Entscheidungsdatum
14.03.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W200 2168781-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike SCHERZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am
XXXX, StA: Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für
Fremdenwesen und Asyl vom 10.08.2017, Zahl: 1111038603-160506524, zu
Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die beschwerdeführende Partei führt nach eigenen Angaben den im Spruch genannten Namen, ist Staatsangehöriger Afghanistans, gehört der paschtunischen Volksgruppe und dem sunnitischen Glauben an, war im Heimatland zuletzt in XXXX wohnhaft, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 09.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der Erstbefragung gab er an, verheiratet zu sein und eine zweieinhalbjährige Tochter zu haben. Als Fluchtgrund nannte er, dass er mit Amerikanern und Briten als Dolmetscher zusammengearbeitet hätte. Er sei mittels SMS auf dem Mobiltelefon mit dem Umbringen bedroht worden. Eineinhalb Jahre hätte er sich in XXXX nicht sicher gefühlt und hätte sich dort versteckt. Wenn die Taliban sehen würden, wenn jemand mit den Amerikanern zusammenarbeite und einen Ausweis bei sich trage, werde er von den Taliban gleich umgebracht. Zwei Dolmetscherkollegen von ihm seien umgebracht worden.
Am 04.08.2017 legte der Beschwerdeführer eine Geburtsurkunde in afghanischer Sprache in Form einer Farbkopie, einer Geburtsurkunde in englischer Sprache im Original, eine Kopie des Abschlusszeugnisses der HABIBIA-High-School in XXXX, eine Bestätigung der britischen Streitkräfte über die Zusammenarbeit mit dem Beschwerdeführer im Original, eine Kopie eines Anerkennungszertifikates für die Zusammenarbeit von OC-Delta-Company, CFLKG, ein Anerkennungszertifikat für die Zusammenarbeit der US-Army Corps of Engineers, eine Fotokopie einer Auszeichnung des Afghanischen Verteidigungsministeriums über die Zusammenarbeit an einem Projekt, ein Empfehlungsschreiben der britischen Streitkräfte (Delta-Company Fifth Bataillon The Royal Regiment of Scotland), Empfehlungsschreiben der britischen Streitkräfte (B-Company, Second Bataillon The Royal Welsh), Medaille der britischen Streitkräfte, Dienstausweis (Farbkopie), gültig bis 31.12.2010, XXXX-Working under US-Army, Corps of Engineers, Auszeichnung vom Behzad-Institut, Kopien der Mitarbeiterkarte von Afghan-Violoess, eines Dienstausweises, ausgestellt von FOB-XXXX, Heiratsurkunde, Führerschein vor.
Weiters gab er in der Einvernahme an, in XXXX geboren zu sein und dort sein ganzes Leben verbracht zu haben. Er hätte dort die Schule abgeschlossen und hätte als Administrator für die Firma XXXX in einem Stützpunkt in Herat, XXXX, gearbeitet. Diese Stelle hätte er dann auf Grund einiger Probleme gekündigt und sei nach XXXX gezogen. Dann hätte er als Dolmetscher für die Amerikaner und Briten gearbeitet und hätte geheiratet. Seine Mutter hätte ihn gewarnt mit der Arbeit weiter zu machen, da diese gefährlich sei und es auf Dauer nicht gutgehen könne. Er hätte dann gekündigt und hätte weiterhin in XXXX gelebt. Danach hätte er bei der Firma XXXX gearbeitet - ein Callcenter. Danach sei er ausgereist. Er hätte am 05.05.2012 geheiratet. Seine Frau und sein Kind seien in XXXX. Die restliche Familie lebe entweder in XXXX oder in Kandahar. Wo seine Mutter genau jetzt sei, wisse er nicht, sein Vater sei verstorben. Seine Angehörigen leben von den von ihm zurückgelassenen Ersparnissen. Seine Frau lebe mit ihrer Tochter in einem Mietshaus in XXXX. Er telefoniere manchmal mit seiner Familie, letztmalig vor zwei Wochen. Die Trennung sei schwer. Er hätte zu Hause seinen Lebensunterhalt von seiner Arbeit bestritten.
Als Fluchtgrund gab er an, dass diese mit seiner Arbeit als Dolmetscher begonnen hätten. Er hätte seinem Land dienen wollen, hätte aber nicht gewusst, dass er dadurch seine Familie und sich selbst in Gefahr bringe. Er sei sehr froh und motiviert gewesen und hätte deshalb auch diesen Job machen wollen, um seiner Heimat Gutes zu tun. Er wurde wegen seiner Tätigkeit von Gegnern der Regierung als ungläubig bezeichnet. Sein Leben sei wirklich in Gefahr, deswegen sei er gezwungen gewesen, seine Heimat zu verlassen. Er hätte mit allen Mitteln der Bevölkerung helfen wollen, aber man hätte ihn falsch verstanden und ihn fälschlicherweise auch beschuldigt. Er sei glücklich mit seinem Leben, mit seiner Frau und seiner Tochter gewesen. Er hätte aus Liebe geheiratet und nie daran gedacht, dass er einmal seine Frau und sein Kind allein lassen müsse, um zu fliehen. Während er gearbeitet hätte, hätte niemand außer seiner Mutter von der Arbeit gewusst. Nachdem er gekündigt hätte, hätten die Leute es erfahren und hätten erfahren, dass er ein Kafar geworden sei und getötet werden müsse. Deswegen sei sein Leben in Gefahr. Es gebe Menschen und Ortschaften, wo man sicher leben könne. Er hätte es selbst gesehen. Es gebe auch Menschen, die nirgendwo sicher seien und der einzige Ausweg sei, das Land zu verlassen. Der einzige Grund, warum er seine Frau und seine Tochter und seine Familie verlassen hätte, sei, dass sein Leben in Gefahr gewesen sei. Er sei geflohen, um das Leben seiner Frau, seiner Tochter und sein Leben zu schützen.
