TE Vwgh Erkenntnis 2018/2/21 Ra 2016/13/0052

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Veröffentlicht am 21.02.2018
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §93 Abs3 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der I GesmbH & Co KG in B, vertreten durch die bpv Hügel Rechtsanwälte OG in 1220 Wien, ARES-Tower, Donau-City-Straße 11, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 15. September 2016, Zl. RV/7102261/2011, betreffend u. a. Umsatzsteuer für das Jahr 2009, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Anfechtung (Umsatzsteuer für das Jahr 2009) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die revisionswerbende Kommanditgesellschaft erwarb zum Jahreswechsel 2007/2008 von ihrer Kommanditistin, einer Stadtgemeinde, deren Rathaus und vermietete es ab 1. Jänner 2008 an sie. Im Hinblick auf Sanierungsarbeiten an dem Gebäude ab dem Jahr 2000 und auf die nunmehr ausschließlich unternehmerische Nutzung des Gebäudes durch die Revisionswerberin machte sie u. a. für das Streitjahr 2009 eine anteilige Vorsteuerberichtigung geltend, wobei dem Finanzamt eine detaillierte Berechnung des Anteils der unternehmerischen Nutzung in den Jahren vor 2008 (Werte zwischen 24% und 42%) übermittelt und die Berichtigung für den dem Anteil der hoheitlichen Nutzung entsprechenden Teil der entrichteten Umsatzsteuer begehrt wurde. Streitpunkt des sich daran anschließenden Verfahrens war die Frage der (positiven) Vorsteuerberichtigung bei Ausgliederung und Rückvermietung eines von einer Körperschaft öffentlichen Rechts gemischt genutzten Gebäudes.

2 Dem Vorbringen einer teilweise unternehmerischen Nutzung des Rathauses zur Zeit der Sanierungsarbeiten (in der Größenordnung der vorgelegten und nur in Details beanstandeten Berechnungen) trat das Finanzamt in dieser Auseinandersetzung nicht entgegen. Im Bericht vom 22. Februar 2011 über eine bei der Revisionswerberin durchgeführte Außenprüfung hielt die Prüferin fest, die Berichtigung sei "entsprechend der damaligen hoheitlichen Nutzung" begehrt worden. Sie führte dazu aus, nach der Rechtsprechung des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofes sei ein Vorsteuerabzug insoweit nicht möglich und eine "Zuordnung des hoheitlichen Bereiches" zum Unternehmen "daher" nicht zulässig gewesen. Bei der Überführung (hier allerdings:) "des Gegenstandes/Gebäudes" aus dem nichtunternehmerischen in den unternehmerischen Bereich habe es sich daher um eine Einlage gehandelt, was nicht als Änderung der Verhältnisse im Sinne des für die Berichtigung maßgeblichen § 12 Abs. 10 UStG 1994 anzusehen sei.

3 Unter Verweis auf diese Ausführungen ließ das Finanzamt die beantragte Berichtigung im Bescheid vom 25. März 2011 über die Umsatzsteuer für das Jahr 2009 unberücksichtigt, wogegen die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 12. April 2011 Berufung erhob.

4 In einem in den vorgelegten Akten enthaltenen Bericht vom 4. April 2011 über eine Außenprüfung bei der Kommanditistin der Revisionswerberin hatte die Prüferin inzwischen festgehalten, die Stadtgemeinde habe im Zuge dieser Prüfung erstmals den anteiligen "Vorsteuerabzug für den unternehmerisch genutzten Bereich des Amtsgebäudes" geltend gemacht, und dieser stehe ihr in näher dargestellter Höhe für die Prüfungsjahre 2006 bis 2008 auch zu.

5 In der Stellungnahme zur Berufung der Revisionswerberin legte das Finanzamt dar, es gehe "von einer bloß anteiligen Zuordnung des Amtsgebäudes zum Unternehmen aus", weil eine "Zuordnung des nicht unternehmerisch genutzten Anteiles" zum Unternehmen, anders als bei der "klassischen privaten Nutzung", nicht vorgesehen sei. Die Ausgliederung sei "hinsichtlich des nichtunternehmerischen Teils" daher eine Einlage gewesen. Das daran anschließende Vorbringen, die behauptete Aufteilung des Gebäudes in einen hoheitlichen und einen unternehmerischen Bereich sei nicht erfolgt, bezog sich nicht auf die tatsächliche Verwendung, sondern auf die vom Finanzamt behauptete gänzliche Zuordnung zum Hoheitsbereich, die damit begründet wurde, dass die Stadtgemeinde bis zu der sie betreffenden Außenprüfung nie Vorsteuern für das Rathaus geltend gemacht habe. Die "Vorsteuer für den Unternehmensbereich des Amtsgebäudes" sei erst auf Grund des bei der Schlussbesprechung gestellten Antrages "festgesetzt und (...) in Abzug gebracht" worden. Zusammenfassend lasse sich "sagen, dass das berufungsgegenständliche Amtsgebäude nur hinsichtlich des tatsächlich unternehmerisch genutzten Teils dem Unternehmensbereich zuzuordnen ist".

