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50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1994 §13 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber , Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Breunlich, über die Beschwerde des S in R, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 27. Jänner 2000, Zl. IIa-53.001/1-00, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Nach dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides hat der Landeshauptmannes von Tirol mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid vom 27. Jänner 2000 dem Beschwerdeführer die Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes "Betrieb einer Tankstelle (Verkauf von Betriebsstoffen an Kraftfahrer in Betrieb von Zapfstellen) gemäß § 103 Abs. 1 lit. c Z. 4 GewO 1973" an einem näher bezeichneten Standort gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 iVm § 13 Abs. 1 GewO 1994 entzogen. Zur Begründung führte der Landeshauptmann im Wesentlichen aus, es stehe unbestritten fest, dass der Beschwerdeführer auf Grund der Verurteilung durch das Landesgericht Innsbruck vom 7. Oktober 1997 wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 240 Tagessätzen zu je S 70,-- verurteilt worden sei. Auf Grund der Berufung der Staatsanwaltschaft Innsbruck sei mit Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 4. Februar 1998 die Höhe des Tagessatzes auf S 250,-- angehoben worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit drei seiner Landsleute in der von ihm gepachteten Tankstelle, sohin bei Ausübung des Gewerbes, dem verbotenen Glücksspiel nachgegangen sei. Deshalb sei gegen ihn, wie auch gegen seine drei Kollegen, eine Strafverfügung des Bezirksgerichtes Innsbruck mit Datum vom 3. Oktober 1996 ergangen, in der er wegen des Vergehens des Glücksspiels nach § 168 Abs. 1
StGB zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 50 Tagessätzen zu je S 320,--, insgesamt sohin S 16.000,-- unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe diese Strafverfügung in Rechtskraft erwachsen lassen, während einer seiner Kollegen gegen die ihn betreffende Strafverfügung fristgerecht Einspruch erhoben habe. So sei es am 11. März 1997 vor dem Bezirksgericht Innsbruck zu einer Verhandlung gekommen, in der der Beschwerdeführer nach vorheriger Belehrung im Sinne des § 165 StPO und nach ausdrücklichem Verzicht auf das ihn gemäß § 152 Abs. 2 Z. 1 StPO zugestandene Entschlagungsrecht als Zeuge zur Sache vernommen worden sei. Im Rahmen dieser zeugenschaftlichen Einvernahme habe der Beschwerdeführer Angaben gemacht, die, wie im Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 7. Oktober 1999 festgestellt worden sei, in subjektiver und objektiver Hinsicht nicht der Wahrheit entsprachen. Der Gewerbebehörde sei es nicht verwehrt, bei Beurteilung der nach § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 anzustellenden Zukunftsprognose auf strafgerichtliche Verurteilungen Bedacht zu nehmen, die vor der Erteilung der nunmehr zu entziehenden Gewerbeberechtigung erfolgt seien. Es sei daher bei der Beurteilung der Persönlichkeit des Beschwerdeführers eine Bedachtnahme auf die strafgerichtliche Verurteilung nach § 168 Abs. 2 StGB zulässig. Wegen des Verhaltens des Beschwerdeführers, der bei Ausübung des Gewerbes dem verbotenen Glücksspiel nachgegangen sei und der in diesem Zusammenhang auch noch eine falsche Beweisaussage vor Gericht zu verantworten habe, welche das Tatbestandsmerkmal des § 13 Abs. 1 GewO 1994 erfülle, sei nach Ansicht der Berufungsbehörde die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei weiterer Gewerbeausübung zu befürchten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Ausübung der in Rede stehenden Gewerbeberechtigung verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes bringt er im Wesentlichen vor, die Verurteilung durch das Oberlandesgericht Innsbruck vom 4. Februar 1998 erfülle zwar wegen des Ausmaßes der verhängten Strafe die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 GewO 1994, sie könne jedoch alleine den Entzug der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 nicht rechtfertigen, weil als weiteres Tatbestandselement die Eigenart dieser (und keiner anderen) strafbaren Handlung und die Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen strafbaren Handlung bei Ausübung des Gewerbes befürchten lassen müsse, um die Entziehung der Gewerbeberechtigung nach § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 zu rechtfertigen. Unter dem Gesichtspunkt der Eigenart der strafbaren Handlung sei ihre Eignung, im Zusammenhang mit der Gewerbeausübung begangen zu werden, maßgeblich. Diese Eignung sei hier nicht gegeben, weil eine falsche Beweisaussage vor Gericht als Delikt gegen die Rechtspflege niemals bei