im Ausmaß von 82 Stunden, im Jahr 2016 an einem Integrationsprojekt " XXXX " teilgenommen, im Jahr 2017 einen Deutschkurs für Asylwerber B1, Teil 1 und Teil2 besucht. Der Beschwerdeführer hat die ÖSD Prüfung A1 bestanden. Die ÖSD Prüfung Deutsch B1 hat er nicht bestanden. Der Beschwerdeführer legte ein Unterstützungsschreiben des Vereins XXXX vom 11.02.2017 vor. Der Beschwerdeführer hat österreichische Bekannte.

Der Beschwerdeführer ist gesund. Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung und ist strafrechtlich unbescholten.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund, wonach er Polizist gewesen sei und von seinem Vorgesetzten aufgefordert worden sei, gegen den IS zu kämpfen und von einer Miliz aufgefordert worden sei, sein Wohngebiet zu verlassen, wird der Entscheidung mangels Glaubhaftigkeit nicht zugrunde gelegt. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seiner Heimat in dieser einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre.

Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

Nach einer Blitzkampagne von 10 Tagen erklärte Premier Abadi die vollständige Einnahme Tal Afars sowie der gesamten Provinz Niniveh durch die ISF. Tal Afar liegt 80 km westlich von Mossul und wurde von 2000 IS-Kämpfern verteidigt. Die einfache Eroberung wird als Beweis für die Schwäche der Gruppe sowie die Präferenz im Untergrund weiterzukämpfen, verstanden.

Nach der erfolgreichen Einnahme von Mossul und Tal Afar durch die ISF, befürchten IS-Kämpfer ihre letzten Hochburgen im Irak zu verlieren. Familien von IS-Kämpfern fliehen Berichten zufolge täglich aus der Stadt al-Sharbat, südlich von Mossul gelegen, in unbekannte Destinationen. Die Stadt Hawija, welche 55 km südwestlich der erdölreichen Stadt Kirkuk liegt, ist voraussichtlich das nächste Ziel der ISF und der US-geführten Anti-IS-Koalition. Die verbliebenen IS-Kämpfer bestehen vor allem aus lokalen Kämpfern, welche beharrlich um die letzten Gebiete im Irak kämpfen werden. Unterdessen bereiten sich die ISF und kurdische Kräfte auf eine mögliche Entstehung von Post-IS Milizen vor und konzentrieren sich auf Überwachungsmaßnahmen durch Grenzkontrollen, Checkpoints und geheimdienstliche Aufklärung, aber auch auf Aufstandsbekämpfungen.

Es gab eine Reihe intensiver, hochgradig koordinierter Militäroffensiven, die von der Regierung gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) durchgeführt wurden, mit dem Ziel, den IS aus dem Land zu vertreiben. Diese Offensiven führten dazu, dass die territoriale Kontrolle des IS im Irak beendet wurde. Eine bemerkenswerte Entwicklung ist der sichtbare Rückgang der Sicherheitsvorfälle in Gebieten, die bisher als IS-Hotspots in nichtumkämpften Gebieten ausgewiesen wurden. Dies ist einerseits auf die grundsätzlich schweren Verluste des IS und andererseits darauf zurückzuführen, dass IS-Kämpfer in umkämpfte Gebiete verlegt wurden.

Die Offensiven in Mossul, Tal Afar, Hawija und im westlichen Anbar haben erfolgreich dazu beigetragen, den IS zurückzudrängen und ihrer territorialen Kontrolle im Irak ein Ende zu bereiten. Die Sicherheitsvorfälle im Irak sind sichtbar zurückgegangen, unter anderem auch in Bagdad. Dies ist hauptsächlich auf die Intensität der Militäroffensiven zurückzuführen, was den IS dazu zwang viele IS-Kämpfer an der Front einzusetzen. Der IS kann seine Angriffe im ganzen Land nicht mehr so aufrechterhalten, wie es einmal war.

Das Gouvernement Anbar ist nach der Fallujah-Offensive im Juni 2017 weiterhin volatil. Nach der Befreiung Falludschas haben irakische Truppen und sunnitische Stammeskämpfer weiterhin IS-Städte geräumt und Territorien im Nordwesten gesichert, etwa in Haditha. Die Lage änderte sich allmählich während der Hawija-Offensive im September 2017, als sich die irakische Regierung dazu entschloss, die militärischen Operationen zu verstärken, um den IS im Westen von Anbar zu stoppen, mit dem Ziel, die IS-Truppen vollständig aus dem Irak zu vertreiben und der Wiederherstellung der irakisch-syrischen Grenze. Die irakischen Sicherheitskräfte konnten al-Qaim am 03.11.2017 zurückerobern. Militärische Fortschritte gab es danach in der Nachbarstadt Rawa, wo das letzte verbliebene IS-Gebiet am 11.11.2017 erobert und 10.000 Zivilisten befreit wurden.

