Entscheidungsdatum
09.03.2018Norm
AsylG 2005 §3Spruch
L518 2188319-1/2E
L518 2188316-1/3E
BESCHLUSS
1) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch RA Mag. Reichenvater, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.02.2018, Zl. XXXX , beschlossen:
A.) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
2) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch RA Mag. Reichenvater, gegen das als Bescheid bezeichnete Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.02.2018, Zl. XXXX , beschlossen:
A.) Die Beschwerde wird mangels Vorliegen eines Bescheides als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als "bP1" bis "bP2" bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Armenien und brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 29.09.2017 bei der belangten Behörde Anträge auf internationalen Schutz ein.
Die männliche bP1 und die weibliche bP2 sind Ehegatten.
Die Beschwerde des Sohnes der bP in dessen Asylverfahren wurde bereits wegen Nichtvoliegens eines Bescheides zurückgewiesen.
I.2. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde nicht gewährt (Spruchpunkt VI.). Den Beschwerden wurde gem. § 18 (1) Z (1, 2, 3, 4, 5) BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.).
I.3. Gegen diese den bP zugestellten Erledigungen wurde über den gewillkürten Vertreter fristgerecht Beschwerde erhoben.
I.4. Die Beschwerdevorlagen langten am 08.03.2018 in der Außenstelle in Linz ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die als Bescheid bezeichnete Erledigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.02.2018, Zl. XXXX betreffend die bP 2 trägt keine Unterschrift jenes Organwalters, der die Erledigung genehmigt hat. Die Erledigung enthält an Stelle der Unterschrift auch kein Verfahren zum Nachweis der Identität des Genehmigenden und der Authentizität des Inhalts der Erledigung. Im Verwaltungsakt befindet sich auch keine Durchschrift oder Kopie der an die bP 2 zugestellten Ausfertigung der Erledigung.
Um dem Grundsatz der Wahrung der Familieneinheit gerecht zu werden, war daher auch die Entscheidung der bP 1 zu beheben und ist festzuhalten, dass im gegenständlichen Fall jedenfalls auch grobe Ermittlungsmängel vorliegen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.
3. Rechtliche Beurteilung:
II.3.1 Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gem. § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Die Frage der eigenen Zuständigkeit hat das Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. § 6 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG).
Zu A)
II.3.2. Gemäß § 18 Abs. 3 AVG sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.
Gemäß § 18 Abs. 4 AVG hat jede schriftliche Ausfertigung die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt.
Im Anwendungsbereich des § 18 AVG idF BGBl. I Nr. 5/2008 muss jede Urschrift einer Erledigung einem bestimmten Menschen (Organwalter) zurechenbar bleiben (vgl. VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0043; 15.10.2014, Ra 2014/08/0009, jeweils unter Hinweis auf Hengstschläger/Leeb, AVG I², § 18 Rz 8). Gemäß § 18 Abs. 3 AVG muss jede schriftliche Erledigung durch die Unterschrift - bzw. bei elektronisch erstellten Erledigungen durch ein Verfahren zum Nachweis der Identität - genehmigt und einem bestimmten Organwalter zurechenbar sei. Andernfalls kommt eine Erledigung selbst dann nicht zustande, wenn ihre Ausfertigung allen Anforderungen des § 18 Abs. 4 AVG genügt (vgl. VwGH 14.10.2013, 2013/12/0079).
Unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen hat, muss die Erledigung selbst von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion inne hat oder von einem approbationsbefugten Organwalter genehmigt worden sein (VwGH 28.06.2011, 2010/17/0176, 29.11.2011, 2010/10/0252). Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor (vgl. VwGH 11.11.2014, Ra 2014/08/0018; 31.10.2014, Ra 2014/08/0015; 15.10.2014, Ra 2014/08/0009).
Einer Erledigung fehlt die Bescheidqualität, wenn die Urschrift - bzw. der betreffende "Referatsbogen" - nicht mit der Unterschrift des Genehmigenden versehen ist (VwGH 15.10.2003, 2003/08/0062). Davon kann nur abgesehen werden, wenn die den Parteien zugestellten Ausfertigungen die Originalunterschrift des Genehmigenden tragen und eine nicht unterschriebene Durchschrift im Akt verbleibt (VwGH 16.10.2014, Ra 2014/06/0022 unter Hinweis auf VwGH 20.06.1991, 91/19/0085).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein schriftlicher Bescheid erst mit der Zustellung an eine Partei als erlassen anzusehen; nur ein erlassener Bescheid kann Rechtswirkungen erzeugen (VwGH 20.12.2005, Zl. 2005/04/0063). Ist der Bescheid jedoch nicht rechtswirksam erlassen, so ist entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein dagegen erhobenes Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen (VwGH 02.10.1997, Zl. 97/07/0082). Der Rechtsmittelinstanz ist es in diesen Fällen verwehrt, meritorisch über das Rechtsmittel abzusprechen.
