TE Bvwg Beschluss 2018/3/8 L512 2101522-3

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Veröffentlicht am 08.03.2018
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Entscheidungsdatum

08.03.2018

Norm

AVG §68 Abs1
BFA-VG §3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

L512 2101522-3/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Pakistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Wien, Außenstelle Wien, vom 29.01.2018, Zl. 830886306-14941077, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben

und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Pakistan (in weiterer Folge "Pakistan" genannt), stellte erstmalig am 13.10.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde er am 14.10.2011 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes des LPK für Wien, Abteilung für fremdenpolizeiliche Maßnahmen und Anhaltevollzug, erstbefragt.

Im Rahmen der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer zu seiner Person und seinen Lebensverhältnissen an, der Volksgruppe der Pathan anzugehören, ledig zu sein und in XXXX , Khyber Pakhtunwa, gewohnt zu haben. Der BF habe neun Jahre lang die Schule besucht und habe zuletzt als Verkäufer in einer Apotheke gearbeitet. Er habe Pakistan im September 2011 verlassen und sei zunächst nach Griechenland gereist, von wo aus er am 13.10.2011 nach Österreich gekommen sei. Der Vater des BF sei 2009 getötet worden. Seine Mutter, eine Schwester sowie ein Bruder seien nach wie vor in Pakistan aufhältig.

Zu seinem Ausreisegrund brachte der BF bei der Erstbefragung vor, dass es in XXXX sehr viele Terroristen gebe und es sich dabei um Taliban handeln würde. Die Zustände rund um XXXX und in XXXX seine sehr schlecht. Weiters sei sein Vater ein Polizist stationiert in XXXX gewesen, der im Zuge eines Bombenanschlages im 8. Monat des Jahres 2009 getötet worden sei. Sein Vater sei von den Taliban ermordet worden, da diese gewollt hätten, dass der Vater des BF seine Stelle als Polizist aufgebe.

Bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 18.10.2011 gab der BF ergänzend an, dass er und seine Familie mit dem Vater in den XXXX gezogen seien, weil sein Vater als Polizist dorthin versetzt worden sei. Sie seien dort zwei bis drei Jahre aufhältig gewesen. Im August 2009 habe sich die Lage in XXXX verschlechtert und sei der Vater des BF bei einem Bombenanschlag ums Leben gekommen. Danach hätten sie Briefe von den Taliban erhalten, dass sie sich ihnen anschließen sollten. Nach etwa zwei Monaten sei der BF mit seiner Mutter und seinen beiden Geschwistern wieder zurück nach XXXX gezogen, wo sie ursprünglich gelebt hätten. Auch dort habe die Familie Briefe von den Taliban erhalten und hätten sie damit gedroht, den BF zu entführen. Der BF sei nach XXXX gezogen, wo er sich vier bis fünf Monate aufgehalten habe. Im Anschluss daran sei er wieder nach Hause zurückgekehrt und habe in weiterer Folge in XXXX in einer Fabrik gearbeitet. Weil es kein Leben sei, sich ständig zu verstecken, habe der BF letztlich, auf Anraten seiner Mutter, im September 2011 Pakistan verlassen.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.10.2011, Zl. 11 11.162-BAT, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Das Bundesasylamt erachtete das Vorbringen des BF zu seinen Ausreisegründen für unglaubwürdig. Das Bundesasylamt führte darüber hinaus an, dass dem BF eine Wohnsitzverlegung innerhalb des Heimatlandes zuzumuten und auch möglich wäre, sollte es tatsächlich zu den von ihm behaupteten Bedrohungen durch Privatpersonen gekommen sein, da es sich beim BF um keine besonders exponierte ("high profile") Person handle.

Hinsichtlich Spruchpunkt II. gelangte das Bundesasylamt zusammengefasst zu der Ansicht, der BF laufe im Falle einer Rückkehr nach Pakistan nicht Gefahr, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, da diesbezüglich keine stichhaltigen Anhaltspunkte für eine solche Annahme gegeben seien.