In Bagdad ereignete sich im Juli 2016 die tödlichste Attacke seit 2003. Es gab danach eine Serie von Selbstmordanschlägen. Die Sicherheitslage verbesserte sich mit dem Beginn der Mossul-Offensive und nach einer kurzzeitigen Verschlechterung zu Beginn des Jahres 2017 verringerten sich die sicherheitsrelevanten Vorfälle wieder und nahmen mit der Niederlage des IS im Juli 2017 weiter ab. Im Juni 2017 wurden die wenigsten Angriffe verzeichnet.

Diyala besteht aus einer einzigartigen und vielfältigen ethnischen und religiösen Bevölkerung. Es leben dort Araber, Kurden, Turkmenen und sowohl Schiiten als auch Sunniten. Das Gouvernement Diyala wurde im Jänner 2015 als erstes vom IS befreit. Vom IS ausgeführte Angriffe richten sich meist gegen schiitische Milizen, etwa an Checkpoints, die dann Gegenangriffe auslösen. Angriffe finden meist im Zentrum und im Norden des Gouvernements statt. Die meisten sicherheitsrelevanten Angriffe gab es im Juli 2014. Seither ist ein deutlicher Rückgang zu vermerken.

In Kirkuk leben Kurden, Turkmenen und Araber. Die Provinz ist für 40 % der Erdölproduktion verantwortlich. Die Sicherheitslage war zwischen Juli 2016 und November 2017 weitgehend stabil, mit Ausnahme des Distrikts Hawija. Dieser Distrikt stand seit Juni 2014 unter Kontrolle des IS. Vor dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum gab es in der Stadt Kirkuk nur wenige sicherheitsrelevante Vorfälle.Nach dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum verschlechterte sich die Situation im September/Oktober 2017. Der Konflikt zwischen der Zentralregierung in Bagdad und der KRG (KRI) in Erbil während des kurdischen Referendums im September 2017 verschärfte die Spannungen zwischen der ethnisch vielfältigen Bevölkerung in Kirkuk. Die irakischen Truppen haben im Oktober 2017 die Kontrolle über wichtige Regierungsgebäude in der Stadt Kirkuk, den Flughafen, die Militärbasis und ein Ölfeld übernommen. Am 20.09.2017 starteten die ISF eine Offensive in Hawija. Die Rückeroberung der Gebiete dauerte nur wenige Tage. Am 05.10.2017 verkündete der irakische Premier den Sieg. Nach dem Rückzug der Peshmerga aus dem Gouvernement ist die bewaffnete Konfrontation abgeklungen.

Im Gouvernement Ninewa begann im Oktober 2016 die Mossul-Offensive, die Anfang Juli 2017 endete. Nachdem Ost-Mossul im Jänner 2017 befreit wurde, folgte die Befreiung des bevölkerungsreicheren Westen Mossuls. Die Gewaltakte haben nachgelassen. Es gibt sporadische Selbstmordattentate gegen irakische Streitkräfte und Mitglieder der PMU/PMF. Die durchschnittliche Anzahl der täglichen Attacken in Ninewa bewegt sich zwischen zwei und fünf. Zwischen Jänner und April 2017 lag sie noch zwischen zehn und 15. Von April bis September 2017 sank die Zahl kontinuierlich auf ca. zwei. Nach der Mossul-Offensive erfolgte die Tal Afar-Offensive. Tal Afar liegt 80 km westlich von Mossul. In Tal Afar ist geteilt zwischen Sunniten und Schiiten und es leben dort hauptsächlich Turkmenen. Am 01.09.2017 erklärte Premier Abadi den Sieg über den IS in Tal Afar, der das Ende der Kontrolle des IS in Ninewa markierte.

Das Gouvernement Salah al-Din wurde in den frühen Stadien der Offensive der irakischen Streitkräfte gegen den IS befreit. Tikrit, Saddam Husseins Geburtsort, ist ein wichtiges Symbol der sunnitischen Herrschaft im Zentralirak. In Salah al-Din befindet sich auch der schiitische al-Askari Schrein in Samarra, eine der heiligsten Stätten im schiitischen Islam. Der Angriff auf den Schrein im Jahr 2006 löste eine gewaltwelle zwischen sunnitischen und schiitischen Gruppierungen aus, die sich auf andere Teile des Landes ausbreitete. Schiitische PMU-Milizen begannen im April 2015 die IS-Milizen aus der Stadt zu vertreiben. Die Sicherheitslage ist vergleichsweise stabil.

