TE Lvwg Erkenntnis 2018/1/16 LVwG-AV-557/001-2017

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Veröffentlicht am 16.01.2018
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Entscheidungsdatum

16.01.2018

Norm

KFG 1967 §20 Abs5
StVO 1960 §26

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Binder als Einzelrichterin über die Beschwerde der G GmbH, vertreten durch Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 04. April 2017, Zl. RU6-AB-607/013-2017, betreffend Erteilung einer Bewilligung zur Anbringung von Warnleuchten mit Blaulicht und eines Tonfolgehornes nach dem Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967), zu Recht:

I.       Der Beschwerde wird gemäß § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass der Spruch zu lauten hat:


„Auf Grund der §§ 20 Abs. 5 lit. e und 22 Abs. 4 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967) wird der G GmbH die örtlich eingeschränkte Bewilligung auf das Gebiet der Bundesländer Niederösterreich und Wien, des politischen Bezirkes *** des Bundeslandes Burgenland, sowie der politischen Bezirke ***, ***, ***, ***, *** und *** des Bundeslandes Oberösterreich zur Anbringung von Warnleuchten mit blauem Licht und eines Tonfolgehornes für das Fahrzeug N1/Lastkraftwagen/Gruppe III VW Transporter (Fahrzeugidentifikationsnummer *** Kennzeichen ***) und deren Verwendung unter nachstehenden Bedingungen und Auflagen erteilt:

1.   Das Fahrzeug darf nur von Personen, die im Besitz der entsprechenden Lenkberechtigung sind und darüber hinaus ein eintägiges Fahrsicherheitstraining für Lenker von Einsatzfahrzeugen in einem Fahrtechnikzentrum erfolgreich absolviert haben, gelenkt werden. Dieses Fahrsicherheitstraining hat zumindest

?        ein Handling-Programm (Fahrmanöver einschließlich Zurückschieben,

Slalomfahrt…),

?        ein Fahrprogramm für innerstädtische Strecken und Freilandstrecken

unter Beobachtung der Blicktechnik und der sicherheitsrelevanten

Fahrerreaktionen (mit Kamerabeobachtung, Videoanalyse und einem

Feedbackgespräch mit dem Instruktor) zu umfassen, wobei unter Stress die für LenkerInnen von Einsatzfahrzeugen typischen Situationen zu simulieren sind.

2.   Signale dürfen nur bei Gefahr in Verzug, zum Beispiel bei Fahrten zum und am Ort der dringenden Hilfeleistung oder zum Ort des sonstigen dringenden Einsatzes, verwendet werden. Bei der Beurteilung, ob das zutrifft, ist ein strenger Maßstab anzulegen.

3.   Das Fahrzeug muss zumindest mit einer Antiblockiervorrichtung gemäß
§ 6 Abs. 7a StVO 1960 und einem System zur Regelung der Fahrdynamik (elektronisches Stabilisierungssystem bzw. –Programm) ausgestattet sein, welches einer instabilen Gierbewegung des Fahrzeuges entgegen wirkt.

4.   Ein Fahrzeuglenker darf nur Einsatzfahrten mit einer erwarteten Dauer von maximal 4 (vier) Stunden oder einer Länge der Fahrtstrecke von höchstens 300 km zurücklegen. Bei größeren Distanzen hat ein Lenkerwechsel zu erfolgen.

5.   Diese Bewilligung und der Nachweis über das absolvierte Fahrsicherheitstraining sind im Original oder als Kopie bei Fahrten mit Blaulicht bzw. Tonfolgehorn mitzuführen und den Organen der Straßenaufsicht sowie der Kraftfahrbehörde auf Verlangen vorzuweisen.

6.   Über die Blaulicht- und Tonfolgehorneinsätze sind unmittelbar nach dem Einsatz Aufzeichnungen zu führen, aus denen folgende Daten ersichtlich sind:

a.   Datum, Beginn und Ende der Einsatzfahrt

b.   Zweck der Einsatzfahrt

c.   Veranlasser der Einsatzfahrt

d.   Route der Einsatzfahrt

e.   LenkerIn des Einsatzfahrzeuges

f.    Fortlaufende Nummer der Einsatzfahrt

7.   Die Aufzeichnungen sind fünf Jahre lang nach erfolgter Einsatzfahrt aufzubewahren und der Kraftfahrbehörde und Gerichten auf Verlangen zur Einsichtnahme auszuhängen.

8.   Alle wesentlichen Änderungen des Fahrzeuges bzw. seines Verwendungszweckes sind der Kraftfahrbehörde unverzüglich anzuzeigen.

 

Für diese Bewilligung hat die Antragstellerin Verwaltungsabgaben gemäß Tarifpost 287 (für Blaulicht) und Tarifpost 288 (für Tonfolgehorn) der Bundesverwaltungs-abgaben-Verordnung 1983 (BVwAbgV), BGBl. Nr. 24/1983 idF BGBl. II Nr. 190/1997, in Höhe von je € 13,--, insgesamt sohin € 26,--, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung an die Kraftfahrbehörde zu entrichten (§ 59 Abs. 2 AVG).“

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985
(VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Der Landeshauptmann von Niederösterreich als Kraftfahrbehörde hat mit Bescheid vom 04. April 2017, ZI. RU6-AB-607/013-2017, den Antrag der G GmbH vom 24. Februar 2017 auf Erteilung der Bewilligung zur Anbringung von Warnleuchten mit blauem Licht und eines Folgetonhornes am N1/Lastkraftwagen/Gruppe III VW Transporter; Fahrzeugidentifikationsnummer ***, pol. Kennzeichen ***, als unbegründet abgewiesen.

