TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/13 I412 2163348-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.03.2018
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Entscheidungsdatum

13.03.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

I412 2163347-1/22E

I412 2163348-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von XXXX, und XXXX, beide StA. NIGERIA, vertreten durch DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST gemeinnützige GmbH Volkshilfe Flüchtlings - und MigrantInnenbetreuung GmbH p.A. ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des BFA, Regionaldirektion Burgenland jeweils vom 19.06.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 04.12.2017 und 09.01.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin stellte am 06.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den sie mit wirtschaftlichen Motiven begründete.

Am XXXX wurde ihr Sohn XXXX (in der Folge als Zweitbeschwerdeführer bezeichnet) geboren und am 10.12.2015 wurde ein Antrag auf internationalen Schutz für ihn gestellt. Ihr Sohn habe keine eigenen Fluchtgründe. Sie stelle für ihr Kind deswegen einen Antrag auf internationalen Schutz, da dieses denselben Schutz in Österreich erhalten solle wie sie selber.

Die Erstbeschwerdeführerin wurde am 16.03.2017 vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Befragt zu ihrem Fluchtgrund gab sie an, Nigeria verlassen zu haben um ein besseres Leben führen zu können. Ursprünglich habe sie vorgehabt, in Europa als Prostituierte zu arbeiten. Sie habe erfahren, dass man damit viel Geld machen könne. So könne sie auch ihre jüngeren Brüder besser versorgen. Dann sei sie aber schwanger geworden und diese Möglichkeit sei nicht mehr vorhanden gewesen. Man habe ihr gesagt, dass man sich in Deutschland um sie und um ihr Kind gut kümmern würde. Sie könne nicht nach Nigeria zurückkehren, da es dort als ledige Mutter mit Kleinkind sehr schwierig sei. Ihr Vater sei ein schlechter Mensch und werde sie nicht aufnehmen.

Mit Eingabe vom 05.04.2017 reichte sie eine Geburtsurkunde, ausgestellt von der Republik Nigeria, mit der Nummer XXXX, nach.

Mit den Bescheiden vom jeweils 19.06.2017, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung der Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Für die freiwillige Ausreise beträgt die Frist 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen (Spruchpunkt IV.).

Die beiden Bescheide wurden am 21.06.2017 zugestellt und den Beschwerdeführer wurde mit Verfahrensanordnung vom 19.06.2017 die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

Gegen die oben angeführten Bescheide richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 28.06.2017, bei der belangten Behörde eingelangt am 29.06.2017. Begründet wurde ausgeführt dass die Erstbeschwerdeführerin christlichen Glaubens sei, ihr Vater hingegen Anhänger eines traditionellen Glaubens sei und dieser die Mutter der Erstbeschwerdeführerin regelmäßig verprügelt habe. Aufgrund der gewaltbelasteten familiären Situation und auch wegen der wirtschaftlichen Lage sei die Erstbeschwerdeführerin nach Europa geflohen, um sich hierzu prostituieren. Da sie aber schwanger wurde, habe sie diesen ursprünglichen Plan nicht mehr umsetzen können. Eine Rückkehr nach Nigeria sei aufgrund der gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme nicht möglich. Sie würde in eine ausweglose Situation geraten.

Die Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakte wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 05.07.2017 zu Entscheidung vorgelegt. Aufgrund von Annexität werden die beiden Rechtssachen zu GZ 2163347-1 und 2163348-1 unter einem und als Familienverfahren geführt.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht fand am 04.12.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu der die beiden Beschwerdeführer, deren Rechtsberaterin und eine Dolmetscherin für die englische Sprache erschienen sind. Noch bevor die Erstbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen befragt werden konnte, brachte die Rechtsvertreterin vor, dass die Erstbeschwerdeführerin ein Opfer geworden ist und hierdurch ein Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung vorliege und sie verwies auf § 20 AsylG. Der Richter erklärte sich aufgrund des Einwandes nach § 20 AsylG für unzuständig, die Verhandlung wurde beendet und die Rechtssachen wurden am 05.07.2017 der Gerichtsabteilung I412 neu zugewiesen.