Die südlichen Gouvernements waren nicht direkt von den Konflikten in den nördlichen und zentralen Gouvernements betroffen. In relativ geringem Ausmaß gab es auch hier IS-Angriffe (durchschnittlich drei bis zehn pro Monat). Die Gouvernements Basra und Babil sind dabei in erster Linie betroffen. Bei den Vorfällen handelt es sich um IEDs, Autobomben oder Scheißereien. Im Nordwesten von Babil befindet sich die Stadt Jurf al-Sakhr, die einzige mehrheitlich sunnitische Stadt im Gouvernement ist. Die Stadt wurde 2014 vom IS befreit, aber anders als andere befreite Städte bleibt sie entvölkert und zwar wegen ihrer Lage. Die Stadt liegt an der Straße, die zu den heiligen schiitischen Städten im Süden führt - Najaf und Karbala. Im ölreichen Gouvernement Basra gibt es Kämpfe zwischen rivalisierenden Stämmen und Ackerland und Landbesitz.

Die Sicherheitslage in den nördlichen Gouvernements in der Region Kurdistan (KRI/KRG) ist stabil und in der Hand der kurdischen Behörden. Auch diese Gouvernements waren nicht direkt von den Militäroffensiven betroffen. Die Sicherheitslage ist nach dem Abzug kurdischer Peshmerga-Gruppen aus Kirkuk und anderen zuvor kontrollierten Gebieten unverändert. Die Peschmerga-Streitkräfte behalten weiterhin die Kontrolle über das Territorium der KRI. Der Grenzübergang zum Iran ist wieder geöffnet. Internationale Flüge von und nach KRI sind nicht möglich. Inlandsflüge zwischen Bagdad und der KRI sind weiterhin möglich.

Im Zeitraum Jänner 2014 bis Jänner 2018 gab es ca. 2,5 Millionen Binnenvertriebene (IDPs). Die Gesamtzahl der IDPs sank um 6 % (ca. 145.000 Personen). Dieser Rückgang wurde in allen 18 Gouvernements verzeichnet. Die Zahl der Rückkehrer stieg im Jänner 2018 um 4 % (ca. 126.000 Personen) auf ca. 3,3 Millionen Menschen. Damit setzt sich ein Trend von steigenden Rückkehrbewegungen im Irak fort. Im Dezember 2017 wurden erstmals mehr Rückkehrer als IDPs registriert. Die Rückkehrbewegungen setzten sich im gesamten Land fort. 98 % der ca. 126.000 Rückkehrer im Jänner 2018 konzentrierten sich auf vier Gouvernements: Ninewa, Salah al-Din, Kirkuk und Anbar. Allein nach Ninewa kehrten ca. zwei Drittel (rd. 84.000 Personen) zurück. Davon kehrten wiederum ca. 54.000 Personen nach Mossul zurück. Nach Salah al-Din kehrten etwa 27.000 Personen zurück. Von den ca. 7.000 Rückkehrern in Kirkuk kehrten ca. 6.700 in den rückeroberten Bezirks Hawija zurück. Auch in Anbar, wohin ca. 6.000 Personen zurückkehrten, konzentrierten sich dies auf die rückeroberten Gebiete im Westen Anbars: Al-Ka'im, Ana und Ru'a. Die größte Zahl an IDPs gab es in Ninewa (ca. 48.000 Personen oder 6 %), Bagdad (ca. 23.000 Personen oder 12 %) und Anbar (ca. 19.000 Personen oder 17 %). Zusammen bilden diese ca. zwei Drittel der ca. 145.000 IDPs. Die Gesamtzahl der IDPs beträgt ca. 2,5 Millionen Personen. Etwa 57 % (1,4 Millionen) davon stammen aus Ninewa. Danach folgen Anbar mit ca. 14 % (355.000) und Salah al-Din mit 14 % (340.000). Die Rückkehrbewegungen nach Anbar und anderen rückeroberten Gebieten führten zu einem Rückgang der aus Anbar stammenden IDPs von 11 % (44.000 Personen) auf 355.000 Personen. Die Zahl der IDPs aus Kirkuk sank um 5 % auf 216.000 Personen.

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten. Irak besitzt kaum eigene Industrie. Hauptarbeitgeber ist der Staat. Etwa ein Zehntel der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig. Rund 90% der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten zumindest außerhalb der Region Kurdistan-Irak schwierig. Es gibt Lebensmittelgutscheine für Bedürftige. Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Die große Zahl von Flüchtlingen und IDPs belastet das Gesundheitssystem zusätzlich.

Jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist gegen Bezahlung zu beschaffen. Zur Jahresmitte 2014 tauchten vermehrt gefälschte Visaetiketten auf, die der Deutschen Botschaft Bagdad durch das irakische Außenministerium per Verbalnote zwecks Überprüfung zugesandt wurden. Auch gefälschte Beglaubigungsstempel des irakischen Außenministeriums sind im Umlauf; zudem kann nicht von einer verlässlichen Vorbeglaubigungskette ausgegangen werden.