In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde insbesondere auf eine Äußerung der Antragstellerin vom 07. März 2017, wonach die Antragstellerin angegeben habe, dass es – gestützt auf die Bewilligung zur Anbringung eines Blaulichtes bzw. Tonfolgehornes zu den Geschäftszahlen RU6-AB-607/009-2013 und
RU6-AB-607/010-2014 – im vorgeschriebenen Beobachtungszeitraum zu keinen Einsätzen gekommen sei und daher auch für die Periode keine Aufzeichnungen vorhanden wären.

Unter Hinweis auf die maßgeblichen Bestimmungen des KFG 1967 sowie auf die höchstgerichtliche Judikatur kam die Kraftfahrbehörde zum Schluss, dass aus den nicht vorlegbaren Aufzeichnungen jedenfalls nicht ausreichende Anhaltspunkte für das Bestehen eines öffentlichen Interesses zu sehen seien, weil, in Folge deren Fehlen, nichts dafür spreche, dass Fahrten mit entsprechender Häufigkeit bei Gefahr im Verzug zu erfolgen gehabt hätten, bei denen die erwähnte Dringlichkeit vorliege, es also gleichsam „um Minuten“ gehe.

Es könne nicht nachvollzogen werden, weshalb bei den Fahrten des in Rede stehenden Vorläufer-Fahrzeuges *** ein hinreichendes öffentliches Interesse an der Verwendung von Blaulicht oder Tonfolgehorn bestanden habe bzw. bei seinem Nachfolger-KFZ (FIN: ***) bestehen solle.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

Die Antragstellerin erhob gegen diese behördliche Entscheidung fristgerecht Beschwerde und beantragte den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass die Bewilligung der beantragten Anbringung von Warnleuchten mit blauem Licht und eines Tonfolgehornes erteilt werde, in eventu der angefochtene Bescheid aufgehoben werden möge und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverwiesen werde.

Begründet wurden diese Anträge wie folgt:

„3.1 Allgemeines

3.1.1 Das Fahrzeug, für welches das Blaulicht beantragt wurde, soll zur Aufrechter-

haltung eines unterbrechungsfreien Störungs-und Gebrechensbehebungs-

dienstes, zur Abwendung von Störfällen und deren Behebung im Einsatzfall,

sowie zur Absicherung von Gefahrenstellen und zur Abwendung einer unmit-

telbar drohenden Gefahr durch Gebrechen eingesetzt werden.

3.1.2 Die Verpflichtung der Bf zur Bereithaltung von Einsatzfahrzeugen mit Blaulicht

und Tonfolgehorn ergibt sich nicht zuletzt aus der ÖVGW-RL G5 für Störungs-

und Gebrechensbehebungsdienst aus dem Jahr 2002, in welchem eine Pflicht

des Netzbetreibers (iSd § 62 GWG) zur Bereithaltung von Einsatzfahrzeugen mit

Blaulicht und Tonfolgehorn normiert ist. Es bedarf daher einer Anbringung von

Blaulicht und Tonfolgehorn schon deshalb, um die Gasleitungen rechtskon-

form betreiben zu können.

3.2.     Zum öffentlichen Interesse an der Verwendung des Blaulichts

3.2.1 Der angefochtene Bescheid wird im Wesentlichen damit begründet, dass das

Bestehen eines öffentlichen Interesses an der Verwendung von Blaulicht und Tonfolgehorn ein eigenständiges Bewilligungskriterium darstelle. Dieses liege im

konkreten Fall nicht vor, da die Ermittlungsergebnisse nicht dafür sprächen,

„dass Fahrten mit entsprechender Häufigkeit bei Gefahr im Verzug zu erfolgen

gehabt hatten, bei denen die erwähnte Dringlichkeit vorliegt, es also gleichsam um Minuten geht“.

3.2.2. Dagegen spricht zunächst, dass das (häufige) Vorliegen von „Gefahr in Ver-

zug“ nach dem Gesetzeswortlaut des § 20 Abs 5 KFG kein Bewilligungskriterium

für die Anbringung von Blaulicht ist. Es handelt sich dabei vielmehr um eine

verwendungsbezogene Vorschrift der StVO, welche das Ziel verfolgt, Gewöh-

nungseffekte durch häufiges Wahrnehmen von Blaulicht hintanzuhalten. In

den Materialien2) ist dementsprechend zu lesen: „Die Verwendung von Blau-

licht und Folgetonhorn soll auf ein Minimum begrenzt bleiben“. Daher spricht

schon die Intention des Gesetzgebers, Blaulichteinsätze auf den Straßen zu re-

duzieren, dagegen, die Bewilligung zur Anbringung eines Blaulichts nur dann

zu erteilen, wenn dieses auch häufig eingesetzt werden würde.

2) AB 1283 BlgNR, XI. GP, 2

3.2.3. Die Beschwerdeführerin verkennt nicht, dass sich der angefochtene Bescheid

auf die Rsp des VwGH zu stützen vermeint, wonach davon auszugehen ist,

dass ein öffentliches Interesse an der Verwendung von Blaulicht und Tonfolge-

horn „nur dann gegeben ist, wenn das Fahrzeug für das die Bewilligung ange-

strebt wird, nicht nur in Ausnahmefällen, sondern mit entsprechender Häufig-

keit zu Fahrten bestimmt ist, bei denen Gefahr in Verzug iSd § 26 Abs 1 StVO

1960 vorliegt, bei denen also (...) anzunehmen ist, dass die durch die Verwen-

dung von Blaulicht oder Tonfolgehorn bewirkte Erleichterung des Vorankom-

mens ausschlaggebend sein wird, um drohende Gefahr für das Leben oder für

die Gesundheit von Menschen abzuwenden“.³)

3) VwGH 21.8.2014, Ro 2014/11/0068

3.2.4. Ob ein öffentliches Interesse an der Verwendung von Blaulicht oder Tonfolge-

horn gegeben ist, ist nach stRsp im Einzelfall zu beurteilen. Der hier vorliegende

Fall unterscheidet sich von den bisher vom VwGH in diesem Sinne entschiedenen Sachverhalten. So lag der eben zitierten Entscheidung etwa der Fall zu-

grunde, dass Krankentransporte im Zusammenhang mit internationalen Kran—

kenlufttransporten ausgeführt wurden, bei denen schwerkranke Personen unter Begleitung eines Notarztes von Flughafen in im Voraus festgelegte Krankenhäuser gebracht wurden. Für den VwGH ergibt sich aus dem Transport von

schwerkranken Personen keine dringend gebotene Verwendung von Blaulicht. Diese Auffassung ist insoweit nachvollziehbar, als die dort verfahrensrelevanten Fahrten im Vorhinein planbar waren und nicht auf ein akutes Gefahrenereignis zurückzuführen waren.

