TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/9 W236 2188314-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.03.2018
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Entscheidungsdatum

09.03.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6

Spruch

1) W236 2188308-1/3E

2) W236 2186978-2/4E

3) W236 2187138-2/3E

4) W236 2188318-1/5E

5) W236 2188314-1/3E

6) W236 2188312-1/3E

7) W236 2188310-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Lena BINDER über die Beschwerden von

1) XXXX , geb. XXXX ,

2) XXXX , geb. XXXX ,

3) XXXX (auch XXXX ), geb. XXXX ,

4) XXXX , geb. XXXX ,

5) XXXX , geb. XXXX ,

6) XXXX , geb. XXXX ,

7) XXXX , geb. XXXX ,

alle StA. Russische Föderation, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 17.01.2018, Zlen.

1) 608668500/170972662,

2) 1025196209/14788449,

3) 1016218803/14788422,

4) 1025196307/14788435,

5) 1025196503/14788457,

6) 1025196405/14788465,

7) 1046228401/140209134,

zu Recht:

A)

Den Beschwerden gegen Spruchpunkt

1) IV. und V.,

2) IV. und V.,

3) IV. und V.,

4) IV. und V.,

5) IV.

6) IV.

7) IV.

der Bescheide wird stattgegeben und diese ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012, wird den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Einreise und Antragstellungen:

1.1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Eheleute und die Eltern des Drittbeschwerdeführers. Der Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin sind Eheleute und die Eltern der minderjährigen Fünft- bis Siebtbeschwerdeführer (alle gemeinsam als Beschwerdeführer bezeichnet). Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe.

1.2. Der Erstbeschwerdeführer reiste erstmals im Jahr 2012 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 16.10.2012 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.12.2012, wegen Zuständigkeit Polens zurückgewiesen wurde. Am 20.12.2012 wurde der Erstbeschwerdeführer nach Polen abgeschoben und von dort im Dezember 2013 weiter in die Russische Föderation zurückgeschoben.

Nach Aufenthalten in Weißrussland, Polen und Deutschland, wo der Erstbeschwerdeführer jeweils Asylanträge stellte, reiste der Erstbeschwerdeführer am 06.05.2015 neuerlich in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 05.08.2015 einen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.12.2015 erneut wegen Zuständigkeit Polens zurückgewiesen wurde. Der Erstbeschwerdeführer war bereits zuvor freiwillig in die Russische Föderation ausgereist.

Nach Aufenthalten in Inguschetien, der Ukraine, Weißrussland, Polen und Deutschland, reiste der Erstbeschwerdeführer am 20.08.2017 erneut in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 21.08.2017 den gegenständlichen (dritten) Antrag auf internationalen Schutz.

1.3. Der Drittbeschwerdeführer reiste im April 2014 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 23.04.2014 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.05.2014 wegen Zuständigkeit Polens zurückgewiesen wurde. Der Drittbeschwerdeführer reiste nicht aus dem österreichischen Bundesgebiet aus.

Der Drittbeschwerdeführer stellte am 13.07.2014 den gegenständlichen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz.

1.4. Die Zweit- und Viertbeschwerdeführerinnen reisten gemeinsam mit den minderjährigen Fünft- und Sechstbeschwerdeführern im Juli 2014 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten ebenfalls am 13.07.2014 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Der minderjährige Siebtbeschwerdeführer wurde am 07.08.2014 in Österreich geboren und stellte vertreten durch die Viertbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin am 25.11.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Fluchtvorbringen:

2.1. Der Drittbeschwerdeführer machte hinsichtlich seiner Fluchtgründe im Rahmen seiner Erstbefragungen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 24.04.2014 und am 14.07.2014 sowie seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 29.12.2017 im Wesentlichen geltend, dass er im Jahr 2011 Schwierigkeiten mit dem tschetschenischen Militär bekommen habe, da diese streunende Hunde erschossen hätten, für die er sich eingesetzt habe. Deswegen sei er zusammengeschlagen und ihm gesagt worden, dass man ihn nicht mehr in Ruhe lassen werde. Als er Ende 2013 in Stavropol auf Baustellen gearbeitet habe, habe er einen Anruf einer ihm unbekannten Person bekommen, die ihm mitgeteilt habe, dass er zu Hause gesucht werde. Ihm solle von der Militärbehörde ein Verbrechen angehängt werden, da er sich 2011 für die streunenden Hunde eingesetzt habe. Als er dann nach Hause gekommen sei, sei er vom Militär angehalten und zusammengeschlagen worden. Man habe ihm ein Verbrechen anhängen wollen, nämlich dass er Terroristen unterstützt habe. Ende Jänner 2014 als er auf einer Baustelle gearbeitet habe, habe ihn seine Mutter angerufen und ihm gesagt, dass er nicht mehr nach Hause kommen solle, da ihn Maskierte zu Hause suchen würden. Er sei dann zu seinem Cousin gefahren und bis zur Ausreise am 27.02.2014 dort gewesen. Als er in der Türkei auf der Flucht gewesen sei, habe ihm seine Mutter am Telefon gesagt, dass die Behörden behaupten würden, er sei in den Wald gegangen.