Es gibt inzwischen regelmäßige Linienflüge wichtiger Luftfahrtgesellschaften, u. a. aus Europa und Staaten des Nahen Ostens, nach Bagdad (Royal Jordanian, Middle East Airlines, Turkish Airlines). Es gibt Inlandsflüge zwischenSulaymaniya und Basra sowie Bagdad (Iraqi Airways), weiters gibt es Inlandsflüge zwischen Erbil und Bagdad, Basra sowie Najaf (Iraqi Airways, Fly Baghdad). Mitunter kehren Iraker mit Hilfe der Internationalen Organisation für Migration (IOM) aus Deutschland über Amman freiwillig nach Irak zurück. Seit 01.01.2017 werden für Rückkehrer aus Österreich insgesamt drei Reintegrationsprojekte angeboten: RESTART II von der Internationalen Organisation für Migration (IOM), IRMA plus von der Caritas Österreich und ERIN vom Bundesministerium für Inneres (BM.I). Das Projekt ERIN betrifft Rückkehrer in den Irak. 2015 kehrten 754 Personen in den Irak zurück. Die meisten von IOM Österreich im Jahr 2016 unterstützten Personen kehrten in den Irak(1.396 Personen) zurück. Im ersten Halbjahr 2017 unterstützte IOM Österreich insgesamt 1.716 Menschen (1.286 Männer und 430 Frauen) bei der freiwilligen Rückkehr in ihre Herkunftsländer. Die mit Abstand größte Gruppe (356 Personen) kehrte in den Irak zurück, womit sich der Trend aus dem Vorjahr fortsetzt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Herkunft, zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit, zu seiner Schulbildung und seiner beruflichen Tätigkeit im Irak, zu seiner illegalen Einreise sowie zu seiner Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren, den Verwaltungsakten und dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Lebenslauf. Es ist kein Grund ersichtlich, daran zu zweifeln. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Moslem ist, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben. Dass der Beschwerdeführer sunnitischer Moslem ist, konnte jedoch nicht festgestellt werden, da der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, die konkrete Glaubensrichtung des sunnitischen Islam zu benennen, der er angehören würde.

Die Feststellungen zu den Wohnorten und beruflichen Tätigkeiten seiner Geschwister, dem Schulbesuch seiner Nichten und Neffen, den Freizeitaktivitäten der Geschwister und dem Bezug einer Pension der Mutter sowie der Unterstützung durch die Brüder des Beschwerdeführers ergeben sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und vor dem BFA.

Die Feststellungen betreffend die Teilnahme an Deutschkursen und Deutschprüfungen und die Teilnahme an einem Integrationsprojekt ergeben sich aus entsprechenden Bestätigungen und Unterstützungsschreiben.

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung ergeben sich aus einem eingeholten Strafregisterauszug und einem GVS-Auszug, jeweils vom 16.02.2018.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund ist aus folgenden Erwägungen nicht glaubhaft:

Anlässlich der Schilderung seines Fluchtgrundes in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht fällt auf, dass der Beschwerdeführer zu seinem zentralen Fluchtvorbringen, nämlich der Aufforderung seines Vorgesetzten, mit ihnen zu kämpfen, nur wenige Sätze verliert, obwohl er ausdrücklich aufgefordert wurde, seinen Fluchtgrund ausführlich zu schildern (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls; um Schreibfehler bereinigt):

"R: Schildern Sie ausführlich Ihre Fluchtgründe, also die Gründe, aus denen Sie den Irak verlassen haben und nennen Sie dabei auch Details.

BF: Ich habe bei der Polizei gearbeitet, mein Chef war Offizier (Kommandant). Er sagte zu mir, dass ich mit ihnen mit nach Ramadi kommen soll. Dort herrscht die IS. Die meisten sind unschuldige Bürger. Ich verweigerte mitzukommen. Mein Chef steckte mich dafür für 2 Wochen in das Gefängnis. Das Gefängnis befindet sich dort wo ich gearbeitet habe. Meine Arbeitszeit war so, 10 Tage arbeiten und 10 Tage frei gehabt. Nach der Entlassung hatte ich 10 Tage frei, ich ließ mir einen Reisepass ausstellen und reiste dann aus. In diesen 10 Tagen habe ich mich bei meinem Onkel versteckt, ich konnte nicht bei meiner Familie wohnen. Ich ging schnell weg, ich hatte Angst, dass die Behörde einen Haftbefehl gegen mich ausstellt.

R: Haben Sie abschließend jetzt alles zu Ihrer Flucht geschildert?

BF: Es gibt auch andere Gründe wie die Milizen. Man fühlt sich nie gut. Ich bin kein Mensch der töten kann, ich will auch nicht getötet werden. Ich will leben und leben lassen."

