TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/15 W185 2132827-1

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Veröffentlicht am 15.03.2018
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Entscheidungsdatum

15.03.2018

Norm

AsylG 2005 §5 Abs1
BFA-VG §21 Abs3 Satz1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61 Abs1

Spruch

W185 2132827-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.08.2016, Zl. 1102447208-160082605, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz

BFA-Verfahrensgesetz idgF (BFA-VG) stattgegeben, das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz wird zugelassen und der bekämpfte Bescheid wird behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise am 16.01.2016 den Antrag, ihm in Österreich internationalen Schutz zu gewähren. Einer EURODAC-Treffermeldung zufolge wurde der Beschwerdeführer am 29.11.2015 in Griechenland erkennungsdienstlich behandelt

(GR2............).

Am 17.01.2016 wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen und gab hierbei zusammengefasst an, der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können und keine Medikamente einnehmen zu müssen. In Österreich oder einem anderen EU-Staat habe der Beschwerdeführer keine Familienangehörigen; einer seiner Cousins lebe in England. Er habe kein bestimmtes Zielland gehabt. Er sei über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich gelangt. Sonst habe er nirgendwo um Asyl angesucht. Der Beschwerdeführer wolle in Österreich bleiben. Bis auf Griechenland, wo er sogar geschlagen worden sei, sei die Behandlung in den durchreisten Ländern "in Ordnung" gewesen.

Am 13.02.2016 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Informationsersuchen nach Art 34 Dublin III-VO an Slowenien und Kroatien.

Mit Schreiben vom 19.02.2016 teilte Slowenien mit, dass der Beschwerdeführer in Slowenien nicht registriert sei; es gebe keine Informationen diesen betreffend in Slowenien.

In weiterer Folge richtete das Bundesamt am 31.03.2016 ein Aufnahmeersuchen gemäß Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (infolge Dublin-III-VO) an Kroatien; dies unter Hinweis auf den vom Beschwerdeführer behaupteten Reiseweg und dessen Fingerabdrücke.

Die österreichische Dublin-Behörde wies Kroatien mit Schreiben vom 08.06.2016 auf die Verfristung und die dadurch nunmehr bestehende Zuständigkeit Kroatiens für die Führung des gegenständlichen Asylverfahrens hin; dies beginnend mit 02.06.2016 (AS 47).

Mit Telefax vom 27.07.2016 gab der Verein ZEIGE bekannt, dass er nunmehr den Beschwerdeführer im Asylverfahren vertrete. Die Vollmacht umfasse auch die Zustellvollmacht.

Am 01.08.2016 fand - in Anwesenheit einer Rechtsberaterin und nach durchgeführter Rechtsberatung - eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Hiebei gab dieser im Wesentlichen an, sich körperlich und geistig in der Lage zu fühlen, die Einvernahme zu absolvieren. Er habe jedoch Schmerzen aufgrund einer Operation nach einem Unfall im Iran; er nehme Schmerztabletten ein. Ein Arzt in Österreich habe ihm erklärt, dass die "Platten herausgenommen" werden müssten. In Kroatien sei der Beschwerdeführer nur mit einem Zug auf der Durchreise gewesen. Er habe sich etwa eine Stunde lang in Kroatien aufgehalten; nach seiner Identität sei der Beschwerdeführer dort nicht gefragt worden. Anschließend sei er mit dem Bus über Slowenien nach Österreich gelangt. Seit seiner Einreise vor ca 8 Monaten habe er Österreich nicht wieder verlassen. Er lebe hier von der Grundversorgung, sei ledig und habe keine Kinder. In Österreich habe der Beschwerdeführer keine Familienangehörigen oder Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis oder eine besonders enge Beziehung bestünde. Er wolle ein ruhiges Leben führen und wieder arbeiten. Über Vorhalt der Zuständigkeit Kroatiens erklärte der Beschwerdeführer, nicht dorthin zurückkehren zu wollen. Er sei dort von Polizisten geschlagen worden, als er wieder in den Zug einsteigen habe wollen; da sei er gestoßen worden. In Kroatien gebe es keine Sicherheit. Er habe eigentlich nach Deutschland weiterreisen wollen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Artikel 13 Abs. 1 (richtig: iVm Art 22 Abs 7) Dublin III-VO Kroatien für die Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge dessen Abschiebung nach Kroatien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Gegen den Bescheid des Bundesamtes wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, in welcher im Wesentlichen vorgebracht wurde, dass der Beschwerdeführer im Zuge der Massenfluchtbewegung auf der sog. Balkanroute nach Österreich gelangt sei. Österreich habe diesen Personen die Einreise zwecks Stellung eines Asylantrages ermöglicht. Die Grenze zwischen Serbien und Kroatien sei nicht illegal überschritten worden. Art 13 Abs 1 Dublin III-VO sei gegenständlich somit nicht anzuwenden. Es bestehe eine Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung des Antrags des Beschwerdeführers. Die Länderfeststellungen seien mangelhaft. In Kroatien bestünde nur medizinische Notversorgung. Es wäre eine Einzelfallprüfung erforderlich gewesen, zur Beurteilung der Frage, ob dem Beschwerdeführer in Kroatien eine Verletzung seiner durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe. Weiters hätte die Behörde eine individuelle Zusicherung hinsichtlich seiner Unterbringung und (medizinischer) Versorgung einholen müssen. Österreich wäre gehalten gewesen, den Selbsteintritt zu erklären. Es werde beantragt, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Vorgelegt wurde ein "Ambulanter Bericht" eines Krankenhauses, Abteilung für Unfallchirurgie, vom 05.08.2016, woraus sich ergibt, dass dem Beschwerdeführer nach einem Motorradunfall im Iran vor 5 Jahren in einer Operation ein Nagel eingesetzt worden sei und die mittlerweile störenden Schrauben entfernt werden sollten.

