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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Fasching und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Wech, über die Revision der Marktgemeinde M in O, vertreten durch Dr. Gernot Gasser, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Beda-Weber-Gasse 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 6. Dezember 2017, Zl. LVwG-2016/23/1277-29, betreffend Versagung einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Lienz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2017, Ro 2016/01/0012, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 16. August 2016, mit dem der revisionswerbenden Gemeinde die aufsichtsbehördliche Genehmigung zur Aufnahme von drei näher genannten Bankdarlehen (in der Höhe von EUR 600.000,--, EUR 100.000,-- und EUR 200.000,--) gemäß § 103 Abs. 2 lit. b Tiroler Gemeindeordnung (TGO) versagt worden war, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.
2 Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof insbesondere aus:
"... Im Revisionsfall hat das Verwaltungsgericht die Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung lediglich auf die (mangelnde) finanzielle Leistungsfähigkeit der Revisionswerberin gestützt. Die ¿finanzielle Leistungsfähigkeit' einer Gemeinde ist indes nur ein für die Frage der Verweigerung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung nach § 123 Abs. 2 lit. b TGO maßgebliches Kriterium.
Wenngleich die Annahme einer (äußerst) prekären Finanzsituation der Revisionswerberin durch das Verwaltungsgericht fallbezogen nicht zu beanstanden ist und einer eingeschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit einer Gemeinde im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbeurteilung auch zulässigerweise entsprechend hohes Gewicht eingeräumt werden kann, behaftet die Aufsichtsbehörde bzw. das Verwaltungsgericht die Versagung einer Genehmigung dennoch mit Rechtswidrigkeit, wenn - wie hier - eine Auseinandersetzung mit den übrigen nach § 123 Abs. 2 lit. b zweiter Satz TGO erforderlichen Kriterien bzw. der Frage der ¿Unverhältnismäßigkeit' im Sinne des dritten Satzes leg. cit. unterbleibt.
Fallbezogen hätte insbesondere eine nähere Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Revisionswerberin, wonach die Rückzahlung der gegenständlichen Darlehen durch Förderungen des Bundes abgedeckt sei, zu erfolgen gehabt. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass jede Darlehensaufnahme, auch wenn sie nur der Zwischenfinanzierung diene, eine reale Belastung im Gemeindehaushalt darstelle, greift zu kurz. Sollten nämlich tatsächlich Fördermittel lukriert werden können, wäre - unter Berücksichtigung von Höhe, Abwicklungsmodalitäten, Zeitrahmen etc. der Förderung - gesondert zu begründen, weshalb die gegenständlichen Darlehensaufnahmen eine ¿unverhältnismäßig' hohe finanzielle Belastung bzw. ein ¿unverhältnismäßiges' finanzielles Wagnis bedeuten.
(....)
Darüber hinaus wären (...) auch Erwägungen zu der Frage, inwieweit durch die Versagung der beantragten Darlehen der (notwendige) Ausbau der Ortskanalisation und sohin allenfalls die Wahrnehmung einer Pflichtaufgabe (Abwasserentsorgung) der revisionswerbenden Gemeinde gefährdet sein könnte, anzustellen gewesen. ..."
3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis hat das Landesverwaltungsgericht im fortgesetzten Verfahren - nach Durchführung von zwei mündlichen Verhandlungen, denen auch eine betriebswirtschaftliche Amtssachverständige des Amtes der Tiroler Landesregierung sowie ein Amtssachverständiger aus dem Bereich der Wasserwirtschaft zugezogen wurden - die aufsichtsbehördliche Genehmigung hinsichtlich des erwähnten Darlehens in der Höhe von EUR 200.000,-- neuerlich versagt (hinsichtlich der anderen beiden Darlehensaufnahmen wurde das Verfahren nach Mitteilung des Verwaltungsgerichts zwischenzeitig eingestellt bzw. die aufsichtsbehördliche Genehmigung erteilt).
4 Begründend traf das Verwaltungsgericht zunächst (neuerlich) nähere Feststellungen zur aktuellen Finanz- und Schuldenlage der mitbeteiligten Gemeinde.
5 Sodann führte es aus, dass die beabsichtigte Darlehensaufnahme nicht der Wahrnehmung einer Pflichtaufgabe aus dem Bereich der Daseinsvorsorge (Abwasserentsorgung) der Gemeinde diene. Die Abwasserbeseitigungsanlage der mitbeteiligten Gemeinde sei erst in den letzten Jahren (2008 bis 2015) geplant, bewilligt und errichtet worden. Bei der nunmehr geplanten Maßnahme handle es sich nicht um den notwendigen Ausbau der Ortskanalisation, sondern versuche die mitbeteiligte Gemeinde, allgemeine Erhaltungskosten als "Adaptierung" der Abwasserbeseitigungsanlage darzustellen. Die Gemeinde habe auch keinen Antrag auf wasserrechtliche und/oder naturschutzrechtliche Bewilligung gestellt.
