TE Lvwg Erkenntnis 2018/1/16 LVwG-AV-1559/001-2017

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Veröffentlicht am 16.01.2018
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Entscheidungsdatum

16.01.2018

Norm

ASVG §330a
ASVG §707a Abs2
SHG NÖ 2000 §37

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch MMag. Horrer als Einzelrichter über die Beschwerde der Frau KE gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 17. November 2017,
Zl. NKJ3-H-16309/001, betreffend Kostenersatz einer bewilligten Sozialhilfe nach dem NÖ Sozialhilfegesetz 2000 zu Recht erkannt:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrens-gesetz - VwGVG Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof im Sinne des Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Aus dem von der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen (im Folgenden: belangte Behörde) vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich für das gegenständliche Gerichtsverfahren folgender relevante Sachverhalt:

Frau HE, geb. am ***, wurde am 9. September 2011 in das NÖ Landespflegeheim *** aufgenommen und erhielt sie bis zu ihrem Tod im NÖ Landespflegeheim *** am *** Hilfe bei stationärer Pflege durch teilweise Übernahme der Pflege- und Betreuungskosten durch das Land Niederösterreich.

Mit Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichtes *** vom 22. Juli 2016, Zl. ***, wurde die Verlassenschaft der Frau HE der erblichen Tochter, Frau KE (im Folgenden: Beschwerdeführerin), die mit der Rechtswohltat des Inventars auf Grund des Gesetzes zum gesamten Nachlass die bedingte Erbantrittserklärung abgegeben hatte, zur Gänze eingeantwortet.

Mit Bescheid vom 17. November 2017, Zl. NKJ3-H-16309/001, verpflichtete die belangte Behörde die Beschwerdeführerin gemäß § 37 Abs. 1 Z. 2 und
§ 38 Abs. 4 NÖ Sozialhilfegesetz 2000 (NÖ SHG 2000) sodann, die Kosten der mit Bescheid der belangten Behörde vom 16. Jänner 2012, Zl. NKG2-S-11768/002, bewilligten Sozialhilfe für Hilfe bei stationärer Pflege im Zeitraum vom 9. September 2011 bis zum *** in der Höhe von € 9.580,08 dem Land Niederösterreich zu ersetzen. Dieser Betrag sei bis zum 31. Dezember 2017 an die belangte Behörde zu überweisen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Frau HE im Zeitraum vom 9. September 2011 bis zum *** Sozialhilfe durch Hilfe bei stationärer Pflege erhalten habe. Die in diesem Zeitraum aufgelaufenen nicht verjährten Sozialhilfekosten von insgesamt € 115.213,08 würden sich aus vom Land Niederösterreich übernommenen Pflege- und Betreuungskosten (aus Grundgebühr und Pflegezuschlag und gegebenenfalls Einzelzimmerzuschlag) abzüglich der geleisteten Ersätze aus Pension und Pflegegeld ergeben.

Laut Beschluss des Bezirksgerichtes *** vom 22. Juli 2016,
Zl. ***, sei der Beschwerdeführerin der Nachlass nach Frau HE bedingt eingeantwortet worden.

In ihrer Stellungnahme vom 8. November 2017 zu diesem Sachverhalt habe die Beschwerdeführerin lediglich darauf hingewiesen, dass sich die Rechtslage ab dem 1. Jänner 2018 ändern werde und ihr die verfahrensgegenständlichen Kosten durch Zuwarten auf den Beginn dieser Rechtslage nicht vorgeschrieben werden sollten.

Hiezu sei jedoch festzuhalten, dass gemäß § 707a Abs. 2 ASVG § 330a ASVG erst mit 1. Jänner 2018 in Kraft trete; ab diesem Zeitpunkt dürften Ersatzansprüche nicht mehr geltend gemacht werden. Bis zum 31. Dezember 2017 sei jedoch ein Kostenersatz aus dem Vermögen zu leisten. Um soziale Härte zu verhindern, bestehe die Möglichkeit, um Ratenzahlung anzusuchen.