Seine Kinder (minderjährige Fünft- bis Siebtbeschwerdeführer) hätten keine eigenen Fluchtgründe.

2.2. Der Erstbeschwerdeführer machte hinsichtlich seiner Fluchtgründe im Rahmen seiner Erstbefragungen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 22.08.2017 sowie seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 11.01.2018 im Wesentlichen geltend, dass er Tschetschenien wegen seines Sohnes (Drittbeschwerdeführer) verlassen habe. Die Tschetschenen behaupten, sein Sohn sei in Syrien gewesen. Er habe versucht zu erklären, dass sein Sohn in Österreich sei und habe auch seine Telefonnummer hergezeigt. Man habe ihm aber nicht geglaubt und ihm die Zähne ausgeschlagen. Sonst habe er keine eigenen Probleme und stütze sich auf die Probleme seines Sohnes.

2.3. Die Zweitbeschwerdeführerin machte hinsichtlich ihrer Fluchtgründe im Rahmen ihrer Erstbefragungen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 14.07.2014 sowie ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt am 29.12.2017 im Wesentlichen geltend, dass die Behörden sie wegen ihres Sohnes (Drittbeschwerdeführer) nicht in Ruhe gelassen hätten. Ab April/Mai 2014 seien die Behörden sehr oft zu ihr gekommen und hätten sie gefragt, wo ihr Sohn sei. Dabei sei sie nicht bedroht oder geschlagen worden. Ihr Sohn liebe Tiere und habe sich als 16jähriger für freilaufende Hunde eingesetzt, er sei voller Zorn auf die Beamten losgegangen, die auf die Hunde geschossen hätten. Damals sei er deswegen geschlagen worden. Sie habe davon erst in Österreich erfahren. Im Jahr 2014 als ihr Sohn in Istanbul gewesen sei, habe sie diesen angerufen und gewarnt, dass er nicht mehr nach Hause kommen solle. Auf Vorhalt, dass ihre Angaben widersprüchlich zu jenen ihres Sohnes seien, räumte die Zweitbeschwerdeführerin ein, dass sie die Heimat wegen der dort unsicheren Lage und aufgrund der Tatsache verlassen habe, dass ihre Kinder bereits in Österreich lebten.

2.4. Die Viertbeschwerdeführerin machte hinsichtlich ihrer Fluchtgründe im Rahmen ihrer Erstbefragungen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 14.07.2014 sowie ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt am 29.12.2017 im Wesentlichen geltend, dass sie keine eigenen Probleme gehabt habe sondern nach Österreich gekommen sei, da ihr Mann hier sei. Ihr Ehemann sei von den Behörden der Russischen Föderation seit dem Jahr 2010 bewacht worden. Die Behörden hätten wahrscheinlich vermutet, dass ihr Mann in Syrien gewesen sei. Im Jahr 2011 sei ihr Mann geschlagen worden. Auch habe man ihn bedroht, wobei sie nicht wisse, von wem oder weswegen. Er sei in irgendeinem Park von unbekannten Personen geschlagen worden. Über die konkreten Probleme ihres Mannes könne sie nichts berichten. Die Behörden in Tschetschenien hätten gedacht, dass ihr Mann mit den Mujaheddin in Verbindung wäre, deswegen sei er geschlagen worden. Auf Vorhalt des Eingeständnisses ihrer Schwiegermutter räumte die Viertbeschwerdeführerin ebenfalls ein, dass sie Tschetschenien wegen der dort unsicheren Lage verlassen hätten.

