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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Kurt Krist in Unterkirchbach, vertreten durch Dr. Günther Sulan, Rechtsanwalt in Wien I, Biberstraße 10, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 27. März 1996, Zl. R/1-V-95234, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Gloria Smid, 2. Manfred Smid, beide in Unterkirchbach, beide vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in St. Pölten, Herrengasse 2), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm einer Vorstellung der Erst- und des Zweitmitbeteiligten gegen den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde St. Andrä-Wördern vom 21. November 1995 insoferne Folge gegeben wurde, als auch der den erstinstanzlichen Bescheid vom 21. Mai 1973 bestätigende Ausspruch im Berufungsbescheid aufgehoben wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer gehört das Grundstück Nr. 6/1, Unterkirchbacherstraße 4, in Kirchbach. Schon seine Rechtsvorgänger haben dieses Grundstück als Betriebsgrundstück für das dort ausgeübte Transportgewerbe benützt; aktenkundig ist etwa eine Baubewilligung für eine LKW-Garage aus 1962. Das Grundstück weist an der Unterkirchbacherstraße eine Länge von rund 115 m auf. Hier gegenständlich ist hauptsächlich ein Garagengebäude im nördlichen Grundstücksteil; dem südlichen Bereich, auf eine Länge von etwa 35 m bis zur südlichen Grundstücksgrenze, liegt das Grundstück der mitbeteiligten Nachbarn an der Unterkirchbacherstraße gegenüber. Die kürzeste Entfernung zwischen dem Garagengebäude und dem Grundstück der Beschwerdeführer beträgt etwa 48 m.
Auf dem Baugrundstück befindet sich weiters ein Einfamilienhaus, welches Gegenstand der Baubewilligung vom 21. Mai 1973 war.
Gegenstand der Baubewilligung vom 17. April 1974 war die Erweiterung des schon bisher vorhandenen Garagengebäudes für 2 LKW dahingehend, dass nunmehr auch ein dritter LKW abgestellt werden konnte und ein Gebäude mit den äußeren Umrissen von 17,5 m x 12 m entstand.
Gegenstand der Baubewilligung vom 20. September 1979 war ein Zubau in der Größe von 7,0 m x 11,0 m als weitere LKW-Garage und ein als Lagerschuppen zu verwendender Gebäudeteil mit der Grundfläche von 5,50 m x 7,00 m. Zu keiner Bauverhandlung, auf Grund derer die drei genannten Bewilligungen erteilt wurden, waren die Erstmitbeteiligte und der Rechtsvorgänger des Zweitmitbeteiligten, der am 24. September 1981 Miteigentümer wurde, geladen.
Nachdem den mitbeteiligten Nachbarn antragsgemäß die drei Bescheide zugestellt worden waren, erhoben sie mit Schreiben vom 22. August 1995 gegen diese drei Bescheide Berufung. Hinsichtlich des Bescheides vom 21. Mai 1973 brachten sie im Wesentlichen vor, dass die grundsteuerrechtliche Verrechnung hinsichtlich dieses Einfamilienhauses unrichtig gewesen sei und ersuchten, dies zu überprüfen.
Hinsichtlich des Bescheides vom 17. April 1994 brachten sie in der Berufung vor, dass die Anrainer, die den Immissionen durch diese Erweiterung ausgesetzt seien, von der Verhandlung nicht verständigt worden seien.
Zur Baubewilligung vom 20. September 1979 erklärten sie, dass auch in diesem Falle zur Bauverhandlung keine Anrainer geladen worden wären und das Gebäude erst 1983 errichtet worden sei. Beschrieben wurden die Belästigungen, denen insbesondere die Eigentümerin der unmittelbar gegenüberliegenden Liegenschaft ausgesetzt sei. Auch zu einer Gewerbeverhandlung im Jahre 1980 seien die Anrainer nicht geladen worden.
Ohne Zuordnung zu einem bestimmten Bescheid wurde in der Berufung allgemein geltend gemacht, dass durch die Größe des Fuhrparkkontingentes, mitten im Ortszentrum, ein Widerspruch zur Flächenwidmung ("Kernland") gegeben sei und die betriebliche Umsetzung sich weit über das zumutbare Maß zeige.