Auf die daraufhin gestellten Nachfragen konnte der Beschwerdeführer sein Vorbringen nicht konkretisieren und hat von sich aus nur wenig vorgebracht. Dies machte es erforderlich, dass konkret etwa nach dem Haftbefehl und dem Schreiben der Miliz gefragt werden musste, weil es der Beschwerdeführer von sich aus nicht tat. Dieses Verhalten des Beschwerdeführers erweckte nicht den Eindruck, dass er tatsächlich Erlebtes schildert. Darüber hinaus konnte der Beschwerdeführer auch kein übereinstimmendes Vorbringen erstatten. Vielmehr widersprachen seine Angaben vor dem BFA jenen vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Der Beschwerdeführer erklärte vor dem BFA, sein Vorgesetzter habe ihn aufgefordert, sie bei den Kämpfen zu unterstützen. Er hätte gegen den IS in Al Ramadi kämpfen sollen. Ein genaues Datum, wann dies gewesen sei, nannte der Beschwerdeführer nicht (AS 72 und 74). In seinem selbst verfassten und der Beschwerde beigefügten Schreiben führte der Beschwerdeführer aus, dass ihm dies sein Vorgesetzter am 01.05.2015 befohlen hätte (OZ 6). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht konnte der Beschwerdeführer jedoch kein genaues Datum mehr nennen. Er meinte, es sei Anfang Mai 2015 gewesen (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Auf Grund dieser unterschiedlichen Angaben ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, sein Vorbringen glaubhaft zu machen.

Der Beschwerdeführer brachte weiters vor, von seinem Vorgesetzten zwei Wochen eingesperrt worden zu sein. Vor dem BFA erklärte er, dies sei im April 2015 gewesen, konnte sich aber an ein genaues Datum nicht erinnern (AS 75). In dem seiner Beschwerde beigefügten Schreiben gab der Beschwerdeführer an, dass es im Mai 2015 gewesen sei und er am 15.05.2015 aus dem Arrest entlassen worden sei (OZ 6). In der mündlichen Verhandlung konnte der Beschwerdeführer wiederum keinen genauen Zeitraum nennen. Er erklärte, am 03.06. ausgereist zu sein [aus dem Reisepass ergibt sich allerdings, dass der Beschwerdeführer am 09.06. ausgereist ist; AS 137], weshalb er im Mai eingesperrt worden sein müsste (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Auch diese widersprüchlichen Angaben und das Unvermögen des Beschwerdeführers den konkreten Zeitraum seines Arrestes zu benennen, sprechen nicht dafür, dass das vom Beschwerdeführer Behauptete tatsächlich stattgefunden hat.

Auch hinsichtlich des Haftbefehls machte der Beschwerdeführer unterschiedliche Angaben. In der Einvernahme vor dem BFA gab er an, dass ihm ein Arbeitskollege im Mai 2015 mitgeteilt habe, dass es einen Haftbefehl gegen ihn gebe (AS 71 und 73). Dem der Beschwerde beigefügten Schreiben des Beschwerdeführers ist zu entnehmen, dass der Haftbefehl allerdings erst vom XXXX ist, was sich auch aus einer eingeholten Übersetzung ergibt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer anlässlich der freien Schilderung seines Fluchtgrundes an, dass er (nur) Angst gehabt hätte, dass ein Haftbefehl gegen ihn ausgestellt werde und deshalb ausgereist sei, er gab aber nicht an, dass es schon einen Haftbefehl gegeben habe (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Damit schilderte der Beschwerdeführer zum Haftbefehl drei verschieden Varianten. Der Beschwerdeführer wurde auch in der mündlichen Verhandlung gefragt, wann der Haftbefehl gegen ihn ausgestellt worden sei. Dazu erklärte er, er glaube, es sei im Jahr 2015 gewesen. Auf den daraufhin erfolgten Vorhalt seiner dazu widersprüchlichen Angaben in der Beschwerde und dem auf dem Haftbefehl selbst vermerkten Datum meinte der Beschwerdeführer zunächst, er hätte das Original des Haftbefehls nie selbst gesehen, sondern bloß ein Foto auf sein Handy geschickt bekommen. Als ihm vorgehalten wurde, er habe vor dem BFA gesagt, ein Kollege habe ihm noch im Mai 2015 von dem Haftbefehl erzählt, meinte er nun, sein Kollege habe das im Computersystem gesehen, unterschrieben worden sei der Haftbefehl jedoch erst später (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Überzeugend ist dieser Erklärungsversuch des Beschwerdeführers nicht. Der Beschwerdeführer hätte nämlich schon auf die Frage, wann der Haftbefehl ausgestellt worden sei, dies vorbringen können. Auf diese Frage meinte er aber noch, er sei 2015 ausgestellt worden. Anhand dieses Aussageverhaltens zeigt sich, dass der Beschwerdeführer um keine Ausrede verlegen ist, was gegen eine Glaubhaftmachung des Vorbringens des Beschwerdeführers spricht. Auffällig war auch, dass der Beschwerdeführer erst explizit nach einem Haftbefehl gefragt werden musste. Er selbst brachte nämlich bei der freien Schilderung seines Fluchtgrundes nur vor, dass er Angst gehabt hätte, dass die Behörde einen Haftbefehl gegen ihn ausstelle (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls; um Schreibfehler bereinigt):

"R: Gibt es einen Haftbefehl gegen Sie?

BF: Ja.

R: Wann wurde dieser ausgestellt?