Nach einer unter Spruchpunkt III vorgenommenen Interessensabwägung gelangte das Bundesasylamt zu dem Ergebnis, dass kein Privat- und Familienleben iSd Art 8 EMRK, welches die Ausweisung des BF in dessen Herkunftsstaat unzulässig machen würde, vorliege.

Mit Verfahrensanordnung des Bundesasylamtes vom 19.10.2011 wurde dem BF gemäß § 66 Abs. 1 AsylG amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

Der Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.10.2011, Zl. 11 11.162-BAT, wurde dem BF am 19.10.2011 persönlich zugestellt und erwuchs am 03.11.2011 in Rechtskraft.

I.2. Mit Schreiben, beim Bundesasylamt am 29.11.2011 eingelangt, wurde seitens des BF ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG sowie ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 71 Abs 6 AVG eingebracht.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.01.2012, Az.: 11 12.162-BAT wurde dem Antrag des BF auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs 6 AVG die aufschiebenden Wirkung zuerkannt.

Am 17.02.2012 wurde der BF gemäß der Dublin II VO von Großbritannien nach Österreich rücküberstellt.

Mit Aktenvermerk vom 22.05.2012 wurde das Verfahren in Bezug auf den Antrag des BF auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mangels Mitwirkung des BF eingestellt.

I.3. Am 25.06.2013 wurde der BF gemäß der Dublin II VO von Belgien nach Österreich rücküberstellt. Im Rahmen der Rücküberstellung nach Österreich stellte der BF neuerlich einen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag wurde vom BF dargetan, dass er Österreich nach der negativen Entscheidung verlassen habe und ein Jahr lang in Italien aufhältig gewesen sei, bevor er nach Belgien weitergereist sei. Dort habe er um Asyl angesucht. Des Weiteren würden die Probleme, welche er im Rahmen der ersten Antragstellung vorgetragen habe, noch weiterhin bestehen. Der BF sei in Afghanistan geboren worden und habe in Pakistan gelebt. Er habe keinerlei Papiere, weder von Afghanistan noch von Pakistan, und könne nicht mehr zurückkehren.

Am 02.07.2013 wurde der BF vor dem Bundesasylamt niederschriftlich befragt. Im Wesentlichen wiederholte der BF sein bisheriges Vorbringen und führte weiters aus, dass er sich vor den Taliban auch in XXXX und XXXX versteckt gehalten habe. Erstmalig wurde vom BF dargetan, dass er für seinen Cousin gearbeitet und mit diesem gemeinsam Waren der NATO transportiert habe. 10 Tage vor seiner Ausreise sei er mit seinem Cousin in XXXX unterwegs gewesen. Sie seien von maskierten Männern angehalten worden, wobei der Cousin des BF diese erkannt habe - es habe sich um Leute des Geheimdienstes (ISI) gehandelt - und den BF aufgefordert zu flüchten. Dieser sei in der Folge weggelaufen und seien Schüsse gefallen. Der BF sei mit einem Taxi nach Hause gefahren und habe seinem Onkel alles erzählt. Seit diesem Tag sei der Cousin des BF verschollen und hätten dem BF seine Verwandten gesagt, dass auch er in Gefahr sei, da diese Personen ihn gesehen hätten. Aus Angst vor einer Ausweisung habe der BF diese Umstände im Rahmen der ersten Asylantragstellung nicht erzählt.

In Österreich habe der BF keine Verwandten und werde durch die Grundversorgung versorgt.

