TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/13 W103 2168228-1

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Veröffentlicht am 13.03.2018
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Entscheidungsdatum

13.03.2018

Norm

AsylG 2005 §34 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W103 2168228-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.08.2017, Zl. 1127637408-161179585, zu Recht erkannt:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) idgF, iVm § 34 Abs. 4 Asylgesetz (AsylG 2005) idgF, aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

Die mj. Beschwerdeführerin stellte am 22.07.2017 vertreten durch ihre Mutter einen Antrag auf internationalen Schutz. Sie berief sich dabei auf § 34 Abs. 2 AsylG und gab bekannt, dass der Vater XXXX , geb. XXXX , mit Bescheid vom 28.05.2004 zur Zl 240.195/5-VIII/23/04 des Status eines Asylberechtigten erhalten habe.

2. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 02.08.2017 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf internationalen Schutz vom 26.08.2016 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und den Antrag gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.).

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57 AsylG nicht erteilt. Weiters wurde festgestellt, dass gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei (Spruchpunkt III.).

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde, die das BFA in der Folge samt den Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vorlegte.

Die Beschwerde wurde wie folgt begründet:

Obwohl die gesetzliche Vertreterin der BF vorbrachte, dass der Vater bereits seit 13 Jahren in Österreich asylberechtigt sein, habe die Behörde diesbezüglich keine Ermittlungen diesbezüglich durchgeführt und dies nicht weiter beachtet.

Hätte die Behörde bezüglich der Familienzugehörigkeit der mj. BF zu ihrem Vater weitere Erhebungen durchgeführt, hätte sie erkennen müssen, dass jedenfalls ein Familienverfahren (hinsichtlich des Vaters) zu führen gewesen wäre.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels einfachgesetzlicher materienspezifischer Sonderregelung liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 51/1991 (AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchpunkt A):

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Die Behörde ist gemäß § 28 Abs 5 VwGVG 2014 an die (in einem aufhebenden Beschluss des VwG geäußerte) Rechtsansicht des VwG gebunden und darf bei gleich gebliebenem Sachverhalt nicht zu einem anderen Ergebnis kommen (Hinweis E 29. Jänner 2015, Ro 2014/07/0105) (VwGH 17.11.2015, Ra 2015/22/0076).

2.1.2. § 34 AsylG 2005 lautet:

"(1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist;

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind."

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

Nach den erläuternden Bemerkungen zu § 34 AsylG 2005 (RV 952 BlgNR XXII. GP, 54) sind die Asylverfahren einer Familie "unter einem" zu führen, wobei jeder Antrag auf internationalen Schutz gesondert zu prüfen ist. Jener Schutzumfang, der das stärkste Recht gewährt, ist auf alle Familienmitglieder anzuwenden. Das gemeinsame Führen der Verfahren hat den Vorteil, dass möglichst zeitgleich über die Berechtigungen, die Österreich einer Familie gewährt, abgesprochen wird. Diese Vereinfachung und Straffung der Verfahren wird auch im Berufungsverfahren (nunmehr: Beschwerdeverfahren) fortgesetzt.

Die Beschwerdeführerin ist die Tochter des XXXX geb., welchem mit Bescheid vom 28.05.2004 zur Zl 240.195/5-VIII/23/04 des Status eines Asylberechtigten gemäß § 7 AsylG 1997 zuerkannt wurde und somit dessen Familienangehörige iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005.

Auf Seite 3 des Aktes befindet sich die Geburtsurkunde der mj. BF ausgestellt vom Standesamt- und Staatsbürgerschaftsverband XXXX , zur Zl. 007870/2016 am 14.07.2016. Aus dieser ergibt sich auch die Vaterschaft.

Auf Seite 5-7 des Aktes befindet sich der Bescheid des "Unabhängigen Bundesasylsenat", indem dem Vater der mj. BF Asyl gewährt wurde.

Die belangt Behörde hat lediglich auf die Mutter der mj. BF verwiesen, jedoch keine Feststellungen hinsichtlich des Vaters getroffen.

Die Behörde wird daher ein Familienverfahren zu führen haben und gemäß § 34 Abs. 2 AsylG zu prüfen haben, ob Ausschlussgründe nach § 34 Abs. 2 Z 1 - 3 AsylG vorliegen, welche die Weitergabe des Status eines Asylberechtigten verhindern.

Falls dies zu verneinen ist, wäre der mj. BF der Status einer Asylberechtigten im Familienverfahren zuzuerkennen.

Es wird darauf verwiesen, dass gemäß § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG mj. ledige Kinder ausdrücklich von der Nichtanwendbarkeit des Abs. 6 ausgenommen sind.

Da die belangte Behörde somit die Bestimmungen des Familienverfahrens außer Acht ließ, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig (vgl. VwGH 9.4.2008, 2008/19/0205 und VfGH 18.09.2015, E1174/2014).

Von dem Grundsatz, wonach als Folge einer ersatzlosen Bescheidaufhebung durch das Vwg jedwede Entscheidung in der Verwaltungssache, durch welche erstinstanzliche Behörde auch immer, ausgeschlossen ist, bestehen Ausnahmen. Der wichtigste Fall einer solchen Ausnahme ist die ersatzlose Aufhebung des Bescheides einer Unterbehörde infolge ihrer Unzuständigkeit. Diesfalls beendet der entsprechende Berufungsbescheid lediglich das Verfahren vor dieser Unterbehörde endgültig, wodurch freilich eine Entscheidung der in Wahrheit zuständigen Behörde in derselben Sache nicht ausgeschlossen wird. Diese "Ausnahme" wird wohl auch im Falle der ersatzlosen Aufhebung eines vor dem VwG angefochtenen Bescheides durch dieses wegen Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Verwaltungsbehörde Platz greifen (VwGH 25.03.2015, Ro 2015/12/0003).

Der Bescheid vom 31.01.2017 war daher (vgl. das zitierte Erkenntnis des VfGH vom 18.09.2015, E1174/2014, "das Bundesverwaltungsgericht hätte daher den bei ihm angefochtenen Bescheid des BAA im Spruchpunkt der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten aufzuheben und die Durchführung eines Familienverfahrens mit der Familie des Vaters anzuordnen gehabt") zu beheben, damit das Verfahren auf Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten bzw. einer subsidiär Schutzberechtigten betreffend der Beschwerdeführerin "unter einem" mit dem beim BFA anhängigen Verfahren hinsichtlich des minderjährigen Sohnes geführt werden kann (vgl. BVwG 02.02.2017, W202 2145495-1/2E).

Zu Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Eine Revision gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung; schließlich ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W103.2168228.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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