TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/15 L512 2123024-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.03.2018
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Entscheidungsdatum

15.03.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L512 2123024-1/31E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Iran, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 20.02.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 16.11.2016 und 09.03.2018, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46, § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz von Spruchpunkt III des bekämpften Bescheides zu lauten hat:

"Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt."

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Iran (in weiterer Folge "Iran" genannt), stellte am 10.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 12.09.2015 Folgendes vor:

Er sei im Iran geboren, geschieden, gehöre der persischen Volksgruppe (Fars) an und sei Christ. Er habe im Iran 12 Jahre die Grundschule besucht. Zuletzt sei er Arbeiter gewesen. Er sei vor ca. 1 Monat mit einem Reisebus zur türkischen Grenze gefahren und habe dann die Grenze zu Fuß illegal überquert. Er sei mit keinem Reisedokument ausgereist bzw. habe er nie ein Reisedokument oder einen sonstigen Identitätsnachweis besessen.

Zum Fluchtgrund befragt brachte der BF vor, er habe im Iran seine Religion gewechselt. Er sei zuerst Moslem gewesen, jetzt Christ. Im Iran habe er deswegen Probleme mit anderen Personen, der Regierung bzw. dem Staat bekommen. Da er seine Religion gewechselt habe, drohe ihm im Iran mit Sicherheit die Todesstrafe [Aktenseite (AS) 17 ff.].

Vor einer Organwalterin der belangten Behörde brachte der BF am 15.02.2016 Folgendes vor:

Er habe bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht. Er habe jedoch nicht alle Fluchtgründe genannt. Sein Personalausweis und sein Führerschein seien im Iran. Er sei drei Jahre unbedingt in Haft gewesen bzw. wäre zusätzlich zu vier Jahren bedingter Haft und weiteren zwei Jahren Aufenthalt in einer Stadt verurteilt worden, da er an einer Demonstration im Jahr 2009/2010 gegen die Regierung teilgenommen und aktiv gegen den Präsidenten gearbeitet habe. Er sei am 27.12.2012 in die Türkei gegangen. Er sei im Iran und in der Türkei Menschenrechtsaktivist gewesen. Im Iran habe er gesehen wie Häftlinge im Gefängnis behandelt wurden. Darüber habe er Informationen gesammelt und diese per Telefon an Leute in der Türkei weitergeleitetet. Aufgrund der Unterlagen, welche in der Türkei veröffentlicht worden wären, seien sie von den iranischen Behörden mit dem Umbringen bedroht worden. Vor sechs oder sieben Jahren sei er zum Christentum konvertiert. Er sei heimlich in eine Kirche gegangen. Er habe nicht oft eine Kirche besucht, da er Angst vor einer Inhaftierung hatte. Er sei noch nicht getauft. Er lebe in Bundesbetreuung, gehe keiner beruflichen Tätigkeit in Österreich nach, sei nicht verheiratet und habe keine Kontakte in Österreich. Er sei kein Mitglied in einem Verein, einer religiösen Verbindung oder sonstigen Gruppierung.

Er lebe von der Grundversorgung. Er besuche einen Deutschkurs, habe Freunde in Österreich. Er habe keine Verwandten in Österreich (AS 147 ff.).

I.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung Spruchpunkt IV.) (AS 87 ff.).

I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen des BF als unglaubwürdig. Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass die Ausführungen des BF, die ihn zum Verlassen der Heimat bewogen haben unglaubwürdig seien. Der BF habe bezüglich möglicherweise stattgefundener Bedrohungsszenarien nicht nachvollziehbare Aussagen getätigt und habe nicht den Eindruck erwecken können, dass das Geschilderte persönlich Erlebtes darstelle. Der BF habe den Umstand, dass er zum Christentum konvertiert wäre, nicht glaubhaft darstellen können. Der BF habe den Unterschied zwischen römisch katholischer und evangelischer Kirche nicht darlegen können. Der BF habe ein Schriftstück vorgelegt, wonach er Interesse am römisch-katholischen Glauben habe und getauft werden möchte, in der Einvernahme habe der BF jedoch angeführt, er sei Protestant. Der BF habe geschildert, dass er im Jahre 2009 nach einer Demonstration gegen die Regierung zu einer siebenjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden wären. Drei Jahre davon unbedingt. Während der Haftstrafe hätte er sich als Menschenrechtsaktivist engagiert. Er habe ein Handy in Haft besessen, habe heimlich telefoniert und Personen außerhalb von den Umständen im Gefängnis berichtet. Dieser Umstand des "heimlichen Telefonierens" sei insofern nicht nachvollziehbar, als es allgemein bekannt sei, dass der Haftalltag in einem iranischen Gefängnis nicht derart ist, als der BF dort eine Privatsphäre hätte oder unbeobachtet "Telefonieren" hätten könne. Der BF habe angeführt, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit als Menschenrechtsaktivist Berichte gesammelt hätte, welche er an eine Person, die sich in der Türkei aufgehalten hätte, weitergeleitet hätte. Ein vorgelegter Auszug aus dem Internet belege lediglich, dass es diese Person gegeben hat, jedoch nicht, dass der BF mit dieser auch nur ansatzweise zusammen gearbeitet hätte. Auf vorgelegten Fotos sei der BF lediglich auf einem vorhanden, jedoch nicht gemeinsam mit dieser Person. Der BF habe seine Zustimmung zu Recherche im Heimatland nicht erteilt.