II.3.2. Der als Bescheid bezeichneten Erledigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.02.2018, Zl. XXXX betreffend die bP 2 mangelt es an einer Bescheidqualität, da die Urschrift nicht mit der Unterschrift des Genehmigenden versehen ist, diese auch nicht durch ein Verfahren zum Nachweis der Identität des Organwalters genehmigt wurde und sich im Verwaltungsakt auch keine Durchschrift oder Kopie der an die bP 2 zugestellten Ausfertigung befindet. Es ist auch nicht ersichtlich, ob die der bP 2 nach Auskunft des BFA amtssigniert zugestellte Version dieses Schreibens mit der Version im Akt übereinstimmt, jedenfalls enthält die Version im Akt auch keine Amtssignatur.
Gemäß § 5 ZustG ist die Zustellung von der Behörde zu verfügen, deren Dokument zugestellt werden soll. Die Zustellverfügung hat den Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten. Aus der Zustellverfügung (AS 99) geht nicht hervor, an wen zugestellt werden soll. Es findet sich darin kein Name einer Person sondern lediglich der Vermerk "Bescheid amtssigniert" und dass die Zustellung über die PI erfolgen soll.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang, dass das BFA an die PI ein Schreiben mit dem Betreff "Bescheidzustellung gem. § 23 Abs. 3 AsylG" übermittelte, wobei diese Rechtsvorschrift bereits mit 31.12.2013 außer Kraft getreten ist.
Wird ein Bescheid nicht ordnungsgemäß erlassen, dann wird er als Rechtsnorm nicht existent und ist daher auch nicht anfechtbar (Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum AVG, 2. Teilband, RZ 8 zu § 62, S 781).
Die Beschwerde der bP 2 richtet sich somit gegen einen Nichtbescheid, weshalb diese zurückzuweisen war.
II.3.3.1. Stellt gemäß § 34 Abs. 1 AsylG 2005 idgF ein Familienangehöriger (§ 2 Abs. 1 Z 22) von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 idgF hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3); die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
Gemäß § 34 Abs. 3 AsylG 2005 idgF hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3); die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist; gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist
Die Behörde hat gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 idgF Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen (§ 34 Abs. 4 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I 122/2009).
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 idgF ist im Sinne dieses Bundesgesetzes Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden
Aus der Wendung in § 34 Abs. 4 zweiter Satz AsylG, Familienverfahren seien "unter einem" zu führen, ist abzuleiten, dass diese von derselben Behörde zu führen sind. Demgemäß gehen die Materialien zum AsylG 2005 davon aus, dass es das Ziel der Bestimmungen des § 34 AsylG sei, Familienangehörigen den gleichen Schutz zu gewähren, ohne ihnen ein Verfahren im Einzelfall zu verwehren. Wenn einem Familienmitglied der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werde, solle "dieser allen anderen Familienmitgliedern - im Falle von offenen Verfahren zur gleichen Zeit von der gleichen Behörde - zuerkannt werden" (Erläuterungen zur RV, 952 BlgNR XXII. GP; vgl. zu § 10 Abs. 5 AsylG 1997 - bezogen auf die Frage der Zulassung - auch VwGH 18.10.2005, Zahl 2005/01/0402).
Die Bestimmungen des AsylG 2005 über das Familienverfahren im Inland knüpfen im Wesentlichen an die Vorgängerbestimmungen im AsylG 1997, wie sie durch die AsylG-Novelle 2003, BGBl I 2003/101, geschaffen wurden, an. Zu diesen Bestimmungen im AsylG 1997 hat der VwGH bereits ausgeführt, dass im Familienverfahren gegenüber allen Familienangehörigen dieselbe Art der Erledigung zu treffen ist, um einen gleichförmigen Verfahrensausgang sicherzustellen (vgl dazu VwGH 28. 10. 2009, 2007/01/0532 bis 0535, mwN). Dies trifft auch auf die Rechtslage nach dem AsylG 2005 zu. Die (mit § 10 Abs 5 AsylG 1997 nahezu wortgleiche) Bestimmung des § 34 Abs 4 AsylG 2005, wonach alle Familienangehörigen entweder den gleichen Schutzumfang erhalten oder alle Anträge "als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen" sind, ist daher dahingehend zu verstehen, dass im Familienverfahren gegenüber allen Familienangehörigen dieselbe Art der Erledigung zu treffen ist. Ist daher der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen, so sind entweder alle Anträge zurückzuweisen oder alle Anträge abzuweisen. Diese Gleichförmigkeit des Familienverfahrens, das letztlich der Verfahrensbeschleunigung und somit der Verfahrensökonomie dient (vgl VfGH 3. 9. 2009, U 804/09), wird dabei nicht nur durch § 34 Abs 4 AsylG 2005, sondern auch durch die (mit § 32 Abs 7 AsylG 1997 im Wesentlichen übereinstimmende) Bestimmung des § 36 Abs 3 AsylG 2005 zum Ausdruck gebracht, wonach selbst bei nur einer Berufung eines betroffenen Familienmitglieds diese auch als Berufung gegen die die anderen Familienangehörigen betreffenden Entscheidungen gilt und keine dieser Entscheidungen dann der Rechtskraft zugänglich ist (vgl zum Ganzen die insoweit auf die Rechtslage nach dem AsylG 2005 übertragbaren Ausführungen in VwGH 28. 10. 2009, 2007/01/0532 bis 0535; s. weiters Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, 497 f). In diesem Sinne hat der VwGH zu § 34 Abs 4 AsylG 2005 - in Fortsetzung der Judikatur zum AsylG 1997 - bereits erkannt, dass bei Aufhebung (nur) eines Bescheides eines Familienangehörigen dies (infolge der ex tunc-Wirkung einer Aufhebung nach § 42 Abs 3 VwGG) auch auf die Bescheide der übrigen Familienangehörigen durchschlägt (vgl VwGH 26. 6. 2007, 2007/20/0281).
