TE Bvwg Beschluss 2018/3/14 W180 2153043-1

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Veröffentlicht am 14.03.2018
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Entscheidungsdatum

14.03.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
MOG 2007 §6
VwGVG §14 Abs1
VwGVG §15 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W180 2153043-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Georg PECH über die Beschwerde von XXXX und XXXX, Betriebsnummer XXXX, gegen den Bescheid der Agrarmarkt Austria vom 28.04.2016, Zahl II/4-DZ/15-2911934010, nach Beschwerdevorentscheidung der Agrarmarkt Austria vom 31.08.2016, Zahl II/4-DZ/15-4173281010, betreffend Direktzahlungen 2015:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben, die Beschwerdevorentscheidung behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1. Am 14.05.2015 stellte die beschwerdeführende Partei elektronisch einen Mehrfachantrag-Flächen für das Antragsjahr 2015, beantragte die Gewährung von Direktzahlungen und spezifizierte zu diesem Zweck in der Internet-Applikation INVEKOS-GIS eine Reihe von landwirtschaftlichen Nutzflächen.

2. Mit angefochtenem Bescheid der Agrarmarkt Austria (im Folgenden: AMA oder belangte Behörde) vom 28.04.2016, der beschwerdeführenden Partei zugestellt am 24.05.2016, wurden der beschwerdeführenden Partei 11,72 Zahlungsansprüche zugewiesen und EUR 3.209,82 an Direktzahlungen gewährt. Davon entfielen auf die Basisprämie EUR 1.936,55, auf die Greeningprämie EUR 1.034,84 und auf die gekoppelte Stützung EUR 238,43.

3. Dagegen richtet sich die vorliegende rechtzeitige Beschwerde, in der im Wesentlichen vorgebracht wird, dass das Feldstück XXXX ("XXXX") entgegen der Ergebnisse der Vor-Ort-Kontrolle ("anderer Bewirtschafter - Alm") keine Almfläche sei, sondern so beantragt worden sei, wie dies auch der Vorbewirtschafter getan habe.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 31.08.2016, Zahl II/4-DZ/15-4173281010, der beschwerdeführenden Partei zugestellt am 12.09.2016, gewährte die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei einen um EUR 94,85 höheren Prämienbetrag. Die Änderung resultierte einerseits aus einer Änderung im Sanktionenregime des Marktordnungsrechts, andererseits aus einer Umstellung der Berechnung der Zahlungsansprüche von zwei auf vier Nachkommastellen. Das Ergebnis einer am 19.08.2016 am Betrieb der beschwerdeführenden Partei erfolgten Nachkontrolle der belangten Behörde fand in dieser Beschwerdevorentscheidung noch keine Berücksichtigung.

5. Dagegen wurde binnen offener Frist von der beschwerdeführenden Partei der Antrag gestellt, die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen.

6. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und führte im Rahmen der Beschwerdevorlage Folgendes aus: Aufgrund der Nachkontrolle vom 19.08.2016 habe die Beanstandung am Feldstück XXXX korrigiert werden können. Es liege daher keine relevante Differenzfläche mehr vor. Aufgrund des Vorlageantrages sei die belangte Behörde nicht mehr berechtigt, den Bescheid abzuändernd. Auf Grundlage der geänderten Berechnungsgrundlage sei nun ein Report erzeugt worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 1. Feststellungen (Sachverhalt):

Im Rahmen einer Vor-Ort-Kontrolle vom 28.08.2015 wurde das Feldstück XXXX des Heimbetriebes der beschwerdeführenden Partei ("XXXX") der Alm der beschwerdeführenden Partei zugerechnet. Diese Zuordnung wurde durch eine Nachkontrolle vom 19.08.2016 wieder rückgängig gemacht. Es wurde festgestellt, dass das genannte Feldstück im Antragsjahr 2015 dem Heimbetrieb zuzuordnen ist.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und wurde von keiner Partei bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden in Rechtssachen in Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Gemäß § 1 AMA-Gesetz 1992, BGBl. I Nr. 376/1992 idgF iVm § 6 Marktordnungsgesetz 2007 (MOG 2007), BGBl. I Nr. 55/2007 idgF erfolgt die Abwicklung der landwirtschaftlichen Direktzahlungen durch die AMA im Rahmen der unmittelbaren Bundesverwaltung.

Zu A)

3.2. Maßgebliche Rechtsgrundlagen in der für das betroffene Antragsjahr maßgeblichen Fassung:

Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates, ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 608, im Folgenden VO (EU) 1307/2013:

"Artikel 4

Begriffsbestimmungen und damit zusammenhängende Bestimmungen

(1) Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Begriff

[...]

e) "landwirtschaftliche Fläche" jede Fläche, die als Ackerland, Dauergrünland und Dauerweideland oder mit Dauerkulturen genutzt wird; [...]"

"Artikel 21

Zahlungsansprüche

(1) Die Basisprämienregelung kann von Betriebsinhabern in Anspruch genommen werden, die

a) Zahlungsansprüche im Rahmen der vorliegenden Verordnung durch Zuweisung gemäß Artikel 20 Absatz 4, durch Erstzuweisung nach Maßgabe der Artikel 24 oder Artikel 39, durch Zuweisung aus der nationalen Reserve oder den regionalen Reserven gemäß Artikel 30 oder durch Übertragung gemäß Artikel 34 erhalten [...].