Er hätte für die Firma First Line Battle-Group Walsh Warrior Second Bataillon gearbeitet. Befragt, von wann bis wann er bei dieser Firma gearbeitet hätte, antwortete er, dass dies auf der Bestätigung vermerkt sei. Laut Datenblatt sei dies von 2009 bis 2011 gewesen.
Der Auftraggeber bzw. der Vertragspartner sei XXXX XXXX gewesen.
Zu Beweisen über diese Tätigkeit befragt, gab er an, dass er diese zuvor vorgelegt hätte. Zu seinem Arbeitsalltag gab er an, dass er zum Beispiel Funkgespräche der Taliban übersetzt hätte, bevor sie ein Dorf aufgesucht hätten - zum Beispiel, wo die Minen vergraben seien, und wo sich die Taliban verstecken würden. Außerdem hätte er auch die Verhandlungen bzw. Gespräche zwischen der Dorfbevölkerung und den Amerikanern übersetzt. Wenn Verletzte in das Krankenhaus gebracht worden seien, wo auch viele Italiener gewesen seien, hätte er auch übersetzt.
Befragt, wer die Gegner der Regierung gewesen seien, antwortete er, dass dies keiner wisse. Wie die an die Telefonnummern herankommen würden, jemanden finden und bedrohen könnten, wisse auch keiner. Wenn man sie gefangengenommen hätte - und Waffen, Minen und Bomben, hätten sie ihm gedroht und gesagt, dass sie ihn enthaupten würden, wenn sie ihn - den Dolmetscher - erwischen würden. Er hätte sie nämlich verraten und den Feind unterstützt.
Die Frage, ob er seine Gegner kenne, verneinte er. Nach der Bedrohung befragt, antwortete er, dass er ein SMS auf das Handy seiner Ehefrau bekommen hätte, von der er erst ein Monat später erfahren hätte, weil es seine Frau ihm nicht gesagt hätte. Danach seien sie umgezogen. Auf die Fragewiederholung gab er an, dass dies ein Jahr und zwei Monate vor seiner Ausreise gewesen sei. Davor sei auch zweimal sein Facebook-Konto gehackt worden. Seine Freunde hätten ihn angesprochen und gefragt, was er poste. Er hätte gemeint, dass er gar nichts poste, dass alles gesperrt sei, bis endgültig sein Profil gelöscht worden sei. Er hätte auch damals, als er im Callcenter gearbeitet hätte, versucht, Absender der SMS ausfindig zu machen. Er hätte leider nichts finden können, weil er nicht registriert gewesen sei. Die Firma hätte gesagt, dass es ein anderer Anbieter gewesen sei.
Seit 2014 hätte er vorgehabt, Afghanistan zu verlassen, befragt, wann er ausgereist sei, antwortete er, dass er während des Zeitraums, den er genannt hätte, unterwegs gewesen sei. Befragt, ob er nicht in der Lage sei, sich an ein so einschneidendes Erlebnis zu erinnern, antwortete er, dass er durch den Stress und die Angst das Datum vergessen hätte. Sonst hätte er nur die Wahrheit gesagt. Seine Tochter sei in seiner Abwesenheit zur Welt gekommen und er könne sich nicht einmal das Datum ihrer Geburt merken. Das heiße aber nicht, dass er lüge. Er sei in einer Kultur aufgewachsen, wo Daten nicht wichtig seien.
Auf die Frage, ob das heiße, dass er unmittelbar vor der Ausreise bedroht worden sei, bejahte er. Darauf hingewiesen, dass er im Jahr 2011 mit der Dolmetschertätigkeit aufgehört hätte, gab er an, dass am Anfang noch niemand gewusst hätte, wo er gearbeitet hätte. Erst nachdem er die Arbeit aufgegeben hätte, hätten sie es erfahren. Wenn ihn jemand nach seiner Arbeit gefragt hätte, hätte er ein Studium in XXXX vorgebracht. Auf die Frage, ob dies etwa vier Jahre später gewesen sei, antwortete er: "Ja, ungefähr". Nach dem Text der SMS befragt, gab er an, dass auf Paschtu geschrieben gestanden sei: "Wir haben Informationen über deinen Mann, was er war und was er ist."
Auf den Vorhalt, dass aus diesem Text keine Bedrohung hervorgehe, antwortete der Beschwerdeführer: "Wenn du meinst, dass es keine Bedrohung ist." Seiner Ansicht nach sei es eine Bedrohung.
Auf den Vorhalt, dass er vorhin angegeben hätte, dass "sie" (Plural) gesagt hätten, dass er getötet werden müsste und befragt, wie ihn diese Drohung erreicht hätte, antwortete er, dass dies in Helmand gewesen sei, als sie einige Personen verhaftet hätten und trotz der Tatsache der Verhaftung hätten sie ihn bedroht.
Befragt, wie es dazu gekommen sei, dass er als Dolmetscher Personen verhafte, antwortete er, dass dies nicht seine Aufgabe gewesen sei. Er hätte nur übersetzt. Die Gefangennahme sei durch das Militär erfolgt. Er sei nur Sprachvermittler gewesen.
