Entscheidungsdatum
17.01.2018Norm
BauO NÖ 2014 §4 Z7Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Präsidenten Dr. Segalla über die Beschwerde der EH und des RH, in ***, ***, gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 16. November 2016, Zl. GA III-200177, betreffend der NÖ Bauordnung, zu Recht:
1. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 35 Abs. 2 Z 2 NÖ Bauordnung 2014 – BO
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Entscheidungsgründe:
1. Zum Verfahrensgang und Verfahrensgegenstand:
1.1. Mit Bescheid des Stadtamtes der Stadtgemeine *** vom 29. Jänner 2001, GZ IV/8-153-9/20004732 wurde den Beschwerdeführern der Auftrag erteilt, die bei der Verhandlung vom 4. Oktober 2000 auf der Liegenschaft ***, *** auf den Grundstücken ***, *** (EZ ***, KG ***) festgestellte Gartenhütte mit den Maßen von ca. 2,30 m x 1,20 m und einer Höhe von ca. 1,90 m mit einem Abstand von ca. 1,90 m von der Grundstücksgrenze der GSt.Nr *** im Grünland mit der Widmungsart Grünland Kleingarten, innerhalb einer Frist von 6 Monaten ab Rechtskraft dieses Bescheides zu entfernen.
Der dagegen erhobenen Berufung gab der Stadtrat der Stadtgemeine *** mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16. November 2016, GZ GA III-200177 keine Folge.
2. Feststellungen
2.1. Grundstückseigentümer der unter 1.1. bezeichneten Liegenschaft ist das ***. Die Beschwerdeführer sind seit dem Jahr 2000 – zuletzt verlängert bis 2020 – Bestandnehmer dieser Liegenschaft.
2.2. Die verfahrensgegenständliche Gartenhütte ist wie im angefochtenen Bescheid beschrieben (wiedergegeben unter 1.1.) ausgestaltet, wurde vermutlich 1985 – aber jedenfalls vor der Bestandnahme durch die nunmehrigen Beschwerdeführer im Jahr 2000 – errichtet und weist keinen baurechtlichen Konsens auf. Dies war den Beschwerdeführern bereits bei Abschluss des Bestandsvertrags bewusst. Im Bestandvertrag ist bestimmt, dass jede Bauführung auf dem Baugrund ohne schriftliche Zustimmung des Bestandgebers verboten ist. Weiters bestimmt der Bestandvertrag, dass errichtete Bauwerke bei Beendigung des Bestandsverhältnisses auf Verlangen des Bestandgebers durch den Bestandnehmer auf eigene Kosten zu entfernen sind, widrigenfalls sie entschädigungslos in das Eigentum des Bestandgebers übergehen.
2.3. Das *** hat zur Bauführung der Gartenhütte niemals eine Zustimmung erteilt. Auch ein unterfertigter Einreichplan liegt diesbezüglich nicht vor.
2.4. Auf demselben Grundstück befindet sich ein hölzernes Wochenendhaus, für das eine Baubewilligung der Stadtgemeinde *** von 1985 existiert. Diese Bewilligung erging an den Vorpächter der nunmehrigen Beschwerdeführer sowie an den bereits damaligen Liegenschaftseigentümer, dem ***. Das Stift hat dieser konsentierten Bauführung 1985 zugestimmt. Die Benützungsbewilligung wurde 1987 erteilt. Für dieses Superädifikat wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes *** vom 21. Juli 2000 zu GZ *** die Hinterlegung des Kaufvertrages vom 15. Juni 2000 (Kauf durch die nunmehrigen Beschwerdeführer) in die Urkundensammlung bewilligt. Dieser Kaufvertrag bezieht sich ausdrücklich nur auf dieses „Hauptgebäude“, jedoch nicht auf die verfahrensgegenständliche Gartenhütte. Eine Urkundenhinterlegung bezüglich der Gartenhütte erfolgte nicht.
3. Beweiswürdigung:
3.1. Die Feststellungen bezüglich des verfahrensgegenständlichen Objekts ergeben sich aus dem unbedenklichen Verwaltungsakt, insb. aus dessen Beschreibung im angefochtenen Bescheid, der die Beschwerdeführer nicht entgegengetreten sind. Der Errichtungszeitpunkt der Gartenhütte folgt ebenso aus dem Beschwerdevorbringen wie die Tatsache, dass den Beschwerdeführern bewusst war, über keinen baurechtlichen Konsens zu verfügen. Im Übrigen wurde das Fehlen eines Konsenses von keiner Verfahrenspartei bestritten und ist dem Verwaltungsakt auch nichts Gegenteiliges zu entnehmen.
3.2. Die Feststellung, wonach das Chorherrenstift der gegenständlichen Bauführung nicht zugestimmt hat, ergibt sich aus dessen unbedenklicher Stellungnahme, zumal nach dem Bestandvertrag eine Errichtung eines Gebäudes der Zustimmung des Grundstückeigentümers bedurft hätte.