I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57, 55 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK (§§ 55, 10 Abs. Z 3 AsylG 2005) dar. Zudem sei die Abschiebung zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe in Höhe von 14 Tagen, da keine Gründe im Sinne des nach § 55 Abs 1 a FPG vorliegen würden.

I.2.4. Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 01.03.2016 (AS 155).

I.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz wegen unrichtiger Beweiswürdigung, unrichtigen Tatsachenfeststellungen und unrichtiger rechtlicher Beurteilung Beschwerde erhoben.

I.3.1. Der BF beantragte,

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den angefochtenen Bescheid zu beheben;

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dass dem BF internationalen, jedenfalls aber subsidiären Schutz zu gewähren;

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in eventu der belangten Behörde die Ergänzung des Verfahrens aufzutragen;

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der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (AS 157 ff.).

I.4. Für den 16.11.2016 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Verhandlung.

I.4.1. Mit Schreiben vom 20.10.2016 wurden den Verfahrensparteien Länderberichte zur Lage im Iran zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich bis zum Zeitpunkt der anberaumten Verhandlung schriftlich bzw. in der Verhandlung mündlich hierzu zu äußern.

I.5. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestätigte der BF seine Ausführungen zu seiner Identität und führte aus, dass er verhandlungsfähig sei. Zum Gesundheitszustand befragt erörterte der BF, dass er regelmäßig zum Arzt gehe. Er nehme Beruhigungsmittel und Mittel gegen Depressionen. Der BF hatte die Möglichkeit zu seiner Integration, seinem Fluchtvorbringen und seiner Rückkehrsituation Stellung zu nehmen

I.6. Nach Zustimmung des BF wurde ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben, welches am 15.02.2017 beim erkennenden Gericht einlangte. Dem BF wurde dieses zur Kenntnis gebracht bzw. ihm die Möglichkeit eingeräumt, dazu eine Stellungnahme abzugeben.

I.7. Am 27.03.2017, 26.06.2017 und 25.07.2017 langten eine Stellungnahme des BF zum neurologisch-psychiatrischen Gutachten, eine Austrittsbestätigung sowie eine Taufurkunde ein.

I.8. Am 09.02.2017 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer weiteren mündlichen Verhandlung.

I.9. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. Der Beschwerdeführer

Beim BF handelt es sich um einen männlichen, iranischen Staatsbürger, welcher die Sprache Farsi, Türkisch und ein wenig Englisch spricht.

Der BF ist somit Drittstaatsangehöriger.

Der BF ist ein arbeitsfähiger Mann mit höherer Ausbildung, mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.

Die Eltern des BF, seine Schwester, seine Ex-Frau und sein Sohn leben nach wie vor im Herkunftsstaat des BF. Der BF lebte vor seiner Ausreise zusammen mit seinen Eltern zusammen. Der BF ist gelernter Tischler. Er hat vor seiner Ausreise als Taxifahrer gearbeitet.

Der BF hat keine Verwandten in Österreich. Der BF verfügt in Österreich über keine eigene, den Lebensunterhalt deckenden Mittel. Der BF ist kein Mitglied in einem Verein. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Die Identität des BF steht fest.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Iran:

Politische Lage

Höchste politische Instanz ist Ayatollah Ali Khamenei, der "Oberste Führer der Islamischen Revolution". Dieser verfügt als Ausdruck des Prinzips der "Herrschaft der Islamischen Rechtsgelehrten" über eine verfassungsrechtlich verankerte Richtlinienkompetenz, ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und hat das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen. Die beiden Kernelemente der "Herrschaft des Rechtsgelehrten" sind zum einen das "göttliche Recht" als einzige Quelle staatlicher Legitimität und politischer Autorität sowie zum anderen die verbindliche Interpretation dieses Rechts durch den religiösen (Revolutions-)Führer bis zur Wiederkehr des verborgenen Imams (AA 9.12.2015).