Nach den Erläuterungen (zur Einführung des Familienverfahrens mit der Novelle BGBl. I Nr. 101/2003) sollen Familienverfahren zum frühestmöglichen Zeitpunkt erkannt und geführt werden. Daher hat die Behörde, sobald ein Familienangehöriger im Sinn des § 1 Z. 6 AsylG einen Asylantrag im Sinn des § 3 AsylG oder einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes im Sinn des § 10 AsylG stellt, jedenfalls die Bestimmungen über das Familienverfahren anzuwenden
(VwGH vom 28.10.2009, Zl. . 2007/01/0532).
Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 18.09.2015, E 1174/2014-18, unter Verweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, festgehalten:
"Vor allem aber hat das Bundesverwaltungsgericht nicht erkannt, dass das Verfahren des Beschwerdeführers ab dem Zeitpunkt des Asylantrages des Vaters des Beschwerdeführers, dessen Verfahren im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht abgeschlossen gewesen ist, gemäß § 34 AsylG 2005 zwingend gemeinsam mit dem des Vaters (und dessen weiteren Kindern und seiner nunmehrigen Ehefrau) als Familienverfahren durchzuführen war (vgl. etwa auch VwGH 9.4.2008, 2008/19/0205). Das Bundesverwaltungsgericht hätte daher den bei ihm angefochtenen Bescheid des BAA im Spruchpunkt der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten aufzuheben und die Durchführung eines Familienverfahrens mit der Familie des Vaters anzuordnen gehabt".
II.3.3.2. Im gegenständlichen Fall ist das Bundesverwaltungsgericht nicht in der Lage, die Verfahren über die Anträge der betroffenen Familienangehörigen gemäß § 34 Abs. 4 iVm Abs. 5 AsylG 2005 unter einem zu führen. Hinsichtlich der bP 2 liegt kein Bescheid vor und ist das Verfahren damit nach wie vor bei der belangten Behörde anhängig. Über den Bescheid betreffend die bP 1 alleine kann ohne Entscheidung betreffend ihrer Ehegattin nicht entschieden werden.
Auch der Verfassungsgerichtshof hat zuletzt in seiner oben zitierten Entscheidung vom 18.09.2015, E 1174/2014, (unter Hinweis auf VwGH 09.04.2008, 2008/19/0205) die Bedeutung des § 34 AsylG 2005 betont und ausgesprochen, dass es dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt ist, über einen Familienangehörigen zu entscheiden, solange ein anderer Familienangehöriger noch beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig ist. Ab dem Zeitpunkt der Stellung des Asylantrages sind die Verfahren gemäß § 34 AsylG 2005 zwingend gemeinsam zu führen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar ausgesprochen, dass jeder Antrag eines Familienangehörigen gesondert zu prüfen und über jeden mit gesondertem Bescheid abzusprechen ist (§ 34 Abs. 4 AsylG 2005). Unabhängig von der konkreten Formulierung ist jeder Antrag eines Familienangehörigen überdies in erster Linie auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gerichtet und sind daher für jeden Antragsteller allfällige eigene Fluchtgründe zu ermitteln. Nur wenn solche - nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren - nicht hervorkommen, ist dem Antragsteller jener Schutz zu gewähren, der bereits einem anderen Familienangehörigen gewährt wurde (VwGH 24.03.2015, Ra 2014/19/0063).
Gerade bei Familienmitgliedern können sich die Fluchtgründe überschneiden und haben die bP 1 und bP 2 sich ausschließlich auf den Fluchtgrund ihres Sohnes bezogen. Grundsätzlich wird im gegenständlichen Fall daher das Vorbringen des Sohnes und der bP daher nur in einer Zusammenschau beurteilt werden können.
