Index
62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der A für die minderjährige H, diese vertreten durch DDr. Rene Laurer, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schwarzenbergplatz, gegen den Bescheid des Landesgeschäftsführers des Arbeitsmarktservice Wien vom 30. Juli 1996, Zl. LGSW/11/1218/96, betreffend die Zurückweisung eines Antrages auf Auszahlung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem in Beschwerde gezogenen, angefochtenen Bescheid hat der auf Grund eines Devolutionsantrages der Beschwerdeführerin zur erstinstanzlichen Entscheidung zuständig gewordene Landesgeschäftsführer des AMS den Antrag der Beschwerdeführerin
"vom 27. November 1995, die regionale Geschäftsstelle des
Arbeitsmarktservice ... möge die Drittschuldnerin
Arbeitsmarktservice verpflichten, den Betrag von S 4.756,80 sowie täglich bis zum Erlöschen der Ansprüche des Herrn Wilhelm Horn aus der Arbeitslosenversicherung weitere S 104,40 täglich der betreibenden Partei zu Handen ihres Rechtsvertreters auszuzahlen
... gemäß § 6 Abs. 1 in Verbindung mit § 73 Abs. 1 und 2 des
Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) BGBl. Nr. 51/1991, in geltender Fassung, mangels sachlicher Zuständigkeit zurückgewiesen."
Nach der Begründung dieses Bescheides habe die Beschwerdeführerin auf Grund des Beschlusses des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 21. September 1995 betreffend die Pfändung und Überweisung von Wilhelm Horn (in der Folge: H) gebührenden Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung den aus dem Spruch ersichtlichen Antrag gestellt. Am 30. Mai 1996 habe die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht gemäß § 73 AVG gestellt. Als maßgeblicher Sachverhalt werde festgestellt, dass der Leistungsanspruch des Berechtigten infolge eines Krankengeldbezuges vom 16. Oktober 1995 bis 29. Oktober 1995 geruht habe, weshalb für Oktober 1995 keine pfändbaren Forderungen gegenüber dem Arbeitsmarktservice entstanden seien. Für den Zeitraum vom 30. Oktober bis 30. November 1995 habe ein Leistungsanspruch in der Höhe von S 11.952,-- bestanden. Der sich hieraus ergebende pfändbare Betrag sei nach Abzug der Kosten für die Drittschuldnererklärung und der Kosten für die Berechnung in der Höhe von S 8.215,-- am 1. Dezember "96" (richtig: 1995) an die Beschwerdeführerin überwiesen worden. Auf Grund eines Kontrollmeldeversäumnisses am 1. Dezember 1995 habe H. gemäß § 49 Abs. 2 AlVG ab diesem Tag den Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung verloren. Bis zum Tag der Ausfertigung des Bescheides sei keine Wiedermeldung zwecks Geltendmachung eines Fortbezuges erfolgt. Zur Klärung der strittigen Frage, ob dem H. über den 30. November 1995 hinaus Anspruch auf pfändbare Leistungen nach dem AlVG zukämen, seien nach § 308 EO die ordentlichen Gerichte berufen. Da die Beschwerdeführerin auf die Erledigung ihres Antrages durch die objektiv unzuständige Behörde beharrt habe, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie ausführt, dass eine neuerliche Beantragung um Zuerkennung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung an die verpflichtete Partei erst wieder mit 16. September 1996 erfolgt sei. Ein Antrag des Verpflichteten auf Zuerkennung einer Leistung sei im Zeitraum vom 1. Dezember 1995 bis 16. September 1996 nicht gestellt worden. Die Beschwerdeführerin habe im gegenständlichen Verfahren keine Parteistellung im Sinne des AVG. Das AlVG (§ 68) verweise hinsichtlich der Pfändung von Leistungen auf die EO und enthalte keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass über die Höhe der Überweisungen an den betreibenden Gläubiger bescheidmäßig abzusprechen wäre (Hinweis auf das Erkenntnis vom 21. Dezember 1993, Zl. 92/08/0200). Eine sachliche Zuständigkeit des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste, über den Antrag vom 27. November 1995 meritorisch zu entscheiden, sei somit nicht gegeben gewesen.