Am selben Tag wurde eine weitere Beschwerde (Beschwerdeergänzung) eingebracht. Der Beschwerdeführer sei vor seiner Einreise in Österreich durch drei Mitgliedstaaten gereist; zu Griechenland liege auch eine Eurodac-Treffermeldung vor. In Kroatien sei der Beschwerdeführer nur durchgereist und habe dort auch keinen Asylantrag gestellt. In Kroatien sei er von Polizisten geschlagen worden. Familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich bestünden nicht. In Kroatien würden Flüchtlinge aus dem Iran nicht als Kriegsflüchtlinge eingestuft; es sei daher nicht gewährleistet, dass der Beschwerdeführer in Kroatien Zugang zu einem ordnungsgemäßen Asylverfahren haben werde. Es bestünde somit auch die Gefahr der Weiterschiebung bzw einer Kettenabschiebung. Eine Art 3 EMRK-Verletzung sei nicht auszuschließen. Österreich hätte vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen.

Mit E-Mail vom 23.08.2016 wurde bekannt gegeben, dass der Beschwerdeführer mit 22.08.2016 von der Unterkunft abgemeldet worden sei. Am 26.08.2016 langte ein E-Mail ein, wonach der Beschwerdeführer mit 25.08.2016 in einer best. Unterkunft angemeldet worden sei. Mit E-Mail vom 02.09.2016 wurde bekannt gegeben, dass der Beschwerdeführer mit 01.09.2016 von der Unterkunft abgemeldet worden sei.

Am 13.09.2016 langte beim BVwG die Mitteilung einer Verfahrenseinstellung seitens einer Staatsanwaltschaft den Beschwerdeführer betreffend ein.

Am 16.11.2016 teilte das Bundesamt den kroatischen Behörden mit, dass der Beschwerdeführer unbekannten Aufenthalts sei, das Verfahrens ausgesetzt worden sei und es zu einer Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate gekommen sei.

Aus einer am 23.01.2017 (und am 23.02.2018) seitens des BVwG jeweils veranlassten Abfrage aus dem Zentralen Melderegister ergibt sich, dass der Beschwerdeführer seit 18.10.2016 in Österreich nicht mehr aufrecht gemeldet war.

Mit E-Mail des Bundesamtes vom 26.02.2018 wurde mitgeteilt, dass die Überstellungsfrist gegenständlich bereits am 02.12.2017 abgelaufen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der dargelegte Verfahrensgang.

Obwohl unzweifelhaft die Zuständigkeit Kroatiens zur Führung des Asylverfahrens des Beschwerdeführers vorlag, erfolgte dessen Überstellung nicht binnen der in Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO festgelegten Frist von achtzehn Monaten, konkret bis zum Ablauf des 02.12.2017. Das Verfahren wurde aufgrund des unbekannten Aufenthalts des Beschwerdeführers ausgesetzt und es fand eine Fristverlängerung im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO auf 18 Monate statt.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Akt des Bundesamtes, insbesondere auch aus dem Konsultationsverfahren.