BF: Ich glaube das war im selben Jahr, aber das Monat weiß ich nicht. Ich meine das Jahr 2015.

R: Sie haben den Haftbefehl auch vorgelegt. Sowohl in Ihrer Beschwerde als auch vom Haftbefehl ergibt sich dass dieser im Jänner 2016 ausgestellt wurde, was sagen Sie dazu?

BF: Ich habe in meinem Handy ein Bild des Haftbefehls gesehen, ich hatte nie das originale Papier in meinen Händen.

R: Bei Ihrer Einvernahme vor dem BFA haben Sie angegeben, dass ein Freund sie gewarnt hat und Ihnen von diesem Haftbefehl erzählt hat, das war als Sie noch im Irak waren, wie ist es dann möglich, dass dieser erst im Jänner 2016 ausgestellt wurde?

BF: Mein Freund arbeitet auch bei der Polizei, wir haben abwechselnd gearbeitet, er hat das im System gesehen. Unterschrieben wurde der Haftbefehl erst später."

Hinsichtlich des Haftbefehls ist noch zu erwähnen, dass der Beschwerdeführer weder das Original noch eine Kopie vorgelegt hat, sondern nur eine Fotografie des Haftbefehls, die ihm auf sein Handy geschickt worden sei. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Länderfeststellungen zu verweisen, wonach im Irak jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, gegen Bezahlung beschafft werden kann. Den vorgelegten Fotografien von Dokumenten des Beschwerdeführers kommt daher auch aus diesem Grund kein Beweiswert zu.

Der Beschwerdeführer gab an, dass er bis Mitte Mai 2015 gearbeitet hätte und im Juni 2015 aus dem Irak ausgereist sei. Hinsichtlich seines Aufenthaltsortes von Mitte Mai bis zur Ausreise im Juni machte der Beschwerdeführer widersprüchliche Angaben. Vor dem BFA erklärte er, er sei ausschließlich zu Hause gewesen und nicht mehr hinausgegangen (AS 70). Dagegen brachte er vor dem Bundesverwaltungsgericht vor, dass er sich bei seinem Onkel aufgehalten habe. Er habe nicht mehr bei seiner Familie wohnen können (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Auch auf Grund dieser unterschiedlichen Angaben konnte der Beschwerdeführer sein Vorbringen nicht glaubhaft machen.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem BFA, er sei ab Mitte Mai 2015 bis zur Ausreise im Juni 2015 ausschließlich zu Hause gewesen und nicht mehr hinausgegangen, ist darüber hinaus nicht mit der Tatsache in Einklang zu bringen, dass sich der Beschwerdeführer am 01.06.2015 einen Reisepass hat ausstellen lassen (AS 135).

Schließlich ist auch darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer noch in der Erstbefragung mehrfach davon gesprochen hat, Soldat und beim Militär gewesen zu sein (AS 7 und 13). In der Einvernahme vor dem BFA meinte der Beschwerdeführer, dass dies nicht richtig sei und er Polizist und nicht Soldat gewesen sei (AS 69). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht konnte der Beschwerdeführer nicht plausibel erklären, weshalb er nicht auch schon in der Erstbefragung angegeben hat, Polizist gewesen zu sein. Er meinte dazu lapidar, er habe damals Soldat und Polizist nicht unterscheiden können, außerdem sei das im Irak fast gleich. Später habe er dann den Unterschied verstanden (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Von einer Person wie dem Beschwerdeführer, der über zwölf Jahre Schulbildung verfügt, muss erwartet werden können, dass er den Unterschied zwischen Polizei und Militär kennt, vor allem auch dann, wenn er selbst Polizist gewesen sein will. Der Erklärungsversuch des Beschwerdeführers überzeugt daher nicht. Der Beschwerdeführer konnte somit nicht glaubhaft machen, Polizist gewesen zu sein. Dies ist ihm auch nicht mit der Vorlage eines Einstellungsschreibens der Polizei gelungen, zumal er weder das Original noch eine Kopie vorgelegt hat, sondern bloß eine Fotografie dieses Dokuments. An dieser Stelle ist auch auf das vom Beschwerdeführer vorgelegte Dokument (OZ 11) hinzuweisen, aus dem im Wesentlichen hervorgeht, dass ein Soldat, der während des Militärdienstes flüchte, kein politisches Asyl erhalte und aus der Flucht zurückkehre, mit fünf Jahren Haft bestraft werde. Dies ist für den vorliegenden Fall insofern nicht von Relevanz, da der Beschwerdeführer ausdrücklich erklärt hat, Polizist und nicht Soldat gewesen zu sein. Darüber hinaus wird in diesem Zusammenhang erneut auf die Länderfeststellungen verwiesen, wonach im Irak jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, gegen Bezahlung beschafft werden kann und den vorgelegten Dokumenten auch aus diesem Grund keine Beweiskraft zukommt.