Seit 1979 ist der Iran eine Islamische Republik, wobei versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Kriterien beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden. Das iranische Regierungssystem ist ein präsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (derzeitiger Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Madschlis - Majlese Shorâ-ye Eslami / Islamische Beratende Versammlung -, ein Einkammerparlament, das (mit europäischen Parlamenten vergleichbare) legislative Kompetenzen hat sowie Regierungsmitgliedern das Vertrauen entziehen kann. Über dem Präsidenten, der lt. Verfassung auch Regierungschef ist, steht der Oberste Führer, seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Der Oberste Führer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran; Abk.: IRGC) und damit auch die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen. Für die entscheidenden Fragen der Islamischen Republik ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich. Entscheidende Gremien sind des Weiteren der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit 86 Mitgliedern, sowie der Wächterrat mit 12 Mitgliedern (davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs vom Majlis gewählte Juristen). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Normenkontrolle), ist jedoch insgesamt wesentlich mächtiger als ein europäisches Verfassungsgericht. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei Wahlen (ÖB XXXX 10.2015, vgl. AA 9.12.2015, FH 27.1.2016). Weiters gibt es den Schlichtungsrat, der zwischen dem Parlament und dem Wächterrat, der als Verfassungsgericht fungiert vermittelt, wenn zwischen beiden ein Patt eintritt. Dann kann der Schlichtungsrat im Interesse der Staatsräson das Inkrafttreten eines Gesetzes erzwingen (FAZ 11.3.2015). Ausschließlich politische Parteien und Fraktionen, die sich dem Establishment und der Staatsideologie als loyal erweisen, ist es erlaubt, im Iran zu arbeiten. Reformistische Parteien und Politiker sind seit 2009 immer wieder unter Druck geraten (FH 27.1.2016).

Mit dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen über das iranische Atomprogramm und der Einigung auf ein Abkommen ("Joint Comprehensive Plan of Action") geht die Hoffnung auf eine Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Iran und der internationalen Gemeinschaft einher. Nach der Implementierung der im Atomabkommen vorhergesehenen Bestimmungen (starke Einschränkung iranischer Atomanreicherung, Umbau des Reaktors in Arak) ist eine schrittweise Aufhebung der bisher bestehenden Sanktionen vorgesehen (ÖB XXXX 10.2015, vgl. AA 9.12.2015). Die Sanktionen der USA und EU gegen den Iran sind aufgehoben. Das teilten US-Außenminister John Kerry und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am 16.1.2016 in Wien mit. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) bescheinigte zuvor dem Iran, allen Verpflichtungen nachgekommen zu sein, die in dem 2015 geschlossenen Atomabkommen vereinbart wurden. Ohne Sanktionen wird der Iran unter anderem wieder viele Industriegüter frei einführen und Öl auf dem Weltmarkt frei verkaufen können. Zahlreiche westliche Länder warten darauf, wieder Geschäfte mit der Islamischen Republik machen zu können. Eine Reihe von Sanktionen, wie die zum Verkauf schwerer Waffen, bleibt jedoch noch für einige Jahre in Kraft. Beim Verstoß gegen die Vereinbarungen kann es zum Wiedereinsetzen der UN-Sanktionen ("snapback") kommen. Das wäre zugleich das Ende des Atom-Deals (Welt.de 16.1.2016).

Nach seiner Wahl zum Präsidenten kündigte der Kleriker Hassan Rohani in innen- und außenpolitischen Fragen einen moderaten Kurs und eine Abkehr von Extremismus und Konfrontation an. Rohanis Regierung von "Weitsicht und Hoffnung" (tadbir va omid) - so der Slogan seiner Wahlkampagne - gipfelte im Juli 2015 in der Unterzeichnung des "Gemeinsamen umfassenden Aktionsplans" (JCPOA), der vorläufigen Beilegung des Streits über das iranische Atomprogramm und der bevorstehenden wirtschaftlichen Öffnung des Landes. Gleichzeitig konnte Rohani die in ihn gesetzten - wohl auch zu optimistischen - Erwartungen hinsichtlich substantieller Reformen innerhalb des Landes nicht erfüllen. Dies mag auch daran liegen, dass er sein gesamtes politisches Kapital in die Nuklearfrage investiert (hat) und sein Handlungsspielraum gering ist. Tatsache ist, dass bis dato weder das Wahlversprechen Rohanis einer Lockerung der Zensur noch die Freilassung politischer Gefangener (von wenigen Ausnahmen zu Anfang seiner Regierungsperiode, die rückblickend eher den Eindruck einer PR-Kampagne erwecken, abgesehen) eingelöst wurden. Mir Hussein Moussavi und Mehdi Karroubi stehen nach wie vor unter Hausarrest. Twitter, Facebook, YouTube und Millionen anderer Websites sind weiterhin blockiert; regierungskritischen Nutzern sozialer Netzwerke drohen hohe Haftstrafen. Die Anzahl an Hinrichtungen stieg seit Rohanis Amtsübernahme an und verbleibt weiterhin auf hohem Niveau. Bislang gibt es auch keine stichhaltigen Hinweise, dass der erfolgreiche Abschluss der Verhandlungen zu einer größeren Dynamik hinsichtlich innerer Reformen führen wird. Die vorläufige Bilanz der Regierung Rohanis ist daher eher ernüchternd. Ein stärkerer Durchgriff der moderaten Regierungskräfte auf Sicherheitsapparat und Judikative zeichnete sich weder ab, noch erscheint er angesichts des internen Machtgefüges realistisch. Die Initiative einer Bürgerrechts-Charta der Regierung Rohani, die den Schutz der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte stärken soll, ist bislang ohne konkretes Ergebnis geblieben. Ein Entwurf der Charta wurde am 26. November 2013 veröffentlicht; die Annahme der endgültigen Version steht weiterhin aus. Allerdings wurde die Charta von MenschenrechtsverteidigerInnen als nicht weit genug gehend kritisiert, insbesondere da alle von ihr garantierten Rechte unter der Einschränkung "im Rahmen des Gesetzes" und der Voraussetzung, dass sie die "Prinzipien des Islam nicht verletzen" stehen (ÖB XXXX 10.2015). Zwei Jahre nach Amtsantritt von Präsident Hassan Rohani ist eine punktuelle Liberalisierung etwa im Bereich der Kulturpolitik und an Hochschulen spürbar, angekündigte grundlegende Reformen auf den Gebieten Pressefreiheit und Frauenrechte bleiben bislang aus. Verfassungsmäßige Vetorechte des Revolutionsführers und des von ihm ernannten Wächterrates sowie der Umstand, dass Spitzenfunktionäre in Justiz und Sicherheitsorganen vom Revolutionsführer ernannt werden, setzen der gewählten Regierung bei ihren Reformbemühungen sehr enge Grenzen (AA 9.12.2015).