Einen Tag vor der weiteren anberaumten Verhandlung wurde durch die Rechtsvertreterin eine weitere Stellungnahme eingebracht. Die Rechtsvertreterin rechtfertigt ihren Einwand nach § 20 AsylG und bringt weiter vor dass die Erstbeschwerdeführerin nach der Ausreise aus Nigeria bei ihrer Tante in Ghana gelebt habe der Ehemann dieser Tante habe die Erstbeschwerdeführerin des Öfteren vergewaltigt, wodurch sie schwanger geworden sei. Daraufhin habe sie das Haus verlassen müssen und einen Mann namens "John" getroffen. Dieser habe ihr eine Arbeit bei seiner Schwester in Italien in Aussicht gestellt und versprochen, dass sie in Europa ein besseres Leben führen könne. Die Überfahrt nach Europa habe sie in einem Lager als Zwangsprostituierte verdienen müssen. Von der Frau in Italien sei ihr dann mitgeteilt worden, dass sie nun dort als Prostituierte arbeiten müsse und es sei versucht worden, ihr Kind abzutreiben. Aufgrund der traumatischen Erlebnisse habe die Erstbeschwerdeführerin die Vergewaltigungen und die monatelange Zwangsprostitution nicht vor männlichen Einvernahmeleitern ansprechen können und habe erst im Rahmen der Vorbereitung für die anberaumte mündliche Verhandlung am 04.12.2017 Vertrauen in eine weibliche Rechtsberaterin gewinnen können.

Unter Vorsitz der nunmehr zuständigen Richterin fand am 09.01.2018 neuerlich eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, zu der die beiden Beschwerdeführer, deren Rechtsvertreterin und eine Dolmetscherin für die englische Sprache erschienen sind. Der Lebensgefährte der Erstbeschwerdeführerin, Herr XXXX, wurde als Zeuge stellig gemacht und ebenso einvernommen.

Befragt zu ihren Fluchtgründen gab die Erstbeschwerdeführerin die Probleme mit dem Vater an. Er habe ihre Mutter immer wieder attackiert. Sie hätten sich dann getrennt und er habe die Mutter mit vier Kindern zurückgelassen. Sie habe dann mit der Mutter vereinbart, dass sie zur Tante nach Ghana gehe. Die Zwangsprostitution habe dann in Libyen und Italien stattgefunden, dies zum Zwecke der Abarbeitung der Reisekosten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zunächst wird der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Die volljährige Erstbeschwerdeführerin ist ledig und bekennt sich zum christlichen Glauben. Sie ist die Mutter des Zweitbeschwerdeführers, beide sind Staatsangehörige Nigerias. Ihre Identitäten stehen nicht fest.

Die Erstbeschwerdeführerin ist gesund und arbeitsfähig.

Sie reiste illegal ohne gültiges Reisedokument aus Nigeria nach Ghana aus und gelangte schlepperunterstützt über Libyen und Italien nach Österreich. Sie hält sich seit mindestens 06.07.2015 in Österreich auf.

Die Familie der Erstbeschwerdeführerin, bestehend aus der Mutter und drei Brüdern, lebt in Nigeria. Die Mutter lebt vom Vater getrennt. In Österreich verfügt die Erstbeschwerdeführerin über keine Verwandten. Sie führt seit ca. September 2017 eine Beziehung mit XXXX, einem österreichischen Staatsbürger, der in Linz lebt.

Die Erstbeschwerdeführerin lebt mit ihrem Sohn, dem Zweitbeschwerdeführer in einer Flüchtlingsunterkunft im Burgenland. Sie geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen von der staatlichen Grundversorgung.