Am 06.08.2013 wurde der BF im Rahmen einer gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren einer psychologischen Untersuchung unterzogen. Diesbezüglich konnte ermittelt werden, dass der BF an einer Anpassungsstörung mit Entwurzelungssyndrom und Versagensgefühl leide. Weiters würden auch psychische Störungen und Verhaltensstörungen durch den schädlichen Gebrach von psychotropen Substanzen (Cannabinoide) vorliegen. Eine Behandlung sei während des Asylverfahrens nicht zielführend, weil es sich um reale Sorgen des BF handeln würde. Unter Umständen könne ein mildes Antidepressivum gegeben werden, um den Marihuanakonsum hintanzuhalten. Weiters würden derzeit keine suizidalen Hinweise vorliegen. Affekthandlungen seien bei subjektiv empfundener Aussichtslosigkeit niemals auszuschließen, vor allem bei Menschen aus anderen Kulturkreisen.

Am 20.08.2013 wurde der BF neuerlich niederschriftlich befragt. Im Rahmen dieser Befragung wurden vom BF Unterlagen in Vorlage gebracht, die seine Angaben untermauern sollten. Weiters wurde ihm das Ergebnis der psychologischen Untersuchung zur Kenntnis gebracht.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.08.2013, Zl. 13 08.863-EAST Ost, wurde der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz des BF gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan ausgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt hervorgekommen sei, zumal der BF sich auf seine Gründe anlässlich der ersten Asylantragstellung bezogen habe bzw. Gründe erstmalig ins Treffen geführt habe, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden hätten.

Das Bundesasylamt konnte keine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr nach Pakistan erkennen. Auch habe sich die allgemeine maßgebliche Lage in Pakistan seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung im ersten Asylverfahren nicht geändert.

Der BF verfüge weiters über ausreichende soziale bzw. familiäre Anknüpfungspunkte in Pakistan und es sei ihm zuzumuten, durch eigene Arbeitsleistung für seinen Unterhalt zu sorgen. Darüber hinaus seien keine konkreten Anhaltspunkte hervorgekommen, wonach der Beschwerdeführer nicht in seiner Heimatregion leben könne.

Zu Art 8 EMRK wurde ausgeführt, dass der BF in Österreich keinerlei Verwandte habe und auch sonst keine Merkmale einer besonderen Integration aufweise. In einer Gesamtabwägung würden daher jedenfalls die öffentlichen Interessen an seiner Ausweisung überwiegen.

Der Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.08.2013, Zl. 13 08.863-EAST Ost, wurde dem BF am 24.09.2013 ordnungsgemäß zugestellt.

Mit Schreiben des BF, am 30.09.2013 beim Bundesasylamt eingelangt, wurde gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben.

Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Sicherheitslage im Nordwesten Pakistans als äußerst prekär darstelle und von einem offenen Konflikt zwischen der pakistanischen Regierung und unterschiedlichen terroristischen Gruppierungen geprägt sei. Die aktuelle Sicherheitslage habe sich seit der letzten Entscheidung maßgeblich verschlechtert und sei davon auszugehen, dass in der Herkunftsregion des BF jedenfalls eine Gefährdung iSd Art. 3 EMRK bestehe. Dieses Vorbringen werde auch durch eine Reihe auszugsweise zitierter Berichte untermauert.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 17.10.2013, Zl. E5 438.228-1/2013-3E wurde die Beschwerde gemäß § 68 Abs 1 AVG und § 10 Abs 1 ASylG als unbegründet abgewiesen.

Beweiswürdigend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sich der Asylgerichtshof den beweiswürdigenden Argumenten der belangten Behörde im Bescheid vom 19.10.2011 unter der Az.: 11 11.162-BAT in Bezug auf das ursprüngliche Vorbringen des BF anschließe und soweit sich der BF auf dieses Vorbringen beziehe, darüber rechtskräftig entschieden wurde und entsprechend der Judikatur des VwGH nicht neuerlich darüber entschieden werden dürfe. Soweit der BF anführte, er habe mit seinem Cousin Waren transportiert und es in diesem Zusammenhang Schwierigkeiten mit dem pakistanischen Geheimdienst gegeben habe, beziehe sich der BF auf Umstände, die bereits im ersten Asylverfahren bestanden haben. Folglich liege in diesem Zusammenhang eine entschiedene Sache vor, auf die nicht weiter einzugehen war, da kein neuer Sachverhalt, welcher eine neue Sachentscheidung als zulässig erscheinen ließe, vorliege.