Die Überschreitung der Frist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO ergibt sich gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO, wonach die Zustimmungsfiktion nach Verstreichen einer Frist von 2 Monaten vorliegt. Dass eine fristgerechte Überstellung des Beschwerdeführers nach Kroatien nicht erfolgt ist, ergibt sich aus einer entsprechenden Mitteilung seitens des Bundeamtes vom 26.02.2018.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

...

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

...

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird."

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

§ 21 (3) BFA-VG: Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-Verordnung) lauten:

Aufnahmeverfahren

Artikel 21

Aufnahmegesuch

(1) Hält der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, einen anderen Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags für zuständig, so kann er so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung im Sinne von Artikel 20 Absatz 2, diesen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen.

Abweichend von Unterabsatz 1wird im Fall einer Eurodac-Treffermeldung im Zusammenhang mit Daten gemäß Artikel 14 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 dieses Gesuch innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Treffermeldung gemäß Artikel 15 Absatz 2 jener Verordnung gestellt.

Wird das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb der in Unterabsätzen 1 und 2 niedergelegten Frist unterbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für die Prüfung des Antrags zuständig.

(2)...

...

Artikel 22 Antwort auf ein Aufnahmegesuch

(1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers innerhalb von zwei Monaten, nach Erhalt des Gesuchs.

(2) In dem Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats werden Beweismittel und Indizien verwendet.

(3) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten die Erstellung und regelmäßige Überprüfung zweier Verzeichnisse, in denen die sachdienlichen Beweismittel und Indizien gemäß den in den Buchstaben a und b dieses Artikels festgelegten Kriterien aufgeführt sind, fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

a) Beweismittel:

i) Hierunter fallen förmliche Beweismittel, die insoweit über die Zuständigkeit nach dieser Verordnung entscheiden, als sie nicht durch Gegenbeweise widerlegt werden;

ii) Die Mitgliedstaaten stellen dem in Artikel 44 vorgesehenen Ausschuss nach Maßgabe der im Verzeichnis der förmlichen Beweismittel festgelegten Klassifizierung Muster der verschiedenen Arten der von ihren Verwaltungen verwendeten Dokumente zur Verfügung;

b) Indizien:

i) Hierunter fallen einzelne Anhaltspunkte, die, obwohl sie anfechtbar sind, in einigen Fällen nach der ihnen zugebilligten Beweiskraft ausreichen können;

ii) Ihre Beweiskraft hinsichtlich der Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz wird von Fall zu Fall bewertet.

(4) Das Beweiserfordernis sollte nicht über das für die ordnungsgemäße Anwendung dieser Verordnung erforderliche Maß hinausgehen.

(5) Liegen keine förmlichen Beweismittel vor, erkennt der ersuchte Mitgliedstaat seine Zuständigkeit an, wenn die Indizien kohärent, nachprüfbar und hinreichend detailliert sind, um die Zuständigkeit zu begründen.

(6) Beruft sich der ersuchende Mitgliedstaat auf das Dringlichkeitsverfahren gemäß Artikel 21 Absatz 2, so unternimmt der ersuchte Mitgliedstaat alle Anstrengungen, um die vorgegebene Frist einzuhalten. In Ausnahmefällen, in denen nachgewiesen werden kann, dass die Prüfung eines Gesuchs um Aufnahme eines Antragstellers besonders kompliziert ist, kann der ersuchte Mitgliedstaat seine Antwort nach Ablauf der vorgegebenen Frist erteilen, auf jeden Fall ist die Antwort jedoch innerhalb eines Monats zu erteilen. In derartigen Fällen muss der ersuchte Mitgliedstaat seine Entscheidung, die Antwort zu einem späteren Zeitpunkt zu erteilen, dem ersuchenden Mitgliedstaat innerhalb der ursprünglich gesetzten Frist mitteilen.

(7) Wird innerhalb der Frist von zwei Monaten gemäß Absatz 1 bzw. der Frist von einem Monat gemäß Absatz 6 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.

Artikel 29 Dublin III - VO: Modalitäten und Fristen

(1) Die Überstellung des Antragstellers oder einer anderen Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme - oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Artikel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung hat.