Die Erstbeschwerdeführerin weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

In Nigeria hat die Erstbeschwerdeführerin die Volksschule und die Mittelschule besucht und danach ein College besucht, und eine Ausbildung zur Friseurin gemacht. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie sich durch ihre Arbeit in diesem Beruf sowie in einer Bäckerei und als Verkäuferin am Markt gemeinsam mit ihrer Mutter. Aufgrund ihrer Arbeitserfahrung in Nigeria hat sie eine Chance, auch hinkünftig am nigerianischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Die Erstbeschwerdeführerin ist in Österreich nicht vorbestraft.

1.2. Zu den Fluchtmotiven der Erstbeschwerdeführerin:

Es ist der Erstbeschwerdeführerin nicht gelungen, eine asylrelevante Verfolgung aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung in Bezug auf ihren Herkunftsstaat glaubhaft zu machen. Der Zweitbeschwerdeführer hat selbst keine eigenen Fluchtgründe. Die Beschwerdeführer werden im Falle ihrer Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existenziellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

In den angefochtenen Bescheiden wurde das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria mit Stand 2016 vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens bzw. mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde den Beschwerdeführer das aktuelle Länderinformationsblatt mit Stand 07.08.2017 zur Kenntnis gebracht und die Lage in Nigeria auch in der mündlichen Verhandlung am 09.01.2018 erörtert.

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People¿s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10% der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.

(Alleinstehende) Frauen: interne Relokation, Rückkehr, Menschenhandel

Es besteht kein spezielles Unterstützungsprogramm für allein zurückkehrende Frauen und Mütter. Organisationen, die Unterstützungsprogramme betreiben, konzentrieren sich haupt-sächlich auf Opfer des Menschenhandels (IOM 8.2013). Nigeria verfügt hier über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbesondere die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianisches Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EUMS bei der Reintegration. NAPTIP ist Rückführungspartner für Drittstaaten und leistet u.a. Integrationshilfe (ÖBA 9.2016).

Hinsichtlich Menschenhandels ist ein ausgeklügeltes und effektives rechtliches und institutionelles Netz aktiv. Die wichtigste Institution ist NAPTIP. Sie ist für die Untersuchung und Anklage von Fällen des Menschenhandels verantwortlich, für Kooperation und Koordination, für die Unterstützung von Opfern und für die Vorbeugung. Das nigerianische Modell wird als eines der besten existierenden Modelle erachtet (OHCHR 14.3.2014). NAPTIP hat nach ei-genen Angaben seit ihrer Gründung bis 2011 über 4.000 Opfer des organisierten Menschen-handels befreit und seit 2008 die Verurteilung von mindestens 120 Menschenhändlern erreicht (AA 21.11.2016).

Es gibt viele Frauengruppen, die die Interessen der Frauen vertreten, praktische Hilfe und Zuflucht anbieten (UKHO 8.2016b). In Nigeria sind neben den UN-Teilorganisationen 40.000 NGOs registriert, welche auch im Frauenrechtsbereich tätig sind. Die Gattinnen der 36 Provinzgouverneure sind in von ihnen finanzierten "pet projects" gerade im Frauenbildungs- und Hilfsbereich sehr aktiv und betreuen Frauenhäuser, Bildungseinrichtungen für junge Mädchen, rückgeführte Prostituierte und minderjährige Mütter sowie Kliniken und Gesundheits-zentren für Behinderte, HIV-Erkrankte und Pensionisten neben zahlreichen Aufklärungskampagnen für Brustkrebsfrühuntersuchungen, gegen Zwangsbeschneidung und häusliche Gewalt. Für unterprivilegierte Frauen bestehen in großen Städten Beschäftigungsprogramme, u.a. bei der Straßenreinigung (ÖBA 9.2016).

Auch Diskriminierung im Arbeitsleben ist für viele Frauen Alltag.

Alleinstehende Frauen begegnen dabei besonderen Schwierigkeiten: Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind sie oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes - und dort vor allem in den Städten - werden alleinstehende oder allein lebende Frauen eher akzeptiert (AA 21.11.2016).

