Entscheidungsdatum
09.03.2018Norm
AVG §57 Abs2Spruch
L514 2185149-1/14E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Mariella KLOIBMÜLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch Mag. Brigitte SWOBODA, NOAH Sozialbetrieb GmbH, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird mangels Zuständigkeit als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der minderjährige Beschwerdeführer stellte, im Gefolge seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet gemeinsam mit seinen Angehörigen, am XXXX 2015 durch seine Eltern als gesetzliche Vertreter einen Antrag auf internationalen Schutz. In weiterer Folge wurde das Verfahren des Beschwerdeführers am XXXX 2015 zugelassen.
Am XXXX 2016 kehrten die Eltern des Beschwerdeführers unter Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe freiwillig in den Herkunftsstaat zurück.
Mit 28.07.2016 wurde die Übertragung der Vertretungsvollmacht von der örtlich zuständigen Jugendwohlfahrtseinrichtung als vom zuständigen Pflegschaftsgericht mit der Obsorge betrauten Obsorgeberechtigten auf die NOAH Sozialbetriebe GmbH bekannt gegeben.
Am 20.03.2017 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) im Beisein seiner Vertretung niederschriftlich einvernommen.
2. Mit Bescheid des BFA vom 30.05.2017, Zl. 1087107708/151343278 RD Oberösterreich, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen ((Spruchpunkt I). Zugleich wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, unter einem wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 FPG wurde dem Beschwerdeführer eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV).
Gegen diese Entscheidung des BFA erhob der Beschwerdeführer durch seine Vertretung in vollem Umfang fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
3. Mit Schreiben an das BFA zog die Vertretung des Beschwerdeführers im Einvernehmen mit dem zuständigen Jugendwohlfahrtsträger die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 30.05.2017 in vollem Umfang zurück, womit der Bescheid des BFA vom 30.05.2017 in Rechtskraft erwuchs.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.11.2017, Zl. L502 2164965-1/5E, wurde das Beschwerdeverfahren eingestellt.
4. Mit Schreiben vom 10.01.2018 richtete die Vertretung des Beschwerdeführers einen "Antrag auf subsidiären Schutz gemäß § 8 AsylG" an das BFA.
Am 12.01.2018 nahm der Beschwerdeführer eine Rückkehrberatung gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG in Anspruch, der entsprechende Bericht des Vereins Menschenrechte Österreich über die mangelnde Rückkehrwilligkeit des Beschwerdeführers langte am 15.01.2018 beim BFA ein.
5. Mit Mandatsbescheid des BFA vom 09.01.2018, Zl. 1087107708/170693003 RD Oberösterreich, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen, binnen drei Tagen in der Betreuungseinrichtung Tirol bis zu seiner Ausreise Unterkunft zu nehmen.
Mit Schreiben an das BFA vom 11.01.2018 erhob die Vertretung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, zumal die Rechtsmittelbelehrung im Bescheid des BFA - unrichtiger Weise - den Hinweis auf die Möglichkeit einer Beschwerde gegen diesen enthalten hatte.
Mit Bescheid des BFA vom 16.01.2018, Zl. 1087107708/170693003 RD Oberösterreich, wurde der Mandatsbescheid vom 09.01.2018 gemäß § 62 Abs. 4 AVG dahingehend berichtigt, dass dessen Rechtsmittelbelehrung den Hinweis aus die Möglichkeit der Erhebung einer Vorstellung an das BFA gegen den Bescheid vom 09.01.2018 beinhaltete.
Mit Schreiben an das BFA vom 18.01.2018 erhob die Vertretung des Beschwerdeführers gegen den "Bescheid des BFA vom 09.01.2018, zugestellt am 16.01.2018" einerseits Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht sowie in eventu Vorstellung gegen den "Bescheid des BFA vom 09.01.2018, zugestellt am 10.01.2018".
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.02.2018, Zl. L502 2164965-2/3E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 09.01.2018 als unzulässig zurückgewiesen.