Befragt, warum die Ehefrau die Bedrohung verschweigen hätte sollen und weiterhin an der Adresse wohnhaft bleiben hätte wollen, antwortete er, dass sie nicht gewollt hätte, dass er Angst bekomme und traurig sei. Deswegen hätte er es ihr erst später erzählt. Weiters wurde vermerkt, dass die Frage dreimal wiederholt wurde und der Beschwerdeführer keine exakte Antwort dazu gegeben hätte.
Auf die neuerliche Frage, warum seine Ehefrau einen weiteren Monat an der Adresse geblieben sei, antwortete er, dass sie während diesen einen Monats immer wieder ihm beizubringen versucht hätte, das Haus zu verlassen. Erst nachdem sie umgezogen seien, hätte sie es ihm erzählt.
Auf den Vorhalt, dass er zuvor angegeben hätte, dass er einen Monat später erfahren hätte und erst dann umgezogen sei, antwortete er, dass er seit 2014 ständig umgezogen sei. Seitdem die Menschen erfahren hätten, dass er als Dolmetscher gearbeitet hätte, seien sie immer woanders gewesen.
Aufgefordert zu erklären, warum die SMS erst vier Jahre nach Beendigung der Dolmetschertätigkeit eingelangt sei, antwortete er, dass er die SMS bekommen hätte, bedroht worden sei, nachdem die Menschen erfahren hätten, dass er Dolmetscher gewesen sei. Kein Dolmetscher in Afghanistan sage oder gebe zu, dass er Dolmetscher sei.
Er hätte den Vorfall bzw. die Bedrohung nicht angezeigt - die Polizei helfe da nicht, sie würde nur das machen, was sie wollten - nichts jedoch für die Bevölkerung. Befragt, ob seine Frau keine Bedrohung zu befürchten hätte, antwortete er, dass diese deshalb zweimal die Nummer gewechselt hätte, da sie Angst vor den Bedrohungen gehabt hätte. Die Frage, ob sie bedroht worden sei, verneinte er.
Auf den Vorhalt, dass das Militär seine Angestellten, die einer Gefährdung ausgesetzt wären, Schutz biete - ebenso Umsiedlung und befragt, warum er diesen Schutz nicht in Anspruch genommen hätte, antwortete er, dass die nicht helfen würden. Er hätte mehrere Male bei den Botschaften versucht. Er hätte nicht einmal einen Termin bekommen. Er hätte vor der Britischen Botschaft demonstriert.
Nach persönlichen Bedrohungen befragt, antwortete er, dass ihn die Taliban persönlich bedroht hätten. Befragt, wann, wo und weshalb das gewesen sei, antwortete er, dass dies mehrere Male - nicht nur einmal - gewesen sei. Wenn er ihnen gegenüber gesessen hätte und übersetzt hätte, hätten sie gesagt, dass sie ihm den Kopf abschneiden würden, falls sie ihn erwischen würden. Es sei auch vorgekommen, dass ihm gesagt worden sei, dass er sein Gesicht beim Dolmetschen nicht zeigen solle. Er werde derzeit aktuell von Unbekannten gesucht. Wenn er wüsste, wer dies sei, könne er etwas dagegen machen. Beweise dafür hätte er keine. Zu den vorgelegten Fotos, auf welchen er Uniform und Waffen-tragend abgebildet sei, erklärte er, dass man als Dolmetscher auch Uniform tragen müsse. Die Waffen hätte er nur für das Foto getragen.
Mit Bescheid des BFA vom 10.08.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Afghanistan abgewiesen und dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen nicht erteilt. Gegen ihn wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan wurde ihm eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise gewährt.
Begründend wurde nach Wiedergabe der Einvernahmeprotokolle, die Identität, Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit festgestellt. Weiters wurde festgestellt, dass er verheiratet sei und ein Kind habe. Er leide an keinen lebensbedrohlich physischen oder psychischen Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes und stehe in keiner ärztlichen Behandlung und nehme keine Medikamente ein. Seine restliche Familie lebe nach wie vor in XXXX und Kandahar. Er hätte weder von staatlicher Seite noch aus religiösen ethnischen oder politischen Gründen Verfolgung oder Bedrohung zu befürchten. Die von ihm zur Begründung des Asylantrages vorgebrachten Fluchtgründe hätten nicht als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden können. Es gäbe keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass er im Fall einer Rückkehr einer Verfolgung im Sinne der GFK oder des § 8 AsylG ausgesetzt sei.
Im Rahmen der am 28.02.2018 durchgeführten öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass sein Vater Tadschike, seine Mutter Paschtunin sei. Er sei Sunnite und stamme aus XXXX. Dort hätte er zwölf Jahre die Schule besucht und das Gymnasium abgeschlossen. Englisch hätte er in Privatkursen erlernt. Seit Mai 2012 sei er verheiratet.
Im Zuge der Verhandlung wurde versucht zu eruieren, ob er direkt für die britischen Truppen als Dolmetscher tätig war sowie wann der Beschwerdeführer als Dolmetscher tätig war.
Dieser Teil der Verhandlung in Anwesenheit des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers gestaltete sich im Übrigen in den wesentlichen Teilen wie folgt (VR = erkennende Richterin, BF = Beschwerdeführer):
"VR: Wann und wo waren Sie für wen tätig? Welche Prüfungen haben Sie absolviert?
BF: Die erste Prüfung war für die Firma XXXX am 15.02.2009. Es war eine Prüfung von PC-Kenntnissen. Ich wurde gefragt, ob ich nach XXXX arbeiten gehen möchte. Dort habe ich als Administrator gearbeitet. Jede Woche musste ich unsere Zentrale informieren, wie viel Geld wir laut unserer Datenbank ausgegeben haben.