3.3. Die Feststellung, wonach betreffend der verfahrensgegenständlichen Gartenhütte keine Urkundenhinterlegung erfolgte und sie auch nicht vom Kaufvertrag betreffend das Wochenhaus erfasst war, ergibt sich aus der Stellungnahme des Bezirksgerichtes *** vom 5. Dezember 2017 und dem in einem vorgelegten Kaufvertrag.
4. Rechtlich folgt:
4.1. § 35 Abs. 2 Z 2 BO lautet:
Die Baubehörde hat den Abbruch eines Bauwerks ungeachtet eines anhängigen Antrages nach § 14 oder einer anhängigen Anzeige nach § 15 anzuordnen, wenn
2. für das Bauwerk keine Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) vorliegt.
Aufgrund der Übergangsbestimmung des § 70 Abs. 1 BO ist auf vorliegendes Verfahren jedenfalls der geltende § 35 BO anzuwenden.
4.2. Gemäß § 4 Z 7 BO ist ein Bauwerk „ein Objekt, dessen fachgerechte Herstellung ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erfordert und das mit dem Boden kraftschlüssig verbunden ist“. Gemäß Z 15 leg. cit. ist ein Gebäude „ein oberirdisches Bauwerk mit einem Dach und wenigstens 2 Wänden, welches von Menschen betreten werden kann und dazu bestimmt ist, Menschen, Tiere oder Sachen zu schützen, wobei alle statisch miteinander verbundenen Bauteile als ein Gebäude gelten.“
Gemäß § 14 Z 1 BO bedarf der Neu- und Zubau von Gebäuden einer Baubewilligung. Dies gilt im Übrigen auch für die Vorgängerbestimmungen des niederösterreichischen Baurechts, insb. § 14 Z 2 NÖ Bauordnung 1996.
4.3. Die verfahrensgegenständliche Gartenhütte stellt ein Bauwerk im Sinne der vorgenannten Bestimmungen dar: In einer Entscheidung vom 27. August 2014, Ra 2015/05/0006, hat der Verwaltungsgerichtshof einen 3,6 m² großen und ca. 2 m hohen Schuppen als Bauwerk angesehen. Die vorliegende Gartenhütte weist Maße von 2,30 m x 1,20 m, also eine Grundfläche von 3,5 m² sowie eine Höhe von ca. 1,9 m auf und unterscheidet sich daher nur geringfügig von dem der zitierten Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt. Bereits aufgrund der Größe und des daraus folgenden Gewichts des verfahrensgegenständlichen Objekts kann kein Zweifel daran bestehen, dass es kraftschlüssig mit dem Boden verbunden ist und seine fachgerechte Herstellung eines wesentlichen Ausmaßes an bautechnischen Kenntnissen erfordert. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt darauf verwiesen, dass das Erfordernis von bautechnischen Kenntnissen auch dann zu bejahen ist, wenn eine Anlage laienhaft gestaltet ist bzw. gestaltet werden soll, nach den Regeln der technischen Wissenschaften aber einer Ausführung unter Verwendung bautechnischer Kenntnisse bedarf, wozu auch Erkenntnisse auf dem Gebiet der Statik gehören, weil sonst in dieser Beziehung der widersinnige Zustand einträte, dass eine nicht ordnungsgemäß ausgeführte Anlage bewilligungsfrei bliebe, während eine ordnungsgemäß ausgeführte Anlage einer Bewilligung unterworfen wäre. Es ist also nicht entscheidend, ob bautechnische Kenntnisse angewendet wurden, sondern es kommt darauf an, ob diese für eine einwandfreie Errichtung notwendig gewesen wären; es kommt bei Beurteilung dieser Tatbestandselemente nicht auf die subjektiven Fachkenntnisse des Bauführers an, sondern darauf, ob die Errichtung der Anlage objektiv das Vorliegen eines wesentlichen Maßes bautechnischer Kenntnisse bzw. fachtechnischer Kenntnisse zur werkgerechten Herstellung eines Gebäudes verlangt (vgl. VwGH vom 30.3.2005, 2003/06/0092 mit weiteren Judikaturnachweisen).
4.4. Als Gartenhütte ist verfahrensgegenständliches Objekt von allen Seiten umschlossen und stellt daher ein Gebäude dar, welches gem. § 14 Z1 BO bewilligungspflichtig ist. Eine Baubewilligung liegt nicht vor. Die Voraussetzungen für die Erlassung eines Abbruchauftrags nach § 35 Abs. 1 Z 2 BO liegen daher grundsätzlich vor.