Ihre Kinder (minderjährige Fünft- bis Siebtbeschwerdeführer) hätten keine eigenen Fluchtgründe.

3. Bescheide und Beschwerden:

3.1. Mit Bescheiden vom 17.01.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkte I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 leg.cit. in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation ab (Spruchpunkte II.) und erteilte den Beschwerdeführern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkte III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen die Erst- bis Viertbeschwerdeführer ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkte IV. derer Bescheide) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkte IV. bzw. V.).

Begründend hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen fest, dass die von den Beschwerdeführern vorgebrachten Gründe für die Antragstellung keinerlei Asylrelevanz entfalten würden. Die Erst- und Zweitbeschwerdeführer, sowie die Viert- bis Siebtbeschwerdeführer würden sich ausschließlich auf die Fluchtgründe des Drittbeschwerdeführers stützen, die jedoch keine Asylrelevanz entfalten würden. Eine Gefährdung hinsichtlich asylrelevanter Umstände habe nicht erkannt werden können. Die Asylantragstellung des Drittbeschwerdeführers in Polen und seine Weiterreise nach Österreich ließen den Schluss nahe, dass allein wirtschaftliche Gründe zur Ausreise geführt hätten. Da die Beschwerdeführer in der Russischen Föderation über zahlreiche (namentlich genannte) Verwandte verfügen, könne - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen und dem Umstand, dass es sich bei den Beschwerdeführern um teils junge, jedenfalls jedoch gesunde und arbeitsfähige Personen handle und keiner der Beschwerdeführer an einer schweren, lebensbedrohlichen Erkrankung leide - keine Verletzung der Rechte der Beschwerdeführer nach Art. 2 und 3 EMRK im Falle ihrer Rückkehr in die Russische Föderation erkannt werden. Eine der Rückkehr entgegenstehende Integration oder familiäre Anknüpfungspunkte der Beschwerdeführer in Österreich, die einer Ausweisung entgegenstünden, lägen nicht vor, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen sei, wobei die Abschiebung der Beschwerdeführer zulässig sei.

Hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und des auf eine Dauer von drei Jahren befristeten Einreiseverbots der Erst- bis Viertbeschwerdeführer wurde ausgeführt, dass die Aufzählung des § 53 Abs. 2 FPG lediglich demonstrativ sei. Es seien daher weitere Verhaltensweisen, welche die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden, jedenfalls auch geeignet ein Einreiseverbot zu rechtfertigen. Gemäß Art. 11 Abs. 1 lit.a der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) gehen Rückkehrentscheidungen mit einem Einreiseverbot einher, falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt worden sei. Da die Beschwerdeführer "keine Fluchtgründe vorgebracht" haben, sei die aufschiebende Wirkung einer gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG abzuerkennen gewesen und bestehe gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise. Darüber hinaus hätten die Beschwerdeführer nicht dargelegt, über entsprechende Mittel zu verfügen, um ihren Unterhalt zu sichern und sei auch zu bedenken, dass aus der sich aus dem "rechtskräftig negativen Abschluss des Asylverfahrens" ergebenden Mittellosigkeit die Gefahr einer illegalen Mittelbeschaffung resultiere. Es sei daher ein Einreiseverbot zu erlassen gewesen.

3.2. Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht vollinhaltlich das Rechtsmittel der Beschwerde, in welcher neuerlich auf die Fluchtgründe des Drittbeschwerdeführers verwiesen wird. Hinsichtlich der erlassenen Einreiseverbote wird ausgeführt, dass in der rechtlichen Beurteilung nur ganz allgemein der Gesetzestext des § 53 Abs. 2 FPG mit den demonstrativ aufgezählten Übertretungen, die zur Erlassung eines Einreiseverbots führen können, wiedergegeben werde. Eine Subsumtion unter einen dieser Tatbestände fehle völlig. Keiner der Beschwerdeführer habe eine solche Übertretung begangen. In weiterer Folge werde jedoch Art. 1 der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) in den Raum gestellt. Diese Richtlinie sei durch das Fremdenpolizeigesetz in Österreich innerstaatlich umgesetzt worden. In den Bestimmungen des FPG finden sich aber eben keine Anhaltspunkte, die ein Einreiseverbot in der Höhe von drei Jahren rechtfertigen würden. Auch sei nicht dargelegt worden, worauf die Behauptung der belangten Behörde in den Bescheiden fuße, dass von den Erst- bis Viertbeschwerdeführern eine "schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit" ausgehen solle. Die Einreiseverbote seien daher ersatzlos zu beheben.