Ferner wurde zusätzlich erörtert, dass sich hinsichtlich der Entscheidung betreffend subsidiären Schutzes im rechtskräftigen Bescheid des Bundesasylamtes ausgeführt, an dieser Einschätzung nichts geändert hat. Es sind auch sonst keine wesentlichen, in der Person des Beschwerdeführers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt, die eine umfassende Refoulementprüfung notwendig erscheinen lassen würden. Aus den Angaben des BF könne nicht darauf geschlossen werden, dass ihm bei Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ein reales Risiko einer unmenschlichen Behandlung etc. im Sinne des Art. 3 EMRK drohen würde.

Im vorliegenden Fall habe sich zudem das Bundesasylamt nachvollziehbar mit dem Privat- und Familienleben des BF auseinandergesetzt. In einer Gesamtabwägung komme das Bundesasylamt zum Ergebnis, dass keine Umstände im Fall des BF vorliegen würden, die eine Ausweisung unzulässig erscheinen lassen würden. Dieser Einschätzung sei der BF nicht entgegengetreten.

Rechtlich wurde ausgeführt, dass keine unter § 68 AVG konkreten und entscheidungsrelevanten Sachverhaltsänderungen hervorkamen. Eine Ausweisung stelle keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf ein Privat- und Familienleben des BF dar.

Das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 17.10.2013, Zl. E5 438.228-1/2013-3E wurde dem BF am 14.11.2013 persönlich zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.

I.4. Im Rahmen der Rücküberstellung von Großbritannien nach Österreich stellte der BF neuerlich einen (dritten) Antrag auf internationalen Schutz.

Als Begründung für den neuerlichen Antrag brachte der BF vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.09.2014 im Wesentlichen vor, dass er noch immer die gleichen Probleme habe. Die Situation in Pakistan habe sich verschlimmert. Er habe Österreich verlassen, da er eine negativen Asylbescheid erhalten habe. Er sei über Italien, Belgien und Frankreich nach England gereist. Die britischen Behörden hätten den BF nach Österreich überstellt.

Vor einem Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gab der BF am 27.01.2015 an, dass es ihm psychisch und physisch gut gehe und er sich derzeit in keiner ärztlichen Behandlung befinden würde. Er habe keine Beschwerden. Er habe keine neuen Dokumente. Zudem erörterte der BF, er habe keine neuen Fluchtgründe, die alten Gründe seien noch immer aktuell. Bei einer Rückkehr nach Pakistan sei das Leben des BF in Gefahr. In Pakistan gebe es Terroranschläge und keine Arbeit.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.02.2015, Zl. 830886306/14941077, wurde der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz des BF gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Begründend wurde ausgeführt, dass kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt hervorgekommen sei, zumal der BF sich auf seine Gründe anlässlich der ersten Asylantragstellung bezogen habe bzw. Gründe erstmalig ins Treffen geführt habe, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden hätten.

Das Bundesasylamt konnte keinen entscheidungsrelevant geänderten Sachverhalt im Hinblick auf § 8 AsylG erkennen. Auch habe sich die allgemeine maßgebliche Lage in Pakistan seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung im ersten Asylverfahren nicht geändert.

Der BF verfüge weiters über ausreichende soziale bzw. familiäre Anknüpfungspunkte in Pakistan und es sei ihm zuzumuten, durch eigene Arbeitsleistung für seinen Unterhalt zu sorgen. Darüber hinaus seien keine konkreten Anhaltspunkte hervorgekommen, wonach der Beschwerdeführer nicht in seiner Heimatregion leben könne.

Zu Art 8 EMRK wurde ausgeführt, dass der BF in Österreich keine Merkmale einer besonderen Integrationsverfestigung aufweise. In einer Gesamtabwägung würden daher jedenfalls die öffentlichen Interessen an einer Rückkehrentscheidung überwiegen.