4.5. Allerdings kann ein solcher Abbruchauftrag nur gegenüber dem Bauwerkseigentümer erlassen werden. Eines der Grundprinzipien des österreichischen Sachenrechtes besteht in dem aus dem römischen Recht stammenden Grundsatz "superficies solo cedit" (das Gebäude fällt dem Grundeigentümer zu). Demnach ist ein auf einer Liegenschaft errichtetes Gebäude grundsätzlich unselbständiger und daher sonderrechtsunfähiger Bestandteil der Liegenschaft. Dieser Grundsatz kommt in den §§ 294 und 297 ABGB klar zum Ausdruck. Gebäude sind danach schon unselbständige Bestandteile, wenn sie mit dem Grundstück fest verbunden sind und sie der Erbauer dort belassen will. Vom Fall des Superädifikats abgesehen, kann daher das Eigentum am Grundstück und an einem darauf errichteten Gebäude nicht verschiedenen Personen zustehen. Die Vorschrift des § 418 ABGB ist Ausfluss dieser Konzeption des Bestandteils-rechtes im Bereich der Bauführung auf fremdem Grund. Der Eigentümerkonflikt wird so gelöst, dass das Eigentum am Grund grundsätzlich mit dem am Gebäude zusammenfällt. Ausnahmen zu diesem Grundsatz finden sich jedoch in der Rechtsordnung: Wer auf fremden Grund mit Zustimmung des Grundeigentümers ein Gebäude (hier Schrebergartenhaus) erbaut, erwirbt daran auch ohne Hinterlegung einer Urkunde das Eigentum. Zur Übertragung des Eigentums an dem Hause ist dagegen die Urkundenhinterlegung erforderlich (vgl. OGH vom 4. Jänner 1934, 1 Ob 907/34).
Wenn jedoch jemand mit eigenen Materialien ohne Wissen und Willen des Eigentümers auf fremdem Grunde gebaut hat, gilt die allgemeine Regel des § 418 erster Satz ABGB superficies solo cedit (vgl. VwGH vom 25. April 2013, Zl. 2010/15/0139).
4.6. Im vorliegenden Fall steht aufgrund der Feststellungen fest, dass der Grundeigentümer niemals seine Zustimmung zur Errichtung der verfahrensgegenständlichen Gartenhütte erteilt hat. Eine Errichtung als Superädifikat, bei dem der damalige Bestandnehmer Eigentum am Bauwerk erworben hätte, scheidet damit aus (da Voraussetzung für ein Superädifikat die Zustimmung des Grundstückseigentümers ist; vgl. Klete?ka/Schauer, ABGB-ON 1.03, § 297 Rn 8 mwN). Damit konnte auch mit dem Abschluss des Bestandvertrags im Jahr 2000 zwischen dem Grundeigentümer, dem ***, und den nunmehrigen Beschwerdeführern, kein Eigentum an diesem Bauwerk übergehen, zumal es auch von der Hinterlegung des Kaufvertrags in der Urkundensammlung nicht umfasst war. Damit stellt verfahrensgegenständliche Gartenhütte kein Superädifikat dar und fällt das Eigentum zwischen Grundstück und der Gartenhütte nicht auseinander.
4.7. Ist der vom Grundeigentümer verschiedene Adressat eines baubehördlichen Beseitigungsauftrages nicht Superädifikatseigentümer (und auch nicht Baurechtsinhaber), ist eine Auftragserteilung an ihn rechtswidrig (zur Annahme eines Superädifikates vgl. VwGH vom 27. Februar 2006, Zl. 2005/05/0180, sowie VwGH vom 18. November 2014, Zl. 2012/05/0188).
Eine rechtmäßige Erteilung des Abbruchauftrags an die Beschwerdeführer, welche nicht Eigentümer der verfahrensgegenständlichen Gartenhütte sind, scheidet somit aus und erweist sich der Abbruchauftrag insoweit, als er an die falschen Adressaten gerichtet ist, als rechtswidrig. Der angefochtene Bescheid ist daher aus diesem Grund zu beheben.
4.8. Eine gesonderte Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheids erübrigt sich, gehört dieser doch durch die Erlassung des Berufungsbescheids nicht mehr dem Rechtsbestand an (vgl.zB VwGH vom 21. März 2013, Zl. 2011/06/0118) und tritt daher durch die Aufhebung des Berufungsbescheids auch nicht wieder in Kraft.
5. Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde von keiner Verfahrenspartei beantragt. Der dieser Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt, insbesondere betreffend die Beschaffenheit der verfahrensgegenständlichen Gartenhütte war nicht strittig und waren in erster Linie Rechtsfragen zu lösen, so dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen konnte.
6. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Schlagworte
Baurecht; Baubewilligung; Entfernung; Bauwerk; Superädifikat;Anmerkung
VwGH 09.03.2020, Ra 2018/05/0045-5, ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.321.001.2017Zuletzt aktualisiert am
26.03.2020