TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/12 W200 2166002-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.03.2018
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Entscheidungsdatum

12.03.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W200 2166002-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike SCHERZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2017, Zl. 1078247204-150872370, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.02.2018, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Partei führt nach eignen Angaben den im Spruch genannten Namen, ist Staatsangehörige Afghanistans, gehört der paschtunischen Volksgruppe und dem muslimisch sunnitischen Glauben an, war im Heimatland zuletzt in XXXX in Jalalabad wohnhaft, reiste am 16.07.2015 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 23. Juli 2015 gab der Beschwerdeführer an, dass sein Bruder XXXX in Österreich aufhältig sei.

Als Fluchtgrund gab er an, dass sein Bruder ein Kommandant der Taliban sei und von ihm verlangt hätte, dass er sich ihnen anschließe und mit ihnen zusammenarbeite. Er hätte dies nicht tun wollen, weshalb ihm sein Bruder vor ca. einem Monat mit dem Umbringen gedroht hätte. Vor ca. 40 Tagen hätte sein Bruder - der Kommandant - ihn und einen anderen Bruder, der in der Zwischenzeit gefallen sei, zum Trainingslager der Taliban mitgenommen. Sie seien zwei Wochen ausgebildet worden und als sie dann plötzlich gehört hätten, dass ihre Mutter krank sei, hätte ihn sein Bruder - der Talibankommandant - gehen lassen. Als er bei seiner Mutter gewesen sei, hätte er gehört, dass sein jüngerer Bruder beim Kampf gefallen sei. Ab diesem Zeitpunkt hätte er sich geweigert, mit den Taliban mitzuarbeiten. Im Falle einer Rückkehr befürchte er mit den Taliban in den Kampf ziehen zu müssen oder von seinem Bruder umgebracht zu werden. Die Behörden würden seinen Bruder kennen und wüssten auch, dass er bei den Taliban ausgebildet worden sei.

Im Rahmen der Einvernahme beim BFA am 23.01.2017 gab der Beschwerdeführer an, dass er Paschtune, Sunnit und aus der Provinz Nangarhar, Distrikt XXXX stamme. Er hätte in Kabul studiert und dort auch die Schule besucht. Der Beschwerdeführer legte sein Tazkira, sein Maturazeugnis und die Kopie des Konventionspasses seines Bruders XXXX vor. Er gab an, nie einen Reisepass besessen zu haben. Er hätte 12 Jahre die Schule besucht (neun Jahre davon in XXXX, drei Jahre in Kabul). Dann hätte er an der Privatuni in Kabul zwei Jahre lang studiert, bis er sich es nicht mehr leisten hätte können. Im Juni 2015 hätte er beschlossen auszureisen. Tatsächlich sei er zwei bis drei Tage nach seinem Entschluss ausgereist. Er hätte Österreich deshalb ausgewählt, weil er zu seinem Bruder reisen hätte wollen. Als Familienangehöriger hätte er in Afghanistan noch seine Mutter sowie einen Onkel mütterlicherseits und einen Onkel väterlicherseits sowie eine Tante mütterlicherseits und seinen Bruder, der ein Talibankommandant sei. Ein weiterer Bruder sei verstorben. Er hätte auch noch Freunde im Herkunftsstaat. Weiter wäre er weder vorbestraft noch inhaftiert gewesen, hätte er Probleme mit den Behörden.

Als Fluchtgrund gab er an, dass sein Bruder XXXX dagegen gewesen wäre, dass er die Schule besuche, als er klein gewesen sei. Er hätte gewollt, dass er die Koranschule besuche. Sein anderer Bruder XXXX hätte die Polizeiakademie besucht und der andere Bruder sei gegen ihn gewesen. Er selbst hätte gerne die Schule besuchen wollen, weshalb ihn XXXX nach Kabul gebracht hätte, damit er diese dort besuchen könne. Der andere Bruder XXXX sei ein Kommandant bei den Taliban gewesen und hätte zu XXXX gesagt, dass dieser mit dem Polizeidienst aufhören solle und er sich den Taliban anschließen solle, da er sich auch im Militärwesen auskenne. Nach zwei oder drei Auseinandersetzungen zwischen diesen beiden Brüdern hätte XXXX Afghanistan verlassen. Danach seien der Beschwerdeführer und sein kleiner Bruder bei seiner Tante geblieben. Er hätte weiter die Schule besucht und der kleine Bruder hätte Mechaniker werden sollen und sei in einer Werkstatt Lehrling gewesen. Nachdem er sein Studium nicht mehr finanzieren hätte können, sei er in sein Heimatdort zurückgekehrt. Als sein Bruder XXXX erfahren hätte, dass er wieder im Dorf gewesen sei, sei er gekommen und hätte ihn zu einem Trainingsplatz der Taliban im Dorf XXXX im Distrikt XXXX gebracht. Er hätte gewollt, dass sie sich bei den Taliban engagieren und am Dschihad teilnehmen. Sie seien 20 Tage dort gewesen, dann sei die Mutter krank geworden. Er hätte seinen Bruder angefleht, dass er seine Mutter besuchen dürfe und hätte auch seinen kleinen Bruder mitnehmen wollen. XXXX hätte dies abgelehnt und hätte nur ihm erlaubt, für drei Tage seine Mutter zu besuchen. Als er nachhause gekommen sei, hätten einen Tag später in der Nacht die Taliban die Distriktsbehörde angegriffen. Bei dieser Auseinandersetzung sei sein kleiner Bruder ums Leben gekommen. Als seine Mutter vom Tod des kleinen Bruders erfahren hätte, hätte sie gesagt, dass das Leben des Beschwerdeführers in Gefahr sei und er von hier weggehen solle. Danach sei er zu seiner Tante nach Kabul gegangen. Diese hätte bereits von der Geschichte gewusst, und hätte gesagt, dass er ihr Probleme bereiten würde. Außer seiner Tante hätte er niemanden in Kabul und sei deshalb auf der Straße geblieben. Danach hätte er seine Mutter kontaktiert und diese und sein Onkel seien nach Kabul gekommen und sein Onkel hätte den Schlepper bzw. die Ausreise in den Iran organisiert.