Der Beschwerdeführerin sei der Nachlass der Hilfeempfängerin im Sinne des
NÖ SHG 2000 eingeantwortet worden, weswegen sie daher bis zu diesem Betrag zum Ersatz der nicht verjährten Sozialhilfekosten verpflichtet sei. Dies unabhängig davon, ob die Hilfeempfängerin selbst gemäß § 38 Abs. 1 und 3 NÖ SHG 2000 zum Ersatz der Sozialhilfekosten verpflichtet gewesen wäre.

In der dagegen erhobenen Beschwerde behauptete die Beschwerdeführerin im Wesentlichen, dass es ungerecht sei, dass die belangte Behörde ihr gegenüber den Kostenersatzbescheid nunmehr erlassen habe, obwohl sie gebeten habe, bis zur Änderung der Rechtslage am 1. Jänner 2018 zuzuwarten. Der erlassene Kostenbescheid entspreche zwar der Rechtslage, doch werde dieser aufgrund des laufenden Verfahrens von dieser neuen Rechtslage betroffen sein.

Das Landesverwaltungsgericht hat zu diesem Sachverhalt rechtlich erwogen:

Zu Spruchpunkt 1.:

Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen; andernfalls zufolge § 31 Abs. 1 VwGVG mit Beschluss.

Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.   der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.   die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z. 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

In seinem Verfahren hat das Verwaltungsgericht – soweit sich nicht aus dem VwGVG anderes ergibt – die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, in Verwaltungsstrafsachen jene des VStG mit Ausnahme des 5. Abschnittes des II. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§§ 17, 38 VwGVG).

Gemäß § 37 Abs. 1 NÖ SHG 2000 haben für die Kosten von Sozialhilfemaßnahmen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, Ersatz zu leisten:

1.   der Hilfeempfänger,

2.   die Erben des Hilfeempfängers,

3.   die unterhaltspflichtigen Angehörigen des Hilfeempfängers,

4.   Personen, denen gegenüber der Hilfeempfänger Rechtsansprüche zur Deckung jenes Bedarfes besitzt, der die Leistung der Sozialhilfe erforderlich gemacht hat, und

5.   Personen, denen der Hilfeempfänger Vermögen geschenkt oder sonst ohne entsprechende Gegenleistung übertragen hat.

Gemäß § 38 Abs. 1 NÖ SHG 2000 ist der Hilfeempfänger zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn

1.   er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt;

2.   nachträglich bekannt wird, dass er zur Zeit der Hilfeleistung hinreichendes Einkommen oder Vermögen hatte;

3.   im Fall des § 15 Abs. 3 und 4 die Verwertung von Vermögen nachträglich möglich und zumutbar wird.

Nach Abs. 4 dieser Gesetzesstelle geht die Verbindlichkeit zum Ersatz der Kosten von Leistungen nach Abs. 1 gleich einer anderen Schuld auf den Nachlass des Empfängers der Hilfe über. Die Erben des Hilfeempfängers haften jedoch für den Ersatz der Kosten der Sozialhilfe nur bis zur Höhe des Wertes des Nachlasses. Sie können gegen Ersatzforderungen nicht einwenden, dass von dem Sozialhilfeempfänger gemäß Abs. 3 der Ersatz nicht verlangt hätte werden dürfen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. VwGH vom 21. Oktober 2014, Zl. Ro 2014/03/0076, sowie VwGH vom 29. Jänner 2015, Zl. Ro 2014/07/0105) hat das Landesverwaltungsgericht seine Entscheidung an der zu seinem Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten, weshalb das erkennende Gericht der Prüfung des gegenständlichen Falles die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner nunmehrigen Entscheidung zugrunde zu legen hat.

