TE Bvwg Beschluss 2018/3/14 L502 2145283-1

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Veröffentlicht am 14.03.2018
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Entscheidungsdatum

14.03.2018

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

L502 2145283-1/40E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , staatenlos alias StA. Bosnien & Herzegowina, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.12.2016, FZ. XXXX , beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der Bescheid zur Gänze

aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG idgF zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte im Gefolge seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 16.05.2013 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Zuge dessen sowie im Rahmen der Erstbefragung vom 05.06.2015 gab der BF an, dass er staatenloser Angehöriger der palästinensischen Volksgruppe sei und aus (dem palästinensischen Autonomiegebiet) XXXX stamme.

Als Identitätsnachweis legte er einen israelischen Personalausweis für Palästinenser vor.

Mit 22.05.2013 wurde das Verfahren zugelassen und an der Außenstelle Wien des (vormaligen) Bundesasylamtes weitergeführt.

3. Mit Urteil des LG f. Strafsachen Wien vom 17.07.2014 wurde der BF wegen § 27 SMG iVm § 15 StGB, § 83 Abs. 1 und § 107 Abs. 1 und 2 StGB rechtskräftig zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt.

In der gekürzten Urteilsausfertigung fand sich u.a. der Eintrag, dass der BF in XXXX /Kroatien geboren wurde und Staatsangehöriger von Bosnien & Herzegowina ist.

4. Mit Urteil des LG f. Strafsachen Wien vom 16.12.2014 wurde der BF (neuerlich) wegen § 27 SMG iVm § 15 StGB rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt.

5. Der BF befand sich beginnend mit 22.10.2014 in Untersuchungssowie Strafhaft und wurde am 21.08.2015 aus der Haft entlassen.

Am 19.11.2015 wurde der BF vor dem (nunmehr) Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion Wien, einvernommen.

Er gab dabei u.a. bekannt, dass seine Mutter "aus Bosnien" stammt, sein Vater sei Palästinenser.

6. Eine Anfrage des BFA an das LG f. Strafsachen Wien vom 19.11.2015 im Hinblick auf die Ursprünge der im Urteilsvermerk v. 17.07.2014 aufscheinenden bosnischen Staatsangehörigkeit des BF, verbunden mit dem Ersuchen um Übermittlung eines allenfalls vom BF dazu vorgelegten Identitätsdokuments, mündete in eine Auskunft des LG vom 24.11.2015 dahingehend, dass der BF in der Hauptverhandlung des gg. Strafverfahrens selbst seine Identität mit "Samer BESTALEC", bosnischer Staatsangehöriger, angegeben habe.

7. Das BFA, RD Wien, ersuchte am 25.11.2015 die Staatendokumentation des BFA um Auskunft dahingehend, ob "eine Doppelstaatsbürgerschaft des BF möglich" sei.

Einer Mitteilung des Verbindungsbeamten (VB) des BM.I für Bosnien & Herzegowina (BuH) vom 01.12.2015 an das BFA folgend wurde kein Datensatz mit den Personalien des BF in den verfügbaren Datenbanken vorgefunden. Es wurden aber Erhebungen beim Standesamt XXXX über den VB in Zagreb, Bezug nehmend auf den vom BF angegebenen Geburtsort XXXX , angeregt. Hingewiesen wurde zudem darauf, dass einer von BuH unterzeichneten Konvention zufolge einer Person mit dieser Staatsbürgerschaft diese nicht entzogen werden dürfe, wenn diese dadurch staatenlos werden würde.

8. Am 20.04.2016 stellte der BF im Wege der Caritas Wien einen Antrag an das BFA auf Übernahme der Heimreisekosten im Rahmen einer freiwilligen Rückkehr "in sein Heimatland". Eine nachfolgende Ausreise wurde nicht aktenkundig.

Diesem Antrag wurde vom BFA mit 26.04.2016 stattgegeben.

9. Mit Urteil des LG f. Strafsachen Wien vom 07.09.2016 wurde der BF (neuerlich) wegen § 27 SMG iVm § 15 StGB rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt.

In der gekürzten Urteilsausfertigung fand sich u.a. der Eintrag, dass der BF in XXXX /Kroatien geboren wurde und kroatischer Staatsangehöriger ist.

10. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.12.2016 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Israel/palästinensische Autonomiegebiete abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Israel/palästinensische Autonomiegebiete gem. § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise des BF festgesetzt (Spruchpunkt IV). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z. 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gemäß § 13 Abs. 2 Z. 1 und 3 AsylG wurde dem BF das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet entzogen (Spruchpunkt V).

11. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 22.12.2016 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

12. Gegen den dem BF am 28.12.2016 zugestellten Bescheid des BFA erhob dieser mit Unterstützung seines Rechtsberaters und zugleich bevollmächtigten Vertreters am 05.01.2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

13. Die Beschwerdevorlage des BFA langte am 20.01.2017 beim BVwG ein und wurde das gg. Beschwerdeverfahren in der Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des BVwG zugewiesen.

14. Mit Aktenvermerk des Leiters der GA L502 des BVwG vom 30.01.2017 wurde festgehalten, dass eine nach Einlangen der Beschwerdevorlage durchgeführte Grobprüfung ergeben hat, dass die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid zwar nicht - wie im Spruch des BFA angeführt - auf § 18 Abs. 1 Z. 4 BFA-VG, jedoch auf § 18 Abs. 1 Z. 2 BFA-VG gestützt erfolgen konnte und sich aus dem Akteninhalt auch keine stichhaltigen Gründe für eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG ergeben hatten.

15. Eine Anfrage des BVwG bei der JA Hirtenberg wurde von dieser am 03.02.2017 dahingehend beantwortet, dass mit einer vorzeitigen bedingten Entlassung des BF aus der Strafhaft nicht zu rechnen und als Strafende der 05.01.2018 anzusehen sei.

16. Am 02.02.2017 richtete das BVwG ein Ersuchen an den VB bei der ÖB Zagreb um Erhebungen beim Standesamt in XXXX , ob der BF dort im Geburtenbuch aufscheint und, wenn ja, wer als Vater und Mutter eingetragen sei.

Dieses wurde am 14.02.2017 dahingehend beantwortet, dass dort eine Eintragung der Geburt eines " XXXX , geb. XXXX " sowie die - in Übereinstimmung mit den Angaben des BF stehenden - Personalien seiner beiden Elternteile feststellbar waren. Der Vater sei als israelischer Staatsangehöriger aus XXXX und die Mutter sei als bosnische Staatsangehörige vermerkt, als Staatsangehörigkeit des BF selbst sei wiederum Bosnien & Herzegowina eingetragen.

17. Nach Einholung der schriftlichen Zustimmung des BF richtete des BVwG am 27.02.2017 unter gleichzeitiger Übermittlung eines vom BF eigenhändig in arabischer Sprache ausgefüllten Datenblattes die ÖB Amman um Abklärung, ob der BF bei der UNRWA registriert sei.

Mit Schreiben der UNRWA an die ÖB Amman vom 28.02.2017 wurde formlos bestätigt, dass die "Familie" des BF in XXXX bei der UNRWA registriert ist, und wurde unter einem eine Kopie der UNRWA-Registrierungskarte übermittelt.

18. Mit Schreiben vom 06.03.2017 ersuchte das BVwG den VB bei der ÖB in Sarajewo um Erhebungen dazu, ob der BF - ausgehend von den bisher beim BVwG eingelangten Informationen - aktuell die bosnische Staatsangehörigkeit besitzt, sowie um Erhebungen zum Verbleib seiner bosnischen Mutter.

19. Mit Schreiben vom 06.03.2017 ersuchte das BVwG den VB an der ÖB in Zagreb um Erhebungen dazu, ob bei den kroatischen Behörden Informationen zum Verbleib der Mutter des BF sowie allfälligen Informationen auch zum früheren Aufenthalt des Vaters in Kroatien vorhanden sind, und um allfällige Kontaktaufnahme mit der Mutter des BF zu deren Befragung über den Lebenswandel des BF.

20. Mit 08.03.2017 langte über den VB an der ÖB Zagreb beim BVwG die Antwort der kroatischen Behörden ein, dass die Eltern des BF in Kroatien weder in polizeilichen Evidenzen aufscheinen noch je in Kroatien eine aufrechte Meldeadresse oder ihren Aufenthalt hatten.

21. Das Schreiben des BVwG vom 06.03.2017 an den VB an der ÖB in Sarajewo wurde auf Hinweis des VB am 09.03.2017 nochmals direkt an die ÖB in Sarajewo gerichtet, dessen Einlangen dort von der ÖB mit 10.03.2017 bestätigt wurde.