Seine Tante hätte ihn bei sich nicht übernachten lassen, da er als Bruder von XXXX ihr Probleme bereiten würde, wenn die Polizei davon erfahre.

Befragt, wo er in Kabul gelebt hätte, als er die Schule besucht hätte, gab er an, dass er bei seiner Tante mütterlicherseits geblieben wäre. Befragt, warum er nicht in Kabul geblieben sei antwortete er, dass seine Tante ihm gesagt hätte, dass sie es sich finanziell nicht leisten könne ihn weiterhin zu betreuen und da er sowieso nicht mehr studiere, könne er wieder zu seiner Mutter zurückkehren. Arbeit hätte er sich deshalb keine gesucht, da es keine gegeben hätte. Es sei nicht möglich gewesen alleine dort zu leben um zu arbeiten. Die Tante hätte sie nicht mehr unterstützen wollen.

Befragt, warum die Tante Probleme bekommen hätte, wenn die Polizei von seiner Anwesenheit erfahren hätte, antwortete er, dass zu dieser Zeit sein Bruder XXXX von der afghanischen Polizei gesucht worden wäre. Und die afghanische Polizei hätte ein Mitglied seiner Familie über XXXX ausfragen wollen.

Befragt, welche Probleme dann die Tante dann bekommen hätte, antwortete er, dass die Polizei die Tante verdächtigt hätte, dass er mit seinem Bruder XXXX in Kontakt stünde. Das wäre für sie problematisch, da dieser ja ein Kommandant der Taliban sei.

Befragt, warum XXXX gesucht worden sei, antwortete er, dass der Anführer der Taliban in seinem Distrikt XXXX heiße und sein Bruder einer seiner Kommandanten gewesen sei. Deshalb sei er gesucht worden.

Befragt, welche Probleme er mit den Behörden gehabt hätte, antwortete er, dass die Polizei sie festnehmen hätte wollen, um sie über seinen Bruder XXXX erst zu fragen, damit sie seinen Aufenthaltsort bekannt geben könnten. Diese Befragung sei für ihn sehr schwierig gewesen, sie hätten ihn misshandelt und geschlagen. Sein Bruder hätte das gleiche getan, als er ihn mitgenommen hätte.

XXXX sei als junger Mensch immer mit den Taliban zusammen gewesen und hätte die Koranschule besucht. Er sei immer mit ihnen unterwegs gewesen. Er könne sich nicht daran erinnern, dass er jemals etwas anderes gemacht hätte. Er sei immer bei den Taliban gewesen, solang er sich erinnern könne. Befragt, warum XXXX ihn nicht schon früher zur Mitarbeit bei den Taliban bewegen hätte wollen, antwortete er, dass er ihnen nicht gesagt hätte, dass sie mitkommen müsse, solange sie klein gewesen seien. Er sei immer wieder nachhause gekommen und hätte seine Mutter geschlagen, aber nie die Kinder mitgenommen. Sein Vater sei verstorben, als er ca. 12 Jahre alt gewesen sei.

Befragt, ob er sich wegen XXXX an die Polizei gewandt hätte, antwortete er, dass er Angst gehabt hätte inhaftiert zu werden, wenn er zur Polizei gegangen sei.

Auf den Vorhalt, dass er mit seiner Aussage bei der Polizei weitergeholfen hätte, da diese ja auf der Suche nach XXXX gewesen seien und befragt, warum er ihn inhaftieren hätte sollen, erklärte er, dass es einen Unterschied zwischen der afghanischen und er österreichischen Polizei gäbe: Dort werde man inhaftiert und misshandelt.

XXXX hätte schon früher bei der Tante angerufen und gefordert, dass sie sie ins Heimatdorf schicken solle. Aber die Tante hätte das nicht zugelassen. Erst als ihre finanzielle Lage schlecht gewesen sei und ihr Mann sie nicht mehr bei sich haben hätte wollen, hätte sie sie zurückgeschickt. Einen anderen Platz in seinem Heimatdorf hätte er nicht gehabt.

XXXX hätte ihn überall in Afghanistan gefunden, außerdem hätte sein Onkel entschieden, dass er das Land verlassen solle. Er hätte auch von sich aus das Land verlassen.

Befragt, welche Aufgabe er bei den Taliban gehabt hätte, antwortete er, im Lager nur Sport betrieben und Reinigungsarbeiten durchgeführt zu haben. Man hätte vorgehabt, ihnen die Handhabung der Gewehre beizubringen - das Putzen von Gewehren hätten sie schon begonnen zu lernen.

Er sei dann 20 Tage auf dem Trainingsplatz gewesen, davor sei er drei Tage zuhause gewesen. Als er mit seinem Bruder nicht mitgegangen wäre, hätte dieser ihn geschlagen und immer wieder gesagt, dass er für ihn arbeiten müsse oder den Tod zu akzeptieren hätte.

Im Fall einer Rückkehr würde er von der Regierung verhaftet oder von den Taliban mitgenommen werden.

Befragt, warum er von der Regierung verhaftet werden sollte, antwortete er, dass sein Bruder XXXX sehr viele kriminelle Taten begangen hätte, weswegen die ganze Familie zu Rechenschaft gezogen werde. Befragt, woher die Taliban wissen sollten, wo er sich aufhalte, antwortete er, dass er keinen anderen Platz hätte als sein Heimatdorf und wenn er dorthin zurückkehre, würden die Taliban erfahren, dass er zurück sei und sie würden ihn mitnehmen. Befragt, warum er sich wieder in seinem Heimatdort niederlassen müsse, antwortete er, dass alle anderen Provinzen außer Kabul unsicher seien und nur Kabul City etwas sicherer sei und dort gäbe es keine Arbeit. Er könne nicht alleine ohne Arbeit dort leben. Seine Mutter sei zuckerkrank und leide an Bluthochdruck.