In einer Replik auf diese Gegenschrift wird seitens der Beschwerdeführerin geltend gemacht, dass das Arbeitsmarktservice "ein Dienstleistungsunternehmen des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit" sei (§ 1 Abs. 1 Arbeitsmarktservicegesetz, BGBl. Nr. 313/1994). Es sei eine behördliche Entscheidung begehrt worden, wonach eine bestimmte mit Angelegenheiten der Arbeitslosenversicherung betraute Dienststelle dieses Arbeitsmarktservice, "diesem die Auszahlung bescheidmäßig auftragen" solle. Da somit kein Anspruch gegen den Bund behauptet worden sei, sei eine Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art. 137 B-VG nicht gegeben. Es liege auch keine Auszahlungsstreitigkeit vor, sondern die Streitigkeit sei nach den Feststellungen, die die belangte Behörde getroffen habe, darauf bezogen, dass weiter gehende Ansprüche des Gläubigers des Arbeitsmarktservice auf pfändbare Leistungen vorlägen. Da solche Ansprüche "keinesfalls ohne Bescheid erledigt werden können", lägen auch aus diesem Grund nicht finanzielle Ansprüche im Sinne des Art. 137 B-VG vor, sondern Ansprüche, über die bescheidmäßig zu erkennen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten beantragte der in der Beschwerde genannte Drittschuldner am 27. Februar 1995 die Gewährung von Arbeitslosengeld. Mit Zahlungs- und Verrechnungsauftrag vom 6. März 1995 wurde dem Verpflichteten das Arbeitslosengeld mit Wirkung vom 27. Februar 1995 zuerkannt.
Zu einem aus der Aktenlage nicht ersichtlichen Zeitpunkt nach dem 11. Oktober 1995 wurde dem Arbeitsmarktservice die Exekutionsbewilligung des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 21. September 1995 zu Gunsten der Beschwerdeführerin gemäß §§ 294a, 299a EO zugestellt. In diesem Beschluss wurde der Beschwerdeführerin zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung von restlichen S 15.090,57 und laufend ab 1. Oktober 1995 jeweils am Monatsersten fälliger S 512,--, an Unterhalt sowie der Kosten dieses Antrages die Exekution bewilligt durch Pfändung der der verpflichteten Partei gegen den Drittschuldner zustehenden Beträge gemäß § 290a EO ohne Rücksicht auf ihre Benennung oder Berechnungsart, weiters die Überweisung der gepfändeten Bezüge zur Einziehung bis zur Höhe der vollstreckbaren Forderung unbeschadet etwa früher erworbener Rechte dritter Personen mit der Beschränkung, dass 75 % der in der Verordnung des Bundesministers für Justiz gemäß § 291a EO (Existenzminimum-Verordnung, BGBl. Nr. 62/1995) genannten Beträge bzw. der dort als pfändungsfrei vorgesehenen Bruchteilsbeträge frei bleiben müssen. Gleichzeitig wurde ein Verfügungsverbot an die verpflichtete Partei und den Drittschuldner erlassen. In ihrer Drittschuldneräußerung vom 24. Oktober 1995 anerkannte das Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste ihre Verpflichtung, die Forderung der Beschwerdeführerin aus einem täglichen Anspruch des Verpflichteten auf Arbeitslosengeld von S 398,40 zu befriedigen.
Am 16. Oktober 1995 meldete sich der Verpflichtete in den Krankenstand ab, der nach Ausweis einer im Akt erliegenden Bestätigung der Wiener Gebietskrankenkasse vom 16. Oktober 1995 bis 29. Oktober 1995 andauerte.
Mit Schriftsatz vom 27. November 1995 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, dass
"..die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ... die Drittschuldnerin Arbeitsmarktservice verpflichten möge, den oben genannten Betrag (ergänze: von S 4.756,80) sowie täglich bis zum Erlöschen der Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung des Herrn Wilhelm Horn weitere S 104,40 täglich der betreibenden Partei zu Handen ihres Rechtsvertreters auszuzahlen".
Mit Schreiben vom 7. Dezember 1995 teilte das Arbeitsmarktservice dem Verpflichteten mit, dass sein Leistungsbezug ab 1. Dezember 1995 im Hinblick auf die Versäumung eines Kontrolltermins eingestellt werde und eine weitere Inanspruchnahme von Leistungen erst ab dem Zeitpunkt der Wiedermeldung möglich sei.
Mit Schriftsatz vom 29. Mai 1996 beantragte die Beschwerdeführerin den Übergang der Entscheidungspflicht an das "Arbeitsmarktservice Wien".
Erst am 16. September 1996 beantragte der Verpflichtete neuerlich die Gewährung von Arbeitslosengeld.
In rechtlicher Hinsicht bestimmt § 47 Abs. 1 AlVG, dass im Falle der Anerkennung des Anspruchs auf Notstandshilfe dem Leistungsbezieher eine Mitteilung auszustellen ist, aus der insbesondere Beginn, Ende und Höhe des Leistungsanspruches hervorgehen. Wird der Anspruch hingegen nicht anerkannt, so ist dem Antragsteller darüber ein schriftlicher Bescheid, der von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu erlassen ist, auszufolgen.