(2) Die Gültigkeit der im Rahmen der Betriebsprämienregelung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 erhaltenen Zahlungsansprüche läuft am 31. Dezember 2014 ab.

[...]."

"Artikel 32

Aktivierung von Zahlungsansprüchen

(1) Eine Stützung im Rahmen der Basisprämienregelung wird den Betriebsinhabern bei Aktivierung eines Zahlungsanspruchs je beihilfefähige Hektarfläche mittels Anmeldung gemäß Artikel 33 Absatz 1 in dem Mitgliedstaat, in dem der Zahlungsanspruch zugewiesen wurde, gewährt. Bei aktivierten Zahlungsansprüchen besteht Anspruch auf die jährliche Zahlung der darin festgesetzten Beträge, unbeschadet der Anwendung von Haushaltsdisziplin, Kürzung von Zahlungen gemäß Artikel 11 sowie linearen Kürzungen gemäß Artikel 7, Artikel 51 Absatz 2 und Artikel 65 Absatz 2 Buchstabe c der vorliegenden Verordnung sowie der Anwendung von Artikel 63 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013.

(2) Im Sinne dieses Titels bezeichnet der Begriff "beihilfefähige Hektarfläche"

a) jede landwirtschaftliche Fläche des Betriebs, [...].

Artikel 33

Anmeldung der beihilfefähigen Hektarflächen

(1) Für die Zwecke der Aktivierung von Zahlungsansprüchen nach Artikel 32 Absatz 1 meldet der Betriebsinhaber die Parzellen an, die der beihilfefähigen Hektarfläche für jeden Zahlungsanspruch entsprechen. Außer im Falle höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände müssen die angemeldeten Parzellen dem Betriebsinhaber zu einem vom Mitgliedstaat festzusetzenden Zeitpunkt zur Verfügung stehen, der jedoch nicht nach dem in demselben Mitgliedstaat festgesetzten Zeitpunkt für die Änderung des Beihilfeantrags gemäß Artikel 72 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 liegen darf.

[...]."

§ 28 Abs. 2 und 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet:

"(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

3.3. Daraus folgt für die eingebrachte Beschwerde:

Mit dem Antragsjahr 2015 wurde die Einheitliche Betriebsprämie von der Basisprämie und mehreren ergänzenden Zahlungen, insb. der Zahlung für dem Klima- und Umweltschutz förderliche Landbewirtschaftungsmethoden (= Ökologisierungszahlung bzw. "Greening-prämie"), abgelöst. Die Gewährung der Basisprämie erfolgt gemäß Art. 32 Abs. 1 VO (EU) 1307/2013 i.V.m. Art. 18 VO (EU) 640/2014 nach Maßgabe der ermittelten beihilfefähigen Fläche. Die Gewährung der Greeningprämie erfolgt gemäß Art. 43 Abs. 9 VO (EU) 1307/2013 im Ausmaß der mit beihilfefähiger Fläche aktivierten Zahlungsansprüche.

Im vorliegenden Fall wendet sich die beschwerdeführende Partei gegen sanktionsrelevante Abzüge. Die noch durch die Vor-Ort-Kontrolle vom 28.08.2015 verfügte Flächenzuweisung des Feldstücks XXXX ("XXXX") zur Alm der beschwerdeführenden Partei - was in der Folge zur Anwendung des marktordnungsrechtlichen Sanktionenregimes geführt hat - wurde durch die Vor-Ort-Kontrolle vom 19.08.2016 wieder rückgängig gemacht.

Der Amtswegigkeitsgrundsatz und der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit verpflichten die Behörde, von Amts wegen ohne Rücksicht auf Vorträge, Verhalten und Behauptungen der Parteien die entscheidungserheblichen Tatsachen zu erforschen und deren Wahrheit festzustellen. Der Untersuchungsgrundsatz verwirklicht das Prinzip der materiellen (objektiven) Wahrheit, welcher es verbietet, den Entscheidungen einen bloß formell (subjektiv) wahren Sachverhalt zu Grund zu legen. Vor dem Hintergrund des Amtswegigkeitsprinzips und des Grundsatzes der Erforschung der materiellen Wahrheit, hätte die belangte Behörde den wahren Sachverhalt hinsichtlich der genutzten Fläche somit ermitteln müssen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, 2. Teilband, Wien 2005, Manz Verlag, § 39 Rz 3ff).

Daraus ergibt sich, dass der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt unzureichend ermittelt wurde, der wahre Sachverhalt wurde erst durch eine Nachkontrolle vom 19.08.2016 ermittelt. In Anbetracht der Komplexität der Bezug habenden Beihilferegelung und des technischen Charakters der Entscheidung über die aus dem neuen Sachverhalt erfließenden Berechnungen läge eine Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht weder im Interesse der Raschheit noch wäre diese mit einer Kostenersparnis verbunden. Vielmehr dient die Zurückverweisung der Angelegenheit einer raschen und kostensparenden Vervollständigung des neuen Sachverhalts.

Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

amtswegige Ermittlungspflicht, Behebung der Entscheidung,
beihilfefähige Fläche, Berechnung, Beschwerdevorentscheidung,
Direktzahlung, einheitliche Betriebsprämie, Ermittlungspflicht,
INVEKOS, Kassation, Kontrolle, mangelhaftes Ermittlungsverfahren,
mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Mehrfachantrag-Flächen,
Prämiengewährung, Vorlageantrag, Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W180.2153043.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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