Auf den Vorhalt, dass sich sein Bruder seit 2010 in Österreich aufhalte und dessen Asylantrag mit der gleichen Fluchtgeschichte wie die geschilderte im Jahr 2015 positiv entschieden worden sei und er wenige Wochen später eingereist sei und sein Vorbringen dadurch weniger glaubhaft wirke, antwortete er, keinen Kontakt zu seinem Bruder gehabt zu haben. Er hätte nicht gewusst, dass dieser in Österreich sei. Er hätte erst hier erfahren, dass er in Österreich sei.

Auf den Vorhalt, dass er bei der Einreise aber bereits vom Aufenthalt seines Bruders gewusst hätte (vgl. Erstbefragung) antwortete er, dass er es angegeben hätte, aber keinen Kontakt gehabt hätte. Er hätte es gewusst, da er es über Afghanen herausgefunden hätte, dass sein Bruder hier sei und deswegen sei er auch hier geblieben.

Er hätte in Afghanistan nie gearbeitet, sondern hätte nur die Schule und die Universität besucht.

Befragt, warum nur er und nicht sein kleiner Bruder die Mutter besuchen hätten dürfen, antwortete er, dass XXXX nicht wollte, dass beide weggingen.

Befragt, woher XXXX wusste, dass er wieder im Heimatdorf gewesen sei, antwortete er, dass er in der Moschee im Dorf gebetet hätte und der Imam dies seinen Bruder gesagt hätte. Der Mullah kenne alle von klein auf und sei selbst auch ein Taliban gewesen. Die Tante in Kabul sei eine Tante mütterlicherseits.

XXXX hätte die Koranschule in Nangarhar besucht, sein kleiner Bruder hätte die normale Schule in Nangarhar besucht. Sein Bruder XXXX hätte Afghanistan ca. vor sechs Jahren verlassen.

Mit Bescheid des BFA vom 29.06.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Afghanistan abgewiesen und ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen gewährt.

Begründend wurde im Bescheid ausgeführt, dass sein Vorbringen aus diversen Gründen unglaubwürdig sei, insbesondere wurde ausgeführt, dass dem Bruder XXXX mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.03.2015 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei. Auf Vorhalt warum er so kurz nach der positiven Entscheidung des Bruders eingereist sei, hätte er angegeben, gar nicht gewusst zu haben, dass dieser sich in Österreich aufhalte. Widersprüchlich dazu hätte er bei der Erstbefragung angegeben, dass sein Bruder XXXX in Österreich lebe. Weiters würden sich die Aussagen der Brüder insofern widersprechen als der Beschwerdeführer gesagt hätte, dass sein Bruder XXXX in Nangarhar die Koranschule besucht hätte, während XXXX ausgesagt hätte, dass dieser in Pakistan die Koranschule besucht hätte.XXXX hätte ausgesagt, dass er im Alter von drei Jahren nach Pakistan gegangen sei, dort ab seinem siebten Lebensjahr neun Jahre die Schule besucht hätte, dann wäre er mit der Familie Anfang 2004 wieder nach Afghanistan zurückgekehrt. Er selbst wäre nach Kabul gegangen und seine Eltern und Brüder nach Nangarhar. Seinen andern zufolge, hätte auch der Beschwerdeführer (XXXX geboren) in Pakistan geboren sein müssen. Er selbst hat jedoch befragt ausgeführt, sich nie in Pakistan aufgehalten zu haben.

Nicht nachvollziehbar sei der Umstand, dass laut Beschwerdeführer sein Vater gestorben sei, als er 12 Jahre alt gewesen wäre (müsste 2007 gewesen sein), während XXXX am 01.02.2011 angegeben hätte, dass seine Eltern und Brüder in Nangarhar leben würden und sein Vater beschlossen hätte, dass er aus Afghanistan ausreisen solle. Sein Vater hätte die Grundstücke verkauft, XXXX das Geld geschickt und diese wäre ausgereist. Dies sei 2010 gewesen. Auch beim BVwG hätte XXXX 2014 nie erwähnt, dass sein Vater verstorben sei, sondern dass er früher als Pilot für die Regierung zur Regierungszeit von Najibullah gearbeitet hätte, dem Beruf dann aber nicht mehr nachgegangen sei.

Im Rahmen der am 23.02.2018 durchgeführten öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung wiederholte der Beschwerdeführer Paschtune, Sunnite und ursprünglich aus Nangarhar, Distrikt XXXX im Dorf XXXX stammend zu sein. Dort hätte er sein ganzes Leben, dann fünf Jahr in Kabul gelebt und sei dann wieder zurück ins Heimatdorf gegangen. Dann sei er wieder durch Kabul durchgereist und hätte das Land verlassen.Er hätte neun Jahre im Distrikt XXXX, drei Jahre in Kabul die Schule besucht und danach zwei Jahre an einer Universität in Kabul Pharmazie studiert.

Seine Familie besitze Grundstücke/Felder. Davon hätte sie gelebt. In seiner Heimat würden noch seine Mutter und sein ältester Bruder leben.

Die Verhandlung in Anwesenheit des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers gestaltete sich im Übrigen in den wesentlichen Teilen wie folgt (VR = erkennende Richterin, BF = Beschwerdeführer, Z = Zeuge (Bruder des BF)):

VR: Ihr Bruder (Z) hat in seinem Asylverfahren am 01.02.2011

Folgendes ausgesagt:

"Ich wurde (....) in Nangarhar, XXXX (Distrikt)in XXXX geboren. Mit 3 Jahren sind wir nach Pakistan geflüchtet und dort ging ich dann mit 6 Jahren in die 2. Klasse der Grundschule.

Bis zur 9. Klasse habe ich in Pakistan die Schule besucht, danach sind wir zurück nach Afghanistan, nach Kabul."

Auf die Frage: In welchem Jahr kehrten Sie und Ihre Familie aus Pakistan zurück? Hat er geantwortet: "Das war Ende 1382, kurz vor 1383 (Anfang 2004)."

Sie haben im erstinstanzlichen Verfahren gesagt, dass Sie in Nangarhar geboren sind und immer in Afghanistan waren. Nach den Aussagen Ihres Bruders hätten Sie aber XXXX in Pakistan zur Welt kommen müssen und dort bis 2004 leben müssen. Was sagen Sie dazu?