6 Weiters stellte das Verwaltungsgericht fest, dass für die beabsichtigten Maßnahmen weder ein Förderanspruch gegenüber Dritten noch ein Subventions- oder Zuschussmodell vorgesehen sei, sodass der gesamte Darlehensbetrag aus dem Gemeindebudget zu decken sei. Die Gemeinde habe bis dato auch kein Ansuchen um Förderungsabwicklung eingebracht.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Dem Verwaltungsgerichtshof kommt im Revisionsmodell eine Leitfunktion zu. Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes ist es, im Rahmen der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (erstmals) die Grundsätze bzw. Leitlinien für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts festzulegen, welche von diesem zu beachten sind. Die Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall kommt hingegen grundsätzlich dem Verwaltungsgericht zu, dem dabei in der Regel ein gewisser Anwendungsspielraum überlassen ist. Ein Aufgreifen des vom Verwaltungsgericht entschiedenen Einzelfalls durch den Verwaltungsgerichtshof ist nur dann unausweichlich, wenn das Verwaltungsgericht die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien bzw. Grundsätze nicht beachtet hat und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen hat (vgl. dazu ausführlich Kleiser, Die neue Rolle des Verwaltungsgerichtshofes in seiner Rechtsprechung, ZVG 2017/6, S. 478 ff, mit zahlreichen Hinweisen auf Judikatur und Literatur). 11 Der Verwaltungsgerichtshof ist daher nach dem Revisionsmodell nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern - diese Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten (vgl. die mit VwGH 23.9.2014, Ro 2014/01/0033, beginnende ständige hg. Judikatur; vgl. etwa auch VwGH 11.10.2016, Ra 2016/01/0123, und 11.8.2017, Ro 2015/10/0039).
12 Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind dann, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtzustand herzustellen. Bei der Erlassung der Ersatzentscheidung sind die Verwaltungsbehörden bzw. Verwaltungsgerichte somit an die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung gebunden; eine Ausnahme bildet der Fall einer wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage. Im fortgesetzten Verfahren ist auch der Verwaltungsgerichtshof selbst gemäß § 63 Abs. 1 VwGG an die im aufhebenden Erkenntnis geäußerten Rechtsansichten gebunden (vgl. etwa VwGH 25.4.2017, Ra 2017/01/0091).
13 Für den vorliegenden Revisionsfall ergibt sich daraus:
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat im erwähnten Vorerkenntnis Ro 2016/01/0012 die gegenständlich maßgebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gelöst, indem er (erstmals) die Kriterien näher bestimmt hat, nach denen gemäß § 123 Abs. 2 lit. b TGO der Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde bzw. das Verwaltungsgericht zu prüfen ist. Davon ausgehend wurden dem Verwaltungsgericht für das fortgesetzte Verfahren konkrete - im ersten Rechtsgang rechtswidriger Weise unterlassene - Prüfschritte aufgetragen.
15 Demnach hatte sich das Verwaltungsgericht insbesondere mit der Frage der Notwendigkeit der gegenständlichen Maßnahme unter dem Blickwinkel der Wahrnehmung einer Pflichtaufgabe (Abwasserentsorgung) sowie der Abdeckung des Darlehens durch Förderungen (des Bundes) auseinanderzusetzen. Diesen Vorgaben hat das Verwaltungsgericht im fortgesetzten Verfahren entsprochen.
16 Die Revision tritt in den Zulässigkeitsgründen zunächst - zusammengefasst - der Beurteilung der grundsätzlichen Finanzlage der mitbeteiligten Gemeinde durch das Verwaltungsgericht entgegen und bringt dazu vor, dass durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht geklärt sei, wie die Finanzlage einer Gemeinde zu berechnen sei.
17 Mit diesem Vorbringen wird schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt, weil das Schicksal der Revision nicht von der behaupteten Rechtsfrage abhängt (vgl. zuletzt etwa VwGH 31.1.2018, Ra 2017/10/0187, mwN): Dass von einer grundsätzlich "prekären Finanzsituation" der mitbeteiligten Gemeinde auszugehen war und das Verwaltungsgericht zu Recht eine eingeschränkte finanzielle Leistungsfähigkeit der Gemeinde im Sinne des § 123 Abs. 1 lit. b TGO angenommen hat, wurde durch den Verwaltungsgerichtshof bereits im erwähnten Vorerkenntnis festgestellt. Das Verwaltungsgericht war im fortgesetzten Verfahren an diese Auffassung gebunden.
18 In den Zulässigkeitsausführungen wird weiters vorgebracht, die angefochtene Entscheidung sei mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (sekundären Feststellungsmängeln) behaftet, weil das Verwaltungsgericht unzulängliche Feststellungen zum Ausbau der Ortskanalisation getroffen und somit in weiterer Folge die Frage der Erfüllung einer Pflichtaufgabe der Gemeinde unrichtig beurteilt habe.
19 Mit diesem Vorbringen wird keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt, weil dem in § 28 Abs. 3 VwGG normierten Erfordernis, dass die Revision gesondert die Gründe zu enthalten hat, warum die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegen, nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet, Genüge getan wird. Vielmehr ist in den gesonderten Gründen konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. zuletzt etwa VwGH 15.1.2018, Ra 2017/01/0341, sowie den erwähnten Beschluss Ra 2017/10/0187, jeweils mwN).
20 Zusammengefasst hat das Verwaltungsgericht den konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung der vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis Ro 2016/01/0012 aufgestellten Leitlinien entschieden. Dass das Verwaltungsgericht den ihm dabei zukommenden Anwendungsspielraum überschritten bzw. eine unvertretbare oder krasse Fehlbeurteilung vorgenommen hätte, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
21 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
22 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 27. Februar 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018010052.L00Im RIS seit
22.03.2018Zuletzt aktualisiert am
23.01.2019