Das Konstrukt der Islamischen Republik gibt regelmäßigen Wahlen einen festen Platz, schränkt aber die Kandidaten durch Vorselektion ein. Dies erlaubt einen begrenzten Wettbewerb innerhalb einer prinzipiell systemtreuen Elite, über den das Regime flexibel auf innere und äußere Herausforderungen reagiert. Rohani steht für das Lager der Pragmatiker und Technokraten. Deren Vertreter wollen die Stabilität des Regimes über wirtschaftliche Entwicklung und konstruktive Außenbeziehungen sichern. Rohanis Kandidatur wurde von einem breiten politischen Spektrum getragen - angefangen von den Reformern über die traditionelle Geistlichkeit bis hinein ins konservative Lager. Die iranischen Wähler wollten Veränderung, doch der Verlauf der Protestbewegung nach den Präsidentschaftswahlen von 2009 und auch das Beispiel Syriens hatten ihnen gezeigt, wohin die direkte Konfrontation mit einem gewaltbereiten Regime führen konnte. Also stimmten sie für graduellen Wandel und zeigten damit eine in der Region kaum erreichte politische Reife. Doch Rohanis Versprechen von mehr Freiheiten und Bürgerrechten blieb bislang weitgehend unerfüllt. Zwar sind in der Presse Tabus gefallen und sogar Regierungsmitglieder kommunizieren über die eigentlich zensierten sozialen Netzwerke im Internet. Auch veröffentlichte Rohani einen vielbeachteten Entwurf einer Charta der Bürgerrechte. Doch Justiz und Sicherheitsapparat tun alles, um den Eindruck von größerer Offenheit zu trüben. Trotz Freilassung einiger prominenter politischer Gefangener sitzen noch immer dutzende Aktivisten und Kritiker in Haft. Erneut wurden Zeitungen geschlossen und Generalstaatsanwalt Mohseni Ejei warnte vor einer Wiedereröffnung der unabhängigen Journalistengewerkschaft. Die Zahl der Hinrichtungen ist alarmierend. Der Iran drängt selbstbewusst auf die internationale Bühne und agiert dabei keinesfalls immer so, als wäre er nach Jahren der Konfrontation endlich durch internationalen Druck auf eine konziliante Linie gebracht worden. Rohani vertritt die Interessen des Regimes und handelt in Übereinstimmung mit dem Revolutionsführer (IPG 27.1.2014).

Parteien nach westlichem Verständnis gibt es nicht, auch wenn zahlreiche Gruppierungen nach dem iranischen Verfahren als "Partei" registriert sind. Bei Parlaments- oder Präsidentschaftswahlen werden keine Parteien, sondern Personen gewählt. Zahlreiche reformorientierte Gruppierungen wurden seit den Präsidentschaftswahlen 2009 verboten oder anderweitigen Repressionen ausgesetzt (AA 1.2016a).

