TE Lvwg Beschluss 2018/1/16 LVwG-S-1612/001-2017

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Veröffentlicht am 16.01.2018
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Entscheidungsdatum

16.01.2018

Norm

ZustG §11
RHStRÜbk Eur Ergänzung Erleichterung Slowakei 1996 ArtXIII Abs4

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch Mag. Marzi als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn JF, vertreten durch JUDr. Svetlana Machová, Rechtsanwältin in ***, ***, SLOWAKEI, gegen die als Straferkenntnis bezeichnete Erledigung der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 25. April 2017, Zl. GFS2-V-16 24369/6, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), den

BESCHLUSS

1.  Die Beschwerde wird mangels Anfechtungsobjekt zurückgewiesen.

2.  Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Begründung:

1.   Aus dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt ergibt sich nachstehender, entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

1.1.  Aufgrund einer an den Beschwerdeführer in der Slowakei, jedoch ausschließlich in deutscher Sprache verfassten Aufforderung zur Rechtfertigung der belangten Behörde vom 3. November 2016 antwortete dieser mit E-Mail vom 14. November 2016 ausschließlich in slowakischer Sprache. (Aus einem –nach Übersetzung des E-Mails angefertigten – Aktenvermerk der belangten Behörde ergibt sich unter anderem, dass der Beschwerdeführer im E-Mail angibt, die deutsche Sprache nicht zu sprechen.)

1.2.  Mit der als Straferkenntnis bezeichneten Erledigung vom 25. April 2017, Zl. GFS2-V-16 24369/6 wurde dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt (Anonymisierung in eckiger Klammer hier und in der Folge durch das Landesverwaltungsgericht):

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Zeit:

19.08.2016, 17:15 Uhr

Ort:

[…]

 

Fahrzeug:

[…], Motorrad

Tatbeschreibung:

Auf der Freilandstraße schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h gefahren.
209 km/h gefahrene Geschwindigkeit nach Abzug von der in Betracht kommenden Messtoleranz.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 20 Abs. 2 StVO 1960, § 99 Abs. 2e StVO 1960

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Gemäß

€ 2.180,00

1.008 Stunden

§ 99 Abs. 2e StVO 1960

Vorgeschriebener Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), das sind 10% der Strafe, mindestens jedoch 10 Euro

                 218,00

                                                           Gesamtbetrag:

                 2.398,00“

Es folgt die Begründung in deutscher Sprache. Im Anschluss an die Rechtsmittelbelehrung findet sich unter der Überschrift „Übersetzung mittels Google Übersetzer“ eine unverständliche „Übersetzung“ in slowakischer Sprache.

1.3.  Nachdem die Annahme dieser mittels „internationalem Rückschein“ versendeten Erledigung in der Slowakei am 4. Mai 2017 verweigert wurde, veranlasste die belangte Behörde die Zustellung der Erledigung im Wege der slowakischen Behörden. Die Erledigung wurde dem Beschwerdeführer in der Folge am 6. Juni 2017 durch die Bezirksprokuratur *** zugestellt.

1.4.  Am 8. Juni 2017 erschien der Beschwerdeführer persönlich bei der belangten Behörde. Aus der im Rahmen dieser Vorsprache angefertigten Niederschrift ergibt sich Folgendes:

„[Der Beschwerdeführer] erscheint heute in Begleitung eines slowakischen Fernsehteams. Dem Team wird der Zugang zu den Amtsräumen verweigert und ein Filmverbot ausgesprochen. Vom Leiter des Fachgebietes Strafen wird mitgeteilt, dass Auskünfte in der Sache aus gesetzlichen Gründen nicht erfolgen darf. Akteneinsicht hat nur der Beschuldigte und sein Rechtsvertreter.

[Dem Beschwerdeführer] wird durch die Dolmetscherin der Sachverhalt vollinhaltlich zur Kenntnis gebracht. [Der Beschwerdeführer]gibt an, dass die von der Behörde übermittelten Übersetzungen so mangelhaft waren, dass er lediglich ca. 40 % nach mehrmaligem Durchlesen verstehen konnte.

[Der Beschwerdeführer] kann sich nicht erklären, wie eine Kopie seines Führerscheins zur Behörde gelangen kann. Ihm wird erklärt, dass die Kopie vom Zulassungsbesitzer des Motorrades […], Herrn [T.], mit der Lenkerauskunft übermittelt wurde. [Der Beschwerdeführer] erklärt, dass er sich zum Vorfallszeitpunkt am 17.8.2016 keineswegs in Österreich aufgehalten hat, auch nicht einige Wochen später, zum Zwecke der Ausfertigung einer Lenkerauskunft. Er hat noch nie ein Motorrad gelenkt. Aus gesundheitliche n Gründen sei er auch nicht dazu in der Lage ein Motorrad zu lenken. Der Vergleich der Führerscheinkopie mit seinem Führerschein ergibt jedoch eine für ihn nicht erklärbare komplette Übereinstimmung. Er hat niemals auf eine Annonce reagiert, da er nie beabsichtigt hat ein Motorrad zu kaufen. Die Interneteinrichtung „Will haben“ ist ihm nicht bekannt. Die Schrift der Lenkererhebung stammt nicht von ihm, was in einem Schriftenvergleich auch festgestellt wird.

Das Straferkenntnis wurde ihm durch die Bezirksprokuratur *** am 6.6.2017 um 10 Uhr ausgefolgt. Da keine brauchbare Übersetzung erfolgte, wird ihm am heutigen Tag von der Dolmetscherin der Bescheidinhalt übersetzt. Der Beginn der Rechtsmittelfrist wird mit heutigem Tag festgesetzt (mündliche Übersetzung durch die Dolmetscherin). Die Beschwerdeeinbringungsfrist beginnt heute und beträgt diese Frist 4 Wochen ab heute.“

1.5.  In weiterer Folge wurde Beschwerde gegen das Straferkenntnis zur Zl. GFS2-V-16 24369/6 erhoben.

2.   Rechtliche Erwägungen:

2.1.  Gemäß § 11 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982 sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.