BF: Sie denken, dass ich in Pakistan geboren bin?

VR: Ich sage Ihnen, was Ihr Bruder, der heute als Zeuge auftreten wird, bis jetzt gesagt hat, dass er mit seiner Familie zum Zeitpunkt Ihrer Geburt bis 2004 in Pakistan war, d.h. dass auch Sie in Pakistan geboren sein müssen.

BF: Laut meiner Mutter und seit ich groß geworden bin, weiß ich, dass ich in der Heimat geboren bin. Es war Krieg. Es kann sein, dass die Familie einige Zeit in Pakistan war. Soviel ich weiß, bin ich in Afghanistan geboren.

VR: Sie haben bei der Erstbefragung ausgesagt, dass Ihr Vater gestorben ist. Beim BFA am 23.01.2017 haben Sie auch gesagt, dass Ihr Vater verstorben ist, konkret als Sie 12 Jahre alt waren, und Ihre Mutter bei ihrem Bruder lebt. Ihr Vater soll also Ihren Angaben zu Folge 2007 verstorben sein. Ihr Bruder hat davon aber nie etwas erwähnt. Laut seinen Angaben am 01.02.2011 haben Ihre Eltern zum Zeitpunkt seiner Ausreise (Winter 2009/2010) noch gelebt. Was sagen Sie dazu?

BF: Meine Mutter ist am Leben.

VR wiederholt die Frage.

BF: Nein, mein Vater ist schon damals verstorben, als ich klein war. Ich weiß nicht genau ob ich 12 Jahre alt war. Ich weiß nur, dass ich klein war.

VR: Entweder der Zeuge oder Sie oder gar alle beide sagen hier nicht die Wahrheit.

BF: Was soll ich sagen, ich weiß, dass mein Vater gestorben ist, als ich klein war.

VR: Waren Sie jemals in Pakistan?

BF: Soweit ich mich erinnern kann, nein.

VR: War Ihre Familie jemals in Pakistan?

BF: Davon weiß ich nichts.

VR: Erzählen Sie mir etwas über XXXX. Wie alt ist er? Wo hat er die Schule besucht? Wie und wo ist er mit den Taliban in Kontakt gekommen?

BF: Als ich dort war, war er ca. 34/35 Jahre alt. Er hat in Jalalabad die Madrasa besucht, aber Religionsunterricht hat er auch in Pakistan bekommen.

VR: Wann war er in Pakistan?

BF: Ich war sehr klein, als er nach Pakistan gegangen ist. Ich glaube, dass er nach Pakistan gegangen ist und lt. meiner Mutter ist er dorthin gegangen, um zu lernen.

VR: Wissen Sie genau, welche Ausbildung Ihr Bruder XXXX in Afghanistan gemacht hat?

BF: Wir waren klein, als er nach Kabul gegangen ist. Er ist nach Harbi Khonzai, das ist ein Militärgymnasium, gegangen.

VR: Beim BFA haben Sie davon gesprochen, dass er die Polizeiakademie besucht hat. Er selbst hat immer gesagt, dass er die Militärschule und die Militärakademie besucht hat und Sie sprechen heute auch von der Militärschule. Wieso ist beim BFA "Polizeiakademie" protokolliert worden?

BF: Ich habe beim BFA auch diese Schule Harbi Khonzai genannt. Wie es übersetzt wurde, weiß ich nicht.

D: "Nezami" wird für Polizisten und auch für die afghanische Nationalarmee verwendet.

VR: Schildern Sie mir den Grund für Ihre Auseise.

BF: Ich habe im Heimatdorf die Schule besucht, mein Bruder XXXX war dagegen und hat immer gesagt, dass ich die Schule verlassen soll und wieder eine Madrasa besuchen solle, die er für mich organisiert. Er hat mich und meinen jüngeren Bruder unter Druck gesetzt, dass ich die Schule verlassen soll. XXXX war in Kabul. Er hat uns beide nach Kabul gebracht, wir sind zur Tante mütterlicherseits gegangen. Er hat uns an der Schule angemeldet. Der jüngere Bruder, da er nicht gut behandelt wurde, hatte nicht so gute Beziehungen zur Schule, um etwas zu lernen. Er ist zu einem Mechaniker in die Lehre gegangen. Da mein Bruder in der Militärakademie war, wurde er vom älteren Bruder XXXX sehr schlecht behandelt, er konnte nicht mehr ins Heimatdorf. Danach hat er Afghanistan verlassen und ist nach Europa gekommen und wir blieben bei der Tante mütterlicherseits. Ich habe die Schule fertig gemacht (Gymnasium), dann bin ich zu einer Privatuni gegangen für zwei Jahre, geplant waren fünf Jahre. Ich habe keine Möglichkeit gehabt, die Schule fertig zu machen. Die Tante hat zu uns gesagt, dass wir gehen sollen, das Haus verlassen sollen. Ich hatte keine finanziellen Möglichkeiten, die Uni fertig zu machen. Ich habe keine andere Wahl gehabt, als zurück ins Heimatdorf zu gehen, ich habe meinen kleinen Bruder mitgenommen und wir sind zurückgekehrt. Wir waren ein paar Nächte dort und mein Bruder XXXX hat mitbekommen, dass wir im Dorf sind. Er ist zu uns gekommen und hat gesagt: "Ab jetzt, müsst Ihr beide die Madrasa besuchen" und er ist selbst ein Kommandant der Taliban und dass wir für die Taliban arbeiten sollen. Meine Mutter hat zu ihm mehrmals gesagt, dass er uns in Ruhe lassen soll, weil wir noch sehr klein sind, er hat nicht auf sie gehört und wir beide wurden von ihm geschlagen, ich sehr viel. Durch diese Schläge ist mein Arm auch gebrochen worden. Zwangsweise hat er uns ins Zentrum der Taliban gebracht. Ich habe dort sehr viele junge Männer gesehen. Am Anfang mussten wir dort Reinigungsarbeiten erledigen. Langsam haben wir dort die anderen Männer kennengelernt. Am Anfang haben wir gelernt, wie wir die Waffen reinigen sollen. Manchmal haben sie uns beigebracht, wie wir mit den Waffen schießen sollen. Er hat es uns versucht beizubringen, aber ich habe es nicht so gut gelernt. Wir waren 20 Nächte dort. Meine Mutter ist dann sehr stark zuckerkrank geworden. Ich habe sehr viel mit meinem Bruder gesprochen und habe ihn gebeten, dass er erlaubt, dass ich zu meiner Mutter fahren kann, damit ich sie zum Arzt bringen kann. Er war total dagegen, ich habe mich sehr bemüht, schlussendlich konnte ich nach Hause gehen, aber der jüngere Bruder nicht. Ich bin nach Hause gekommen und zwei Tage danach ist es zu einer Kampfhandlung gekommen zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung. Am nächsten Tag habe ich mitbekommen, dass mein Bruder bei den Kampfhandlungen ums Leben gekommen ist.