VR: War es eine Art Verwaltungstätigkeit.
BF nickt.
VR: Wie lange haben Sie diese Tätigkeit ausgeübt?
BF: Bis September 2009. Ich habe gekündigt und ging nach XXXX. Dann hatte ich wieder eine Prüfung beim ISAF. Diese habe ich bestanden. Mir wurde gesagt, dass ich nach Helmand gehen soll, in das Camp Bastion. Der Hauptsitz der Amerikaner und Briten war dort.
VR: Wo haben Sie gelebt, als Sie im Camp Bastion tätig waren?
BF: Als ich dort begonnen habe, habe ich dort gelebt und geschlafen. Das waren ca. 10 Tage am Anfang. Dann wurde ich in den Distrikt XXXX in Helmand als Dolmetscher geschickt. Ich war mit ca. 37 bis 40 Personen unterwegs.
VR: Die Soldaten und Sie waren außerhalb des Camp Bastions stationiert?
BF: Es gingen ca. 40 Personen nach XXXX. Es gab dort Stützpunkte. Dort gab es Kampfhandlungen.
VR: Wie lange waren Sie dort?
BF: Ca. zwei Monate. Dann habe ich einen anderen Kommandanten bekommen. Mit dem sind wir nach XXXXin Helmand gegangen. In XXXX gibt es sehr viele Terroristen. Es gab vier Mal pro Woche Kampfhandlungen. Ich glaube, ich war bis Mai 2011 dort. Dann ging die Delta Company weg und statt ihnen kam Three Mercian. Das Zentrum war in Lashkar Gah. Dort war Three Mercian stationiert und zuvor auch die Delta Company. Alle drei Monate kamen neue Gruppen. Bis Ende 2011 blieb ich bei ihnen, dann habe ich aufgehört.
BFV zu BF: Sie haben vorhin gesagt, Sie haben eine Registrierungsnummer.
BF: XXXX ist meine Registrierungsnummer von den Briten. Die bekam ich, als ich begann, für die Briten zu arbeiten.
VR: Haben Sie irgendein Dokument darüber?
BF: Diese Nummer steht nirgendwo. Das gehört direkt zum britischen Verteidigungsministerium.
BFV: Welche Art von Nummer war das? Gibt es eine Bezeichnung für diese Nummer?
BF: Das war meine Dolmetschnummer.
BF: Ich war in Kontakt mit sehr vielen Soldaten. Leider ist mein Facebook-Account nicht mehr aktiv und diese Kontakte gibt es nicht mehr.
VR: Wir haben die Möglichkeit zu recherchieren, ob Sie unter der von Ihnen genannten Dolmetschernummer bei den britischen Truppen im Camp Bastion bekannt sind. Haben Sie dagegen Einwände?
BF: Ich bin einverstanden.
VR: Für wen haben Sie konkret gedolmetscht? Die Briten, die US-Truppen?
BF: Ich habe für beide gedolmetscht.
VR: Wen soll ich dann nach dieser Dolmetschernummer fragen?
BF: Die Engländer."
(...)
BFV: Was würden Sie konkret befürchten, wenn Sie zurückkehren müssten?
BF: Ich bin hundertprozentig mit dem Umbringen bedroht.
BFV: Wer bedroht Sie mit dem Mord?
BF: Die Taliban sind sehr stark geworden. Es reicht, wenn man schaut, was in den letzten zwei Monaten passiert ist. Sie haben eine Menge unschuldiger Menschen umgebracht.
BFV: 2014 haben Sie schon versucht, Afghanistan zu verlassen. Warum hat das nicht geklappt?
BF: Ich wurde vom Iran nach Afghanistan abgeschoben. Ich habe mich sehr bemüht, ich bin zu den Botschaften gegangen. Sie gaben mir keine Möglichkeit mit ihnen zu reden.
VR: Wie lange waren Sie im Iran?
BF: 12 oder 13 Stunden. Ich war bei der britischen Botschaft und sie sagten mir, dass ich nicht so oft zur Botschaft gehen soll, weil es für mich zu gefährlich ist, weil ich verfolgt werde, wenn ich von dort weggehe. Ein Dolmetscher ist einmal von der britischen Botschaft weggegangen und wurde geköpft.
BFV: Wer glauben Sie, weiß, dass Sie für ISAF gearbeitet haben?
BF: Meine Familie und die Familie meiner Frau. Außerdem meine Nachbarn als ich in XXXX im Stadtteil Kampani gelebt habe. Meine Neffen haben es den Nachbarn gesagt.
VR: Möchten Sie noch etwas vorbringen, was Ihnen für Ihren Asylantrag wichtig erscheint und Sie noch nicht vorgebracht haben?
BF: Nein.
BFV: Abschließend ist festzuhalten, dass dem BF aufgrund seiner Tätigkeit als Dolmetscher für ISAF (Briten/Amerikaner) Verfolgung droht. Der BF ist zweifelsohne durch diese Tätigkeit als politisch Oppositioneller zu den Taliban einzustufen. Der Umstand, dass der BF als Dolmetscher gearbeitet hat und quasi als " Soldat" voll in die Armee integriert war, geht aus den vorgelegten Unterlagen, insbesondere dem Fotokonvolut, Empfehlungsschreiben hervor. Ihm ist somit Asyl zu gewähren. (...)
Das BVwG ließ Recherchen zu den Ausführungen des Beschwerdeführers in Afghanistan durchführen, konkret, ob seine Aussagen den Tatsachen entsprechen.
Das Ergebnis der Recherchen gestaltete sich wie folgt:
"(...)