Da geprüft und schließlich festgestellt wurde, dass für den BF keine Gefahr im Sinne von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bestehe oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehe, sei die Abschiebung nach § 50 Abs 1 FPG zulässig. Da dem BF keine Flüchtlingseigenschaft zukomme, sei die Abschiebung auch nach § 50 Abs 2 FPG zulässig bzw. auch nach § 50 Abs 3 FPG, da der Abschiebung keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegenstehe.

Eine Frist zur freiwilligen Ausreise bestehe für den Fall einer zurückweisenden Entscheidung nicht.

Der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.02.2015, wurde dem BF am 06.02.2015 zugestellt.

Gegen den angefochtenen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben und der Antrag auf aufschiebende Wirkung gemäß § 17 Abs 1 BFA-VG gestellt. Der BF wiederholte seine bisherigen Angaben zu seinem Fluchtgrund. Zudem brachte der BF vor, dass unbekannte Männer am 05.02.2015 die Familie des BF in Pakistan aufgesucht hätten. Diese unbekannten Männer hätten verschiedenste Fragen über den BF gestellt und die Familie des BF bedroht. Die unbekannten Männer arbeiten möglicherweise für ISI.

Am 25.02.2015 bzw. 26.02.2015 langten ein Unterstützungsschreiben, eine ergänzende Stellungnahme sowie ein Schreiben der Lebensgefährtin des BF ein.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.03.2015, GZ: L512 2101522-1/6E wurde die Beschwerde des BF gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG 1991, BGBl. I Nr. 51/1991 idgF als unbegründet abgewiesen bzw. wurde die Beschwerde gegen den Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und der Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides aufgehoben.

Der BF führte zur Begründung seines Folgeantrages aus, dass sich seine Asylgründe in Bezug auf das Erstverfahren nicht verändert hätten.

Begründend wurde zusammengefasst festgehalten, dass der BF neue glaubhaft hervorgekommene Umstände, deren Berücksichtigung zulässig wären, nicht vorbrachte.

Soweit der BF im Rahmen seines Beschwerdeschreibens erstmals vorbrachte, dass unbekannte Männer - möglicherweise würden diese für ISI arbeiten - am 05.02.2015 die Familie des BF in Pakistan aufgesucht hätten, handle es sich um ein Vorbringen, dass nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vorgebracht wurde. Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages wegen geänderten Sachverhaltes dürfe ausschließlich an Hand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind; in der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. VwGH 04.04.2001, 98/09/0041; 07.05.1997, 95/09/0203; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 105 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur). Auf dieses "neue" Vorbringen sei folglich nicht einzugehen gewesen.

I.5. Am 03.06.2015 stellte der BF neuerlich einen (vierten) Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.06.2016 gab der BF an, er habe neuerlich einen Asylantrag gestellt, da seine alten Gründe aufrecht seien. Außerdem möchte er hinzufügen, dass sein Bruder vom pakistanischen Geheimdienst vor einigen Tagen mitgenommen worden wäre. Seitdem würde jede Spur von ihm fehlen. Der BF habe bei einer Rückkehr Angst von der Regierung getötet zu werden.

Am 29.08.2017 wurde der BF vor einem Organwalter des BFA niederschriftlich einvernommen. Der BF gab zusammengefasst an, sein Bruder sei im Jahr 2015 von der Polizei festgenommen worden. Dieser sei befragt worden, wo sich der BF aufhalte. Sein Bruder habe gesagt, dass sich der BF nicht in Pakistan aufhalte. Am 31.07.2017 sei es zu einem Streit zwischen dem Bruder des BF und jener Person gekommen, die den Bruder des BF angezeigt hätte. Es sei zu einer Schießerei gekommen. Der Bruder des BF habe den Gegner in den rechten Oberschenkel und in die Finger geschossen. Seitdem könne der Bruder des BF nicht mehr zurückkehren. Die Gegner seien abends zum Haus der Familie des BF gekommen und hätten auf das Haus geschossen. Die Polizei sei auch gekommen. Eine gemeinsame Jirga sei abgelehnt worden. Der BF legte eine Anzeige gegen den Bruder des BF in Kopie vor.