Auch in den diesbezüglichen Folgeentscheidungen ging es um Falle, in denen

vorbestellte Krankentransporte4), Transporte von Blutkonserven zu Landeskliniken5) oder Leichentransporte von Bestattungsunternehmen6) durchgeführt

wurden, in denen es also (auch nach Dafürhalten des VwGH) nicht um Fahrten, die in hohem Maß dringlich sind, ging.

3.2.5. Diese Argumentation passt auf den vorliegenden Fall nicht, weil das beantragte Blaulicht und Tonfolgehorn eben genau für jene (glücklicherweise) seltene Kotastrophenfölle eingesetzt werden soll, in denen es aufgrund eines Unfallereignisses zur Gefahrenabwehr „um Minuten geht".

Sollte es zu einem Störfall an einer Erdgashochdruckleitung kommen, so ist es

zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zwingend erforderlich, dass Mitarbeiter der Bf schnellstmöglich zum Unfallort kommen. Dabei ist die Hintanhaltung von drohender Gefahr von Leib und Leben in hohem

Maße dringend.

4) VwGH 13.7.2016, Ra 2016/11/0078.

5) VwGH 24.2.2017, Ra 2016/11/0157.

6) LVwG NÖ 9.12.2016, LVwG-AV-268/001-2015.

Damit ist der vorliegende Fall vielmehr mit solchen vergleichbar, in denen das

Vorliegen von öffentlichem Interesse an der Verwendung von Blaulicht und

Tonfolgehorn für den VwGH nicht zweifelhaft waren, etwa weil andernfalls die

zeitnahe Versorgung der Bevölkerung bei lebensbedrohlichen Erkrankungen und Verletzungen, dh der Schutz des Lebens von Menschen aufgrund ungünstiger Verkehrs- und anderer Bedingungen zu spät kommen würde. 7)

7) VwGH 26.1.2017, Ro 2016/11/0021; in diesem Fall verwarf der VwGH die Revision
des LH von NÖ gegen ein die Bewilligung erteilendes Erkenntnis des LVwG NÖ.

3.3.Zu den Übrigen Voraussetzungen

3.3.1. Der angefochtene Bescheid begründet die Antragsabweisung einzig mit dem

fehlenden öffentlichen Interesse. Auf die weiteren Bewilligungskriterien wird

nicht weiter eingegangen.

Bei der Beseitigung von Gasgebrechen und Gefahrenabwehr handelt es sich

um als „öffentlicher Hilfsdienst“ iSd § 20 Abs 5 Iit b KFG zu qualifizierende Aufgaben. Der öffentliche Dienst ist nämlich als Hilfsdienst anzusehen, „dessen

hilfsdienstlicher Einsatz von wesentlicher Bedeutung für die Allgemeinheit ist,

wie etwa die Wiederherstellung einer durch Katastrophen gefährdeten oder

unterbrochenen Versorgung der Volkswirtschaft mit für diese lebenswichtigen

Gütern wie elektrischem Strom, Wasser, Lebensmittel, Verkehr usw (ADE II,

Nachtrag 1968).“8) Diese Definition wird durch den beabsichtigten Einsatz des

beantragten Fahrzeugs erfüllt.

3.3.3. Weiters sprechen keine Bedenken der Verkehrs- und Betriebssicherheit gegen

die Erteilung der beantragten Bewilligung. Die Verkehrs- und Betriebssicherheit

ist schon durch die in (§ 26 StVO normierten, sehr restriktiven Verwendungsbeschränkungen gewährleistet. Eine Verweigerung der Anbringung des Blaulichtes vermag dieses Argument im vorliegenden Fall nicht zu begründen.

3.4.     Conclusio

Es wurde aufgezeigt, dass die Voraussetzungen des § 20 Abs 5 (iVm § 22 Abs

4) KFG vorliegen. Sind die Voraussetzungen erfüllt, so ist die angestrebte Bewilligung zu erteilen, dabei handelt es sich um keine Ermessensentscheidung.9)

8) Grundtner, MGA KFGS, 137 20 Anm 24.

9) VwGH 26.1.2017, Ro 2016/11/0021 mwN.

3.4.2 Die belangte Behörde hat die beantragte Bewilligung trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 20 Abs 5 (iVm § 22 Abs 4) KFG nicht erteilt. Dadurch hat

sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.“

3.   Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin betreibt das österreichische Gashochdruckleitungsnetz und hat in diesem Zusammenhang einen störungsfreien Betrieb dieses Leitungsnetzes zu gewährleisten.