Daher sind im gegenständlichen Gerichtsverfahren auch die beiden folgenden ASVG-Bestimmungen zu beachten:

Gemäß § 707a Abs. 2 ASVG (Verfassungsbestimmung) tritt § 330a samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/2017 mit 1. Jänner 2018 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt dürfen Ersatzansprüche nicht mehr geltend gemacht werden, laufende Verfahren sind einzustellen. Insoweit Landesgesetze dem entgegenstehen, treten die betreffenden Bestimmungen zu diesem Zeitpunkt außer Kraft. Nähere Bestimmungen über den Übergang zur neuen Rechtslage können bundesgesetzlich getroffen werden. Die Durchführungsverordnungen zu einem auf Grund dieser Bestimmung ergehenden Bundesgesetz sind vom Bund zu erlassen.

Gemäß § 330a (Verfassungsbestimmung) ist ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/inne/n im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten unzulässig.

Im gegenständlichen Fall steht unbestritten fest, dass Frau HE für den im Sachverhalt dieses Erkenntnisses erwähnten Zeitraum in eine stationäre Pflegeeinrichtung im Sinne der Bestimmung des § 330a ASVG aufgenommen war und in dieser Sozialhilfe durch Hilfe bei stationärer Pflege erhalten hat, wobei das Land Niederösterreich die in diesem Zeitraum aufgelaufenen Sozialhilfekosten in Form von Pflege- und Betreuungskosten teilweise übernommen hat.

Auch steht unbestritten fest, dass der Beschwerdeführerin der Nachlass der Hilfeempfängerin HE im Sinne des NÖ SHG 2000 eingeantwortet worden ist und sie somit im gegenständlichen Fall als Erbin im Sinne der Bestimmung des § 330a ASVG anzusehen ist.

Weiters ist festzuhalten, dass es sich beim gegenständlichen Kostenersatzverfahren nach dem NÖ SHG 2000 um ein laufendes Verfahren im Sinne der Bestimmung des § 707a Abs. 2 ASVG handelt und die beiden vorhin zitierten Bestimmungen des ASVG daher vom erkennenden Gericht in diesem Gerichtsverfahren anzuwenden sind.

Aufgrund dieser beiden zitierten Bestimmungen des ASVG ist seit dem 1. Jänner 2018 ein Zugriff auf das von der Hilfeempfängerin an die Beschwerdeführerin vererbte Vermögen zum verfahrensgegenständlichen Ersatz der Kosten für die bewilligte Hilfe bei stationärer Pflege unzulässig und sind die den beiden zitierten ASVG-Bestimmungen widersprechenden landesrechtlichen Bestimmungen darüber hinaus betreffend dieses Verfahren seit dem 1. Jänner 2018 auch außer Kraft getreten.

Da im gegenständlichen Fall für die verfahrensgegenständliche Vorschreibung des Kostenersatzes seit dem 1. Jänner 2018 somit die Rechtsgrundlage weggefallen ist, war der Beschwerde daher Folge zu geben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da auf Grund der Aktenlage bereits feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid der belangten Behörde aufzuheben war.

Zu Spruchpunkt 2.:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil die durchgeführte rechtliche Beurteilung aufgrund der höchstgerichtlichen Rechtsprechung erfolgte und es im Übrigen bloß die Tatsache zu klären galt, ob die Beschwerdeführerin die ihr vorgeschriebenen Kosten zu ersetzen hat. Die Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, eine solche Rechtsprechung fehlt auch nicht und werden die zu lösenden Rechtsfragen in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch einheitlich beantwortet. Darüber hinaus liegt hinsichtlich der zu lösenden Rechtsfrage ein eindeutiger Gesetzeswortlaut und somit eine eindeutige Rechtslage vor (vgl. hiezu u.a. VwGH vom 29. Juli 2015, Zl. Ra 2015/07/0095).

Schlagworte

Sozialrecht; Sozialhilfe; Kostenersatz; Vermögen; Pflegeregress;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.1559.001.2017

Zuletzt aktualisiert am

20.03.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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