Während des anhängigen Beschwerdeverfahrens legte der Beschwerdeführer ein Schreiben einer Miliz vor, das ihm ein Bruder via Handy geschickt habe. Es stamme von der Miliz Asaib ahl al-Haq, die darin alle sunnitischen Bewohner von XXXX auffordere, binnen drei Tagen den Bezirk zu verlassen. Danach werden acht Personen namentlich angeführt. Der Beschwerdeführer befinde sich an fünfter Stelle. Zwei seiner Brüder würden darin auch genannt. Der Beschwerdeführer erwähnte in der mündlichen Verhandlung von sich aus dieses Schreiben nicht. Es musste erst konkret danach gefragt werden. Zu diesem Schreiben konnte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung aber keine konkreten Angaben machen. Er konnte nur angeben, dass er es am 25.09.2017 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt habe. Dieses Schreiben sei vor die Haustüre seines Elternhauses gelegt worden. Wann dies gewesen sei, konnte er nicht sagen. Der Beschwerdeführer stellte bloß Vermutungen an (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls):

"R: Wann wurde das dorthin gelegt?

BF: Am 25.09.2017 habe ich es als Foto erhalten, es muss kurz davor passiert sein. Ich denke Maximum eine Woche davor."

Dieses Schreiben, das kein Datum aufweist, warf auch die Frage auf, weshalb der Beschwerdeführer darin genannt wird und zum Verlassen seines Wohnbezirks aufgefordert wird, wenn er zum Zeitpunkt der Hinterlegung des Schreibens bei seinem Elternhaus schon seit zwei Jahren nicht mehr im Irak war. Diese Frage konnte der Beschwerdeführer nicht plausibel beantworten. Er gab Folgendes an (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls):

"Sie wissen nicht wo ich jetzt bin. Niemand weiß etwas über mich, meine Eltern haben nichts weitererzählt. Deswegen bin ich auch auf der Liste mit meinen Geschwistern."

Gerade auf Grund dieses Vorbringens, dass sie nicht wissen, wo er jetzt sei, ist es völlig unplausibel, dass sie den Beschwerdeführer auffordern sollten, seinen Wohnbezirk zu verlassen. Interessant an der Antwort des Beschwerdeführers ist auch, dass er davon spricht, dass seine "Eltern" nichts weitererzählt hätten, obwohl er behauptet hat, dass sein Vater bereits verstorben sei. Dies erweckt folglich erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers, dass sein Vater bereits verstorben sein soll. In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung und vor dem BFA erklärte, dass sein Vater 2012 verstorben sei (AS 9 und AS 73). Aus der von ihm vorgelegten Sterbeurkunde geht jedoch hervor, dass der Vater 2013 verstorben sei (AS 91). An dieser Stelle wird daher erneut auf die mangelnde Beweiskraft irakischer Dokumente verwiesen. Auf Grund der widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers wurde daher auch nicht die Feststellung getroffen, dass der Vater des Beschwerdeführers verstorben ist.

Zu dem Schreiben der Miliz meinte der Beschwerdeführer, dass seine anderen beiden Brüder nicht darauf stünden, weil diese schon älter wären und sich die Miliz auf junge Männer spezialisiert habe. Diese Antwort ist jedoch nicht einleuchtend. Dies wäre sie nur dann, wenn es etwa um eine Rekrutierung der Miliz ginge. Hier wäre es plausibel, wenn sie nur junge Männer haben wollten. In dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Schreiben geht es jedoch darum, dass Sunniten einen bestimmten Bezirk verlassen sollten. Weshalb nur junge Männer gehen sollten, ist nicht nachvollziehbar, zumal in den Schreiben auch ausdrücklich erwähnt wird, dass alle sunnitischen Bewohner den Bezirk innerhalb von drei Tagen verlassen sollten (OZ 17).

Dem Beschwerdeführer wurden in der mündlichen Verhandlung Länderberichte zur Lage im Irak ausgehändigt und hierzu eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Es langte zwar eine Stellungnahme ein, doch nimmt der Beschwerdeführer bzw. sein Rechtsvertreter darin Stellung zu den Fluchtgründen bzw. Widersprüchen im Vorbringen und nicht zu den Länderberichten, obwohl ausdrücklich nur hierzu die Stellungnahmemöglichkeit gewährt wurde. In völliger Missachtung des Auftrags seitens des Bundesverwaltungsgerichts versucht der Beschwerdeführer bzw. sein Vertreter darin die im Verfahren aufgetretenen Widersprüche zu erklären. Dazu ist nun festzuhalten, dass der Zweck der mündlichen Verhandlung die Klärung des Sachverhalts war. In dieser mündlichen Verhandlung hatte der Beschwerdeführer ausreichend Möglichkeit zu seinen Fluchtgründen Stellung zu nehmen. Ebenso wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers, der auch die nunmehrige Stellungnahme verfasst hat, die Möglichkeit eingeräumt, an den Beschwerdeführer Fragen zu richten und eine Stellungnahme abzugeben. Das Vorbringen in der schriftlichen Stellungnahme hätte der Beschwerdeführer bzw. sein Vertreter in der mündlichen Verhandlung tätigen können. Wenn der Beschwerdeführer bzw. sein Vertreter nun mit der schriftlichen Stellungnahme versucht, die in seinen Aussagen aufgetretenen Widersprüche und Ungereimtheiten zu erklären, kommt diesen Ausführungen keine Glaubhaftigkeit zu, da der Beschwerdeführer einerseits in der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit dazu gehabt hätte und andererseits sich der Beschwerdeführer zwei Wochen Zeit genommen hat, um sich Erklärungen für seine Widersprüche und Ungereimtheiten in den Aussagen auszudenken. Mit dieser Stellungnahme ist es dem Beschwerdeführer daher nicht gelungen, sein Fluchtvorbringen plausibel erscheinen zu lassen.