22. Nach Urgenzen des BVwG vom 23.06.2017 und 07.08.2017 teilte die ÖB in Sarajewo jeweils mit, dass noch keine Stellungnahmen der bosnischen Behörden eingelangt seien. Weitere Urgenzen des BVwG erfolgten am 25.09.2017 und 16.11.2017.

23. Mit Schreiben vom 16.11.2017 teilte die ÖB in Sarajewo mit, dass die gg. Anfrage des BVwG an das bosnische Außenministerium weitergeleitet worden sei.

24. Mit 10.01.2018 teilte die JA Krems dem BVwG mit, dass der BF mit Strafende am 05.01.2018 aus der Strafhaft entlassen wurde.

25. Nach Urgenz des BVwG vom 10.01.2018 übermittelte die ÖB in Sarajewo den Inhalt eines Antwortschreibens des bosnischen Innenministeriums zu den auf Ersuchen des BVwG durchgeführten Erhebungen und verwies unter einem auf die noch fehlende Auskunft zur Frage der allfälligen bosnischen Staatsbürgerschaft des BF.

26. Das BVwG urgierte mit Schreiben an die ÖB in Sarajewo vom 16.01.2018 die weiteren Erhebungen zur Frage der Staatsbürgerschaft des BF.

27. Mit Schreiben der ÖB in Sarajewo langte beim BVwG eine Verbalnote des bosnischen Außenministeriums samt einer Kopie - einschließlich einer in die deutsche Sprache übersetzten - amtlichen Bestätigung des Gemeindeamtes in XXXX vom 07.02.2018 für die bosnische Staatsbürgerschaft des BF ein.

28. Einer Unzuständigkeitseinrede des Leiters der GA L502 des BVwG vom 27.02.2018, gestützt auf den nunmehr bestätigten Umstand der bosnischen Staatsangehörigkeit des BF, und einer Gegeneinrede der Leiterin der GA G313 des BVwG vom 28.02.2018 folgte die neuerliche und endgültige Zuweisung der gg. Rechtssache an die GA L502 mit Entscheidung des Präsidenten des BVwG vom 05.03.2018.

29. Das BVwG erstellte mit 08.03.2018 aktuelle Auszüge aus den Datenbanken des ZMR und des GVS den BF betreffend.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der gg. Verfahrensgang steht fest.

1.2. Der Beschwerdeführer (BF) wurde am 02.07.1988 in XXXX , Kroatien, geboren und in das dortige Geburtenbuch unter dem Namen XXXX eingetragen. Als seine leibliche Mutter scheint ebendort eine XXXX , geb. am XXXX in XXXX , Kanton XXXX , Bosnien und Herzegowina, bosnische Staatsangehörige, und als sein leiblicher Vater ein XXXX , geb. am XXXX in XXXX , israelischer Staatsangehöriger, der auch die Vaterschaft zum BF anerkannte, auf.

Der BF ist unter dem Namen XXXX im Personenregister der Gemeinde XXXX eingetragen und besitzt diesem Register zufolge die bosnische Staatsangehörigkeit.

Die Mutter des BF war ehemals in XXXX wohnhaft, hat dort aktuell aber keinen aufrechten Wohnsitz mehr, und schloss im Jahr 2013 in XXXX , Kanton XXXX , Bosnien und Herzegowina, mit einem gewissen XXXX die Ehe. Sie hat aktuell möglicher Weise einen Wohnsitz in XXXX

/BRD.

Nicht feststellbar war, wie lange der BF in XXXX bzw. in Bosnien und Herzegowina aufhältig war und wann bzw. wohin er das Staatsgebiet von Bosnien und Herzegowina verlassen hat.

1.3. Der BF verfügt über einen Personalausweis für Angehörige der palästinensischen Volksgruppe der israelischen Behörden, ausgestellt am 08.04.2013 von der palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah, dessen Echtheit nicht festgestellt wurde.

Er scheint zudem gemeinsam mit einem Vater (hier:) namens XXXX , geb. am XXXX , einem Bruder und zwei Schwestern sowie der nunmehrigen Gattin seines Vaters auf einer UNRWA-Registrierungskarte vom 27.02.2017 als "Registered Refugee" auf, die als Registrierungsadresse das XXXX in XXXX wiedergibt.

