Entscheidungsdatum
10.01.2018Norm
GewO 1994 §81 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Marzi als Einzelrichter über die Beschwerde des DB, vertreten durch Dr. Alfred Steinbuch, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 30. Oktober 2017, Zl. WBS2-V-17 6983/2, betreffend Übertretung der GewO 1994, zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) eingestellt.
2. Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Aus dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt und der Beschwerde ergibt sich nachstehender, entscheidungswesentlicher Sachverhalt:
1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt (Anonymisierungen in eckiger Klammer durch das Landesverwaltungsgericht):
„Sie haben es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der [X] GmbH mit Sitz in [Y], zu verantworten, dass die genannte Firma zumindest bis zum 07.12.2016 am Standort [Y] die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt […] gewerbebehördliche genehmigte Änderung der Betriebsanlage (Einbau eines Wellnessbereichs samt Schwimmbecken in das Dachgeschoß) nicht projektsgemäß ausgeführt und wesentliche Abänderungen zum Bescheid durchgeführt hat.
Die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage bedarf einer Genehmigung, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs.2 leg.cit umschriebenen Interessen erforderlich ist. Es wurde keine Betriebsanlagengenehmigung für die Änderung der Betriebsanlage erwirkt, obwohl eine Änderungsgenehmigung gemäß § 81 Abs.1 iVm § 74 Abs.2 Z.1 Gewerbeordnung 1994 insbesondere darin besteht, dass durch die nicht konsensgemäße Änderung eine Gefährdung des Lebens oder Gesundheit des Gewerbetreibenden, der Familienangehörigen, Nachbarn oder Kunden nicht ausgeschlossen werden kann.
Dies wurde durch die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt anlässlich einer gewerbebehördlichen Überprüfung am 07.12.2016 festgestellt.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 81 Abs.1, § 74 Abs.2 Z.1 iVm § 366 Abs.1 Z.3 Gewerbeordnung 1994“
Die belangte Behörde sah von der Verhängung einer Geldstrafe ab und sprach eine Ermahnung aus.
In der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses findet sich – wie in der Strafverfügung vom 20. Juli 2017 und der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 22. August 2017 nicht – keine nähere Konkretisierung dahingehend, worin die vorgeworfene „nicht projektsgemäße Ausführung“ bzw. die „wesentlichen Abänderungen zum Bescheid“ nach Ansicht der belangten Behörde gelegen sind.
1.2. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, u.a. mit der Begründung, die Tatumschreibung sei unzureichend (siehe Punkt 7. der Beschwerde).
2. Rechtliche Erwägungen:
2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung kommt es beim Erfordernis einer genauen Tatumschreibung im Sinne des § 44a Z 1 VStG darauf an, den Beschuldigten in die Lage zu versetzen, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und ihn rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Diese Rechtsschutzüberlegungen sind auch bei der Prüfung der Frage anzustellen, ob innerhalb der Verjährungsfrist des § 31 Abs. 1 VStG eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG vorliegt oder nicht. Das bedeutet, dass die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat unverwechselbar konkretisiert sein muss, damit dieser in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf zu reagieren und damit sein Rechtsschutzinteresse zu wahren (vgl. zB VwGH vom 5. September 2013, 2013/09/0065, oder vom 24. Oktober 2016, Ra 2016/02/0189).
Diesen Anforderungen wird keine der im gegenständlichen Verfahren gesetzten Verfolgungshandlungen gerecht, bleibt doch aufgrund der Wendung „nicht projektsgemäß ausgeführt und wesentliche Abänderungen zum Bescheid durchgeführt“ völlig im Dunkeln, was konkret zum Tatvorwurf erhoben wird (Was wurde nicht projektgemäß ausgeführt und worin bestehen die wesentlichen Abänderungen zum Bescheid?). Auch die Wendung, dass „dies […] anlässlich einer gewerbebehördlichen Überprüfung am 07.12.2016 festgestellt“ worden sei, ändert daran nichts, sondern wäre es vielmehr notwendig gewesen, die im Rahmen dieser Überprüfung von den Sachverständigen beschriebenen Abweichungen vom Konsens zum Tatvorwurf zu erheben.
Dabei spielt es keine Rolle, dass dem Beschwerdeführer (möglicherweise) bewusst ist, um welche Handlung es geht, kann doch nicht einmal ein Geständnis eine rechtmäßige Verfolgungshandlung ersetzen (vgl. VwGH vom 15. Dezember 1993, 92/03/0249).
Eine Verbesserung der Tatbeschreibung durch das Landesverwaltungsgericht kommt nicht in Betracht, weil innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist keine rechtmäßige Verfolgungshandlung durch die belangte Behörde gesetzt wurde (vgl. VwGH vom 20. Mai 2015, Ra 2014/09/0033).
Das angefochtene Straferkenntnis ist daher – gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG unter Entfall einer Verhandlung – aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG einzustellen.
2.2. Die Revision ist nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht.
Schlagworte
Gewerberecht; Verwaltungsstrafe; Änderung; Tatumschreibung; Verfolgungshandlung; Verjährungsfrist;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.S.2981.001.2017Zuletzt aktualisiert am
22.03.2018