1. War der BF zwischen Oktober 2009 oder 2010 (ungeklärt!) und 2011 als Dolmetscher für die britischen Truppen tätig?
2. War die Dolmetschernummer des BF XXXX?
3. Sind die vom BF in einen Konvolut vorgelegten Unterlagen echt?
Vorgangsweise bei der Erhebung
Die Erhebungen und Befragungen erfolgten im Zeitraum vom 03.02.2018 bis 06.02.2018 und wurden vom SV persönlich unter Zuhilfenahme eines erfahrenen und absolut verlässlichen Mitarbeiters durchgeführt. Der SV spricht Dari, aber alle Gespräche in Dari und Paschto, die Recherche betreffend, wurden vom Mitarbeiter auf Englisch übersetzt.
Erhebungen wurden in XXXX durchgeführt. Auf Basis der Angaben des BF wurde der Zeitraum von 2009 bis 2015 untersucht.
Es wurde immer mit dem angegebenen Vornamen und Nachnamen des BF XXXX sowie ähnlichen Schreibweisen gesucht.
Die Erhebungen und Befragungen wurden unter der strikten Wahrung der Interessen des BF sowie ohne Angabe des Grundes der Recherche durchgeführt.
(...)
Recherche
Um mit der Recherche beginnen zu können, musste vorab versucht werden, die Angaben zuzuordnen und die Zeitangaben einzuordnen.
Da die Zeitangaben zwischen den Angaben des BF und den Empfehlungsschreiben nicht übereinstimmen, nochmals eine Gegenüberstellung:
17.03.2009 bis September 2010 arbeitet der BF bei XXXX in XXXX/Herat lt. Aussage des BF (siehe VHS S 3).
aber
Juli 2010 bis März 2011 arbeitet der BF als "Interpreter" gemäß Empfehlungsschreiben vom 4. Februar 2011 (siehe Konvolute).
Arbeitgeber:
XXXX ist in Afghanistan seit 2002 vertreten und mittlerweile Teil von XXXX XXXX.
www.XXXX.com
Büro in XXXX: XXXX, XXXX XXXX, XXXX
Britische Armee:
B (Rocke¿s Drift) Company
Delta Company, 5th Battalion the Royal Regiment of Scotland
The Mersian
alle drei britischen Einheiten waren zu verschiedenen Zeiten 2010 bis 2011 in Helmand im Einsatz
(...)
Ortsangaben:
die vom BF gemachten Ortsangaben sind im Zusammenhang mit militärischen Operationen 2009 bis 2012 richtig und nachvollziehbar.
Dies gilt für:
Herat: XXXX
Helmand: Camp Bastion
Lashkar Gah
Baaji
Recherche der einzelnen Punkte:
1. War der BF zwischen Oktober 2009 oder 2010 (ungeklärt!) und 2011 als Dolmetscher für die britischen Truppen tätig?
XXXX war 2009 bis 2012 auch auf der XXXX Air Base tätig und beschäftigte einen Mitarbeiter mit dem Namen XXXX, geboren in XXXX, XXXX. Gespräche des SV mit Mitarbeitern von XXXX in XXXX brachten keine Ergebnisse, allerdings konnten die Namen von zwei ehemaligen afghanischen Mitarbeitern von XXXX in Erfahrung gebracht werden.
Ein Gespräch des SV mit einem der beiden ergab, dass sich dieser an einen XXXX erinnern konnte, allerdings meinte er, dass der BF nur sehr kurz in XXXX als Verwaltungsmitarbeiter tätig war.
Da der SV die Dolmetschernummer nicht überprüfen konnte, wurde versucht ein ehemaliges Mitglied der B (Rocke¿s Drift) Company ausfindig zu machen. Es gelang dem SV ein ehemaliges Mitglied zu finden, welcher zurzeit in Afghanistan für eine internationale Firma arbeitet. In einem Gespräch mit dem SV bestätigte dieser die Echtheit der Fotos und das Beglaubigungsschreiben vom 4. Februar 2011 (Ende der Tour der Einheit in Afghanistan, normalerweise sechs bis sieben Monate). Es war damals auch durchaus üblich, Fotos in die Empfehlungsschreiben einzufügen. Auch das Empfehlungsschreiben vom 8. April 2011 wird von diesem Gesprächspartner als echt bewertet. Allerdings wird das Empfehlungsschreiben "To whom it may concern" als sehr unüblich bezeichnet. Der SV befragte auch einen noch im Dienst befindlichen Offizier der britischen Streitkräfte in XXXX und dieser bestätigte ebenfalls die vorherige Annahme.
Hinsichtlich der Angabe des BF auch für die US Streitkräfte als Dolmetscher tätig gewesen zu sein, gibt es keine Unterlagen.
2. War die Dolmetschernummer des BF XXXX?
Der SV hat die britischen Truppen in XXXX kontaktiert und in einem Telefonat wurde das Vorhandensein von Dolmetschernummern bestätigt. Aufgrund der intensiven und kontroversen Diskussion über die Asylgewährung für ehemalige Dolmetscher im Dienst der britischen Streitkräfte in Großbritannien wurde der SV allerdings an das Verteidigungsministerium verwiesen. Inoffiziell konnte der SV allerdings auch hier erfahren, dass der BF ca. neun Monate als Dolmetscher für die britischen Streitkräfte in Afghanistan gearbeitet hat.