Gemäß § 49 Abs. 1 AlVG hat sich der Arbeitslose zur Sicherung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe monatlich mindestens ein Mal bei der nach seinem Wohnort zuständigen regionalen Geschäftsstelle unter Vorweisung der Meldekarte persönlich zu melden. Wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterlässt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, erhält er nach § 49 Abs. 2 AlVG (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung) vom Tag der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges kein Arbeitslosengeld bzw. keine Notstandshilfe.
Gemäß § 1 Abs. 1 AMSG, BGBl. Nr. 313/1994 obliegt die Durchführung der Arbeitsmarktpolitik des Bundes dem "Arbeitsmarktservice". Das Arbeitsmarktservice ist ein Dienstleistungsunternehmen des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit. Gemäß § 42 Abs. 1 leg. cit. bestreitet das Arbeitsmarktservice die Ausgaben für finanzielle Leistungen u.a. nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 im Namen und auf Rechnung des Bundes.
Ungeachtet der Rechtspersönlichkeit des Arbeitsmarktservice ist somit der Bund Schuldner der Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung.
Der erkennende Senat kann die Frage offen lassen, ob der Beschwerdeführerin (abgesehen von der in bestimmten Verfahrenskonstellationen gegebenen Möglichkeit zur Klage nach Art. 137 B-VG, vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 1996, 172/95) mit der ihr erteilten Exekutionsbewilligung, insbesondere mit der "Überweisung der gepfändeten Bezüge zur Einziehung", auch das Recht übertragen worden ist, für den Fall der Nichtgewährung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung vom Arbeitsmarktservice einen Bescheid über den Leistungsanspruch im Sinne des § 47 Abs. 1 zweiter Satz AlVG zu verlangen, da die Beschwerdeführerin ein solches Ansuchen nicht gestellt und auch nicht mittels Devolutionsantrages weiterverfolgt hat. Selbst wenn man nach dem Gesetzeswortlaut davon ausginge, dass die regionale Geschäftsstelle, die einen - nach einer krankenstandsbedingten Unterbrechung neuerlich - laufenden Leistungsbezug des Verpflichteten mittels "Einstellung" der Zahlungen beendet hat, gem. § 47 Abs. 1 AlVG auch ohne ausdrücklichen Antrag verpflichtet war, einen Bescheid zu erlassen, sowie ferner, dass die Beschwerdeführerin als Überweisungsgläubigerin berechtigt gewesen wäre, die Zustellung eines über den Verlust des Anspruchs gem. § 49 AlVG absprechenden Bescheides zu verlangen, wäre für die Beschwerdeführerin somit nichts gewonnen, weil sie nach Stellung eines ausdrücklich anders lautenden Antrages diesen Antrag mittels Devolutionsantrag weiterverfolgt hat. Die belangte Behörde durfte auch bei Bejahung einer amtswegigen Verpflichtung der regionalen Geschäftsstelle zur Erlassung eines Bescheides nach § 47 AlVG jedenfalls ausschließlich über den von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag absprechen. Der angefochtene Bescheid ist daher auch dann aus den noch darzustellenden Gründen im Ergebnis nicht rechtswidrig, wenn man annimmt, dass die erstinstanzliche Behörde spätestens auf Grund des Antrages der Beschwerdeführerin von amtswegen einen Bescheid iS der §§ 49 Abs. 2 iVm 47 Abs. 1 AlVG hätte erlassen müssen.
Die Beschwerdeführerin hat - wie sie auch in ihrer Replik auf die Gegenschrift klarstellt - einen Leistungsauftrag der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste an die "Drittschuldnerin Arbeitsmarktservice" begehrt und nicht etwa einen an den Bund zu richtenden Leistungsauftrag.
Ein solches Begehren findet im Arbeitslosenversicherungsgesetz bzw im AMSG schon deshalb keine rechtliche Deckung, weil das Arbeitsmarktservice - wie sich aus § 42 AMSG ergibt - auch dann, wenn dem Verpflichtete Ansprüche nach dem AlVG über den 1. Dezember 1995 hinaus zugestanden wären, nicht Drittschuldner solcher Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung ist. Die belangte Behörde hat dieses somit unzulässige Begehren daher schon deshalb zurecht zurückgewiesen, weshalb es auf die rechtliche Schlüssigkeit der Verweisung der Beschwerdeführerin auf die ordentlichen Gerichte zur Klärung der Frage, ob dem Verpflichteten Ansprüche nach dem AlVG zustünden, im Ergebnis nicht ankommt.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 26. April 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1996080238.X00Im RIS seit
18.10.2001Zuletzt aktualisiert am
26.04.2019