Mit Bescheid des Gemeinderates vom 21. November 1995 wurde der Berufung gegen alle drei Bescheide nicht stattgegeben. Hinsichtlich des Bescheides vom 21. Mai 1973 begründete die Berufungsbehörde die Abweisung damit, dass grundsteuerliche Angelegenheiten nicht von der Baubehörde zu behandeln seien. Hinsichtlich des Bescheides vom 17. April 1974 wurde auf das oben genannte Vorbringen in der Berufung nicht eingegangen und hinsichtlich des Bescheides vom 20. September 1979 wurde ausgeführt, dass der Schutz einer anderen Liegenschaft keine Angelegenheit der mitbeteiligten Nachbarn sei.
In ihrer dagegen erhobenen Vorstellung gingen die Mitbeteiligten nur mehr auf die Bescheide vom 17. April 1974 und vom 20. September 1979 ein. Sie machten Lärm- und Geruchsbelästigungen hinsichtlich ihres Grundstückes geltend, weiters, dass eine Übereinstimmung mit der vorliegenden Flächenwidmung "Kernland" nicht gegeben sei. Sie verwiesen darauf, dass ein Betriebstypengutachten nicht eingeholt worden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde in Stattgebung der Vorstellung der Mitbeteiligten den Berufungsbescheid des Gemeinderates auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat. Die Berufungen gegen die in den Jahren 1973, 1974 und 1979 erlassenen Baubewilligungsbescheide seien an Hand der NÖ BauO 1976, LGBl. Nr. 8200-0, zu behandeln, weil das zuletzt genannte Gesetz die am 31. Dezember 1969 in Kraft getretene NÖ BauO unverändert wiederverlautbart habe. Danach seien als Anrainer nicht nur die unmittelbaren Anrainer, sondern die Nachbarn schlechthin zu sehen; Nachbarschaft gehe soweit, als die schädlichen Einflüsse wirken könnten. Nach § 118 Abs. 8 NÖ BauO 1976 würden alle Grundstückseigentümer als Anrainer Parteistellung genießen, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt würden, also verletzt werden könnten. Daher hätten die Mitbeteiligten als Anrainer zu den Bauverhandlungen geladen werden müssen.
Die Vorstellungsbehörde räumte ein, dass hinsichtlich der Baubewilligung vom 21. Mai 1973 der Gemeinderat die Berufung zu Recht als unbegründet abgewiesen habe. Betreffend den Bescheid vom 17. April 1974 hätten die mitbeteiligten Nachbarn in ihrer Berufung Immissionseinwände gegen die LKW-Garage erhoben, welche von der Berufungsbehörde nicht behandelt worden seien. Mit diesem Vorbringen müsse sich die Berufungsbehörde aber auseinander setzen. Insbesondere müsse ein Betriebstypengutachten eingeholt werden, wobei es auf die damalige Festlegung des Grundstückes im Flächenwidmungsplan ankomme. Aber auch betreffend den Bescheid aus 1979 hätte sich die Berufungsbehörde mit dem Einwand, wonach durch die Größe des Fuhrparkkontingentes, mitten im Ortszentrum, ein Widerspruch zur Flächenwidmung Kernland gegeben sei, auseinander setzen müssen.
In seiner dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer insofern in seinen Rechten verletzt, als drei ordnungsgemäß abgewickelte rechtskräftig entschiedene Baubewilligungsverfahren neu durchgeführt werden sollten. Der Beschwerdeführer begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligten Nachbarn, eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Gemeinderat hatte bei Behandlung der Berufung in seiner Entscheidung vom 21. November 1995 von § 121 Abs. 1 NÖ BauO 1976, LGBl. 8200-1, auszugehen. Nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung waren Rechtsmittel übergangener Nachbarn nach den zur Zeit der angefochtenen Entscheidung gültigen Bestimmungen zu behandeln. Dies bedeutete im Hinblick auf den Bescheid vom 21. Mai 1973 den Verweis auf die NÖ BauO vom 13. Dezember 1968, LGBl. Nr. 166/1969, hinsichtlich der beiden anderen Bescheide auf die NÖ BauO 1976, LGBl. 8200-0 (BO).
Nach § 118 Abs. 8 Satz 1 BO (wie LGBl. Nr. 166/1969), genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG 1950, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden.
Dass "Anrainer" nicht nur die Eigentümer einer unmittelbar benachbarten Liegenschaft sind, sondern insbesondere auch eine Verkehrsfläche dazwischen liegen kann, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe die Nachweise bei Hauer-Zaussinger, NÖ BauO4, 453 ff). Entscheidend ist allein, dass sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden, dass sie also in ihren Rechten verletzt werden können (siehe insbesondere das bei Hauer-Zaussinger a.a.O., 453, unter Nr. 24 wiedergegebene hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1978, Slg. Nr. 9.485/A).