VR: Wo ist der Angriff gewesen? Was wurde angegriffen?

BF: Der Distrikt XXXX ist unter der Kontrolle der Polizei gewesen, die Taliban wollten XXXX unter ihre Kontrolle bringen. Der Distrikt XXXX wurde angegriffen, das Zentrum von XXXX Stadt wurde angegriffen.

VR: Wann war das ungefähr?

BF: Das war 1394 (= 2015), im zweiten Monat, glaube ich. Ich bin nicht sicher, ob es der zweite oder dritte Monat war. Ich glaube, es war der dritte Monat (= Mai/Juni).

VR: Sie haben gesagt, dass das Ereignis, als Ihr kleiner Bruder getötet wurde, eine große Operation war und dass es auf beiden Seiten viele Tote gegeben hat. Dann müsste es darüber Berichte in den Medien geben. Haben Sie Unterlagen? Auszüge aus dem Internet?

BF: Wie Sie selber wissen, die afghanischen Nachrichten schreiben über solche Sachen nicht, z.B. voriges Jahr wurde ein großer Kommandant auch dort getötet und darüber wurde nichts geschrieben und nichts gesagt. Nein, ich habe nichts. Dort sind die Kampfhandlungen jeden Tag, im Stadt Zentrum XXXX ist unter der Kontrolle der Regierung.

VR: Wie ging es weiter?

BF: Meine Mutter war total in Panik, es ging ihr sehr schlecht und sie hat gesagt, das sich aus Isarek flüchten soll, ich bin nach Kabul gegangen. Die Tante hat gewusst, dass mein Bruder XXXX mich zu den Taliban gebracht hatte, sie hat abgelehnt und gesagt, dass ich dort nicht übernachten darf. Sie hat gesagt, ich solle von ihr fern bleiben, sie wolle keine Probleme. Zwei Nächte war ich auf der Straße. Ich habe meinen Onkel mütterlicherseits angerufen, das ist der, bei dem meine Mutter lebt. Meine Mutter wurde informiert und sie ist nach Kabul gekommen. Mein Onkel hat schon einen Schlepper für mich organisiert, damit ich das Land verlassen kann und so habe ich auch das Land verlassen.

VR: Vor wem sind Sie geflohen?

BF: Ich hatte Probleme mit Mullah XXXX, ich wurde sehr schlecht behandelt, ich wurde geschlagen. Er wollte, dass ich unbedingt für ihn arbeite und er hat mich nicht in Ruhe gelassen.

RV: Haben Sie Informationen über XXXX? Wie ist die aktuelle Situation?

BF: Lt. meiner Mutter ist er noch immer bei den Taliban und ist weiter für sie aktiv.

RV: In der Hierarchie der Taliban, wo stehtXXXX?

BF: Er ist ein großer Kommandant.

RV: Was fürchtet er, wenn er zurück müsste?

BF: Mein Leben ist dort in Gefahr, er wird mich nicht in Ruhe lassen und er verlangt, dass ich mich den Taliban anschließen muss.

RV: Wie ist das für das ganze Staatsgebiet von Afghanistan? Was wäre, wenn Sie nach Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif gehen würden?

BF: Zuerst gibt es keine sichere Provinz in Afghanistan und egal wo ich lebe, er wird mich finden. Als ich im Camp der Taliban war, habe ich verstanden, dass diese sehr stark und gut vernetzt sind, wenn sie wollen, können sie auch einen Minister in Kabul entführen, im Vergleich zu einem Minister bin ich klein. Ich kann mich theoretisch verstecken, maximal ein Monat, danach hätte ich keine Chance mehr.

VR: Warum sollte Ihr Bruder so einen Aufwand betreiben und Sie überall suchen, wenn Sie für den Kampf unausgebildet sind. Sie habe kaum eine Funktion für die Taliban.

BF: Alle jungen Männer, die im Camp waren, haben keine richtige Ausbildung. Es ist nicht wie eine Armee.

VR: Das verstehe ich, aber warum sollte Ihr Bruder Sie im ganzen Staatsgebiet suchen, wenn Sie so ein "schlechter Kämpfer" wären?

BF: Ihm ist es egal, ob ich in diesem Bereich eine Ausbildung habe oder nicht. Er sagt, dass ich sein Bruder bin und ich das machen muss. Er hat immer wieder mit mir über den Jihad und das Paradies gesprochen, wenn er seine eigene Mutter nicht liebt, wie kann er mich lieben?

VR: Fragewiederholung.

BF: Ich glaube, es kann auch sein, dass ich, weil ich dort einige Zeit dort gelebt habe und auch einige Informationen habe, das kann vielleicht auch der Grund sein, warum er mich nicht in Ruhe lässt.