3.3. Die gegenständlichen Beschwerden langten samt Verwaltungsakten am 07.03.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Eheleute und die Eltern des Drittbeschwerdeführers. Der Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin sind Eheleute und die Eltern der minderjährigen Fünft- bis Siebtbeschwerdeführer. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe.

Die Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer stellten am 13.07.2014 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Der in Österreich geborene minderjährige Siebtbeschwerdeführer stellte am 25.11.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Der Erstbeschwerdeführer stellte am 21.08.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheiden vom 17.01.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diese Anträge auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkte I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation ab (Spruchpunkte II.) und erteilte den Beschwerdeführern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkte III.). Gegen die Erst- bis Viertbeschwerdeführer wurde ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkte IV. derer Bescheide) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidungen die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkte V. bzw. IV.). Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerden.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Beschwerdeführer.

3. Rechtliche Würdigung:

3.1. Zu A)

3.1.1. Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG kann einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,

4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen (§ 18 Abs. 6 BFA-VG).

3.1.2. Der Gesetzgeber novellierte § 18 BFA-VG zuletzt mit BGBl. I Nr. 145/2017 entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die zum Regelungsregime der aufschiebenden Wirkung in Asylrechtssachen gemäß dieser Bestimmung (in der vorangehenden Fassung) erging: In seinem Erkenntnis vom 20.09.2017, Ra 2017/19/0284 mwN, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs. 5 erster Satz BFA-VG der Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter den dort genannten Voraussetzungen zuzuerkennen habe. Ein gesonderter Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei in § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorgesehen. Im Rahmen des § 18 BFA-VG könne sich ein Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen den Ausspruch des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG wenden. § 18 Abs. 5 BFA-VG sei - als lex specialis zu § 13 Abs. 5 VwGVG - nur so zu lesen, dass das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG (bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids des Bundesamts) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden habe. Neben diesem Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren sei ein eigenes Provisorialverfahren betreffend eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG allerdings gesetzlich nicht vorgesehen und es könne dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, er habe im Hinblick auf die Frage der aufschiebenden Wirkung einen doppelgleisigen Rechtsschutz schaffen wollen. Ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG sei somit unzulässig. Eine Entscheidung über den die aufschiebende Wirkung aberkennenden Spruchpunkt des angefochtenen Bescheids habe in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu erfolgen (vgl. auch VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

3.1.3. Für die vorliegenden Beschwerdesachen bedeutet dies Folgendes:

3.1.3.1. Die Beschwerdeführer stellten in ihrer Beschwerde unter anderem den Antrag, diesen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Aus den Ausführungen und dem Aufbau der Beschwerdeschriftsätze geht klar hervor, dass es sich dabei nicht um einen gesonderten Antrag handelt, der nach der dargestellten Rechtsprechungslinie des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen wäre; vielmehr wenden sich die Beschwerdeführer im Rahmen eines eigenen Beschwerdepunkts unter Hinweis auf eine ihnen in der Russischen Föderation drohende Verletzung ihrer Rechte nach Art. 2 und Art. 3 EMRK im Falle ihrer Rückführung dorthin auch gegen die Spruchpunkte IV. (minderjährige Fünft- bis Siebtbeschwerdeführer) bzw. V. (Erst- bis Viertbeschwerdeführer) der angefochtenen Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 17.01.2018 bzw. die darin verfügte Aberkennung der aufschiebenden Wirkung. Das Bundesverwaltungsgericht hat nunmehr in Abspruch über die Beschwerden gegen diese Spruchpunkte darüber zu entscheiden, ob den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist oder nicht.