Die Verfassung und Gesetze sehen für interne Bewegungsfreiheit vor und Berichten zufolge treten Frauen aus dem ganzen Land kurze oder lange Reisen alleine an. Die Bewegungs-freiheit der Frauen aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt. Im Allgemeinen ist eine interne Relokation für insbesondere alleinstehende und kinderlose Frauen nicht übermäßig hart, im Falle der Flucht vor einer lokalen Bedrohung, die von ihrer Familie oder nicht-staatlichen Akteuren ausgeht (UKHO 8.2016b).

Eine Auswahl spezifischer Organisationen:

• African Women Empowerment Guild (AWEG): 29, Airport Road, Benin

City, Edo State Tel.: 08023514832, 08023060147, Email: , , (AWEG o. d. a). Die AWEG versucht, Frauen die nötigen Fähigkeiten zu vermitteln, um sich privat und beruflich weiterzuentwickeln und sich durch Bildung, Lese- und Schreibkenntnisse Perspektiven zu eröffnen. Die AWEG hat in der Vergangenheit Wiedereingliederungshilfe für Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden, geleistet und wurde hierbei vom UN Office on Drug and Crime Control (UNODC) unterstützt. Die Organisation bemüht sich um Finanzmittel, um das Projekt fortzusetzen. Die AWEG hat in Zusammenarbeit mit religiösen Organisationen eine Unterkunft für Opfer von Menschenhandel eingerichtet, beherbergt hier jedoch derzeit keine Personen (IOM 8.2013; vgl. AWEG o.D.b).

• The Women's Consortium of Nigeria (WOCON): 13 Okesuna Street, Off Igbosere Road, Lagos, Nigeria, Tel.: 234-1-2635300, 2635331234-4-1-2635331, 234-(0) 8033347896, Email: wocon95@yahoo.com (WOCON o.D.a). Das Women's Consortium of Nigeria (WOCON) ist eine private gemeinnützige Organisation (NGO), die sich der Durchsetzung der Frauenrechte und der Erzielung von Gleichheit, persönlicher Entwicklung und Frieden widmet. Aktuelle Projekte: Aufklärung bezüglich Menschenhandel, Mobilisierung der Frauen, der Jugend, der öffentlichen Transportunternehmen und der Hotelmitarbeiter im Kampf gegen TIP [Anm.: Trafficking in people]. WOCON leitet Opfer des Menschenhandels an die entsprechenden Schutzunterkünfte der Regierung weiter. Andere Reintegrationsleistungen sind Beratung, Berufsausbildung und Familienzusammenführung sowie die Mobilisierung qualifizierter Frauen zur Teilnahme an der Politik. Das Projekt erstreckt sich auf die Regionen Ogun, Lagos und Ondo (IOM 8.2013; vgl. WOCON o.D.b).

• Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA), 19, Monrovia Street, Off Aminu Kano Way, Wuse II Abuja;, Tel.:

08188699961, 08172125692, 07063807887, Email: Wrapa399@gmail.com, wrapa399@yahoo.com, (WRAPA o.D.a). Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA) ist eine Organisation, die Opfern von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung und sexueller Belästigung etc. kostenlose Rechtsberatung bietet. Darüber hinaus bietet die Organisation Frauen bei entsprechender Finanzierung Berufsausbildungsprogramme. Die Organisation betreibt Büros in jedem der 36 Bundesstaaten Nigerias. Die Organisation plant die Einrichtung zehn landesweiter Beratungszentren für kostenlose Rechtsberatungen und Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen, sucht aber noch nach der entsprechenden Finanzierung. Die Organisation bietet in ihren verschiedenen Büros auch weiterhin kostenlosen Rechtsbeistand und Beratungen für Frauen an (IOM 8.2013; vgl. WRAPA o. D.b).