Aufgrund der insgesamt aufgezeigten Unplausibilitäten und Widersprüchen in den Angaben des Beschwerdeführers, der unkonkreten Angaben zu seinem zentralen Fluchtvorbringen, der ausweichenden Antworten sowie des geschilderten Aussageverhaltens des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung geht das Bundesverwaltungsgericht von der Unglaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund und davon aus, dass das Fluchtvorbringen in Wahrheit nicht stattgefunden hat.

Die getroffenen Feststellungen zum Irak beruhen auf folgenden Berichten:

* DTM, IDP Locations & Population, Jänner 2014 - 30.11.2017

* DTM, IDP Shelter Arrangement, Jänner 2014 - 30.11.2017

* DTM Returnees Variation between rounds, Jänner 2014 - 30.11.2017

* DTM IDPS Variation between rounds, Jänner 2014 - 30.11.2017

* Fact Sheet Irak Nr. 64 und Nr. 65

* Deutsches Auswärtige Amt - Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Irak vom 07.02.2017

* UK Home Office, Irak: Return/internal relocation, September 2017

* UK Home Office, Irak Sunni (Arab) Muslims, Juni 2017

* DTM Round 88, January 2018

* IOM AVRR Newsletter, Frühling und Sommer 2017

* Lifos, The Security Situation in Irak: Juli 2016 - Nov. 2017

Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. In seiner Stellungnahme trat der Beschwerdeführer diesen Berichten nicht entgegen. Er äußerte sich nur erneut zu seinen Fluchtgründen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 unter Hinweis auf VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 23.07.1999, 99/20/0208; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Von mangelnder Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203; 16.11.2016, Ra 2016/18/0233). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.

Da der Beschwerdeführer die behaupteten Fluchtgründe nicht hat glaubhaft machen können, liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl nicht vor, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe.

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer keine Verfolgung aus in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen droht. Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen ebenso wie allfällige persönliche und wirtschaftliche Gründe keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar.

Es besteht im Übrigen keine Verpflichtung, Asylgründe zu ermitteln, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat (VwGH 21.11.1995, 95/20/0329 mwN).

Nach der Rechtsprechung ist in Bürgerkriegssituationen für die Gewährung von internationalem Schutz eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende Gruppenverfolgung erforderlich (VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151, mwN). In dem Umstand, dass im Heimatland Bürgerkrieg herrscht, liegt für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Konvention. Der Asylwerber müsste in diesem Zusammenhang jedoch behaupten und glaubhaft machen, dass die Ereignisse in seiner Heimat, die zu seiner Flucht geführt haben, als eine individuell gegen seine Person aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität etc. gerichtete Verfolgung zu werten wären und nicht als mehr oder weniger zufällige Folge im Zuge der Bürgerkriegshandlungen (VwGH 26.01.2006, 2005/01/0537 mwN).

Es gibt bei Zugrundelegung des Gesamtvorbringens des Beschwerdeführers keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Irak maßgeblich wahrscheinlich Gefahr laufen würde, einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).

Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. etwa VwGH 14.03.1995, 94/20/0798, 17.06.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; 30.04.1997, 95/01/0529, 08.09.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall mangels gegenteiliger Anhaltspunkte zu verneinen wäre.

Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

2. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Die Zuerkennung von subsidiärem Schutz setzt somit voraus, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in seine Heimat entweder eine reale Gefahr einer Verletzung insbesondere von Art. 2 oder 3 EMRK bedeuten würde oder für ihn eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes im Irak mit sich bringen würde.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095, mit weiteren Nachweisen). Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236 mwN).

Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. etwa VwGH 26.04.2017, Ra 2017/19/0016, mwN).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass ein "real risk" (reales Risiko) vorliegt, wenn stichhaltige Gründe ("substantial grounds") dafür sprechen, dass die betroffene Person im Falle der Rückkehr in die Heimat das reale Risiko (insbesondere) einer Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu gewärtigen hätte. Dafür spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob dieses reale Risiko in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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