3.1.3.2. Die belangte Behörde erkannte den Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide die aufschiebende Wirkung mit der Begründung ab, dass die Beschwerdeführer keine Fluchtgründe vorgebracht hätten (§ 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG). Dies erfolgte jedoch aus folgenden Gründen zu Unrecht:

Der Drittbeschwerdeführer machte (wie oben dargestellt) geltend, wegen seines Einsatzes für Straßenhunde in Tschetschenien von den Behörden bereits geschlagen und gesucht worden zu sein. Die Viertbeschwerdeführerin machte für sich und die gemeinsamen Kinder (minderjährige Fünft- bis Siebtbeschwerdeführer) zwar keine eigenen Fluchtgründe geltend, bezog sich bei ihren Fluchtgründen jedoch auf jene ihres Ehemannes, welche aufgrund der Familienangehörigeneigenschaft iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 der Dritt- bis Siebtbeschwerdeführer zu einander auch zu berücksichtigen sind.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin machten zwar in ihren Einvernahmen vor dem Bundesamt am 11.01.2018 bzw. am 29.12.2017 geltend, keine eigenen Probleme in der Heimat gehabt zu haben, sondern wegen ihres Sohnes nach Österreich gekommen zu sein - die Zweitbeschwerdeführerin räumte zudem ein, sie habe Tschetschenien eigentlich wegen der dort bestehenden schlechten Lage verlassen. Sowohl der Erstbeschwerdeführer als auch die Zweitbeschwerdeführerin machten im Zuge ihrer Erstbefragungen am 14.07.2014 bzw. am 22.08.2017 jedoch durchaus Fluchtgründe geltend. So gab der Erstbeschwerdeführer an, dass "die Tschetschenen" behaupten, sein Sohn (der Drittbeschwerdeführer) sei in Syrien gewesen. Obwohl er versucht habe, diese Vorwürfe zu revidieren, habe man ihm nicht geglaubt und ihm die Zähne ausgeschlagen. Die Zweitbeschwerdeführerin führte an, sie sei zwei bis drei Monate vor ihrer Ausreise sehr oft von "den Behörden" besucht und nach ihrem Sohn gefragt worden. Zu diesen Vorbringen wurden jedoch weder der Erstbeschwerdeführer noch die Zweitbeschwerdeführerin in ihren Einvernahme vor der belangten Behörde befragt.

Vor dem Hintergrund der gegebenen Aktenlage und den jeweiligen Vorbringen des Drittbeschwerdeführers, aber auch des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in ihren Erstbefragungen, kann daher jedenfalls nicht von vornherein davon ausgegangen werden, die Beschwerdeführer hätten gar keine Fluchtgründe vorgebracht, weswegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auf der Grundlage des § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG jedenfalls verfehlt ist.

Die Spruchpunkte V. (Erst- bis Viertbeschwerdeführer) bzw. IV. (minderjährige Fünft- bis Siebtbeschwerdeführer) waren daher mangels Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen der herangezogenen gesetzlichen Grundlage ersatzlos zu beheben.

3.1.2. Behebung der Einreiseverbote:

3.1.2.1. Die Erlassung der gegen die Erst- bis Viertbeschwerdeführer auf eine Dauer von drei Jahren befristeten Einreiseverbote wurde von der belangten Behörde im Wesentlichen damit begründet, dass die Aufzählung des § 53 Abs. 2 FPG lediglich demonstrativ sei und daher auch weitere Verhaltensweisen, welche die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden, geeignet seien ein Einreiseverbot zu rechtfertigen. Konkret verwiesen wird auf Art. 11 Abs. 1 lit.a der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) wonach Rückkehrentscheidungen mit einem Einreiseverbot einhergehen, falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde. Da Beschwerden gegen diese Entscheidungen die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG aberkannt worden sei, bestehe gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine First für eine freiwillige Ausreise und sei deswegen ein Einreiseverbot zu erlassen gewesen.

3.1.2.2. Da die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung - wie oben dargelegt - nicht rechtmäßig erfolgte, diese den gegenständlichen Beschwerden mit der vorliegenden Entscheidung vielmehr zuerkannt wird, fällt die von der belangten Behörde den Einreiseverboten zugrundgelegte Rechtsgrundlage weg, weswegen die gegen die Erst- bis Viertbeschwerdeführer erlassenen Einreiseverbote ersatzlos zu beheben waren.

3.2. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte zur Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

In den vorliegenden Fällen ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Regelungsregime der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 BFA-VG wurde durch den Verwaltungsgerichtshof in seiner angeführten Judikatur erläutert; die zuletzt erfolgte Novellierung dieser Bestimmung sieht eine Entsprechung dieser Judikatur im Gesetzeswortlaut vor (vgl. Erläut. 2285/A BlgNR 25. GP, 85).

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Einreiseverbot, Rechtswidrigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W236.2188314.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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