Der BF traf zudem Ausführungen zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich.

Mit Bescheid des BFA, RD Wien, Außenstelle Wien vom 15.09.2017, Zl. 830886306-14941077 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 FPG erlassen. Es wurde zudem gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.10.2017, GZ: L512 2101522-2/6E wurde in Erledigung der Beschwerde der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 VwGVG iVm § 21 Abs 2 BFA-VG zur Erlassung eines neunen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

I.6. Am 29.01.2018 wurde der BF vor dem BFA erneut einvernommen.

I.7. Mit Bescheid des BFA, RD Wien, Außenstelle Wien vom 29.01.2018, Zl. 830886306-14941077 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 FPG erlassen. Es wurde zudem gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt II.).

I.8. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

I.9. Hinsichtlich des Verfahrensinhalts im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Der BF stellte erstmals am 13.10.2011 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.10.2011, Zl. 11 11.162-BAT, gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan ausgewiesen. Dieser Bescheid des Bundesasylamtes erwuchs am 03.11.2011 in Rechtskraft.

Danach stellte der BF weitere zwei Anträge auf internationalen Schutz, die ebenfalls negativ entschieden wurde

Am 03.06.2015 stellte der BF erneut gegenständlichen (vierten) Antrag auf internationalen Schutz.

2. Beweiswürdigung:

Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (§ 28 Abs 2 Z 1 VwGVG ) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (§ 28 Abs 2 Z 2 VwGVG).

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Zu A)

II.3.2. Zum gegenständlichen Verfahren - Prüfungsumfang der "Entschiedenen Sache"

II.3.3.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gem. § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH v. 30.09.1994, Zl. 94/08/0183; VwGH v. 30.05.1995, Zl. 93/08/0207; VwGH v. 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; VwGH v. 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235). Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. z.B. VwGH 27.9.2000, 98/12/0057). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Stützt sich ein Asylantrag auf einen Sachverhalt, der verwirklicht worden ist, bevor das Verfahren über einen (früheren) Antrag beendet worden ist, so steht diesem (zweiten) Antrag die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).

Gegenüber neu entstandenen Tatsachen (novae causae supervenientes; vgl. VwGH 20.2.1992, 91/09/0196) fehlt es an der Identität der Sache; neu hervorgekommene Tatsachen (oder Beweismittel) rechtfertigen dagegen allenfalls eine Wiederaufnahme iSd § 69 Abs. 1 Z 2 AVG (wegen nova reperta; zur Abgrenzung vgl. z.B. VwGH 4.5.2000, 99/20/0192; 21.9.2000, 98/20/0564; 24.8.2004, 2003/01/0431; 4.11.2004, 2002/20/0391), bedeuten jedoch keine Änderung des Sachverhaltes i.S.d. § 68 Abs. 1 AVG. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn dasselbe Begehren auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon vor Vorverfahrens bestanden haben (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183 mwN).

Zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen i.S.d. § 18 Abs. 1 AsylG - kann die Behörde jedoch nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls sie festgestellt werden kann - zu einem anderen Ergebnis als das erste Verfahren führen kann (VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391, mwN zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 18 Abs. 1AsylG 2005, nämlich §28 AsylG1997). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gem. §68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; 24.2.2000, 99/20/0173; 19.7.2001, 99/20/0418; 21.11.2002, 2002/20/0315; vgl. auch VwGH 19.10.2004, 2001/03/0329; 31.3.2005, 2003/20/0468; 30.6.2005, 2005/18/0197; 26.7.2005, 2005/20/0226). Wird in einem neuen Asylantrag eine Änderung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts nicht einmal behauptet, geschweige denn nachgewiesen, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen und berechtigt die Behörde dazu, ihn zurückzuweisen (VwGH 4.5.2000, 99/20/0192).