6 In der mündlichen Verhandlung am 13. September 2016 hob der Vertreter des Finanzamts hervor, die Aufteilung in einen hoheitlichen und einen unternehmerischen Bereich habe "erst im Nachhinein" stattgefunden. Die Stadtgemeinde habe davor nie Vorsteuern geltend gemacht, weshalb das Finanzamt davon ausgehe, "dass das Rathaus ursprünglich nicht betrieblich genutzt" worden sei. Den nachträglichen Antrag, "für die betrieblich genutzten Teile" Vorsteuern zu berücksichtigen, werte das Finanzamt als Mitteilung einer Zuordnung im Sinne des § 12 Abs. 2 Z 1 lit. b UStG 1994.

7 Die Erwägungen des Bundesfinanzgerichtes im angefochtenen, die als Beschwerde zu behandelnde Berufung in Bezug auf das Streitjahr 2009 abweisenden Erkenntnis beginnen mit dem Hinweis, "sachverhaltsmäßig" stehe "fest", dass das Gebäude "für Tätigkeiten der Gemeinde in deren Hoheitsbereich genutzt wird". Strittig sei, ob "eine von der Bf. geltend gemachte Vorsteuerberichtigung" zulässig sei. Es folgen längere abstrakte Rechtsausführungen.

8 Die daran anschließenden fallbezogenen Erwägungen halten zur Nutzung des Gebäudes - ohne näheren Bezug auf bestimmte Zeiträume - fest, es handle sich um ein "repräsentatives Gebäude", in dem "sich u.a. das Büro des Bürgermeisters, die Stadtamtsdirektion mit diversen Verwaltungsabteilungen der Gemeinde sowie das Kulturamt der Gemeinde befindet."

9 Das Rathaus habe "vor der Ausgliederung dem nichtunternehmerischen, hoheitlichen und somit nicht dem unternehmerischen Bereich der Gemeinde gedient, womit der Gemeinde die Unternehmereigenschaft im Sinn des § 2 UStG 1994 gefehlt hatte, weshalb der Vorsteuerabzug betreffend Herstellungs-, Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten in Bezug auf das (Rathaus) gemäß § 12 Abs. 1 UStG 1994 unzulässig gewesen wäre". Davon ausgehend falle der Sachverhalt nicht in den Anwendungsbereich des § 12 Abs. 10 UStG 1994.

10 Gegenteiliges folge - mit Rücksicht darauf, dass das Rathaus "im Streitjahr ein Gebäude war, das vor dessen Auslagerung an die Bf. hoheitlichen Zwecken gedient hatte und daher nicht dem Unternehmensbereich der Gemeinde zuzuordnen war" - auch nicht aus dem auf Ausgliederungen anzuwendenden Art. 34 des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 142/2000.

11 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig.

12 Die vorliegende außerordentliche Revision macht zur Zulässigkeit u.a. geltend, das angefochtene Erkenntnis weiche in Bezug auf die Mindestanforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Sie ist schon unter diesem Gesichtspunkt zulässig und begründet.

13 Ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes muss so begründet sein, dass der Denkprozess, der darin seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist. Dabei ist auf alle vom Abgabepflichtigen substantiiert vorgetragenen, für die Entscheidung relevanten Behauptungen einzugehen (vgl. zuletzt etwa VwGH 13.9.2017, Ra 2015/13/0019, m.w.N.).

14 Im vorliegenden Fall waren Rechtsverhältnisse eines zunächst von einer Körperschaft öffentlichen Rechts gemischt und nach Ausgliederung im Sinne des Art. 34 Budgetbegleitgesetz 2001 zur Gänze unternehmerisch genutzten Gebäudes zu beurteilen, wobei es nicht um dessen Anschaffung, sondern um Sanierungsarbeiten in den letzten Jahren vor der Ausgliederung ging. Strittig waren Fragen der rechtlichen Zuordnung, nicht solche des tatsächlichen Gebrauchs des Gebäudes.

15 Der Behandlung der aufgeworfenen Fragen ist das Bundesfinanzgericht ausgewichen, indem es - ohne Angabe von Gründen - von einem bis zur Ausgliederung ausschließlich hoheitlich genutzten Gebäude ausging und in seine Erwägungen auch nicht einbezog, dass der von ihm für Zeiten vor der Ausgliederung für unzulässig erklärte anteilige Vorsteuerabzug im Anschluss an die Außenprüfung der Stadtgemeinde gewährt worden war.

16 Die Erwägungen des Bundesfinanzgerichtes stehen daher in keinem ausreichend nachvollziehbaren Zusammenhang mit dem zu entscheidenden Fall, weshalb das angefochtene Erkenntnis im Umfang der Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

17 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 21. Februar 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016130052.L00

Im RIS seit

23.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

14.05.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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