RV: Es geht aus meiner Sicht offensichtlich darum, dass XXXX auch gegenüber seinen Untergebenen das Gesicht wahren muss. Wenn sein jüngerer Bruder sich nach Belieben XXXX Befehlen widersetzen könnte, würde das die Autorität gegenüber den Mitstreitern XXXX untergraben. Das Nicht-Einhalten eines Taliban-Befehls des kleinen Bruders des Kommandanten zählt umso mehr als Verfehlung. Außerdem wäre es aus meiner Sicht für den XXXX kein so großer Aufwand, wie das Gericht meint, den BF zu suchen. Die Taliban sind in Afghanistan sehr gut vernetzt und würde der BF zwangsläufig versuchen, mit seiner Mutter oder Verwandten Kontakt aufzunehmen, würde dies XXXX bekannt werden, nachdem er Mitglied der Familie ist.

VR: Sie haben beim BFA gesagt, dass die Regierung Sie bei einer Rückkehr verhaften wird, warum?

BF: Die afghanische Regierung ist nicht so wie Österreich. Da ich einige Zeit bei den Taliban war, habe ich Angst, dass sie mich verhaften, dort würde mir keiner zuhören, dass ich kein Talib wäre. In Afghanistan funktioniert es anders als hier. Wenn ich hier eine Information an die Polizei weiterleite, wäre die Polizei froh, dort ist es umgekehrt. Da mein Bruder bei den Taliban ist, würden sie auch mich verdächtigen, dass ich bei den Taliban bin.

VR: Warum haben Sie nicht sofort nach den Angriff auf den Distrikt bei der Polizei Anzeige erstattet und gesagt, was sich dort abspielt und Informationen geliefert?

BF: Ich hatte Angst, dass sie mir nicht glauben.

VR: Wovor hatten Sie Angst?

BF: Ich hatte Angst, weil ich 20 Nächte dort war, mein Bruder ist ein Kommandant. Ich hatte Angst, dass sie mich verdächtigen.

VR: Wenn Sie selbst von sich aus hingehen und schildern, was sich in dem Lager abspielt sollten sie sich jedenfalls freuen.

BF: Das kann man nicht mit Österreich vergleichen, das funktioniert dort ganz anders.

VR: Sind Sie gesund?

BF: Ja.

VR: Haben Sie noch Verwandte in Afghanistan? Wo leben die Verwandten?

BF: Ich habe einen Onkel väterlicherseits und einen Onkel mütterlicherseits und meine Mutter im Heimatdorf.

VR: Stehen Sie mit Ihrer Familie in Kontakt?

BF: Nur mit meiner Mutter. Es geht ihr schlecht, sie ist krank. Sie hatte einen Herzinfarkt.

VR: Haben Sie Verwandte in Österreich?

BF: Meinen BruderXXXX.

BF wird das Verhandlungsprotokoll rückübersetzt.

VR: Ist die Übersetzung in Ordnung, oder wollen Sie etwas berichtigen?

BF: Die Übersetzung ist in Ordnung, ich möchte nichts berichtigen.

Zeuge Z wird aufgerufen:

Z wird gemäß §§ 49, 50 AVG und über die Folgen einer Falschaussage belehrt.

VR: Wissen Sie noch, was Sie in Ihrem Asylverfahren ausgesagt haben?

Z: Ja.

VR: Ich weise Sie darauf hin, dass im Fall von Widersprüchen zu Ihren Aussagen in Ihrem Asylverfahren diese einer Wertung unterzogen werden.

VR: Wann waren Sie mit Ihrer Familie in Pakistan? Welche Familienmitglieder waren mit?

Z: Ich weiß es nicht ganz genau, wann wir in Pakistan waren, ich und mein großer Bruder XXXX und meine Eltern.

VR: Warum waren Sie überhaupt in Pakistan?

Z: Mein Vater war Pilot, er hatte immer Probleme mit den Taliban. Mein Vater war Mitglied der afghanischen-demokratischen Partei und er ist gestorben und die Taliban hatten mit uns viele Probleme.

VR: Warum ist Ihr Bruder in Afghanistan zur Welt gekommen?

Z: Weil meine Mutter im Sommer immer wieder nach Afghanistan gekommen ist, mein Vater ist immer in Pakistan geblieben.

VR: Was ist mit Ihrem Vater passiert? Lebt er? Ist er verstorben? Wenn ja - wann?

Z: Er ist verstorben, er war in Pakistan und ich in Afghanistan.

VR: Wieso haben Sie in Ihrem Asylverfahren nicht gesagt, dass Ihr Vater verstorben ist?

Z: Habe ich schon. Das muss ein Missverständnis gewesen sein.

VR: Wo hat XXXX die Koranschule besucht?

Z: In Pakistan und in Nangarhar.

VR: Es war kein Problem, dass Ihre Mutter alleine ohne Ihren Vater nach Afghanistan reiste?

Z: Nein, mein Onkel ist gekommen und hat meine Mutter geholt, ich meine damit ihren Bruder, bei dem lebt sie jetzt auch.

Z wird entlassen.

BF verzichtet auf Rückübersetzung der Aussage des Z.

BF auf Deutsch ohne Rückübersetzung:

VR: Was machen Sie hier in Österreich?

BF: Jetzt mache ich Deutschkurse, später dann nach meinem Bescheid will ich die Universität besuchen. Ich will Pharmazie studieren.

VR: Wo leben Sie?

BF: In der Nähe von Salzburg.

VR: Sind Sie viel in Kontakt mit Ihrem Bruder?

BF: Ja, ich bin jeden Tag in Kontakt oder dreimal in der Woche, ich meine damit telefonisch. Wir treffen uns ca. einmal im Monat.

RV: Der BF besucht dzt. den B1-Kurs in Salzburg. Er spricht schon sehr gut Deutsch.

VR: Wenn Sie Pharmazie studieren wollen, brauchen Sie eine Zulassung zum Studium, d.h. Sie müssen Unterlagen aus Afghanistan vorlegen, dass Sie dort zum Studium berechtigt waren. Haben Sie ein Maturazeugnis?

BF: Ich habe bereits mein Maturazeugnis an der Uni in Salzburg vorgelegt, deswegen habe ich auch einen Studentenausweis der Universität Salzburg erhalten. Ich will dort studieren, es geht aber nicht, weil ich davor eine positive Entscheidung benötige, da ich in Oberösterreich lebe. Das Pharmaziestudium gibt es auch in Salzburg nicht und ich kann nicht einfach nach Innsbruck gehen und meine Unterkunft verlassen, sonst würde ich aus der Grundversorgung fallen.