Auch wenn das Vorbringen des Folgeantrages in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den Behauptungen steht, die im vorangegangenen Verfahren nicht als glaubwürdig beurteilt worden sind, schließt dies nicht aus, dass es sich um ein asylrelevantes neues Vorbringen handelt, das auf seinen "glaubhaften Kern" zu beurteilen ist. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der neu behaupteten Tatsachen von Bedeutung sein, macht eine neue Beweiswürdigung aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar unzulässig, etwa in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden. "Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedarf es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit" (VwGH 29.9.2005, 2005/20/0365; 22.11.2005, 2005/01/0626; 16.2.2006, 2006/19/0380; vgl. auch VwGH 22.12.2005, 2005/20/0556).

Identität der Sache liegt auch dann vor, wenn sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid bereits abgewiesenen nur dadurch unterscheidet, dass eine bisher von der Partei nicht ins Treffen geführte Rechtsfrage aufgegriffen wird oder die Behörde in dem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (VwGH 2.7.1992, 91/06/0207 mwN).

Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nichts anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtskräftigen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Bei der Prüfung, ob Identität der Sache vorliegt, ist vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne seine sachliche Richtigkeit - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. z.B. VwGH 15.10.1999, 96/21/0097; 25.4.2002, 2000/07/0235).

"Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.5.1995, 93/08/0207).

Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuzie-hen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. - in Bezug auf mehrere Folgeanträge - VwGH 26. 7. 2005, 2005/20/0226, m.w.N.). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. das schon zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. November 2004 m.w.N.). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen.

II.3.3.2. Im gegenständlichen Verfahren war als Vergleichsentscheidung der Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.10.2011, Zl. 11 11.162-BAT heranzuziehen, mit welchem die Beschwerde gemäß §§ 3, 8, Abs 1 Z 1, 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 BGBl I 100/2005 idF BGBl I 67/2012 als unbegründet abgewiesen wurde. Dieses Erkenntnis erwuchs am 03.11.2011 in Rechtskraft. Das Bundesasylamt ging von der Unglaubwürdigkeit des diesbezüglichen Vorbringens aus und führten ferner aus, dass auch kein Sachverhalt im Sinne der Art 2 und 3 EMRK vorliege sowie eine Ausweisung des Beschwerdeführers keine Verletzung des Art 8 EMRK darstelle.

Den verfahrensgegenständlichen vierten Antrag begründete der Beschwerdeführer damit, dass seine alten Fluchtgründe noch immer aufrecht seien. Zudem sei sein Bruder vom pakistanischen Geheimdienst mitgenommen worden. Der Bruder des BF sei weiters von der Polizei festgenommen und befragt worden, wo sich der BF aufhalte. Sein Bruder habe gesagt, dass sich der BF nicht in Pakistan aufhalte. Am 31.07.2017 sei es zu einem Streit zwischen dem Bruder des BF und jener Person gekommen, die den BF angezeigt hätte. Es sei zu einer Schießerei gekommen. Der Bruder des BF habe den Gegner in den rechten Oberschenkel und in die Finger geschossen. Seitdem könne der Bruder des BF nicht mehr zurückkehren. Die Gegner seien abends zum Haus der Familie des BF gekommen und hätten auf das Haus geschossen. Die Polizei sei auch gekommen. Eine gemeinsame Jirga sei abgelehnt worden.