Aus § 11 Abs. 1 Zustellgesetz ergibt sich eine abgestufte Reihenfolge, die bei der Prüfung, ob eine entsprechende Zustellung in einen anderen Staat möglich und zulässig ist, anzuwenden ist (vgl. VwGH vom 1. März 2016, Ra 2015/11/0097, mit Verweis auf Frauenberger-Pfeiler/Raschauer/Sander/Wessely, Österreichisches Zustellrecht, 2. Auflage, Rz 2 f. zu § 11 ZustellG). Entscheidend sind daher in erster Linie bestehende internationale Vereinbarungen.

Gemäß Art. XIII Abs. 4 zweiter und dritter Satz des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen und die Erleichterung seiner Anwendung (in der Folge: Ergänzungsvertrag), BGBl. Nr. 28/1996, gilt die Zustellung in beiden Vertragsstaaten als nicht bewirkt, wenn das zuzustellende Schriftstück nicht mit einer Übersetzung in die Sprache des ersuchten Staates versehen ist. Bei der Zustellung von Schriftstücken im Postweg an eigene Staatsangehörige kann auf Übersetzungen verzichtet werden.

Gemäß Art. 5 Abs. 3 des Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (in der Folge: EU-RHÜ 2000), BGBl. III Nr. 65/2005, ist, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Zustellungsempfänger der Sprache, in der die Urkunde abgefasst ist, unkundig ist, die Urkunde – oder zumindest deren wesentlicher Inhalt – in die Sprache oder in eine der Sprachen des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Empfänger sich aufhält, zu übersetzen. Ist der Behörde, die die Verfahrensurkunde ausgestellt hat, bekannt, dass der Empfänger nur einer anderen Sprache kundig ist, so ist die Urkunde – oder zumindest deren wesentlicher Inhalt – in diese andere Sprache zu übersetzen.

Während XIII Abs. 4 des Ergänzungsvertrages mit der Slowakei eine Übersetzung des Schriftstückes (bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit der Zustellung) vorschreibt, sieht Art. 5 Abs. 3 EU-RHÜ 2000 das Erfordernis einer Übersetzung von in einem anderen Mitgliedstaat zugestellten Verfahrensurkunden nur für den Fall vor, dass der Zustellungsempfänger der Sprache, in der die Urkunde abgefasst ist, unkundig ist. Dieser allfällige Normenkonflikt ist dahin zu lösen, dass dem Art. 5 Abs. 3 EU-RHÜ 2000 zum einen schon nach der lex-posterior-Regel der Vorrang zukommt. Zum anderen ist zu beachten, dass die genannten Vorschriften, wie sich schon aus dem Titel des Vertrages und aus Art. 1 des Übereinkommens ergibt, dazu dienen sollen, die Anwendung (u.a.) des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959, BGBl. Nr. 41/1969, zu „erleichtern“, sodass Art. 5 Abs. 3 EU-RHÜ 2000 (und nicht Art. XII Abs. 3 iVm Art. XIII Abs. 4 des Ergänzungsvertrages) die „günstigere“ Bestimmung im Sinne des Art. 1 Abs. 2 dieses Übereinkommens darstellt und damit nach der letztgenannten Bestimmung Vorrang hat (vgl. abermals VwGH vom 1. März 2016, Ra 2015/11/0097).

2.2.  Die Behörde hatte aufgrund des in Reaktion auf die Aufforderung zur Rechtfertigung ergangenen E-Mails des Beschwerdeführers ausreichend Anhaltspunkte dafür, dass er der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist.

Wie die belangte Behörde in der Niederschrift vom 8. Juni 2017 selbst festhält, erfolgte jedoch „keine brauchbaren Übersetzung“, weshalb dem Erfordernis der Übersetzung der Erledigung vom 25. April 2017 in die slowakische Sprache nicht entsprochen wurde.

Die im Rahmen seiner Vorsprache bei der belangten Behörde am 8. Juni 2017 erfolgte Übersetzung des Akteninhaltes sowie des Straferkenntnisses konnten die Untauglichkeit der Zustellung der als Straferkenntnis bezeichneten Erledigung nicht heilen. Auch eine mündliche Verkündung des Straferkenntnisses erfolgte im Rahmen der Niederschrift am 8. Juni 2017 nicht.

Die Zustellung der Erledigung vom 25. April 2017 war mangels erforderlicher Übersetzung daher nicht wirksam, weshalb diese nicht als Bescheid zu qualifizieren ist. Die dagegen erhobene Beschwerde ist daher mangels Anfechtungsobjekt als unzulässig zurückzuweisen.

Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass dieser Beschluss nicht in die slowakische Sprache zu übersetzen ist, da sich aus der Beschwerde und der Vollmacht mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, dass der Empfänger des Beschlusses – die rechtsanwaltliche Vertretung des Beschwerdeführers in der Slowakischen Republik – der deutschen Sprache offenkundig mächtig ist.

2.3.  Zur Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der zitierten Rechtsfrage abweicht und im Übrigen nur die nicht über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage zu beantworten war, ob die mittels „Google Translate“ angefertigte Übersetzung hinreichend verständlich war (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei nicht über den Einzelfall hinausreichenden Rechtsfragen zB VwGH vom 19. September 2017, Ra 2017/16/0111).

Schlagworte

Verfahrensrecht; Zustellung; Bescheid; Übersetzung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.S.1612.001.2017

Zuletzt aktualisiert am

22.03.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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