Ausübung des Gewerbes begangen werden könne. Auch die Begehung ähnlicher Delikte sei bei Ausübung des fraglichen Gewerbes schlicht denkunmöglich. Zur Beurteilung der Persönlichkeit des Beschwerdeführers beziehe sich die belangte Behörde außer der erwähnten Strafverfügung auf keinerlei Fakten, aus denen sich diese Persönlichkeit beurteilen ließe. Die belangte Behörde habe es auch unterlassen, diesbezügliche Nachforschungen anzustellen, die dazu notwendig gewesen wären. Unbeachtlich sei in diesem Zusammenhang, dass der Beschwerdeführer mit drei seiner Landsleute in der von ihm gepachteten Tankstelle dem verbotenen Glücksspiel nachgegangen sei. Der Umstand, der zur gegenständlichen Verurteilung geführt habe, liege nämlich bei genauer Betrachtung der Sachlage nur darin, dass der Beschwerdeführer aus falsch verstandener Freundschaft vor Gericht falsche Angaben gemacht habe, deren Folgen abzuschätzen er zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage gewesen sei. Dies lasse aber den Schluss nicht zu, die Persönlichkeit des Beschwerdeführers lasse weitere Straftaten (gegen die Rechtspflege) bei Ausübung des Gewerbes befürchten. Die Begründung des angefochtenen Bescheides lasse auch jegliche Ausführungen dazu vermissen, inwiefern nach der Eigenart der begangenen strafbaren Handlung der falschen Beweisaussage vor Gericht die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat gegen das durch § 288 Abs. 1 StGB geschützte Rechtsgut (Rechtspflege) bei (im Zuge der) Ausübung des Gewerbes zu befürchten sein solle. Es sei geradezu denkunmöglich, die gleiche oder eine ähnliche Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu begehen. Diese Beurteilung habe sich nämlich ausschließlich auf jene strafbare Handlung zu beziehen, die die Ausschlussgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 GewO 1994 erfülle. Die Begehung einer strafbaren Handlung gegen die Rechtspflege sei aber im Zuge der Ausübung des Tankstellenbetriebes absolut denkunmöglich. Es sei offensichtlich, dass die belangte Behörde ihre Entscheidung, dem Beschwerdeführer die Gewerbeberechtigung zu entziehen, lediglich auf die Verurteilung wegen § 168 Abs. 2 StGB gestützt habe, die aber deswegen nicht greife, weil sie das erste Tatbestandsmerkmal der angewendeten Norm nicht erfülle. Die Begründung des angefochtenen Bescheides lasse jegliche Erläuterung dazu vermissen, wie ein Delikt gegen die Rechtspflege bei Ausübung des fraglichen Gewerbes begangen werden könne. Dem angefochtenen Bescheid mangle es auch an jeglicher Verhältnismäßigkeit. Auch unterhalb der Stufe der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte kämen die Verwaltungsbehörden nicht umhin, ihre Entscheidungen am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen, mögen sie auch ausländische Staatsbürger betreffen. Insbesondere sei das dem Gleichheitsgrundsatz, der ja auch auf Ausländer untereinander Anwendung finde, inhärente Willkürverbot zu beachten. Die Ehegattin des Beschwerdeführers sei in dessen Tankstellenbetrieb angestellt und beziehe dort ein monatliches Nettoeinkommen von S 10.000,--. Der Entzug der Gewerbeberechtigung bedeute den Verlust ihrer Arbeitsstelle. Zudem sei der Beschwerdeführer sorgepflichtig für zwei minderjährige Kinder, wobei die Tochter die 4. Klasse eines Gymnasiums besuche und in Kürze die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten werde. Der minderjährige Sohn sei 15 Jahre alt und derzeit auf Lehrstellensuche. Der Entzug der Gewerbeberechtigung stelle eine Existenzbedrohung für die gesamte Familie dar. Insbesondere sei zu befürchten, dass die Familie gezwungen wäre, nach Jugoslawien zurück zu kehren, was nicht zuletzt für die beiden minderjährigen Kinder, deren Lebensmittelpunkt Österreich sei, eine menschliche Tragödie wäre. Nun stünden die existenzbedrohenden Auswirkungen, die der Entzug der Gewerbeberechtigung auf den Beschwerdeführer und dessen Familie habe, in keinerlei Verhältnis zu den zu ihrer Begründung vorgebrachten Tatsachen. Ein allenfalls bestehendes öffentliches Interesse an der Anwendung des § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994, eine Eignung der getroffenen Maßnahme, dieses als gelindestes Mittel zu erreichen, und insbesondere eine angemessene Relation zwischen einem allfälligen öffentlichen Interesse und der durch die Maßnahme verkürzten Rechtsposition des Beschwerdeführers, dem immerhin die Grundlage seiner wirtschaftlichen Existenz und jene seiner gesamten Familie durch den Eingriff entzogen werde, sei nicht erkennbar. Unter diesem Gesichtspunkt scheine der Entzug der Gewerbeberechtigung mit sofortiger Wirkung im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als unbillig und überzogen. Die angefochtene Entscheidung lasse insgesamt jegliches Augenmaß vermissen.