Zur Aufrechterhaltung eines unterbrechungsfreien Störungs- und Gebrechenbehebungsdienstes, zur Abwendung von Störfällen und deren Behebung im Einsatzfall, sowie zur Absicherung von Gefahrenstellen und zur Abwendung einer unmittelbar drohenden Gefahr durch Gasgebrechen hielt die Rechtsmittelwerberin ua. das Fahrzeug LKW VW Transporter, FIN ***, mit dem behördlichen Kennzeichen ***, für das Betreuungsgebiet Niederösterreich, Wien, für den politischen Bezirk *** des Burgenlandes sowie für die politischen Bezirke ***, ***, ***, ***, *** und *** des Bundeslandes Oberösterreich bereit.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 08. Juli 2013,
Zl. RU6-AB-607/009-2013, wurde der G GmbH über ihren Antrag vom 04. Juli 2013 die Bewilligung – örtlich eingeschränkt auf das Gebiet der Bundesländer Niederösterreich und Wien – erteilt, eine Warnleuchte mit blauem Licht sowie ein Tonfolgehorn am Fahrzeug Kennzeichen ***, Marke und Type LKW, VW, Fahrzeugidentifikationsnummer ***, anzubringen. Die Bewilligung wurde unter anderem unter folgender Auflage 3. erteilt:

„Über die Blaulicht- und Tonfolgehorneinsätze sind Aufzeichnungen zu führen, aus denen folgende Daten ersichtlich sind:

-    Datum, Beginn und Ende der Einsatzfahrt

-    Zweck der Dienstfahrt

-    Veranlasser der Einsatzfahrt

-    Route der Einsatzfahrt

-    Fortlaufende Nummer der Einsatzfahrt

-    Lenker des Fahrzeuges“

Weiters wurde mit Bescheid der Kraftfahrbehörde vom 18. November 2014,
Zl. RU6-AB-607/010-2014, der räumliche Geltungsbereich des festgestellten Bescheides auf den politischen Bezirk *** des Burgenlandes sowie die politischen Bezirke ***, ***, ***, ***, *** und *** des Bundeslandes Oberösterreich ausgeweitet.

Im Zuge der Erneuerung des Fuhrparkes soll das bisher zu Einsatzfahrten des öffentlichen Hilfsdienstes herangezogene Fahrzeug mit der Fahrzeugidentifikations-nummer FIN ***, welches wie festgestellt bescheidkonform mit Blaulicht und Tonfolgehorn ausgestattet ist, durch das Kraftfahrzeug VW-Transporter, FIN ***, ausgetauscht werden, und wurde hierfür mit Schreiben vom 24. Februar 2017 die Erteilung der Bewilligung zur Anbringung von Warnleuchten mit blauem Licht und eines Tonfolgehornes beantragt. Das nunmehr verfahrensgegenständliche Fahrzeug verfügt über dieselbe Ausrüstung wie der zuvor im Einsatz befindliche Lastkraftwagen.

Bei dem zu den Zl.en RU6-AB-607/009-2013 und RU6-AB-607/010-2014 von der Antragstellerin gehaltenen Vorläufer-Kraftfahrzeug mit der FIN *** ist es seit der Erteilung der Bewilligung im Jahre 2013 zu keiner Einsatzfahrt mit Blaulicht- und Tonfolgehorneinsatz gekommen und konnten deshalb für diesen Zeitraum der Kraftfahrbehörde auf deren Verlangen im antragsgegenständlichen Genehmigungsverfahren keine Aufzeichnungen vorgelegt werden.

4.   Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen beruhen auf dem unbedenklichen Inhalt des Aktes der Verwaltungsbehörde, insbesondere den inne liegenden Bewilligungen, sowie aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und werden von den Parteien auch nicht in Abrede gestellt.

Strittig ist im verfahrensgegenständlichen Fall vielmehr die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen für Fahrzeuge des öffentlichen Hilfsdienstes ein öffentliches Interesse an der Verwendung von Warnleuchten mit blauem Licht und eines Tonfolgehornes besteht.

5.   Rechtslage:

§ 28 VwGVG regelt Folgendes:

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.       der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.       die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst

im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

§ 17 VwGVG sieht vor:

Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Die relevante Bestimmung des § 20 Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG 1967) lautet auszugsweise wie folgt:

(1) Außer den im § 14 Abs. 1 bis 7 und in den §§ 15 und 17 bis 19 angeführten Scheinwerfern, Leuchten und Rückstrahlern dürfen ohne Bewilligung gemäß Abs. 4 an Kraftfahrzeugen und Anhängern nur angebracht werden:

1.

Leuchten für die Beleuchtung des Wageninneren, der dem Betrieb dienenden Kontrollgeräte, der Zeichen für Platzkraftwagen (Taxi-Fahrzeuge), der Fahrpreisanzeiger und von Zeichen für die im Abs. 5 lit. d und e angeführten Fahrzeuge von ärztlichen Bereitschaftsdiensten oder Ärzten;

2.

Freizeichen, Linienzeichen, Zielschilder und dergleichen, Parkleuchten sowie Leuchten oder Rückstrahler, mit denen rotes oder gelbrotes Licht aus- oder rückgestrahlt werden kann und mit denen die Lage einer geöffneten Fahrzeugtüre angezeigt werden kann, und Leuchten und Rückstrahler, deren Anbringen gemäß § 33 Abs. 1 nicht angezeigt werden muß;

3.

Nebelscheinwerfer, Suchscheinwerfer, Rückfahrscheinwerfer, Arbeitsscheinwerfer, Nebelschlußleuchten und Seitenleuchten;

4.

Scheinwerfer und Warnleuchten mit blauem Licht bei

a)

Fahrzeugen, die zur Verwendung im Bereich des öffentlichen Sicherheitsdienstes bestimmt sind,

b)

Fahrzeugen, die im Bereich des militärischen Eigenschutzes, der Militärstreife sowie des Entminungsdienstes zur Verwendung kommen,

c)

Fahrzeugen, die zur Verwendung von Organen der Abgabenbehörden nach Maßgabe der Bestimmungen des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes – AVOG, BGBl. Nr. 18/1975, bestimmt sind,

d)

Feuerwehrfahrzeugen,

e)

Fahrzeugen des Rettungsdienstes im Besitz von Gebietskörperschaften,

f)

Fahrzeugen im Besitz der in § 23 Abs. 1 Z 1 bis 5 des Sanitätergesetzes, BGBl. I Nr. 30/2002 namentlich genannten Einrichtungen, die für dringende Einsätze im Rettungsdienst, bei Großschadensereignissen oder zur Katastrophenhilfe verwendet werden,

g)