Wenn Überstellungen in den zuständigen Mitgliedstaat in Form einer kontrollierten Ausreise oder in Begleitung erfolgen, stellt der Mitgliedstaat sicher, dass sie in humaner Weise und unter uneingeschränkter Wahrung der Grundrechte und der Menschenwürde durchgeführt werden.

Erforderlichenfalls stellt der ersuchende Mitgliedstaat dem Antragsteller ein Laissez-passer aus. Die Kommission gestaltet im Wege von Durchführungsrechtsakten das Muster des Laissez- passer. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Der zuständige Mitgliedstaat teilt dem ersuchenden Mitgliedstaat gegebenenfalls mit, dass die betreffende Person eingetroffen ist oder dass sie nicht innerhalb der vorgegebenen Frist erschienen ist.

(2) Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist."

...

Artikel 42 Berechnung der Fristen

Die in dieser Verordnung vorgesehenen Fristen werden wie folgt berechnet:

a) Ist für den Anfang einer nach Tagen, Wochen oder Monaten bemessenen Frist der Zeitpunkt maßgebend, zu dem ein Ereignis eintritt oder eine Handlung vorgenommen wird, so wird bei Berechnung dieser Frist der Tag, auf den das Ereignis oder die Handlung fällt, nicht mitgerechnet.

b) Eine nach Wochen oder Monaten bemessene Frist endet mit Ablauf des Tages, der in der letzten Woche oder im letzten Monat dieselbe Bezeichnung oder dieselbe Zahl wie der Tag trägt, an dem das Ereignis eingetreten oder die Handlung vorgenommen worden ist, von denen an die Frist zu berechnen ist. Fehlt bei einer nach Monaten bemessenen Frist im letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

c) Eine Frist umfasst die Samstage, die Sonntage und alle gesetzlichen Feiertage in jedem der betroffenen Mitgliedstaaten.

Auf Grund des Aufnahmeersuchens Österreichs gem. Art. 13 Abs. 1 der Dublin III-VO an Kroatien vom 31.03.2016, der Nichtbeantwortung des Gesuchs durch die kroatische Dublinbehörde und somit des Vorliegens von Verfristung gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO, endete die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 iVm Art 42 lit b Dublin III-VO mit Ablauf des 01.12.2017.

Der Beschwerdeführer war seit 18.10.2016 nicht mehr aufrecht gemeldet und somit unbekannten Aufenthaltes; eine Aussetzung des Verfahrens bzw eine Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate hat stattgefunden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist somit die auf achtzehn Monate verlängerte Überstellungsfrist gem. Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO bereits abgelaufen. Die Verfristungsbestimmungen der Dublin III-VO normieren einen Zuständigkeitsübergang bzw. eine Zuständigkeitsbegründung des die Überstellung nicht während dieser Frist durchführenden Mitgliedsstaates.

Ein Übergang der Zuständigkeit hat im gegenständlichen Verfahren somit stattgefunden und ist Österreich demnach nunmehr für die Führung des materiellen Verfahrens des Beschwerdeführers zuständig. Dementsprechend war der gegenständliche, die Zuständigkeit Österreichs zurückweisende, Bescheid zu beheben und das Verfahren zuzulassen.

In diesem Zusammenhang bleibt noch anzuführen, dass die in Art 29 Abs 1 und 2 Dublin III-VO normierte Frist zur Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat eine zwingende Frist ist (siehe EuGH 25.10.2017, Rs C-201/16 Shiri), bei deren Nichteinhaltung die Zuständigkeit, ohne dass dies von der Reaktion des zuständigen Mitgliedstaates abhängig wäre, auf den ersuchenden Staat übergeht. Darauf kann sich auch ein Antragsteller berufen (VwGH 13.12.2017, Ra 2017/19/0081).

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben, zumal sämtliche verfahrenswesentliche Abklärungen, insbesondere aber die im gegenständlichen Verfahren relevante Frage hinsichtlich des Vorliegens eines Fristablaufes, eindeutig aus dem vorliegenden Verwaltungsakt beantwortet werden konnten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen treffen Art. 29 Dub III-VO und § 21 Abs. 3 BFA-VG klare eindeutige Regelungen (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Fristablauf, Fristversäumung, Überstellungsfrist, Verfristung,
Zulassungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W185.2132827.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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