• Women Aid Collective (WACOL), Email: wacolenugu@wacolnigeria.org, wacolnig@gmail.com, wacolnig@yahoo.com, wacolenugu@yahoo.com; Women House, No. 12 Mathias Iloh Avenue, Newton Enugu;, Tel.:+234-0909-561-9586 +234-0806-609-2184, Fax: +234-42-256831, (WACOL o. D.a); Women Aid Collective (WACOL) ist eine Wohltätigkeitsorganisation, die von der African Commission on Human and Peoples' Rights beobachtet wird. WACOL bietet verschiedene Unterstützung an: Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste. Die Angebote für Frauen und Kinder umfassen: Schutz und sichere Unterkunft in Krisensituationen, Rechtsberatung und Beistand, Beratung von Opfern und deren Familien (IOM 8.2013; vgl. WACOL o.D.b).

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in die Akten der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Erstbeschwerdeführerin vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in die bekämpften Bescheide und in den gemeinsamen Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nigeria mit Stand 07.08.2017.

Die Beschwerdeführer bestreiten den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstatten in der Beschwerde auch kein konkretes, weiteres sachverhaltsbezogenes Vorbringen, dass der maßgebliche Sachverhalt als ausreichend ermittelt angesehen wird und sich das Bundesverwaltungsgericht zunächst der von der belangten Behörde vorgenommen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

Der weiters unter Punkt I. beschriebene Sachverhalt ergibt sich aus den erstmals in den mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht dargelegten Vorbringen.

2.2. Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Feststellungen zu den Lebensumständen, dem Gesundheitszustand, der Arbeitsfähigkeit, der Herkunft, der Glaubenszugehörigkeit sowie der Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Erstbeschwerdeführerin vor der belangten Behörde (Protokoll vom 16.03.2017) und in den mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht. Für den Zweitbeschwerdeführer wurde zudem eine österreichische Geburtsurkunde vorgelegt. Aus dem Beschwerdevorbringen sind keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person aufgekommen. Dass die Erstbeschwerdeführerin in Österreich außer ihrem minderjährigen Sohn, dem Zweitbeschwerdeführer, über keine familiären Naheverhältnisse verfügt, ergibt sich aus den Angaben der Erstbeschwerdeführerin anlässlich ihrer Einvernahme durch die belangte Behörde und vor der erkennenden Richterin.

Da die Erstbeschwerdeführerin den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht ihre Identität nicht zweifelsfrei fest. Aus der vorgelegten nigerianischen Geburtsurkunde lässt sich eine Identität nicht feststellen. Selbiges gilt für den Zweitbeschwerdeführer. Seine Personalien ergeben sich aus der vorgelegten Urkunde, ausgestellt vom Standesamt Oberwart.

Dass die Erstbeschwerdeführerin zwar eine Beziehung mit XXXX führt, mit ihm aber in keinem gemeinsamen Haushalt lebt und diese Beziehung erst seit ca. September 2017 andauert, ergibt sich aus den übereinstimmenden Angaben der Erstbeschwerdeführerin und des Zeugen in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Erstbeschwerdeführerin ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 08.03.2018.

Die Feststellungen zum gegenwärtigen Wohnsitz und dem Bezug der Grundversorgung ergeben sich aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem und dem Auszug aus dem zentralen Melderegister.

Dass die Erstbeschwerdeführerin sich in Österreich weder sprachlich, sozial noch kulturell oder beruflich verfestigt hat, ergibt sich aus ihren eigenen Angaben und daraus, dass sie keinerlei Bestätigungen über Sprachprüfungen oder Mitgliedschaften vorgelegt hat. Zudem konnte sich die erkennende Richterin von den nicht vorhandenen Deutschkenntnissen der Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung selbst überzeugen.