Fahrzeugen, die von gemäß § 97 Abs. 2 StVO beeideten Straßenaufsichtsorganen zur Begleitung von Sondertransporten verwendet werden, sofern die Verwendung von Blaulicht im Bescheid gemäß § 39, § 82 Abs. 5, § 101 Abs. 5 oder § 104 Abs. 9 als Auflage zur Transportabsicherung vorgeschrieben wurde, für die Dauer dieser Transportbegleitung;

h)

Fahrzeugen, die von Organen der Strafvollzugsverwaltung verwendet werden,

i)

Fahrzeugen von Eisenbahninfrastrukturunternehmen, die im Notfallmanagement

von den Einsatzleitern oder Gefahrgutmanagern dieser Unternehmen verwendet werden, um im Falle außergewöhnlicher Ereignisse innerhalb kurzer Zeit am Einsatzort zu sein oder

im Streifendienst entlang der Bahnstrecken zur Durchführung von Erstmaßnahmen zur Gefahrenbeseitigung nach Buntmetalldiebstählen eingesetzt werden,

j)

Fahrzeugen der Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes (§ 2 Unfalluntersuchungsgesetz – UUG 2005, BGBl. I Nr. 123/2005) für Fahrten zum Ort eines Vorfalles gemäß § 6 UUG 2005;

5.

bei Fahrzeugen, die ausschließlich im Bereich des Straßendienstes im Sinne des § 27 Abs. 1 der StVO. 1960 bestimmt und zur Verrichtung von Streu- oder Schneeräumarbeiten besonders gebaut oder ausgerüstet sind und deren äußerste Punkte durch Flaggen erkennbar gemacht werden, je ein quer zur Fahrtrichtung wirkender Scheinwerfer, mit dem zur Beleuchtung dieser Flaggen weißes Licht ausgestrahlt werden kann;

6.

Warnleuchten mit gelbrotem Licht;

[…]

(5) Scheinwerfer und Warnleuchten mit blauem Licht dürfen bei nicht unter Abs. 1 Z 4 fallenden Fahrzeugen nur bewilligt werden, wenn ihre Verwendung im öffentlichen Interesse gelegen ist und dagegen vom Standpunkt der Verkehrs- und Betriebssicherheit keine Bedenken bestehen und nur für Fahrzeuge, die zur Verwendung bestimmt sind:

a)

ausschließlich oder vorwiegend für Feuerwehren,

b)

für den öffentlichen Hilfsdienst,

c)

für den Rettungsdienst oder den Bergrettungsdienst,

d)

für den ärztlichen Bereitschaftsdienst von Gebietskörperschaften, Ärztekammern oder Sozialversicherungsträgern,

e)

für die Leistung dringender ärztlicher Hilfe durch Ärzte in verkehrsreichen Gebieten, in denen kein mit einem Arzt besetzter Rettungsdienst und kein ärztlicher Bereitschaftsdienst gemäß lit. d zur Verfügung stehen; vor der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung der Bewilligung ist eine Stellungnahme der Ärztekammer zur Frage der Notwendigkeit der Erteilung dieser Bewilligung einzuholen oder

f)

für die Leistung dringender Hilfsdienste im Zusammenwirken mit Feuerwehren oder öffentlichen Hilfsdiensten bei Verkehrsunfällen, an denen Fahrzeuge zur Beförderung gefährlicher Güter beteiligt sind,

g)

für die Erbringung dringender tierärztlicher Hilfe durch Tierärzte in verkehrsreichen Gebieten, in denen kein mit einem Tierarzt besetzter Rettungsdienst zur Verfügung steht; vor der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung der Bewilligung ist eine Stellungnahme der Tierärztekammer zur Frage der Notwendigkeit der Erteilung dieser Bewilligung einzuholen,

h)

für die Leistung dringender ärztlicher Hilfe durch Fachärzte (in verkehrsreichen Gebieten), sofern sie sich auf Grund krankenanstaltenrechtlicher Organisationsvorschriften in Rufbereitschaft befinden, oder

i)

für freipraktizierende Hebammen, die berechtigt sind, Hausgeburten durchzuführen, zum rascheren Erreichen des Ortes der Hausgeburt,

j)

für die auftragsgemäße dringende Entstörung der Funk- bzw. Kommunikationssysteme sowie Leitzentralen der BOS-Organisationen (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben).

In den Fällen der lit. d und lit. h ergeht die Bewilligung, sofern es sich nicht um Fahrzeuge gemäß lit. c handelt, an die Institution oder Krankenanstalt, die den Bereitschaftsdienst organisiert. Die Bewilligung erstreckt sich auf ein oder mehrere Fahrzeuge dieser Institutionen oder auf die jeweils von der Institution namhaft gemachten Fahrzeuge der Bereitschaftsdienst versehenden Ärzte. Die Warnleuchten mit blauem Licht dürfen jeweils nur an dem Fahrzeug angebracht werden, das tatsächlich für einen bestimmten Bereitschaftsdienst eingesetzt wird und nur auf die Dauer des Bereitschaftsdienstes und nur während der Verwendung dieses Fahrzeuges für Einsatzfahrten.

(6) Bewilligungen nach Abs. 5 sind unter den entsprechenden Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen. Durch Verordnung können die näheren Bestimmungen hinsichtlich der Bewilligungen nach Abs. 5 festgelegt werden. Dabei sind insbesondere die Antragslegitimation, die Erteilungsvoraussetzungen, spezielle Einsatzbedingungen sowie die Führung entsprechender Aufzeichnungen über die Verwendung des Blaulichtes zu regeln.

(6a) Die Bewilligung nach Abs. 5 ist zu widerrufen, wenn die für ihre Erteilung erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind. In diesem Fall sind die Scheinwerfer und Warnleuchten mit blauem Licht von den betroffenen Fahrzeugen zu entfernen. Dies gilt auch, wenn ein unter die Bestimmung des Abs. 1 Z 4 fallendes Fahrzeug nicht mehr von den dort genannten Stellen verwendet wird oder nicht mehr für die dort genannten Verwendungen bestimmt ist.