§ 118 Abs. 9 BO bestimmt, dass subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet werden, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über
1.
den Brandschutz;
2.
den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können;
3. die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;
4. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.
Gemäß § 62 Abs. 2 BO sind für Baulichkeiten, die nach Größe, Lage und Verwendungszweck erhöhten Anforderungen nach Festigkeit, Brandschutz, Sicherheit und Gesundheit entsprechen müssen oder die Belästigungen der Nachbarn erwarten lassen, welche das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen, die zur Abwehr dieser Gefahren oder Belästigungen nötigen Vorkehrungen zu treffen; diese Auflagen haben sich insbesondere auf Größe und Ausstattung der Stiegen, Gänge, Ausfahrten, Ausgänge, Türen und Fenster, besondere Konstruktionen der Wände und Decken, die Errichtung von Brandwänden sowie das Anbringen von Feuerlösch- und Feuermeldeanlagen zu beziehen.
Aus § 62 Abs. 2 in Verbindung mit § 118 Abs. 8 und 9 erwächst dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht auf Schutz vor den im § 62 Abs. 2 genannten Belästigungen. Das hier weiters geltend gemachte Recht auf Einhaltung einer einzelnen Widmungskategorie des Flächenwidmungsplanes ist dann gegeben, wenn die bestimmte Widmungskategorie auch einen Immissionsschutz Gewähr leistet (hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1993, Zl. 92/05/0208). Schon § 13 NÖ ROG, LGBl. Nr. 275/1968 (ebenso in der Fassung der Wiederverlautbarung als NÖ Raumordnungsgesetz 1974, LGBl. 8000-0), sah für das hier vorliegende Kerngebiet vor, dass dort nur solche Gebäude errichtet werden dürfen, zu deren Nutzung aller Voraussicht nach das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß an Beeinträchtigung der Umgebung nicht überschritten werde; das am 1. Jänner 1977 in Kraft getretene NÖ ROG, LGBl. 8000-0, bestimmte in seinem § 16 Abs. 1 Z. 2 hinsichtlich des Kerngebietes, dass nur solche Betriebe zulässig sind, die keine, das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können. Wegen des so Gewähr leisteten Immissionsschutzes kann sich ein Nachbar somit auf die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan berufen.
Dass die von dem jeweiligen Vorhaben rund 48 m entfernten Nachbarn durch Immissionen, die sich aus dem bestimmungsgemäßen Betrieb der LKW-Garage ergeben, nicht berührt werden könnten, lässt sich allein bei Beurteilung der Nachbarstellung noch nicht sagen. Das Gesetz (§ 121 Abs. 1 zweiter Satz BO) erlaubt auch nicht, wie der Beschwerdeführer meint, bei übergangenen Nachbarn eine andere Betrachtungsweise anzustellen, weil ja schon Erfahrungswerte vorlägen.
Hier haben die mitbeteiligten Nachbarn in der Berufung und somit rechtzeitig (siehe Hauer, Der Nachbar im Baurecht5, 336) hinsichtlich der Baubewilligungen aus 1974 und aus 1979 konkrete Einwendungen bezüglich der Immissionsbeeinträchtigungen und der Nichtübereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan erhoben. Diese Einwendungen hatte der Gemeinderat sachlich zu behandeln; da er dies unterließ, hat die belangte Behörde zu Recht den Berufungsbescheid aufgehoben.
Ohne Belang ist der Umstand, dass der Zweitmitbeteiligte erst 1981 Grundstückseigentümer wurde; er trat ja in die Rechtsstellung des Voreigentümers ein, wobei auch der Voreigentümer zu den Bauverhandlungen nicht geladen worden war.
Hinsichtlich des Bescheides vom 21. Mai 1973 bestand zwar gleichfalls eine Parteistellung der mitbeteiligten Nachbarn, sie haben jedoch keine tauglichen Einwendungen in ihrer Berufung erhoben, sodass ihrer Berufung zu Recht nicht statt gegeben worden war. Die belangte Behörde hatte daher die Rechtskraft der Baubewilligung hinsichtlich des Einfamilienhauses zu beachten und griff durch eine Aufhebung des Berufungsbescheides in Rechte des Beschwerdeführers ein, obwohl eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte gar nicht geltend gemacht wurde. Insofern war der Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 26. April 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1996050151.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
08.08.2009