RV: Der BF wird studieren, sobald sein Aufenthaltsrecht in Österreich geklärt ist.

VR: Haben Sie in Österreich Freunde?

BF: Ich habe viele Freunde in Österreich.

VR: Wen?

BF: Ich habe viele Freunde in einer kleinen Stadt in St. XXXX.

RV verweist auf die bereits vorgelegten Unterstützungen vom 25.01.2018 und 28.01.2018.

BF spricht sehr gut Deutsch.

VR: Möchten Sie noch etwas vorbringen, was Ihnen für Ihren Asylantrag wichtig erscheint und Sie noch nicht vorgebracht haben?

BF: Nein.

RV ersucht um Einräumung einer Frist von 14 Tagen zur Abgabe einer Stellungnahme.

VR: Haben Sie den Dolmetscher gut verstanden?

BF: Ja."

In seiner Stellungnahme wiederholte der Beschwerdeführer sein Vorbringen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die beschwerdeführende Partei den im Spruch genannten Namen, ist Staatsangehörige Afghanistans, gehört der paschtunischen Volksgruppe und dem muslimisch sunnitischen Glauben an, war im Heimatland zuletzt in XXXX in Jalalabad wohnhaft, reiste am 16.07.2015 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Dem Bruder des Beschwerdeführers, XXXX, wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.03.2015 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Folgender Sachverhalt wurde darin als entscheidungsrelevant festgestellt: Er besuchte drei Jahre die Militärakademie in Kabul, hat diese aber nicht abgeschlossen. Er hatte Probleme mit seinem Bruder XXXX, der mit den Taliban zusammenarbeitete. Dieser war gegen seinen Besuch der Militärakademie und forderte ihn mehrmals dazu auf, seine Ausbildung abzubrechen. In weiterer Folge ging XXXX zu den Taliban und führte eine Gruppe. Er setzte die Eltern unter Druck, um den Bruder des Beschwerdeführers dazu zu bringen, seine Ausbildung abzubrechen.

XXXX beabsichtigte das Wissen des XXXX - welches er an der Militärakademie erworben hat - für die Taliban zu nutzen, weshalb

XXXX aus Afghanistan floh.

Der Beschwerdeführer besuchte neun Jahre die Schule und studierte in Kabul an einer privaten Universität Pharmazie. Mangels finanzieller Mittel musste er das Studium abbrechen und kehrte in seinen Heimatort zurück.

XXXX, jetzt ein Kommandant der Taliban, hat ihn und seinen kleinen Bruder aufgefordert für die Taliban zu arbeiten. Er misshandelte den Beschwerdeführer und zwang ihn und dessen kleinen Bruder ins Zentrum der Taliban, wo sie zu Beginn lernten Waffen zu reinigen. In weiterer Folge wurde gelegentlich versucht ihnen das Schießen beizubringen.

Die Brüder verbrachten 20 Nächte dort. Aufgrund einer Erkrankung der Mutter gestattete XXXX dem Beschwerdeführer diese zu besuchen, damit er sie zum Arzt bringen kann. Der kleine Bruder durfte nicht mit nach Hause zurückkehren. Nach zwei Tagen kam es zu einer Kampfhandlung zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung, bei der der kleine Bruder ums Leben gekommen ist.

Der Beschwerdeführer floh nach Kabul, wo ihm seine Familie (Tante) die Unterstützung verweigerte, da diese von seinem Aufenthalt im Talibancamp wusste, und deswegen keine Probleme wollte.

In weiterer Folge verließ er Afghanistan.

Im Falle der Rückkehr nach Afghanistan besteht aktuell die Gefahr - aufgrund des Netzwerkes der Taliban und der Position des XXXX, dessen Autorität vom Beschwerdeführer durch sein Verhalten untergraben wurde - dass der Beschwerdeführer durch die Taliban entführt und getötet wird.

Zu Afghanistan:

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Neuste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 30.01.2018: Angriffe in Kabul (betrifft: Abschnitt 2 Sicherheitslage)

Landesweit haben in den letzten Monaten Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (The Guardian; vgl. BBC 29.1.2018). Die Gewalt Aufständischer gegen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen hat in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban erhöhen ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (Asia Pacific 30.1.2018).

Im Stadtzentrum und im Diplomatenviertel wurden Dutzende Hindernisse, Kontrollpunkte und Sicherheitskameras errichtet. Lastwagen, die nach Kabul fahren, werden von Sicherheitskräften, Spürhunden und weiteren Scannern kontrolliert, um sicherzustellen, dass keine Sprengstoffe, Raketen oder Sprengstoffwesten transportiert werden. Die zeitaufwändigen Kontrollen führen zu langen Wartezeiten; sollten die korrekten Papiere nicht mitgeführt werden, so werden sie zum Umkehren gezwungen. Ebenso werden die Passagiere in Autos von der Polizei kontrolliert (Asia Pacific 30.1.2018).

Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie 29.1.2019

Am Montag den 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

Quellen zufolge operiert der IS in den Bergen der östlichen Provinz Nangarhar (The Guardian 29.1.2018); die Provinzhauptstadt Jalalabad wird als eine Festung des IS erachtet, dessen Kämpfer seit 2015 dort aktiv sind (BBC 24.1.2018). Nachdem der IS in Ostafghanistan unter anhaltenden militärischen Druck gekommen war, hatte dieser immer mehr Angriffe in den Städten für sich beansprucht. Nationale und Internationale Expert/innen sehen die Angriffe in den Städten als Überlappung zwischen dem IS und dem Haqqani-Netzwerk (einem extremen Arm der Taliban) (NYT 28.1.2018).

Angriff im Regierungs- und Diplomatenviertel in Kabul am 27.1.2018

Bei einem der schwersten Angriffe der letzten Monate tötete am Samstag den 27.1.2018 ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 28.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (The Guardian 27.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Der Vorfall ereignete sich im Regierungs- und Diplomatenviertel und wird als einer der schwersten seit dem Angriff vom Mai 2017 betrachtet, bei dem eine Bombe in der Nähe der deutschen Botschaft explodiert war und 150 Menschen getötet hatte (Reuters 28.1.2018).