(7) Die in den Abs. 1 bis 5 angeführten Scheinwerfer, Leuchten und Rückstrahler dürfen nicht blenden; sie dürfen die Wirkung der vorgeschriebenen Scheinwerfer, Leuchten und Rückstrahler nicht beeinträchtigen. Nach vorne darf, außer mit fluoreszierenden Farben bei Feuerwehrfahrzeugen oder Rettungsfahrzeugen, nie rotes Licht, nach hinten, außer bei Rückfahrscheinwerfern, rückstrahlenden Kennzeichentafeln, reflektierenden Warntafeln im Sinne des § 102 Abs. 10a und 10c, Zeichen für Platzkraftwagen (Taxi-Fahrzeuge), retroreflektierenden Markierungen, Konturmarkierungen sowie charakteristischen Markierungen zur Verbesserung der Sichtbarkeit und Erkennbarkeit schwerer und langer Fahrzeuge im Sinne der ECE-Regelung Nr. 104 und reflektierenden Tafeln (Aufklebern) für vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge, nie weißes oder gelbes Licht aus- oder rückgestrahlt werden können; dies gilt jedoch nicht für die Kenntlichmachung von Fahrzeugen des Straßendienstes, von Fahrzeugen, deren größte Länge oder größte Breite die im § 4 Abs. 6 Z 2 und 3 festgesetzten Höchstgrenzen überschreitet, oder von über das Fahrzeug hinausragenden Ladungsteilen oder Geräten mit fluoreszierenden Farben oder rückstrahlendem Material. Leuchten mit Blinklicht sind ausschließlich bei Fahrtrichtungsanzeigern (§ 19) oder als Warnleuchten, Leuchten mit Drehlicht ausschließlich als Warnleuchten zulässig. Leuchten mit Drehlicht sind Leuchten, bei denen die die Richtung der Lichtaussendung bestimmenden Teile rotieren. Blaues Licht darf außer mit den im Abs. 1 Z 4 und Abs. 5 angeführten Scheinwerfern und Warnleuchten nicht aus- oder rückgestrahlt werden. Wenn Bedenken bestehen, ob die Scheinwerfer, Leuchten und Rückstrahler oder ihre Anbringung den Vorschriften entsprechen, hat die Behörde hierüber ein Gutachten eines gemäß § 125 bestellten Sachverständigen einzuholen.

(8) Das Anbringen von über die ganze Hinterseite oder über die ganze Seitenwand verlaufenden waagrechten Streifen aus rot fluoreszierendem oder rot rückstrahlendem Material von mehr als 100 mm Höhe an anderen als Fahrzeugen, die zur Verwendung im Bereich des öffentlichen Sicherheitsdienstes bestimmt sind, ist unzulässig. Weiters ist das Anbringen von Streifen aus rot fluoreszierendem oder rot rückstrahlendem Material an Fahrzeugen in der Art, dass es dadurch zu einer Verwechslung mit Fahrzeugen, die zur Verwendung im Bereich des öffentlichen Sicherheitsdienstes bestimmt sind, kommen kann, unzulässig.

Gemäß § 22 Abs. 4 KFG 1967 dürfen Vorrichtungen zum Abgeben von Warnzeichen mit aufeinanderfolgenden, verschieden hohen Tönen, außer in den in den Abs. 5 und 6 angeführten Fällen, nur mit Bewilligung des Landeshauptmannes angebracht werden. Die Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn diese Vorrichtungen sonst den Bestimmungen des Abs. 1 dritter und vierter Satz entsprechen. Für die Erteilung der Bewilligung gilt § 20 Abs. 5 sinngemäß.

Laut § 2 Abs. 1 Z 25 StVO 1960 gilt als Einsatzfahrzeug:

ein Fahrzeug, das auf Grund kraftfahrrechtlicher Vorschriften als Warnzeichen (§ 22) blaues Licht und Schallzeichen mit Aufeinanderfolge verschieden hoher Töne führt, für die Dauer der Verwendung eines dieser Signale.

§ 26 StVO 1960 sieht für Einsatzfahrzeuge als bevorzugte Straßenbenützer Folgendes vor:

(1) Die Lenker von Fahrzeugen, die nach den kraftfahrrechtlichen Vorschriften mit Leuchten mit blauem Licht oder blauem Drehlicht und mit Vorrichtungen zum Abgeben von Warnzeichen mit aufeinanderfolgenden verschieden hohen Tönen ausgestattet sind, dürfen diese Signale nur bei Gefahr im Verzuge, zum Beispiel bei Fahrten zum und vom Ort der dringenden Hilfeleistung oder zum Ort des sonstigen dringenden Einsatzes verwenden. Außerdem dürfen die angeführten Signale soweit als notwendig nur noch zur Abwicklung eines protokollarisch festgelegten Programms für Staatsbesuche oder sonstige Staatsakte sowie in Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen verwendet werden. Die Leuchten mit blauem Licht oder blauem Drehlicht dürfen aus Gründen der Verkehrssicherheit auch am Ort der Hilfeleistung oder des sonstigen Einsatzes oder bei einer behördlich vorgeschriebenen Transportbegleitung verwendet werden.

(2) Außer in den in Abs. 3 angeführten Fällen ist der Lenker eines Einsatzfahrzeuges bei seiner Fahrt an Verkehrsverbote oder an Verkehrsbeschränkungen nicht gebunden. Er darf jedoch hiebei nicht Personen gefährden oder Sachen beschädigen.