3. Sind die vom BF in einen Konvolut vorgelegten Unterlagen echt?
Die Bilder und die Taskira sind als echt einzustufen. Die Taskira wurde bei der ausstellenden Behörde überprüft. Die Bilder wurden von einem ehemaligen Mitglied der B (Rocke¿s Drift) Company als echt bewertet. Von den drei Empfehlungsschreiben muss das Empfehlungsschreiben "To whom it may concern" als nicht echt eingestuft werden, die beiden anderen wurden von ehemaligen bzw. sich noch im Dienst befindlichen Mitarbeitern als echt eingestuft.
Rechercheergebnis
1. War der BF zwischen Oktober 2009 oder 2010 (ungeklärt!) und 2011 als Dolmetscher für die britischen Truppen tätig?
Der BF war 2010 bis 2011 für ca. neun Monate Dolmetscher bei den britischen Truppen in Afghanistan.
2. War die Dolmetschernummer des BF XXXX?
Die Dolmetschernummer des BF konnte nicht ermittelt werden.
3. Sind die vom BF in einen Konvolut vorgelegten Unterlagen echt?
Bis auf das Empfehlungsschreiben "To whom it may concern" sind alle vorgelegten Unterlagen als echt einzustufen."
Im gewährten Parteiengehör zum Rechercheergebnis gab das BFA keine Stellungnahme ab, der Beschwerdeführer nahm es zustimmend zur Kenntnis.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person:
Der verheiratete Beschwerdeführer führt den im Spruch geführten Namen, ist Staatsangehöriger Afghanistans, sunnitischer Moslem, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 09.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Vater ist Tadschike, die Mutter Paschtunin.
Der Beschwerdeführer war von 2010 bis 2011 für ca. neun Monate Dolmetscher für die britischen Truppen (B (Rocke¿s Drift) Company, Delta Company, 5th Battalion the Royal Regiment of Scotland, The Mersian) in Afghanistan, konkret in Helmand in Camp Bastion, Lashkar Gah und bei Einätzen in Baaji. Danach war er als Englischlehrer in XXXX und ab 2014 für eine afghanische Telekommunikationsfirma tätig. Der Beschwerdeführer verließ bereits einmal aus Angst wegen seiner Dolmetschertätigkeit für die britischen Truppen von den Taliban umgebracht zu werden, im Jahr 2014 Afghanistan, wurde jedoch vom Iran wieder nach Afghanistan zurückgeschoben. In weiterer Folge verließ er abermals aus Angst wegen seiner Dolmetschertätigkeit für die britischen Truppen von den Taliban umgebracht zu werden, Afghanistan im Jänner 2016.
Zu Afghanistan:
Neuste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 30.01.2018: Angriffe in XXXX (betrifft: Abschnitt 2 Sicherheitslage)
Landesweit haben in den letzten Monaten Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (The Guardian; vgl. BBC 29.1.2018). Die Gewalt Aufständischer gegen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen hat in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban erhöhen ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. XXXX ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (Asia Pacific 30.1.2018).
Im Stadtzentrum und im Diplomatenviertel wurden Dutzende Hindernisse, Kontrollpunkte und Sicherheitskameras errichtet. Lastwagen, die nach XXXX fahren, werden von Sicherheitskräften, Spürhunden und weiteren Scannern kontrolliert, um sicherzustellen, dass keine Sprengstoffe, Raketen oder Sprengstoffwesten transportiert werden. Die zeitaufwändigen Kontrollen führen zu langen Wartezeiten; sollten die korrekten Papiere nicht mitgeführt werden, so werden sie zum Umkehren gezwungen. Ebenso werden die Passagiere in Autos von der Polizei kontrolliert (Asia Pacific 30.1.2018).
Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie 29.1.2019
Am Montag den 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).
Quellen zufolge operiert der IS in den Bergen der östlichen Provinz Nangarhar (The Guardian 29.1.2018); die Provinzhauptstadt XXXX wird als eine Festung des IS erachtet, dessen Kämpfer seit 2015 dort aktiv sind (BBC 24.1.2018). Nachdem der IS in Ostafghanistan unter anhaltenden militärischen Druck gekommen war, hatte dieser immer mehr Angriffe in den Städten für sich beansprucht. Nationale und Internationale Expert/innen sehen die Angriffe in den Städten als Überlappung zwischen dem IS und dem Haqqani-Netzwerk (einem extremen Arm der Taliban) (NYT 28.1.2018).
Angriff im Regierungs- und Diplomatenviertel in XXXX am 27.1.2018
Bei einem der schwersten Angriffe der letzten Monate tötete am Samstag den 27.1.2018 ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 28.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (The Guardian 27.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Der Vorfall ereignete sich im Regierungs- und Diplomatenviertel und wird als einer der schwersten seit dem Angriff vom Mai 2017 betrachtet, bei dem eine Bombe in der Nähe der deutschen Botschaft explodiert war und 150 Menschen getötet hatte (Reuters 28.1.2018).
Die Taliban verlautbarten in einer Aussendung, der jüngste Angriff sei eine Nachricht an den US-amerikanischen Präsidenten, der im letzten Jahr mehr Truppen nach Afghanistan entsendete und Luftangriffe sowie andere Hilfestellungen an die afghanischen Sicherheitskräfte verstärkte (Reuters 28.1.2018).
Angriff auf die NGO Save the Children am 24.1.2018
Am Morgen des 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt XXXX zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden dabei getötet und zwölf weitere verletzt. Zum Zeitpunkt des Angriffs befanden sich 50 Mitarbeiter/innen im Gebäude. Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018).
Der jüngste Angriff auf eine ausländische Hilfseinrichtung in Afghanistan unterstreicht die wachsende Gefahr, denen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in Afghanistan ausgesetzt sind (The Guardian 24.1.2018).