Das BFA stellte zum vierten Antrag auf internationalen Schutz des BF im nunmehr angefochtenen Bescheid fest, dass kein neuer bzw. entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden kann.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind die von einem Asylweber behaupteten Geschehnisse, die sich nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens ereignet haben sollen, daraufhin zu überprüfen, ob sie einen "glaubhaften Kern" aufweisen oder nicht. Dass das neue Vorbringen in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den im Erstverfahren nicht geglaubten Behauptungen stand, ändert an diesem Umstand nichts. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der behaupteten neuen Tatsachen argumentativ von Bedeutung sein, macht eine Beweiswürdigung des neuen Vorbringens aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar - in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden - unzulässig. Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Erkenntnis des Asylgerichtshofs zu Grunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedürfte es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit. Hat das BFA die somit erforderliche Prüfung nicht vorgenommen, konnte dieser mangelhafte Sachverhalt vom Bundesverwaltungsgericht nicht einfach dadurch behoben werden, dass es dem neuen Fluchtvorbringen nun erstmals den "glaubhaften Kern" absprach. Vielmehr wäre der Beschwerde im Sinne des § 21 Abs 3 BFA-VG 2014 stattzugeben gewesen (VwGH 13.11.2014, Ra 2017/18/0025).

Fallbezogen ist eine vergleichbare Konstellation, wie sie der soeben zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.11.2014, Ra 2017/18/0025, zugrunde lag, gegeben.

Das BFA hat sich zwar nunmehr mit dem Vorbringen des BF bezüglich "neuer" Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen im Rahmen einer Glaubwürdigkeitsprüfung auseinandergesetzt und ist offenbar davon ausgegangen, dass dieses neue Vorbringen keinen "glaubhaften Kern" aufweist. In der rechtlichen Beurteilung wurde jedoch diesbezüglich darauf nicht eingegangen.

Als entscheidungsrelevant wird jedoch erneut darauf hingewiesen, dass das BFA den BF zum Inhalt der vorgelegten Anzeige in Kopie nicht befragt hat bzw. wurde diese Anzeige erneut nicht übersetzt und hat die belangte Behörde auch keine Beurteilung über die Anzeige in Kopie im Zuge der Beweiswürdigung getroffen, obwohl das erkennenden Gericht im Beschluss vom 17.10.2017, GZ: L512 2101522-2/6E darauf hingewiesen hat.

Im fortgesetzten Verfahren wird daher vom BFA die Anzeige zu übersetzen sein und der Beschwerdeführer im Rahmen einer neuerlichen Einvernahme zur vorgelegten Anzeige zu befragen sein. Darauf basierend wird das BFA das Vorbringen einer Beweiswürdigung zu unterziehen und festzustellen haben, ob den Vorbringen ein glaubhafter Kern zukomme bzw. ob die vorgelegte Anzeige entscheidungsrelevant ist. Diesbezüglich wird die belangte Behörde sich mit den getroffenen Länderfeststellungen über gefälschte oder verfälschte Dokumente zu beschäftigen haben bzw. sich mit dem Inhalt der Anzeige auseinanderzusetzen haben.

Zudem hat das BFA in ihrer Entscheidung auf die in der Beschwerde behaupteten Mängel im Verfahren, vor allem auf den Antrag auf Beiziehung eines länderkundigen Sachverständigen bzw. eines Vertrauensanwaltes einzugehen haben. Daran ändert auch die vierte Antragstellung des BF nichts.

II.4. Gemäß § 28 Abs 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Der Beschwerde ist daher im Lichte der höchstgerichtlichen Judikatur, VwGH 13.11.2014, Ra 2017/18/0025, im gegenständlich zugelassenem Verfahren stattzugeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG iVm § 21 Abs. 3 BFA-VG ist aufzuheben.

II.5. Eine mündliche Verhandlung konnte aufgrund der Behebung des Bescheides gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben.

Aufgrund der zeitlich unmittelbar erfolgten Entscheidung im gegenständlichen Beschwerdeverfahren war auf den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht weiter einzugehen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In der rechtlichen Beurteilung in Bezug auf das Vorliegen des Prozesshindernisses der entschiedenen Sache verweist das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis auf die umfassende höchstgerichtliche Judikatur des Verwaltungs- und des Verfassungsgerichtshofes.

Schlagworte

Bescheinigungsmittel, Beweiswürdigung, Ermittlungspflicht,
Fluchtgründe, geänderte Verhältnisse, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Zeitpunkt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L512.2101522.3.00

Zuletzt aktualisiert am

20.03.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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