(3) Organe der Straßenaufsicht, die auf einer Kreuzung den Verkehr durch Arm- oder Lichtzeichen regeln, haben Einsatzfahrzeugen „Freie Fahrt“ zu geben. Die Lenker von Einsatzfahrzeugen dürfen auch bei rotem Licht in eine Kreuzung einfahren, wenn sie vorher angehalten und sich überzeugt haben, daß sie hiebei nicht Menschen gefährden oder Sachen beschädigen. Einbahnstraßen und Richtungsfahrbahnen dürfen sie in der Gegenrichtung nur befahren, wenn der Einsatzort anders nicht oder nicht in der gebotenen Zeit erreichbar ist oder wenn Ausnahmen für andere Kraftfahrzeuge oder Fuhrwerke bestehen.

(4) Beim Zusammentreffen von Einsatzfahrzeugen haben der Reihe nach den Vorrang:

1.

Rettungsfahrzeuge,

2.

Fahrzeuge der Feuerwehr,

3.

Fahrzeuge des Sicherheitsdienstes,

4.

Sonstige Einsatzfahrzeuge.

(5) Alle Straßenbenützer haben einem herannahenden Einsatzfahrzeug Platz zu machen. Kein Lenker eines anderen Fahrzeuges darf unmittelbar hinter einem Einsatzfahrzeug nachfahren oder, außer um ihm Platz zu machen, vor ihm in eine Kreuzung einfahren.

Da das verfahrensgegenständliche Fahrzeug der Beschwerdeführerin nicht zu den in § 20 Abs. 1 Z 4 KFG 1967 genannten Fahrzeugen zählt, bedarf es für die Anbringung einer Blaulichtanlage bzw. eines Tonfolgehornes einer Bewilligung des Landeshauptmannes.

Zu prüfen ist daher, ob dieses Fahrzeug, für das die Bewilligung beantragt wurde, zur Verwendung der in § 20 Abs. 5 lit. a) bis j) KFG 1967 taxativ aufgezählten Tätigkeiten bestimmt ist und ist die Bewilligung auch nur dann zu erteilen, wenn die Verwendung des Blaulichtes im öffentlichen Interesse gelegen ist und dagegen vom Standpunkt der Verkehrs- und Betriebssicherheit keine Bedenken bestehen.

Sind die drei Voraussetzungen des § 20 Abs. 5 KFG 1967 (öffentliches Interesse an der Verwendung von Blaulicht, Fehlen von Bedenken vom Standpunkt der Verkehrs- und Betriebssicherheit, Verwendung des Fahrzeuges für die öffentlichen Hilfsdienste) erfüllt, so ist die angestrebte Bewilligung zu erteilen. Das KFG 1967 bietet, auch im Zusammenhang mit den Gesetzesmaterialien, keinen Hinweis darauf, dass die Erteilung der Bewilligung im Ermessen der Behörde läge (VwGH 27.04.2017,
Ro 2016/11/0021).

Die Bewilligungsvoraussetzungen des § 20 Abs. 5 KFG 1967 sind entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unter dem Gesichtspunkt der Effizienz der Warneinrichtungen und der damit verbundenen Verkehrssicherheit restriktiv auszulegen (vgl. VwGH 21.05.1996, 96/11/0049).

Vorweg ist zum Beschwerdevorbringen, das darauf abzielt, die Bewilligungsfähigkeit des Antrages damit zu begründen, als eine Pflicht der Antragstellerin zur Bereithaltung von Einsatzfahrzeugen mit Blaulicht und Tonfolgehorn gaswirtschaftsrechtlich bestehen würde, hinzuweisen, dass in § 62 Abs. 1 Z 1 GWG lediglich die Verpflichtung determiniert ist, „die Fernleitungsanlagen nach den Regeln der Technik sicher, zuverlässig und leistungsfähig zu betreiben, zu erhalten und bedarfsgerecht auszubauen sowie für die Bereitstellung aller unentbehrlichen Hilfsdienste zu sorgen“. Wenn die Österreichische Vereinigung für das Gas- und Wasserfach in der RL G5 bei Störungen und Gebrechen an Erdgasleitungsanlagen als Qualitätssicherheitsmaßnahme ein Bereithalten von Einsatzfahrzeugen vorsieht, kann daraus nicht per se ein öffentliches Interesse iSd § 20 Abs. 5 KFG 1967 abgeleitet werden, das zu einer Bewilligungsfähigkeit des verfahrensgegenständlichen Antrages führt.

Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung auf folgenden Rechtssatz des Höchstgerichtes gestützt:

„Vor dem Hintergrund der besonderen Regeln für Einsatzfahrzeuge in der StVO 1960 ist davon auszugehen, dass ein öffentliches Interesse an der Verwendung von Blaulicht (und wegen des Verweises in § 22 Abs. 4 auf § 20 Abs. 5 erster Satz lit. c KFG 1967 auch von Tonfolgehorn) nur dann gegeben ist, wenn das Fahrzeug, für das die Bewilligung angestrebt wird, nicht nur in Ausnahmefällen, sondern mit entsprechender Häufigkeit zu Fahrten bestimmt ist, bei denen Gefahr im Verzug iSd. § 26 Abs. 1 StVO 1960 vorliegt, bei denen also anzunehmen ist, dass die durch die Verwendung von Blaulicht oder Tonfolgehorn bewirkte Erleichterung des Vorankommens ausschlaggebend sein wird, um drohende Gefahr für das Leben oder für die Gesundheit von Menschen abzuwenden.“ (VwGH 21.08.2014,
Ro 2014/11/0068).

Daraus hat die Kraftfahrbehörde abgeleitet, dass der in der zuletzt genannten Entscheidung enthaltene Rechtssatz für die Beurteilung eines öffentlichen Interesses an der Verwendung von Warnleuchten mit blauem Licht und eines Tonfolgehornes für Fahrzeuge des öffentlichen Hilfsdienstes übertragbar ist und dass „aus den nicht vorlegbaren Aufzeichnungen […] jedenfalls nicht ausreichende Anhaltspunkte für das Bestehen eines öffentlichen Interesses zu ersehen“ seien.