Das Gelände der NGO Save the Children befindet sich in jener Gegend von XXXX, in der sich auch andere Hilfsorganisationen sowie Regierungsgebäude befinden (BBC 24.1.2018). In einer Aussendung des IS werden die Autobombe und drei weitere Angriffe auf Institutionen der britischen, schwedischen und afghanischen Regierungen (Reuters 24.1.2018).
Angriff auf das Hotel Intercontinental in XXXX am 20.1.2018
Der Angriff bewaffneter Männer auf das Luxushotel Intercontinental in XXXX, wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018).Fünf bewaffnete Männer mit Sprengstoffwesten hatten sich Zutritt zu dem Hotel verschafft (DW 21.1.2018). Die exakte Opferzahl ist unklar. Einem Regierungssprecher zufolge sollen 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet worden sein. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden(BBC 21.1.2018). Alle Fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).
Wie die Angreifer die Sicherheitsvorkehrungen durchbrechen konnten, ist Teil von Untersuchungen. Erst seit zwei Wochen ist eine private Firma für die Sicherheit des Hotels verantwortlich. Das Intercontinental in XXXX ist trotz des Namens nicht Teil der weltweiten Hotelkette, sondern im Besitz der afghanischen Regierung. In diesem Hotel werden oftmals Hochzeiten, Konferenzen und politische Zusammentreffen abgehalten (BBC 21.1.2018).
Zum Zeitpunkt des Angriffes war eine IT-Konferenz im Gange, an der mehr als 100 IT-Manager und Ingenieure teilgenommen hatten (Reuters 20.1.2018; vgl. NYT 21.1.2018).
Insgesamt handelte es sich um den zweiten Angriff auf das Hotel in den letzten acht Jahren (NYT 21.1.2018). Zu dem Angriff im Jahr 2011 hatten sich ebenso die Taliban bekannt (Reuters 20.1.2018).
Unter den Opfern waren ausländische Mitarbeiter/innen der afghanischen Fluggesellschaft Kam Air, u.a. aus Kirgisistan, Griechenland (DW 21.1.2018), der Ukraine und Venezuela. Die Fluglinie verbindet jene Gegenden Afghanistans, die auf dem Straßenweg schwer erreichbar sind (NYT 29.1.2018).
Quellen:
-
Asia Pacific (30.1.2018): Taliban and IS create perfect storm of bloodshed in XXXX,
https://www.channelnewsasia.com/news/asiapacific/taliban-and-is-create-perfect-storm-of-bloodshed-in-XXXX-9909494, Zugriff 30.1.2018
-
BBC (29.1.2018): XXXX military base hit by explosions and gunfire, http://www.bbc.com/news/world-asia-42855374, Zugriff 29.1.2018
-
-BBC (24.1.2018): Save the Children offices attacked in XXXX, Afghanistan, http://www.bbc.com/news/world-asia-42800271, Zugriff 29.1.2018
-
BBC (21.1.2018): XXXX: Afghan forces end Intercontinental Hotel siege, http://www.bbc.com/news/world-asia-42763517, Zugriff 29.1.2018
-
DW - Deutsche Welle (21.1.2018): Taliban militants claim responsibility for attack on XXXX hotel, http://www.dw.com/en/taliban-militants-claim-responsibility-for-attack-on-XXXX-hotel/a-42238097, Zugriff 29.1.2018
-
NYT - The New York Times (28.1.2018): Attack Near XXXX Military Academy Kills 11 Afghan Soldiers, https://www.nytimes.com/2018/01/28/world/asia/XXXX-attack-afghanistan.html, Zugriff 29.1.2018
-
NYT - The New York Times (21.1.2018): Siege at XXXX Hotel Caps a Violent 24 Hours in Afghanistan,
-
Reuters (28.1.2018): Shock gives way to despair in XXXX after ambulance bomb,
https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-blast/shock-gives-way-to-despair-in-XXXX-after-ambulance-bomb-idUSKBN1FG086, Zugriff 29.1.2018
-
Reuters (24.1.2018): Islamic State claims attack on XXXX in Afghanistan,
https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-blast-claim/islamic-state-claims-attack-on-XXXX-in-afghanistan-idUSKBN1FD1HC, Zugriff 29.1.2018
-
Reuters (20.1.2018): Heavy casualties after overnight battle at
XXXX hotel,
https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-attacks/heavy-casualties-after-overnight-battle-at-XXXX-hotel-idUSKBN1F90W9, Zugriff 29.1.2018
-
The Guardian (29.1.2018): Afghanistan: gunmen attack army post at
XXXX military academy,
https://www.theguardian.com/world/2018/jan/29/explosions-XXXX-military-academy-afghanistan, Zugriff 29.1.2018
-
The Guardian (28.1.2018): 'We have no security': XXXX reels from deadly ambulance bombing,
https://www.theguardian.com/world/2018/jan/28/afghanistan-XXXX-reels-bomb-attack-ambulance, Zugriff 29.1.2018
-
The Guardian (27.1.2018): XXXX: bomb hidden in ambulance kills dozens,
https://www.theguardian.com/world/2018/jan/27/scores-of-people-wounded-and-several-killed-in-XXXX-blast, Zugriff 29.1.2018
-
The Guardian (24.1.2018): Isis claims attack on Save the Children office in Afghanistan,
https://www.theguardian.com/world/2018/jan/24/explosion-attack-save-the-children-office-XXXX-afghanistan, Zugriff 29.1.2018
KI vom 21.12.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2017
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).
Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).
Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).
Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).
Sicherheitsrelevante Vorfälle
Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. - 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen - zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).
Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.).