Die Machtkämpfe zwischen Hardlinern und Reformern dauern im Iran schon fast vierzig Jahre an. Nie zuvor jedoch disqualifizierten die greisen Kleriker des allmächtigen Wächterrates so viele Bewerber bei einer Parlamentswahl [26.2.2016] wie diesmal. Sieben lange Wochen dauerte das Ringen hinter den Kulissen, sieben kurze Tage der eigentliche Wahlkampf. Am Ende kam auf den Stimmzetteln ein Reformkandidat auf 30 Hardliner. Landesweit lag die Zahl der zugelassenen Politiker, die für eine Öffnung der Islamischen Republik eintreten, bei kümmerlichen 200 und damit sogar unterhalb der Gesamtmenge von 290 Wahlkreisen. Und trotzdem erteilte das Volk den durch beispiellose klerikale Machtwillkür dezimierten Mitstreitern des moderaten Präsidenten Hassan Rohani ein eindeutiges Mandat. In der 16-Millionen-Metropolregion XXXX eroberten die Reformer sämtliche Sitze. In der Provinz verschoben sich ebenfalls die Gewichte, wenn auch nicht so fundamental wie in der Hauptstadt. Noch stehen nicht alle Ergebnisse fest, weil in zwanzig Prozent der Wahlkreise Stichwahlen nötig sind. Doch die lähmende Dominanz der Erzkonservativen ist vorbei. Die Mehrheit der Iraner zeigte auf dem Stimmzettel, dass sie dem Ende des Atomkonflikts zustimmt und für mehr Offenheit und Pluralität im Inneren votiert. Hassan Rohani, der den Wahltag zu einem Referendum über seine Politik erklärt hatte, ist gestärkt. Er kann künftig bei der Regierungsbildung freier agieren. Das vorherige Parlament hatte mehreren Ministerkandidaten den Weg ins Kabinett verbaut, allein für den Hochschulminister brauchte der Regierungschef drei Anläufe. Zudem sind die Hardliner durch diese Niederlage mit ihrem Ziel gescheitert, den Handlungsspielraum des Präsidenten in einer möglichen zweiten Amtszeit ab 2017 einzuschränken. Nun aber hat Rohani gute Chancen, während der ersten Neuwahl eines Revolutionsführers in der Geschichte der Islamischen Republik Präsident zu sein. Machthaber Ali Chamenei ist betagt [76 Jahre] und hat [Prostata]Krebs. 2009 verhinderten er und seine erzkonservative Gefolgschaft den Ansturm der Reformer mit einer Unterdrückungskampagne. Doch seit dem Atomkompromiss verschieben sich die innenpolitischen Gewichte massiv. Das Volk will nach dem außenpolitischen Aufbruch nun auch die Umsetzung der Reformen im Inneren. 2013 bei seiner Wahl hatte Rohani den Bürgern sogar eine Grundrechtecharta in Aussicht gestellt, die die Willkürmacht der islamischen Herrschaft begrenzen soll. Gut zwei Jahre hielten die 81 Millionen Iraner still und ertrugen die Betonfraktion, wohl wissend, dass ihr Präsident zunächst den Atomstreit lösen würde. Die Zahl der Hinrichtungen stieg auf ein Rekordniveau, politische Aktivisten und sogar Musiker wurden zu drakonischen Haftstrafen verurteilt, Zeitungen geschlossen. Entsprechend lang ist die politische, soziale und kulturelle Forderungsliste der Menschen für die nächsten beiden Jahre - angefangen von Pressefreiheit und Parteienvielfalt bis hin zur Freilassung aller politischen Häftlinge, allen voran der Ikonen der Grünen Bewegung von 2009, die damaligen Präsidentschaftsbewerber Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karroubi. Ob Rohani diese Erwartungen erfüllen kann, ist ungewiss. Bei den Atomgesprächen jedenfalls entpuppte er sich als Meisterstratege. Und so könnte es jetzt auch daheim noch einige Überraschungen geben (Zeit Online 29.2.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

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AA - Auswärtiges Amt (1.2016a): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Iran/Innenpolitik_node.html, Zugriff 21.2.2016

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (11.3.2015): Gewinn für die Hardliner,

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/asien/machtgewinn-fuer-irans-hardliner-13477598.html, Zugriff 30.3.2016

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FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016, http://www.ecoi.net/local_link/320134/459362_de.html, Zugriff 21.3.2016

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IPG - Internationale Politik und Gesellschaft (27.1.2014): Wer jetzt Druck fordert, versteht den Iran nicht!

http://www.ipg-journal.de/kommentar/artikel/wer-jetzt-an-druck-glaubt-versteht-den-iran-nicht-244/, Zugriff 21.3.2015

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ÖB XXXX (10.2015): Asylländerbericht

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Wel.de (16.1.2016): Internationale Sanktionen gegen den Iran aufgehoben,

http://www.welt.de/politik/ausland/article151089740/Internationale-Sanktionen-gegen-den-Iran-aufgehoben.html, Zugriff 30.3.2016

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Zeit Online (29.2.2016): Neue Aufgabe für den Meisterstrategen, http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-02/iran-wahl-parlament-reformer-hassan-ruhani, Zugriff 24.2.2016