2.3. Zu den Fluchtgründen:

Zunächst ist festzuhalten, dass die Erstbeschwerdeführerin in allen Einvernahmen für das Verlassen ihres Herkunftsstaates Nigeria stets wirtschaftliche Motive angab. In der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab sie zu Protokoll: "Nigeria habe ich aufgrund der schlechten Lebensbedingungen, es herrscht Armut und es gibt anderen Streitigkeiten mit dem verschiedenen Gruppierungen, verlassen." In ihrer niederschriftlichen Einvernahme brachte sie vor der belangten Behörde vor: "Der Grund warum ich Nigeria verlassen habe war, um ein besseres Leben führen zu können. Ursprünglich hatte vor, nach Europa zu kommen und als Prostituierte zu arbeiten, da ich erfahren hatte, dass man damit viel Geld machen kann. Dann wurde ich mit Godsent schwanger und diese Möglichkeit war nicht mehr vorhanden. Wie bereits gesagt, erklärte man mir, dass man sich in Deutschland gut um uns kümmern würde. [...] Wie gesagt, ich wollte nach Europa, um als Prostituierte zu arbeiten, um viel Geld zu verdienen. Dann könnte ich mich auch um meine jüngeren Brüder kümmern. Ich habe keine weiteren Asylgründe." Erstmals wurde in der Beschwerde vorgebracht, dass die Erstbeschwerdeführerin christlichen Glaubens ist und ihr Vater hingegen Anhänger eines traditionellen Glaubens ist. Da der Vater die Familie regelmäßig verprügelte und so zum traditionellen Glauben zwingen wollte, war die familiäre Situation sehr schwierig und gewaltbelastet. Aus diesem Grund und wegen der prekären wirtschaftlichen Lage sei sie nach Europa geflohen.

Von Seiten der erkennenden Richterin wird keineswegs verkannt, dass zahlreiche Frauen, die von Nigeria nach Österreich kommen, Opfer von Frauenhandel sind und unter teils menschenunwürdigen Bedingungen + der Prostitution nachgehen müssen. Ebenso wenig wird verkannt, dass Opfer von Frauenhandel oftmals Schwierigkeiten haben, sich den österreichischen Behörden und Gerichten gegenüber zu öffnen.

Zum Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin, Opfer von Menschenhandel geworden und zur Prostitution gezwungen worden zu sein, ist allerdings festzuhalten, dass die Erstbeschwerdeführerin zu alldem weder in der Erst- und niederschriftlichen Einvernahme noch in der Beschwerde etwas vorbrachte. Erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 04.12.2017 brachte die Rechtsvertreterin diesbezügliches vor. Abgesehen davon, dass hier das in § 20 BFA-VG normierte Neuerungsverbot, wonach neue Tatsachen Beweismittel unter bestimmten Voraussetzungen spätestens in der Beschwerde vorgebracht werden müssen, gilt, wird damit kein asylrelevanter Fluchtgrund in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria vorgebracht. Das Vorbringen rund um Menschenhandel und Zwangsprostitution ist von Ghana ausgehend und hat somit keinen Bezug zu ihrem Herkunftsstaat Nigeria. Auf konkrete Nachfrage der erkennenden Richterin in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 09.01.2018 gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie vom Mann ihrer Tante in Ghana vergewaltigt worden ist, von dort aus von einem Mann namens "John" unter falschen Versprechungen nach Italien gelockt worden ist und auf dem Weg dorthin in Libyen bzw. Italien zur Prostitution gezwungen worden ist.

Die erkennende Richterin kommt daher zum Schluss, dass die Erstbeschwerdeführerin letztlich aus wirtschaftlichen Gründen Nigeria verlassen hat.

Auch das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin, die Frau in Italien habe Bilder von ihr und würde "Vodoo an ihr und ihrem Kind ausüben" bzw. habe sie einmal über Facebook kontaktiert, löst keine asylrelevante Verfolgung aus, bzw. wurde von der Erstbeschwerdeführerin selbst keine konkrete Verfolgung in Nigeria durch die Personen, die sie in Libyen bzw. Italien zur Prostitution gezwungen haben, vorgebracht.