Gemäß § 13 Abs. 1 GewO 1994 ist von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wer von einem Gericht zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt worden ist, wenn die Verurteilung weder getilgt ist noch der Beschränkung der Auskunft aus dem Strafregister (§ 6 des Tilgungsgesetzes 1972 in der jeweils geltenden Fassung) unterliegt.
Nach § 87 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn auf den Gewerbeinhaber die Auschlussgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht das Vorliegen des in der Verurteilung durch das Oberlandesgericht Innsbruck vom 4. Februar 1998 bestehenden Ausschlussgrundes gemäß § 13 Abs. 1 GewO 1994, er bekämpft aber die Annahme der belangten Behörde, es sei das weitere Tatbestandselement des § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994, nämlich die in der Eigenart der strafbaren Handlung und der Persönlichkeit des Verurteilten begründete Befürchtung der Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes, gegeben.
Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Unterlassung weiterer Ermittlungen zu seinem Persönlichkeitsbild durch die belangte Behörde rügt, ist er auf die Bestimmung des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG zu verweisen, wonach nicht jede Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof zu führen hat, sondern nur eine solche, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Ist diese Relevanz des behaupteten Verfahrensverstoßes nicht offenkundig, ist es Sache des Beschwerdeführers, jene entscheidenden Tatsachen in der Beschwerde bekannt zu geben, die der Behörde wegen des behaupteten Verfahrensmangels unbekannt geblieben sind (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren2 I, § 45 AVG E 536, zitierte hg. Judikatur). Diesem Erfordernis kommt die vorliegende Beschwerde nicht nach, weil darin nicht dargestellt wird, zu welchen weiteren Sachverhaltsfeststellungen die belangte Behörde gekommen wäre, hätte sie die vom Beschwerdeführer vermissten Ermittlungen durchgeführt.
Ausgehend von den von der belangten Behörde in einer nicht als rechtswidrig zu erkennenden Weise getroffenen Sachverhaltsfeststellungen vermag der Verwaltungsgerichtshof zunächst nicht der Ansicht des Beschwerdeführers zu folgen, die in Rede stehende Verurteilung durch das Oberlandesgericht Innsbruck betreffe eine Straftat, deren Begehung bei Ausübung des nunmehr entzogenen Gewerbes denkunmöglich sei. Das Gegenteil ergibt sich vielmehr aus der Eigenart der konkreten Straftat, die zweifellos in einem Zusammenhang mit der Gewerbeausübung durch den Beschwerdeführer steht, ging es dabei doch darum, durch eine falsche Beweisaussage einen Komplizen vor einer gerichtlichen Verurteilung wegen einer im Zusammenhang mit der Ausübung des Gewerbes begangenen Straftat zu bewahren.
Darüber hinaus lagen weder der belangten Behörde Ermittlungsergebnisse vor, die die in der (durch die fragliche Straftat manifestierten) Persönlichkeit des Beschwerdeführers begründete Befürchtung der Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zerstreuen könnten. Auch in der Beschwerde wurde nichts Derartiges vorgebracht.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher in der Rechtsansicht der belangten Behörde, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 seien im vorliegenden Fall erfüllt, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken.
Da von diesem Tatbestand eine mit der Entziehung der Gewerbeberechtigung verbundene allfällige Existenzgefährdung des Gewerbetreibenden nicht umfasst ist, vermag der Beschwerdeführer mit dem diesbezüglichen Vorbringen - auch nicht unter dem Gesichtspunkt mangelnder Verhältnismäßigkeit - eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun.
Da somit schon das Vorbringen in der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 26. April 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000040068.X00Im RIS seit
20.11.2000