Sicherheitslage

Auch wenn die allgemeine Lage als ruhig bezeichnet werden kann, bestehen latente Spannungen im Land, speziell in den größeren Städten. Sie haben in der Vergangenheit gelegentlich zu Kundgebungen geführt, besonders während (religiösen) Feiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Das Risiko von Anschlägen kann nicht ausgeschlossen werden (EDA 21.3.2016). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt XXXX , erhöht (AA 21.3.2016b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Die iranische Regierung hat die Provinz im November 2007 für ausländische Staatsangehörige zur "no-go-area" erklärt. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschieht vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 21.3.2016b, vgl. BMEIA 21.3.2016).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gab es vor einigen Jahren wiederholte Anschlagsserien gegen lokale Repräsentanten aus Justiz, Sicherheitskräften und sunnitischem Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr bereits seit Frühjahr 2009 intensiviertes Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt Kampfhandlungen zwischen Militär und der kurdischen Separatistenorganisation PJAK mit mehreren Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kommt es weiterhin zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Revolutionsgarden und der PJAK nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), sind am 8.9.2015 zwei Angehörige der Revolutionsgarden getötet und zwei weitere verletzt worden. Daneben soll es zwei PJAK-Todesopfer und fünf verletzte PJAK-Mitglieder gegeben haben. In Kurdistan besteht ein erhöhtes Aufkommen an Sicherheitskräften, mit häufigen Kontrollen bzw. Checkpoints ist zu rechnen (AA 21.3.2016b, vgl. BMEIA 21.3.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (21.3.2016b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/IranSicherheit.html, Zugriff 21.3.2016

-

BMeiA - Bundesminsterium für europäische und internationale Angelegenheiten (21.3.2016): Reiseinformation Iran, http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/iran-de.html, Zugriff 21.3.2016

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EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (21.3.2016): Reisehinweise Iran, http://www.eda.admin.ch/eda/de/home/travad/hidden/hidde2/iran.html, Zugriff 21.3.2016

Verbotene Organisationen

Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen führen. Zu diesen verbotenen Organisationen zählen vor allem links orientierte Organisationen - z. B. Mudjahedin-e-Khalq (MEK oder MKO, Volksmudschaheddin), die frühere Tudeh-Partei, Fedayin-e-Khalq - und Kurdenparteien (z.B. DPIK, Komalah) und -organisationen (PJAK) (AA 9.12.2015).

An sich gäbe es ein breites Spektrum an Ideologien, die die Islamische Republik ablehnen, angefangen von den vielen Nationalisten bis hin zu Monarchisten und Kommunisten. Eine markante Führungspersönlichkeit fehlt bei sämtlichen extra-Regime-oppositionellen Gruppen. Der Spielraum für außerparlamentarische Opposition wird vor allem durch einen allumfassenden Überwachungsstaat eingeschränkt, was die Vernetzung oppositioneller Gruppen extrem riskant macht (Telefon- und Internet-Überwachung, Spitzelwesen, Omnipräsenz von Basij-Vertretern u. a. in Schulen, Universitäten sowie Basij-Sympathisanten im öffentlichen Raum, etc.). Hinzu kommen immer wieder verhängte drakonische Strafen auf Grund diffuser Strafrechtstatbestände ("regimefeindliche Propaganda" etc.) (ÖB XXXX 10.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

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ÖB XXXX (10.2015): Asylländerbericht

Volksmudschaheddin (Mudjahedin-e-Khalq - MEK, MKO; People's Mojahedin Organisation of Iran - PMOI)

Die militante iranische Exil-Oppositionsbewegung Mujahedin-e Khalq (MEK, "iranische Volksmudschahedin") gilt im Iran als Terror-Organisation, die für die Ermordung von 17.000 IranerInnen verantwortlich gemacht wird. Die Streichung der MEK von der Liste terroristischer Organisation durch die EU und die Vereinigten Staaten wurde von iranischer Seite scharf verurteilt. Verbindungen zur MEK gelten als moharebeh (Waffenaufnahme gegen Gott), worauf die Todesstrafe steht (ÖB XXXX 10.2015).

Es handelt sich um eine linksgerichtete Gruppierung, die in den 1960er Jahren gegründet wurde, um sich gegen den Schah zu stellen. Nach der Islamischen Revolution 1979 wendete sie sich gegen die klerikalen Führer. Die Führung in XXXX macht die Gruppierung für Tausende Morde an iranischen Zivilisten und Beamten verantwortlich. Während des Iran-Irak-Krieges in den 1980er Jahren verlegten die Volksmudschaheddin ihr Camp in den Irak. Nach der US-geführten Invasion des Irak 2003, bei der Saddam Hussein gestürzt wurde, wurde die Gruppierung entwaffnet. 2012 strichen die USA die Volksmudschaheddin von ihrer Terrorliste, was von XXXX scharf verurteilt wurde. Nun hat der iranische Botschafter im Irak verlautbart, dass der Iran bereit sei, hunderte Mitglieder der Volksmudschaheddin zu amnestieren, die niemanden getötet haben oder gegen die keine Gerichtsverfahren anhängig sind. 423 Personen, die keine rechtlichen Probleme im Iran haben, können laut dem Botschafter in den Iran zurückkehren. Das sind ca. 14% der geschätzten 3.000 Mitglieder, die im Exil im Camp Liberty nahe Bagdad leben (Dailystar 19.3.2014, vgl. Global Security o.D.).