Die Taliban verlautbarten in einer Aussendung, der jüngste Angriff sei eine Nachricht an den US-amerikanischen Präsidenten, der im letzten Jahr mehr Truppen nach Afghanistan entsendete und Luftangriffe sowie andere Hilfestellungen an die afghanischen Sicherheitskräfte verstärkte (Reuters 28.1.2018).

Angriff auf die NGO Save the Children am 24.1.2018

Am Morgen des 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden dabei getötet und zwölf weitere verletzt. Zum Zeitpunkt des Angriffs befanden sich 50 Mitarbeiter/innen im Gebäude. Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018).

Der jüngste Angriff auf eine ausländische Hilfseinrichtung in Afghanistan unterstreicht die wachsende Gefahr, denen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in Afghanistan ausgesetzt sind (The Guardian 24.1.2018).

Das Gelände der NGO Save the Children befindet sich in jener Gegend von Jalalabad, in der sich auch andere Hilfsorganisationen sowie Regierungsgebäude befinden (BBC 24.1.2018). In einer Aussendung des IS werden die Autobombe und drei weitere Angriffe auf Institutionen der britischen, schwedischen und afghanischen Regierungen (Reuters 24.1.2018).

Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul am 20.1.2018

Der Angriff bewaffneter Männer auf das Luxushotel Intercontinental in Kabul, wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018).Fünf bewaffnete Männer mit Sprengstoffwesten hatten sich Zutritt zu dem Hotel verschafft (DW 21.1.2018). Die exakte Opferzahl ist unklar. Einem Regierungssprecher zufolge sollen 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet worden sein. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden(BBC 21.1.2018). Alle Fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

Wie die Angreifer die Sicherheitsvorkehrungen durchbrechen konnten, ist Teil von Untersuchungen. Erst seit zwei Wochen ist eine private Firma für die Sicherheit des Hotels verantwortlich. Das Intercontinental in Kabul ist trotz des Namens nicht Teil der weltweiten Hotelkette, sondern im Besitz der afghanischen Regierung. In diesem Hotel werden oftmals Hochzeiten, Konferenzen und politische Zusammentreffen abgehalten (BBC 21.1.2018).

Zum Zeitpunkt des Angriffes war eine IT-Konferenz im Gange, an der mehr als 100 IT-Manager und Ingenieure teilgenommen hatten (Reuters 20.1.2018; vgl. NYT 21.1.2018).

Insgesamt handelte es sich um den zweiten Angriff auf das Hotel in den letzten acht Jahren (NYT 21.1.2018). Zu dem Angriff im Jahr 2011 hatten sich ebenso die Taliban bekannt (Reuters 20.1.2018).

Unter den Opfern waren ausländische Mitarbeiter/innen der afghanischen Fluggesellschaft Kam Air, u.a. aus Kirgisistan, Griechenland (DW 21.1.2018), der Ukraine und Venezuela. Die Fluglinie verbindet jene Gegenden Afghanistans, die auf dem Straßenweg schwer erreichbar sind (NYT 29.1.2018).

Quellen:

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Asia Pacific (30.1.2018): Taliban and IS create perfect storm of bloodshed in Kabul,

https://www.channelnewsasia.com/news/asiapacific/taliban-and-is-create-perfect-storm-of-bloodshed-in-kabul-9909494, Zugriff 30.1.2018

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BBC (29.1.2018): Kabul military base hit by explosions and gunfire, http://www.bbc.com/news/world-asia-42855374, Zugriff 29.1.2018

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-BBC (24.1.2018): Save the Children offices attacked in Jalalabad, Afghanistan, http://www.bbc.com/news/world-asia-42800271, Zugriff 29.1.2018

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BBC (21.1.2018): Kabul: Afghan forces end Intercontinental Hotel siege, http://www.bbc.com/news/world-asia-42763517, Zugriff 29.1.2018

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DW - Deutsche Welle (21.1.2018): Taliban militants claim responsibility for attack on Kabul hotel, http://www.dw.com/en/taliban-militants-claim-responsibility-for-attack-on-kabul-hotel/a-42238097, Zugriff 29.1.2018

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NYT - The New York Times (28.1.2018): Attack Near Kabul Military Academy Kills 11 Afghan Soldiers, https://www.nytimes.com/2018/01/28/world/asia/kabul-attack-afghanistan.html, Zugriff 29.1.2018

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NYT - The New York Times (21.1.2018): Siege at Kabul Hotel Caps a Violent 24 Hours in Afghanistan,

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Reuters (28.1.2018): Shock gives way to despair in Kabul after ambulance bomb,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-blast/shock-gives-way-to-despair-in-kabul-after-ambulance-bomb-idUSKBN1FG086, Zugriff 29.1.2018

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Reuters (24.1.2018): Islamic State claims attack on Jalalabad in Afghanistan,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-blast-claim/islamic-state-claims-attack-on-jalalabad-in-afghanistan-idUSKBN1FD1HC, Zugriff 29.1.2018

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Reuters (20.1.2018): Heavy casualties after overnight battle at Kabul hotel,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-attacks/heavy-casualties-after-overnight-battle-at-kabul-hotel-idUSKBN1F90W9, Zugriff 29.1.2018

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The Guardian (29.1.2018): Afghanistan: gunmen attack army post at Kabul military academy,

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/29/explosions-kabul-military-academy-afghanistan, Zugriff 29.1.2018

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The Guardian (28.1.2018): 'We have no security': Kabul reels from deadly ambulance bombing,

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/28/afghanistan-kabul-reels-bomb-attack-ambulance, Zugriff 29.1.2018

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The Guardian (27.1.2018): Kabul: bomb hidden in ambulance kills dozens,

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/27/scores-of-people-wounded-and-several-killed-in-kabul-blast, Zugriff 29.1.2018

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The Guardian (24.1.2018): Isis claims attack on Save the Children office in Afghanistan,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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