Schon nach Maßgabe dieser Kriterien gelangt das BVwG in Ansehung des oben dargestellten Verfahrensablaufs zum Ergebnis, dass unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Wahrung der Familieneinheit im Asylverfahren der Bescheid der bP 1 zu beheben ist, da hinsichtlich der bP 2 kein Bescheid erlassen wurde.
II.3.4. Zusätzlich wird auf Folgendes hingewiesen:
II.3.4.1. In seiner Entscheidung vom 26.06.2014 zu Zl. 2014/03/0063 formulierte der VwGH die maßgeblichen Kriterien für die Anwendung des § 28 Abs. 3 VwGVG, wo er u.a. ausführte:
"Der Verfassungsgesetzgeber hat sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I Nr 51/2012, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte - auch zur Vermeidung von "Kassationskaskaden" - grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist. Ausgehend davon wurde, wie aus den Gesetzesmaterialien zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl I Nr 33/2013 (vgl RV 2009 BlgNR XXII. GP, Seite 7) ersichtlich, die Regelung des § 28 VwGVG 2014 getroffen. Daraus ergibt sich, dass durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 nicht nur die Errichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz erfolgte, sondern damit auch ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch die Verwaltungsgerichte festgelegt wurde.
Angesichts des in § 28 VwGVG 2014 insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs 3 VwGVG 2014 verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG 2014 insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden."
II.3.4.2. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass selbst wenn auch das BVwG Anhaltspunkte dafür erkennen kann, dass es sich beim Vorbringen der bP um ein unglaubwürdiges Vorbringen handeln könnte, dennoch darauf hinzuweisen ist, dass sich die vier kurze Absätze umfassende Beweiswürdigung alleine nicht als tragfähig erweisen kann.
Zusätzlich ist zu erwähnen, dass auch wenn grundsätzlich nicht erkennbar ist, dass mit dem in Österreich aufenthaltsberechtigten Sohn eine relevante, besondere Beziehung besteht und auch die sich aus dem Akt ergebenden Aspekte einer Integration gering erscheinen, dennoch hierzu entsprechende Feststellungen zu treffen gewesen wären.
Erst entsprechende Ermittlungen und darauf aufbauende Feststellungen können zu einer nachvollziehbaren Würdigung führen.
Auch unter Berücksichtigung, dass Armenien inzwischen ein sicherer Herkunftsstaat geworden ist, wird eine ordnungsgemäße Würdigung des gesamten Vorbringens der bP durchzuführen sein. Der Aspekt des sicheren Herkunftsstaates entbindet nicht von entsprechenden Ermittlungen und einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung. Insbesondere wird darauf hingewiesen, dass der Sohn der bP selbst angegeben hat, dass er Probleme mit "den Leuten des Bürgermeisters" gehabt habe und sich in diesem Zusammenhang gerade die Frage der Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des armenischen Staates stellt, welche individuell in Bezug auf die bP zu prüfen ist. Dies auch vor dem Hintergrund, dass der Sohn angeblich wegen Bestechung im Zuge von Wahlen rechtswidrig gehandelt hätte. Dieser Umstand alleine würde es keinesfalls rechtfertigen, dass er bedroht wird und kann aufgrund der Aktenlage wohl auch nicht davon ausgegangen werden, dass alleine aus diesem Grund die Behörden nicht gegenüber rechtswidrigen Übergriffen schutzwillig und schutzfähig im konkreten Fall der bP wären.
Zu beachten sein wird überdies die Zeugeneinvernahme (AS 95 bP 2), wonach sich die bP zwischenzeitlich in Armenien aufgehalten haben.
Schließlich wird bei der nunmehr erstmalig zu erfolgenden Bescheiderlassung auf das Vorbringen in den Beschwerden einzugehen sein und wird sich die Behörde auch im Spruch auf eine bestimmte Ziffer des § 18 Abs. 1 BFA-VG festzulegen haben.
II.3.5. Das Verfahren der bP 2 ist daher nach wie vor beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig und wird durch die Zurückweisung auch das Verfahren der bP 1 wiederum dort anhängig. Vor einer Bescheiderlassung hat das BFA die bP nochmals einzuvernehmen und sich mit dem Vorbringen in der Beschwerde als Teil des Vorbringens im Verfahren auseinanderzusetzen und gegebenenfalls entsprechende, geeignete Ermittlungen hierzu durchzuführen und diese bei der Entscheidung zu berücksichtigen haben.
II.4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da die Beschwerde zurückzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Zurückweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 18 AVG.
Schlagworte
Bescheidqualität, Nichtbescheid, Organwalter, rechtlicheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L518.2188316.1.00Zuletzt aktualisiert am
21.03.2018