Die Entwaffnung der Kämpfer der Volksmudschaheddin im Camp Ashraf und an anderen Orten nahe Bagdad bei der US-Invasion im Irak ist durch die Amerikaner passiert. Die MEK-Führung habe sich von Saddam Hussein distanziert und ihre Opposition gegenüber der islamischen Regierung in XXXX betont. Ab diesem Zeitpunkt habe sich die MEK aus Sicht der Amerikaner neu erfunden. Die MEK-Führung stellt sich selbst als demokratische und populäre Alternative zum islamischen Regime dar und behauptet, über Unterstützung der iranischen Bevölkerungsmehrheit zu verfügen. Diese Behauptung wird von AkademikerInnen und anderen Iran-ExpertInnen bestritten. Im Exil hat die MEK-Führung den Nationalen Widerstandsrat gegründet (Guardian 21.9.2012, vgl. ACCORD 9.2013).

Angehörige und Sympathisanten der als terroristische Organisation eingestuften MKO werden verfolgt und sind Repressalien ausgesetzt. Regimekritische Iraner werden häufig der MKO-Mitgliedschaft bezichtigt, um eine Verurteilung zu begründen. Allgemeingültige Aussagen zum Strafmaß für MKO-Anhänger können nicht getroffen werden. Nach Art. 88 des fünften Strafgesetzbuches (Tazirat) droht eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten bis drei Jahren Haft und bis zu 74 Peitschenhiebe bei Straftaten gegen die innere und äußere Sicherheit des Staates oder die Grundlagen der Staatsform der Islamischen Republik oder gegen Ehre, Leben und Besitz der Bevölkerung, wenn diese Straftat von einer Vereinigung von zwei oder mehr Personen geplant worden ist, sofern die Straftat nicht unter den "Kampf gegen Gott" oder "Korruption auf Erden" fallen. Im "Camp Liberty" am Bagdader Flughafen leben zurzeit ca. 2.200 Exiliraner. Aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der MKO und der Verfolgung durch das iranische Regime sind sie im Verlauf der letzten 25 Jahre in den Irak geflohen und gruppierten sich ursprünglich über die Jahre in Camp Ashraf. Inzwischen sind die Bewohner des Camps Ashraf im Rahmen eines durch die VN-Mission UNAMI vermittelten Prozesses nach Camp Liberty umgezogen, wo sie auf ihre Umsiedlung in sichere Drittstaaten warten (AA 9.12.2015).

Quellen:

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ACCORD (9.2013): Iran COI compilation, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1384784380_accord-iran-coi-compilation-september-2013-corrected-2013-11-18.pdf, Zugriff 21.3.2016

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AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

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Dailystar (19.3.2014): Iran says ready to pardon hundreds of exiled dissidents,

http://www.dailystar.com.lb/News/Middle-East/2014/Mar-19/250726-iran-says-ready-to-pardon-hundreds-of-exiled-dissidents.ashx#axzz2wDdV1c7H, Zugriff 21.3.2016

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Global Security (o.D.): Mujahedin-e Khalq Organization (MEK or MKO), http://www.globalsecurity.org/military/world/para/mek.htm, Zugriff 21.3.2016

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ÖB XXXX (10.2015): Asylländerbericht

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The Guardian (21.9.2012): Q&A: what is the MEK and why did the US call it a terrorist organisation?

http://www.theguardian.com/politics/2012/sep/21/qanda-mek-us-terrorist-organisation, Zugriff 21.3.2016

Rechtsschutz/Justizwesen

Seit 1979 ist der Iran eine Islamische Republik, wobei versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Kriterien beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB XXXX 10.2015). In der Verfassung ist eine unabhängige Justiz verankert, in der Praxis steht sie unter politischem Einfluss. Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Der Oberste Führer ernennt den Chef der Judikative. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 25.6.2015).

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung des Iran steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß Art. 167, 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden.

Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative; Er ist laut Art. 157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. In Iran gibt es eine Rechtsanwaltskammer ("Iranian Bar Association"; IBA) sowie das "Centre for Legal Consultants of the Judiciary", dessen Mitglieder ebenfalls als Rechtsanwälte tätig werden dürfen. Die IBA gilt als unabhängige Organisation und arbeitet mit vielen internationalen Anwaltskammern eng zusammen. Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen insbesondere in politischen Verfahren ausgesetzt. So kritisiert die IBA beispielsweise ein am 22.06.2015 in Kraft getretenes Gesetz, wonach Verteidiger von Angeklagten, denen politische oder sicherheitsgefährdende Straftaten vorgeworfen werden, zukünftig von der Justiz dafür zugelassen werden müssen (AA 9.12.2015).

Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Einschränkungen. Die Vorgehensweise zahlreicher Gerichte bei politischen Verfahren lässt darauf schließen, dass die Justiz in der Praxis nicht unabhängig ist, weder gegenüber der Exekutive noch gegenüber dem Revolutionsführer. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane - wie etwa der Geheimdienst oder die Revolutionsgarden - trotz formalen Verbots in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung genommen haben. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption; nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. Unzureichende Ausbildung der jungen Richter fördert zudem Abhängigkeit vom direkten Vorgesetzten (AA 9.12.2015).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die "Sondergerichte für die Geistlichkeit" sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015).