Dass die Erstbeschwerdeführerin mit ihrem Sohn nach Nigeria zurückkehren kann, ergibt sich aus ihren eigenen Angaben, wonach ihre Mutter nunmehr getrennt von ihrem Vater lebt, und auch angab, dass diese ihr Enkelkind auch gerne kennen lernen würde. Dass die Beschwerdeführerin größeren Schwierigkeiten auf Grund des (von ihr angegebenen) Umstands ist, dass ihr Sohn, der Zweitbeschwerdeführer, aus einer Vergewaltigung durch den Mann ihrer Tante entstand, ausgesetzt wäre, kann für die erkennende Richterin nicht nachvollzogen werden, zumal die Beschwerdeführerin auch angab, weiterhin regelmäßigen Kontakt zu ihrer Mutter zu haben.

Es ist daher davon auszugehen, dass diese bei einer Rückkehr nach Nigeria zumindest Unterstützung bei der Betreuung ihres Sohnes finden wird, und ist daher nicht davon auszugehen, dass sie in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten würde. Sie besuchte einige Jahre die Schule, hat eine Ausbildung zur Friseurin absolviert und auch als solche bzw. durch die Arbeit in einer Bäckerei Berufserfahrung gesammelt.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom 07.08.2017 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als jene von Nichtregierungsorganisationen, wie beispielsweise Open Doors, Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichten.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Nigeria ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 6.7.2017

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017c): Nigeria - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html, Zugriff 26.7.2017

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AA - Auswärtiges Amt (24.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 24.7.2017

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AI - Amnesty International (6.2017): Submission To The United Nations Committee On The Elimination Of Discrimination Against Women,

https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1500389874_int-cedaw-ngo-nga-27623-e.pdf, Zugriff 28.7.2017

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/319680/458848_de.html, Zugriff 28.7.2017

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AI - Amnesty International (24.11.2016): Sicherheitskräfte töten mindestens 150 friedliche Demonstrierende, https://www.amnesty.de/2016/11/22/nigeria-sicherheitskraefte-toeten-mindestens-150-friedliche-demonstrierende, Zugriff 13.6.2017

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BMEIA - Außenministerium (24.7.2017): Reiseinformationen - Nigeria,

http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 24.7.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 6.7.2017

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EASO - European Asylum Support Office (6.2017): EASO Country of Origin Information Report Nigeria Country Focus, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1496729214_easo-country-focus-nigeria-june2017.pdf, Zugriff 21.6.2017

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FFP - Fund for Peace (10.12.2012): Beyond Terror and Militants:

Assessing Conflict in Nigeria,

http://www.fundforpeace.org/global/library/cungr1215-unlocknigeria-12e.pdf, Zugriff 21.6.2017

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FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/341818/485138_de.html, Zugriff 26.7.2017

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FH - Freedom House (2.6.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5936a4663.html, Zugriff 12.6.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 2.8.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2017b): Nigeria - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 13.6.2017

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ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

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OD - Open Doors (2017): Nigeria, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/2017/nigeria, Zugriff 14.6.2017

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SBM - SBM Intel (7.1.2017): A Look at Nigeria's Security Situation,

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UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Nigeria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 12.6.2017

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USDOS - U.S. Department of State (19.7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/344128/487671_de.html, Zugriff 28.7.2017

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USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/337224/479988_de.html, Zugriff 8.6.2017

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AA - Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember-2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

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AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.a): Contact Information, http://awegng.org/contactus.htmZugriff 5.7.2017

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AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.b): About us, http://awegng.org/aboutus.htmZugriff 5.7.2017

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IOM - International Organization for Migration (8.2013): Nigeria - Country Fact Sheet,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17129693/16296710/16800759/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2013%2C_deutsch.pdf?nodeid=16801531&vernum=-2, Zugriff 5.7.2017

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ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

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OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (14.3.2014): Remarks By The High Commissioner For Human Rights At A Press Conference During Her Mis-sion To Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/271987/400697_de.html, Zugriff 5.7.2017

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UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Ni-geria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 5.7.2017

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WACOL - Women Aid Collective (o.D.a): Contact Us, http://wacolnigeria.org/wacol/?page_id=58Zugriff 5.7.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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