Richtig ist, dass sich das Höchstgericht in der zitierten Entscheidung mit der Auslegung des Genehmigungskriteriums des öffentlichen Interesses an der Verwendung von Blaulicht beschäftigt hat. Wesentlich ist aber, dass diese Entscheidung zur Differenzierung zwischen Fahrzeugen für den Rettungsdienst (§ 20 Abs. 5 lit. c KFG 1967) und Fahrzeugen zu Krankentransportzwecken ergangen ist und diese Entscheidung nicht unreflektiert auf Fahrzeuge des öffentlichen Hilfsdienstes (§ 20 Abs. 5 lit. b KFG 1967) übertragen werden kann.

Dass der Gesetzgeber des KFG 1967 an einer restriktiven Gestaltung der Berechtigung zum Führen von Blaulicht interessiert ist, ergibt sich aus dem Erkenntnis vom 21. August 2014, Zl. Ro 2014/11/0068, in dem auch betont wird, dass nicht schon kraft des Zweckes, für den ein Fahrzeug bestimmt ist, ein öffentliches Interesse iSd § 20 Abs. 5 KFG 1967 vorauszusetzen wäre, sondern jeweils eine Prüfung im Einzelfall zu erfolgen habe, und zwar selbst bei Fahrzeugen, die nach der Einschätzung des Gesetzgebers häufig für dringende Fahrten bestimmt sind (VwGH 27.04.2017, Ra 2016/11/0181).

Im Lichte dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist bei der Prüfung eines öffentlichen Interesses an der Anbringung von Blaulichtanlagen bei Fahrzeugen von öffentlichen Hilfsdiensten iSd § 20 Abs. 5 KFG 1967 die Notwendigkeit des Fahrzeuges zur Sicherstellung einer effizienten Einsatzbereitschaft des öffentlichen Hilfsdienstes an Hand einer Einzelfallprüfung zu eruieren.

Unbestritten dient das verfahrensgegenständliche Fahrzeug dem hilfsdienstlichen Einsatz für die Allgemeinheit in wesentlicher Bedeutung, als es bei der Behebung von Störungen und Gebrechen in der Erdgashochdruckleitungsversorgung zum Einsatz kommen soll, weshalb dieses als Fahrzeug des öffentlichen Hilfsdienstes
iSd § 20 Abs. 5 lit. b KFG 1967 zu qualifizieren ist.

Ein öffentliches Interesse an der Verwendung von Warnleuchten mit blauem Licht und eines Tonfolgehornes ist bei Fahrzeugen eines öffentlichen Hilfsdienstes iSd
§ 20 Abs. 5 lit. b KFG 1967 in diesem Sinn zu bejahen, wenn im Fall eines nicht planbaren Gefahrenereignisses – wie beispielsweise Störungen an der von der Rechtsmittelwerberin betriebenen Erdgashochdruckleitung - der Einsatz des antragsgegenständlichen Fahrzeuges notwendig ist, um damit verbundene Gefahren für die Allgemeinheit oder für das Leben oder für die Gesundheit von Menschen abzuwenden und die durch die Verwendung von Blaulicht und Tonfolgehorn bewirkte Erleichterung des Vorankommens bei einem solchen Gefahrenereignis ausschlaggebend sein kann, um drohende Gefahren für die Allgemeinheit oder für das Leben oder für die Gesundheit von Menschen hintanzuhalten bzw. eine Versorgung mit lebenswichtigen Gütern sicherzustellen (bei denen es also gleichsam „um Minuten geht“).

Der auflagengemäße bzw. gesetzeskonforme äußerst restriktive Betrieb einer Blaulichtanlage bei Einsatzfahrten von Fahrzeugen eines öffentlichen Hilfsdienstes kann bei Beurteilung der Notwendigkeit eines Fahrzeuges zur Aufrechterhaltung der Leistungsbereitschaft jenes öffentlichen Hilfsdienstes, zu deren Zweck das Kraftfahrzeug bereitgehalten wird, nicht herangezogen werden.

Im zu entscheidenden Fall ist wesentlich, dass das verfahrensgegenständliche Fahrzeug nicht als Reservefahrzeug bestimmt ist (vgl. VwGH 27.04.2017,
Ra 2016/11/0181). Vielmehr wurde die Notwendigkeit beim Vorläufer-Fahrzeug zur Sicherstellung eines leistungsfähigen Störungs- und Gebrechenbehebungsdienstes bei Störfällen an Erdgashochdruckleitungen von der belangten Behörde durch die Erteilung der Bewilligung zur Anbringung von Warnleuchten mit blauem Licht sowie eines Tonfolgehornes an diesem Fahrzeug nicht in Abrede gestellt.

Da das Fahrzeug nach den Ermittlungsergebnissen für Gebrechen und Störungen der von der Rechtsmittelwerberin betriebenen Gasleitungen im beantragten Geltungsraum, und somit für den öffentlichen Hilfsdienst, bestimmt und notwendig ist und Bedenken vom Standpunkt der Verkehrs- und Betriebssicherheit nicht zu Tage getreten sind, ist die Bewilligung unter Vorschreibung der für das Vorläufer-Fahrzeug geltenden Auflagen spruchgemäß zu erteilen. Die spruchgemäßen Auflagen dienen auch dazu, um der Behörde die Kontrolle zu ermöglichen, ob die für die Erteilung wesentlichen Voraussetzungen weiterhin gegeben sind oder allenfalls mit einem Widerruf vorzugehen ist.

6.   Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von den Parteien nicht beantragt. Davon abgesehen würde eine mündliche Erörterung auf diesen Fall bezogen auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lassen und es steht dem Entfall der Verhandlung auch weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch
Art. 47 GRC entgegen.

7.   Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage fehlt, unter welchen Voraussetzungen ein öffentliches Interesse an der Verwendung von Warnleuchten mit blauem Licht und eines Tonfolg

Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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