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

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Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";

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Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;

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Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;

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Spionage für fremde Mächte;

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Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;

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Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).

Durch entsprechende Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft und arbiträr weite Auslegung der Straftatbestände kann die Zuständigkeit anderer Gerichte umgangen werden. Grundsätzlich finden Verfahren mit politischem Bezug vor dem Revolutionsgericht statt, da die Anklage regelmäßig auf "Handlungen gegen die Sicherheit des Landes" lautet. Die Revolutionsgerichte sind mit besonders linientreuen Richtern besetzt. Die Verfahren vor Revolutionsgerichten sind häufig kurz und summarisch, eine umfassende Überprüfung des Sachverhalts findet kaum statt, die Verteidigung hat oft nur unzureichend oder keine Zeit zur Vorbereitung und zur angemessenen Verteidigung ihres Mandanten. In vielen Fällen findet trotz gegenteiliger Anweisung des Chefs der Judikative keine oder nur eine mangelhafte Verteidigung durch einen Anwalt statt. Gegen Entscheidungen der ordentlichen Strafgerichte und der Revolutionsgerichte können Rechtsmittel zunächst beim Berufungsgericht und dann beim Obersten Gerichtshof eingelegt werden, die jeweils spezielle Kammern für Verfahren vor dem Revolutionsgericht haben. Bei Todesurteilen, Haftstrafen von mehr als zehn Jahren und Amputationsstrafen ist der Oberste Gerichtshof alleinige Rechtsmittelinstanz (AA 9.12.2015, vgl. AI 24.2.2015).

Im Juni 2015 trat die neue Strafprozessordnung in Kraft, die nahezu ein Jahrzehnt in Arbeit war. Es sind nun einige überfällige Reformen im Justizsystem enthalten, wie Einschränkungen der provisorischen Untersuchungshaft bei Fällen von Fluchtgefahr oder Gefahr für die öffentliche Sicherheit, striktere Regulierungen betreffend Befragungen von beschuldigten Personen und die Ausweitung des Rechts auf einen Anwalt. Nichtsdestotrotz scheitert die Strafprozessordnung an vielen großen Mängeln im iranischen Strafjustizsystem (AI 11.2.2016). Die neue Strafprozessordnung verbesserte zwar den Zugang von Häftlingen zu einem Rechtsbeistand; sie garantierte allerdings nicht den Kontakt zu einem Rechtsanwalt unmittelbar nach der Festnahme. Dies wäre aber notwendig, um Häftlinge vor Folter zu schützen. Außerdem konnte die Staatsanwaltschaft Rechtsbeiständen die Einsicht in die Fallakten ihrer Mandanten teilweise oder gänzlich verweigern, wenn sie der Ansicht war, dass eine Akteneinsicht "die Wahrheitsfindung" behindern würde, sowie in Fällen, die die innere oder äußere Sicherheit betreffen. Damit wurde das Recht der Rechtsanwälte auf eine angemessene Vorbereitung der Verteidigung behindert. Im August 2014 brachte die Justiz- und Gesetzeskommission des Parlaments einen Gesetzentwurf ein, um das geplante Inkrafttreten der neuen Strafprozessordnung im Oktober zu verschieben. Begründet wurde dies mit "ernsthaften Problemen und Hindernissen bei der Umsetzung". Die Gesetzesvorlage zielte außerdem darauf ab, geplante Reformschritte wieder rückgängig zu machen, indem Änderungen zu 19 Artikeln vorgeschlagen wurden, in denen es zumeist um einen besseren Zugang zu Rechtsbeiständen ging (AI 25.2.2015).

Gerichte verurteilten Angeklagte weiterhin in Abwesenheit eines Rechtsbeistandes und aufgrund von "Geständnissen" oder anderen Informationen, die durch Folter und Misshandlung erpresst worden waren. In einigen Fällen wurden auf Anordnung der Behörden bereits vor der Gerichtsverhandlung "Geständnisse" der Angeklagten im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt und damit gegen die Unschuldsvermutung verstoßen. Im September 2014 verabschiedete das Kabinett ein Gesetz über die Anwaltschaft, das von den Justizbehörden entworfen worden war, und legte es dem Parlament zur Zustimmung vor. Der Gesetzentwurf diskriminiert Nichtmuslime, weil er sie vom Vorstand der iranischen Rechtsanwaltskammer ausschließt. Auch die Unabhängigkeit der Kammer ist durch den Entwurf gefährdet (AI 24.2.2015).

Das iranische Strafrecht ist islamisch geprägt. Es ist kodifiziert im "Gesetz über die islamischen Strafen" vom 30. Juli 1991. Die letzte Änderung des Gesetzes trat am 18.06.2013 in Kraft. Zudem existieren einige strafrechtliche Nebengesetze, darunter das Betäubungsmittelgesetz sowie das Antikorruptionsgesetz. Die statuierten Straftatbestände und Rechtsfolgen enthalten zum Teil unbestimmte Formulierungen. Den Kern des "Scharia-Strafrechts

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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