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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art144;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2000/14/0007 2000/14/0008Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über den Antrag des J R in O, vertreten durch Dr. Karl Wagner, Rechtsanwalt in 4780 Schärding, Unterer Stadtplatz 4, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 6. August 1999, GZ RV 607/1-10/1999, betreffend Pfändung und Überweisung einer Geldforderung sowie Gebühren und Barauslagen, und über die Beschwerde, den Beschluss gefasst:
Spruch
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
2. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.
Begründung
Innerhalb der Beschwerdefrist stellte der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgerichtshof den Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 6. August 1999, RV 607/1-10/1999. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 1999 wurde diesem Antrag nicht stattgegeben. Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 12. November 1999 zugestellt, sodass die Frist zu Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde am 27. Dezember 1999 abgelaufen ist.
Mit dem am 5. Jänner 2000 zur Post gegebenen und an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Schriftsatz beantragt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde und bringt zugleich diese Beschwerde ein.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wird vorgebracht, die Angelegenheit sei in der Kanzlei des Rechtsanwaltes des Beschwerdeführers von einem jungen, noch unerfahrenen Konzipienten bearbeitet worden. Dieser habe unter der Annahme, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger verletzt sei, eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde (mit einem Eventualantrag auf Abtretung nach Art 144 Abs. 3 B-VG) beim Verfassungsgerichtshof eingebracht. Der Konzipient habe leider übersehen, dass der Beschluss auf Abweisung des Antrages auf Verfahrenshilfe vom Verwaltungsgerichtshof erlassen worden sei. "Primär wäre gegenständliche Beschwerde auch an den Verwaltungsgerichtshof gegangen, hätte der Konzipient nicht Anhaltspunkte gefunden, wonach der Beschwerdeführer auch in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden sei."
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei fristgerecht, weil der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers mit Telefonat vom 28. Dezember 1999 darüber informiert worden sei, dass die gegenständliche Beschwerde fälschlicherweise beim Verfassungsgerichtshof eingebracht worden sei.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ist zufolge Abs. 2 dieser Gesetzesstelle auch dann zu bewilligen, wenn die Beschwerdefrist versäumt wurde, weil der anzufechtende Bescheid fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat. Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle ist der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses, in den Fällen des Abs. 2 spätestens zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides zu stellen, der das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
Nach dem Vorbringen des Wiedereinsetzungsantrages habe das unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis, welches der rechtzeitigen Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde entgegengestanden sei, im Irrtum des beim Rechtsanwalt des Beschwerdeführers angestellten Konzipienten darüber bestanden, dass der Verfahrenshilfeantrag an den Verwaltungsgerichtshof gerichtet (und von diesem abgewiesen) gewesen sei.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten. Das Versehen eines Kanzleibediensteten stellt dann ein Ereignis iSd § 46 Abs. 1 VwGG dar, wenn der Rechtsanwalt der Überwachungspflicht dem Bediensteten gegenüber nicht nachgekommen ist. Der Rechtsanwalt muss alle Vorsorgen treffen, die die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben gewährleisten, die ihm nach dem Bevollmächtigungsvertrag obliegen. Insoweit der Rechtsanwalt diese Vorsorge nicht in der Art und in dem Maß getroffen hat, wie es von ihm je nach der gegebenen Situation zu erwarten war, kommt ein Verschulden an einer späteren Fristversäumung in Betracht (vgl. den hg. Beschluss vom 27. März 1996, 96/15/0029).
Im gegenständlichen Fall hat offenkundig der "junge und somit noch unerfahrene Konzipient" die Entscheidung getroffen, dass (zunächst) keine Verwaltungsgerichtsbeschwerde, sondern eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werde. Ein beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachter und das verwaltungsgerichtliche Verfahren betreffender Verfahrenshilfeantrag unterbricht jedoch nicht die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Die rechtzeitige Einbringung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist sohin auf Grund eines Versehens des Konzipienten des Rechtsanwaltes unterblieben. In der Beschwerde wird in keiner Weise aufgezeigt, ob bzw. in welcher Weise der Rechtsanwalt in seiner Kanzlei ein System der Kontrolle seiner unselbständigen Mitarbeiter eingeführt und aufrecht erhalten hat. Solcherart wird aber durch den Wiedereinsetzungsantrag in keiner Weise dargetan, dass das Verschulden des Rechtsanwaltes und damit des Beschwerdeführers nicht über den minderen Grad des Versehens hinausginge. Dem Wiedereinsetzungsantrag konnte daher nicht stattgegeben werden.
Gemäß dem Einleitungssatz des § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde gemäß Art. 131 B-VG sechs Wochen. Sie beginnt zufolge § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG in den Fällen des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer bloß mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung. Wie sich aus § 26 Abs. 3 VwGG ergibt, beginnt die Frist zur Einbringung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof mit der Zustellung des Bescheides, mit dem der Rechtsanwalt bestellt wird, bzw. mit dem die Beigebung eines Rechtsanwaltes versagt wird, wenn der Beschwerdeführer den Verfahrenshilfeantrag vor Ablauf der Beschwerdefrist gestellt hat. Ab diesem Zeitpunkt läuft die Frist von sechs Wochen für die Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde. Im gegenständlichen Fall ist die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erst nach Ablauf dieser Frist erhoben worden.
Die mit dem Wiedereinsetzungsantrag eingebrachte Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist zurückzuweisen.
Wien, am 26. April 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000140006.X00Im RIS seit
03.04.2001