Nicht feststellbar war, ob bzw. in welchem zeitlichen Umfang sich der BF in XXXX aufgehalten hat.

1.4. Der BF stellte im Gefolge seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 16.05.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz und hält sich seither in Österreich auf.

Er wurde mit Urteil des LG f. Strafsachen Wien vom 17.07.2014 wegen § 27 SMG iVm § 15 StGB, § 83 Abs. 1 und § 107 Abs. 1 und 2 StGB rechtskräftig zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt.

Mit Urteil des LG f. Strafsachen Wien vom 16.12.2014 wurde er (neuerlich) wegen § 27 SMG iVm § 15 StGB rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt.

Mit Urteil des LG f. Strafsachen Wien vom 07.09.2016 wurde er (neuerlich) wegen § 27 SMG iVm § 15 StGB rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt.

Er befand sich bis 05.01.2018 in Strafhaft und bewohnt seit 09.01.2018 ein Quartier in Wien im Rahmen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den gg. Verwaltungsakt der belangten Behörde, amtswegige Erhebungen des BVwG im Wege der oben genannten Vertretungsbehörden sowie bei den österr. Justizbehörden und die Erstellung der og. Auszüge aus den relevanten Datenbanken.

Der für die gegenständliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes relevante Verfahrensgang und Sachverhalt ergab sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt.

2. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017.

Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des AsylG 2005 idgF.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheides des Bundesamtes.

Zu A)

1. In seiner Entscheidung zu Ra 2014/01/0205 vom 26. Mai 2015 hat der VwGH zur Frage einer allfälligen Behebung einer erstinstanzlichen Entscheidung und Zurückverweisung des Verfahrens an die Behörde zur neuerlichen Entscheidung gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG durch das Verwaltungsgericht in grundlegender Weise bzw. in weiterer Folge in ständiger Rechtsprechung (vgl. u.a. Ra 2016/03/0027) dargelegt:

"In § 28 VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN).

2. Die belangte Behörde ging im erstinstanzlichen Verfahren vom persönlichen Vorbringen des BF insoweit aus, als er behauptete ein Angehöriger der palästinensischen Volksgruppe zu sein, aus (dem israelischen Autonomiegebiet) XXXX zu stammen und ausgehend davon staatenlos zu sein. Diesen Sachverhalt subsumierte die Behörde in der Folge in ihrer Entscheidung über den Antrag des BF auf internationalen Schutz unter die Bestimmungen des AsylG und FPG.

Sie vernachlässigte dabei aber die bereits in seiner Einvernahme vorgetragenen konkreten Hinweise auf seine Geburt in Kroatien und seine bosnische Mutter und den dazu ergänzend dargelegten Lebensverlauf bzw. setzte sie ausgehend von diesen Hinweisen nur ungenügende Ermittlungsschritte.

Demgegenüber nahm das BVwG ausgehend von diesen Hinweisen ergänzende Ermittlungen zur Frage des tatsächlichen Lebensverlauf des BF sowie insbesondere zu jener der möglichen Staatsangehörigkeit von Kroatien oder Bosnien & Herzegowina auf, die ihrerseits letztendlich hervorbrachten, dass der BF vielmehr Staatsangehöriger von Bosnien & Herzegowina ist.

Ausgehend von diesem aktuellen Sachverhalt liegt nunmehr eine gänzlich andere Ausgangslage für eine behördliche Entscheidung über den Antrag des BF auf internationalen Schutz vor, welche die erstinstanzliche Behörde als Grundlage für ihre weitere Beweisaufnahme im fortgesetzten Verfahren heranzuziehen hat.

3. Nachdem sohin die belangte Behörde im ersten Verfahrensgang den maßgeblichen Sachverhalt nur ansatzweise ermittelte und auf diese Weise nur zu einer ungenügenden Entscheidungsgrundlage gelangte, war in Anwendung des § 28 Abs. 3 VwGVG und der dazu vom VwGH entwickelten Rechtsansicht der Bescheid spruchgemäß aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung eines Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheids an die Behörde zurückzuverweisen.

4. Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben und der Bescheid im angefochtenen Umfang aufzuheben waren.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Identität, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Staatsangehörigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L502.2145283.1.00

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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