6. Mit Bescheid des BFA vom 22.01.2018, Zl. 1087107708/170693003 RD Oberösterreich, wurde gemäß § 57 Abs. 2 AVG in Stattgebung der Vorstellung der Mandatsbescheid des BFA vom 09.01.2018 von Amts wegen aufgehoben.
Mit Schreiben an das BFA vom 02.02.2018 erhob die Vertretung des Beschwerdeführers gegen den "Bescheid des BFA vom 22.01.2018, zugestellt am 30.01.2018, mit dem der Vorstellung Vollinhaltlich entsprochen worden wäre" Beschwerde.
7. Mit (neuerlichem) Mandatsbescheid des BFA vom 22.01.2018, Zl. 1087107708/170693003 RD Oberösterreich, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen, binnen drei Tagen in der Betreuungseinrichtung Schwechat bis zu seiner Ausreise Unterkunft zu nehmen.
Mit Schreiben an das BFA vom 02.02.2018 erhob die Vertretung des Beschwerdeführers gegen den "Bescheid des BFA vom 22.01.2018, zugestellt am 30.01.2018, mit dem eine Wohnsitzauflage erteilt wurde" Vorstellung.
8. Am 24.01.2018 hielt das BFA mit Aktenvermerk fest, dass der Beschwerdeführer seit diesem Tag abgängig war bzw. sich der Wohnsitzverlegung entzogen hatte.
9. Mit Schreiben an das Bundesverwaltungsgericht vom 03.02.2018 erhob die Vertretung des Beschwerdeführers eine Maßnahmenbeschwerde wegen Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt "durch Regelung derselben Sache in zwei gesonderten Bescheiden um die Rechtsfolgen eines Mandatsbescheides zu behalten und die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes hinauszuzögern".
Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.02.2018 wurde die Vertretung des Beschwerdeführers aufgefordert, den angefochtenen Bescheid bzw die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu benennen und die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, nachvollziehbar dargelegt sowie Angaben über die Rechtzeitigkeit der Beschwerde zu machen.
Diesem Mängelbehebungsauftrag kam die Vertretung mit Schreiben, beim Bundesverwaltungsgericht am 01.03.2018 eingelangt, nach. Darin wurde unter anderem Folgendes ausgeführt:
"Der erste Bescheid (gemeint vom 09.01.2018) hätte bei Nichtentsprechen der Vorstellung das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ermöglicht. Dabei wäre ein Antrag auf aufschiebende Wirkung möglich gewesen. Dieses hätte das Vorbringen der Beschwerdeführer überprüfen und behandeln können. Zumal dieser aufgehoben wurde, ist keine Beschwerde durch den aufgehobenen Mandatsbescheid gegeben. Auf das Vorbringen wurde darin nicht eingegangen sondern ein fiktives Vorbringen herangezogen. Der Partei wurde trotz Aufhebung kein Gehör geschenkt.
Der zweite Bescheid (gemeint vom 22.01.2018) setzt sich ebenso über den erkennbaren Willen der Antragsteller, nämlich ein Verbleib des Minderjährigen am vertrauten Ort bis zur Abklärung der Rückkehrvoraussetzungen hinweg und teilt lediglich eine andere Einrichtung als im ersten Mandatsbescheid zu.
Die Verpflichtung zu einer neuen Unterkunftnahme eines Minderjährigen ist jedoch ein derart intensiver Eingriff in dessen Grundrechtssphäre wie sonstige Maßnahmen voller Erziehung durch eine Behörde, welche der Gesetzgeber an strenge Bedingungen und einen anderen Rechtsweg knüpft. Ein angeordneter Wohnsitzwechsel von Minderjährigen im Asylwesen ist als Maßnahme unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren. Hinzu kommt, dass ein Nichtentsprechen mit Strafe sanktioniert werden kann und diesen Zustand an sich die Judikatur richtigerweise als unzumutbar würdigt."
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der oben wiedergegebene Verfahrensgang steht im Lichte des vorliegenden Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes als unstrittig fest.
2. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zurückweisung der Beschwerde
1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG.
Laut VwGH (E vom 29.09.2009, Zl. 2008/18/0687) liegt ein bekämpfbarer Verwaltungsakt der Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar - dh ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als "Zwangsgewalt", zumindest aber als - spezifisch verstandene - Ausübung von "Befehlsgewalt" gedeutet werden kann. Weil das Gesetz auf Befehle, also auf normative Anordnungen abstellt, sind behördliche Einladungen zu einem bestimmten Verhalten auch dann nicht tatbildlich, wenn der Einladung Folge geleistet wird. Die subjektive Annahme einer Gehorsamspflicht ändert noch nichts am Charakter einer Aufforderung zum freiwilligen Mitwirken. Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsaktes in der Form eines Befehls gilt, "dass dem Befehladressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird" (vgl. E 19. September 2006, 2005/06/0018; E 21. Februar 2007, 2005/06/0275). Liegt ein Befolgungsanspruch aus einer solchen, dem Befehlsadressaten bei Nichtbefolgung des Befehls unverzüglich drohenden physischen Sanktion (objektiv) nicht vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (vgl. E 16. Februar 2000, 96/01/0570; E 11. Oktober 2005, 2005/21/0071; E VfGH 2. Juli 2009, B 1824/08).
1.2. Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies:
Die Vertretung des Beschwerdeführers benennt Folgendes als unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt in ihrem Schriftsatz im Zusammenhang mit der Mängelbehebung:
"Die Verpflichtung zu einer neuen Unterkunftnahme eines Minderjährigen ist jedoch ein derart intensiver Eingriff in dessen Grundrechtssphäre wie sonstige Maßnahmen voller Erziehung durch eine Behörde, welche der Gesetzgeber an strenge Bedingungen und einen anderen Rechtsweg knüpft. Ein angeordneter Wohnsitzwechsel von Minderjährigen im Asylwesen ist als Maßnahme unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren. Hinzu kommt, dass ein Nichtentsprechen mit Strafe sanktioniert werden kann und diesen Zustand an sich die Judikatur richtigerweise als unzumutbar würdigt."
Gemäß § 57 Abs. 1 FPG kann einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen. Die Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ist gemäß § 57 Abs. 6 FPG mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen.
Gemäß § 57 Abs. 2 AVG kann gegen einen Mandatsbescheid bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden.
Umgelegt auf den vorliegenden Fall und wenn man davon ausgeht, dass die Vertretung des Beschwerdeführers in der Verpflichtung zur Unterkunftnahme die bekämpfte Maßnahme sieht, so ist dem entsprechend § 57 Abs. 6 FPG iVm § 57 Abs. 2 AVG entgegenzuhalten, dass dagegen - mangels Sondervorschriften - nur das Rechtsmittel der Vorstellung zulässig ist. Für eine Maßnahmenbeschwerde bleibt in diesem Zusammenhang somit kein Raum und ist die diesbezügliche Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.
Auch in der "Regelung derselben Sache in zwei gesonderten Bescheiden um die Rechtsfolgen eines Mandatsbescheides zu behalten und die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes hinauszuzögern" - wie in der Maßnahmenbeschwerde ursprünglich ausgeführt - ist keine unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt zu erkennen, zumal diese - entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - nur dann vorliegt, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar - dh ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen. Wie von der Vertretung des Beschwerdeführers selbst ausgeführt, wird auf Bescheide des BFA Bezug genommen, weshalb dagegen mangels einer Befehls- und Zwangsgewalt eine Maßnahmenbeschwerde nicht möglich ist.
2. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG, BGBl I Nr. 68/2013 idgF, kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gg. Fall gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage geklärt war.
3. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Da die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage geklärt ist, ist die Revision nicht zulässig.
Schlagworte
Beschwerde, Maßnahmenbeschwerde, Unzuständigkeit BVwG, Wohnsitz,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L514.2185149.1.00Zuletzt aktualisiert am
21.03.2018