Zivilist/innen
Im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des letzten Jahres registrierte die UNAMA zwischen 1.1. und 30.9.2017 8.019 zivile Opfer (2.640 Tote und 5.379 Verletzte). Dies deutet insgesamt einen Rückgang von fast 6% gegenüber dem Vorjahreswert an (UNAMA 10.2017); konkret hat sich die Anzahl getöteter Zivilist/innen um 1% erhöht, während sich die Zahl verletzter Zivilist/innen um 9% verringert hat (UN GASC 20.12.2017).Wenngleich Bodenoffensiven auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer waren - führte der Rückgang der Anzahl von Bodenoffensiven zu einer deutlichen Verringerung von 15% bei zivilen Opfern. Viele Zivilist/innen fielen Selbstmordattentaten, sowie komplexen Angriffen und IEDs zum Opfer - speziell in den Provinzen XXXX, Helmand, Nangarhar, Kandahar und Faryab (UNAMA 10.2017).
Zivile Opfer, die regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben wurden, sind um 37% zurückgegangen: Von insgesamt 849 waren 228 Tote und 621 Verletzte zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Elementen zugeschrieben werden, um 7%: von den 1.150 zivilen Opfer starben 225, während 895 verletzt wurden. Die restlichen Opfer konnten keiner Tätergruppe zugeschrieben werden (UNAMA 10.2017).
High-profile Angriffe:
Am 31.10.2017 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der "Green Zone" der Hauptstadt XXXX in die Luft. Der angebliche Täter soll Quellen zufolge zwischen 12-13 Jahren alt gewesen sein. Mindestens vier Menschen starben bei dem Angriff und ein Dutzend weitere wurden verletzt. Dies war der erste Angriff in der "Green Zone" seit dem schweren Selbstmordattentat im Mai 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017). der IS bekannte sich zu diesem Vorfall Ende Oktober 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017; UN GASC 20.12.2017)
Am 20.10.2017 sprengte sich ein Angreifer in der Shia Imam Zamam Moschee in XXXX in die Luft; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet und 45 weitere verletzt. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017; UN GASC 20.12.2017). In dem Distrikt Solaina, in der westlichen Provinz Ghor, wurde ebenso eine Moschee angegriffen - in diesem Fall handelt es sich um eine sunnitische Moschee. Die tatsächliche Opferzahl ist umstritten: je nach Quellen sind zwischen 9 und 39 Menschen bei dem Angriff gestorben (Independent 20.10.2017; vgl. NYT 20.10.2017; al Jazeera 20.10.2017).
Am 19.10.2017 wurde im Rahmen eines landesweit koordinierten Angriffes der Taliban 58 afghanische Sicherheitskräfte getötet: ein militärisches Gelände, eine Polizeistationen und ein militärischer Stützpunkt in Kandahar wären beinahe überrannt worden (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017). Einige Tage vor diesem Angriff töteten ein Selbstmordattentäter und ein Schütze mindestens 41 Menschen, als sie ein Polizeiausbildungszentrum in der Provinzhauptstadt Gardez stürmten (Provinz Paktia) (BBC 21.10.2017). In der Woche davor wurden 14 Offiziere der Militärakademie auf dem Weg nach Hause getötet, als ein Selbstmordattentäter den Minibus in die Luft sprengte in dem sie unterwegs waren (NYT 20.10.2017). Die afghanische Armee und Polizei haben dieses Jahr schwere Verlusten aufgrund der Taliban erlitten (BBC 21.10.2017).
Am 7.11.2017 griffen als Polizisten verkleidete Personen/regierungsfeindliche Kräfte eine Fernsehstation "Shamshad TV" an; dabei wurde mindestens eine Person getötet und zwei Dutzend weitere verletzt. Die afghanischen Spezialkräfte konnten nach drei Stunden Kampf, die Angreifer überwältigen. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Guardian 7.11.2017; vgl. NYT 7.11.2017; UN GASC 20.12.2017).
Bei einem Selbstmordangriff im November 2017 wurden mindestens neun Menschen getötet und einige weitere verletzt; die Versammelten hatten einem Treffen beigewohnt, um den Gouverneur der Provinz Balkh - Atta Noor - zu unterstützen; auch hier bekannte sich der IS zu diesem Selbstmordattentat (Reuters 16.11.2017; vgl. UN GASC 20.12.2017)
Interreligiöse Angriffe
Serienartige gewalttätige Angriffe gegen religiöse Ziele, veranlassten die afghanische Regierung neue Maßnahmen zu ergreifen, um Anbetungsorte zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempeln vor Angriffen zu schützen (UN GASC 20.12.2017).
Seit 1.1.2016 wurden im Rahmen von Angriffen gegen Moscheen, Tempel und andere Anbetungsorte 737 zivile Opfer verzeichnet (242 Tote und 495 Verletzte); der Großteil von ihnen waren schiitische Muslime, die im Rahmen von Selbstmordattentaten getötet oder verletzt wurden. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017).
Im Jahr 2016 und 2017 registrierte die UN Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Seit 1.1.2016 wurden 27 gezielte Tötungen religiöser Personen registriert, wodurch 51 zivile Opfer zu beklagen waren (28 Tote und 23 Verletzte); der Großteil dieser Vorfälle wurde im Jahr 2017 verzeichnet und konnten großteils den Taliban zugeschrieben werden. Religiösen Führern ist es möglich, öffentliche Standpunkte durch ihre Predigten zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017).
ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte
Informationen zur Stärke der ANDSF und ihrer Opferzahlen werden von den US-amerikanischen Kräften in Afghanistan (USFOR-A) geheim gehalten; im Bericht des US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR) werden Schätzungen angegeben: