TE OGH 2018/3/6 14Os123/17w

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Veröffentlicht am 06.03.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat am 6. März 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer in der Strafsache gegen Anna-Maria B***** und einen anderen Angeklagten wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Anna-Maria B***** und Peter Z***** gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 9. Oktober 2017, GZ 11 Hv 108/14g-107, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Anna-Maria B***** und Peter Z***** – soweit

für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung – im zweiten Rechtsgang (zum ersten Rechtsgang vgl 14 Os 129/15z) je eines Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (I) und der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (II), Erstgenannte (zu II) auch nach § 12 zweiter Fall StGB, schuldig erkannt.

Danach haben sie in H*****

(I) im September 2010 im einverständlichen Zusammenwirken mit der mittlerweile verstorbenen Johanna E***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Verfügungsberechtigte des Sozialhilfeverbands M***** durch Täuschung über das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe an Johanna E***** zur Auszahlung einer derartigen Unterstützung an die Genannte verleitet, indem sie in einer eidesstattlichen Erklärung vom 1. September 2010, die dem in der Folge bei der Gemeinde F***** eingereichten entsprechenden Antrag obligatorisch anzuschließen war, verschwiegen, dass die Antragstellerin über Vermögen in Höhe von 26.833,88 Euro verfügte, wodurch der Sozialhilfeverband M***** in diesem Betrag am Vermögen geschädigt wurde;

(II) von 26. August 2011 bis 23. August 2012 sich ein ihnen anvertrautes Gut, nämlich in einem auf Johanna E***** identifizierten vinkulierten Sparbuch verbrieftes Giralgeld mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet, nachdem ihnen die Sparurkunde von der Genannten zur Aufbewahrung in einem Safe und Durchführung einer Behebung unter Nennung des Losungswortes in den Alleingewahrsam übergeben worden war, indem

1) Peter Z***** in vier Angriffen Bargeldbeträge in Höhe von insgesamt 37.800 Euro zum gemeinsamen Gebrauch behob und

2) Anna-Maria B***** den Genannten durch diesbezügliche Auftragserteilung zu zwei der zu 1) angeführten Behebungen in Höhe von insgesamt 20.000 Euro bestimmte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5a und 9 lit a gestützten, gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, denen keine Berechtigung zukommt.

Die Verfahrensrüge (Z 3) geht mit ihrer Behauptung von Verstößen gegen §§ 156 Abs 1 Z 1, 159 Abs 3 StPO zufolge unterlassener Belehrung der Angeklagten über ihr Aussagebefreiungsrecht als Ehegatten und Fehlens einer entsprechenden Verzichtserklärung schon im Ansatz fehl, weil diese Bestimmungen sich ausschließlich auf die Abhörung von Zeugen (§ 154 Abs 1 StPO) beziehen, während die Beschwerdeführer – rechtsrichtig – durchwegs als Angeklagte vernommen wurden (§ 245 StPO; ON 84 S 5 ff, ON 92 S 2 ff, ON 99 S 2 f, ON 106 S 2; vgl dazu RIS-Justiz RS0097675, RS0098083; Kirchbacher, WK-StPO § 245 Rz 4, § 247 Rz 4 und 6). Diese sind im Übrigen unabhängig von einer Angehörigeneigenschaft stets berechtigt, nicht auszusagen (§§ 164 Abs 1, 245 Abs 1 StPO).

Der Einwand undeutlicher und offenbar unzureichender (bloßer „Schein“-)Begründung (Z 5 erster und vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite nimmt nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe

(RIS-Justiz RS0119370). Die diesbezüglichen Ausführungen erschöpfen sich entgegen dem Rügevorbringen keineswegs in einer „pauschalen Wiedergabe der verba legalia“. Vielmehr haben die Tatrichter – von der Beschwerde großteils übergangen – (auch) detailliert und unmissverständlich dargelegt, aus welchen Gründen sie für erwiesen hielten, dass die Angeklagten bei der vom Schuldspruch I umfassten Tat von frei verfügbarem Vermögen der Johanna E***** in Höhe von zumindest 26.833,88 Euro ausgingen (Schuldspruch I; US 7, 11 bis 16 [insbesonders US 13 f und 16]).

Dass diese Erwägungen oder der zu beiden Schuldsprüchen vor allem aus dem zuvor detailliert beschriebenen (US 6 ff) objektiven Täterverhalten gezogene Schluss auf das zugrunde liegende Wollen und Wissen der Beschwerdeführer (US 19) den Gesetzen logischen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprechen (

RIS-Justiz

RS0118317,

RS0116882), vermag die Beschwerde nicht aufzuzeigen.

Entgegen ihrem Standpunkt ist die kritisierte Verwendung der Begriffe „schlüssig“, „nachvollziehbar“ und „zwanglos“, mit denen bloß die Zweifelsfreiheit zum Ausdruck gebracht wird, unter dem Aspekt der Z 5 vierter Fall nämlich in keiner Weise zu beanstanden. Die in diesem Zusammenhang zitierte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs betrifft – hier auch nach dem Rügevorbringen nicht in Rede stehende – (Schein-)Begründungen, die

über den Gebrauch von Wörtern wie „offenbar“, „offensichtlich“ oder „zweifellos“ nicht hinausgehen (RIS-Justiz RS0099494).

Mit dem Hinweis auf das zur Klärung der „Genese und ... Historie der relevanten Sparbücher“ notwendige umfangreiche Beweisverfahren und die Schwierigkeiten bei der „rechtlichen Einordnung und Zuordnung des Sparguthabens“ wird ein (nominell aus Z 5 erster, zweiter und vierter Fall geltend gemachter) Begründungsmangel nicht aufgezeigt. Indem die Rüge daraus ableitet, den Angeklagten könne nicht unterstellt werden, dass sie bereits im Jahr 2010 mit Betrugsvorsatz handelten, bekämpft sie bloß die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Nur der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass der Vorsatz des Täters zwar alle Tatbildelemente in ihrem sozialen Bedeutungsinhalt umfassen muss. Dabei genügt aber (bei deskriptiven wie bei normativen Tatbestandsmerkmalen) eine „Parallelwertung in der Laiensphäre“; genauer juristischer Kenntnisse bedarf es nicht (vgl Fabrizy, StGB12 § 5 Rz 3; Reindl-Krauskopf in WK² StGB § 5 Rz 12 mwN; RIS-Justiz RS0114316).

Weshalb es in diesem Zusammenhang einer über die getroffenen Feststellungen zur Einlage von 26.833,88 Euro durch Johanna E***** hinausgehender Aufschlüsselung des Sparguthabens bedurft hätte, macht die Beschwerde nicht klar.

Dass die Genannte oder Werner R***** nach dem 1. Juni 2010 insoweit Ein- oder Auszahlungen tätigten, hat das Erstgericht nicht festgestellt (vgl US 6 f). Der darauf bezogene Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) geht daher schon deshalb ins Leere.

Indem die Beschwerdeführer zur Tatsachenrüge (Z 5a) zunächst ohne weitergehende Argumentation bloß auf das Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) verweisen, verkennen sie, dass die Nichtigkeitsgründe voneinander wesensmäßig verschieden und daher (unter deutlicher und bestimmter Bezeichnung von Nichtigkeit begründenden Sachverhalten) gesondert auszuführen sind (RIS-Justiz RS0115902).

Mit dem Hinweis auf den Zeitpunkt der „Umidentifizierung“ des Sparbuchs, der Behauptung fehlender Beweisergebnisse, aus denen die Kenntnis der Angeklagten von den Einzahlungen Johanna E*****s auf das Sparkonto und den Intentionen ihres Lebensgefährten abzuleiten wären (vgl aber erneut US 12 ff, 15 f), und der Berufung auf – insoweit inhaltsleere – Zeugenaussagen weckt die weitere Tatsachenrüge

keine

erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS-Justiz RS0099674).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) verfehlt zur Gänze die prozessordnungskonforme Darstellung

(RIS-Justiz RS0099810, RS0116569).

Zum Schuldspruch I kritisiert sie das Fehlen eines „ausreichenden Tatsachensubstrats“ für den vom Erstgericht gezogenen rechtlichen Schluss auf (Mengen-)Eigentum der Johanna E***** an dem in der verfahrensgegenständlichen Sparurkunde verbrieften Giralgeld im Ausmaß von zumindest 26.833,88 Euro. Aus welchem Grund die Urteilsannahmen, nach denen die Genannte einen Geldbetrag in dieser Höhe aus ihrem Vermögen auf das gemeinsame – in weiterer Folge auf ihren Lebensgefährten Werner R***** identifizierte – Sparkonto einzahlte und diese Transaktion nach dem Willen der beiden dazu dienen sollte, Werner R***** die freie Verfügung über dieses Vermögen (nur) für den Fall des (erwarteten, aber nicht eingetretenen) vorzeitigen Ablebens der Johanna E***** (also nach deren Tod) zu ermöglichen (US 6 f), hiefür nicht genügen sollten und welcher weiterer Feststellungen es insoweit bedurft hätte, erklärt sie jedoch nicht (vgl dazu RIS-Justiz RS0010924; Winner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 371 Rz 6 f und 10 f, Karner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 415 Rz 8).

Dass den Tatrichtern insoweit ein Rechtsfehler unterlaufen sei, wird mit der Behauptung, die diesbezügliche oberstgerichtliche Rechtsprechung sei auf den konkreten Lebenssachverhalt nicht anzuwenden, da sich „nahezu sämtliche Entscheidungen mit Aussonderungsansprüchen in Konkurs- und Insolvenzverfahren auseinandersetzen“, nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet.

Gleiches gilt für das Vorbringen, mit dem die Beschwerde unter Berufung auf die – nur die Voraussetzungen für die Berechtigung von Kreditinstituten zur Auszahlung von Spareinlagen regelnde – Bestimmung des § 32 Abs 4 BWG und dazu ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs die These vertritt, dass die gesamte auf dem Sparbuch befindliche Einlage im Eigentum des Werner R***** stand und Johanna E***** damit im Tatzeitpunkt über kein Vermögen verfügte, ohne zu erläutern, inwiefern die bloße „Indizfunktion“ der Identifizierung einer Spareinlage auf einen Kunden (vgl dazu auch 2 Ob 95/17k) ungeachtet der oben wiedergegebenen Feststellungen des Erstgerichts der vorgenommen rechtlichen Beurteilung entgegenstehen sollte.

Soweit sie schließlich aus der – mangels Einhaltung der diesbezüglichen Formvorschriften (§§ 603, 956 ABGB; § 1 Abs 1 lit d Notariatsaktsgesetz) – Ungültigkeit der nach den Feststellungen von Johanna E***** und Werner R***** intendierten Schenkung auf den Todesfall auf Basis allgemeiner Rechtsausführungen zu einer „wirklichen Übergabe“ im Sinn des § 943 ABGB ableiten, die Einzahlung auf das Sparkonto sei als unmittelbar wirksame Schenkung des Geldes an Werner R***** anzusehen, argumentieren die Beschwerdeführer nicht auf Basis des Urteilssachverhalts, dem eine entsprechende – nicht einmal im Rechtsmittel unterstellte – Schenkungsabsicht der Johanna E***** nicht zu entnehmen ist (vgl dazu Schubert in Rummel, ABGB³ § 938 Rz 4).

Dies trifft auch auf die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch II zu, die die Subsumtion des konstatierten Täterverhaltens nach § 133 StGB zufolge fehlender oder nicht durch Feststellungen geklärter Wertträgereigenschaft des seit 5. November 2010 auf Johanna E***** identifizierten Sparbuchs (US 6 und 9) kritisiert. Sie übersieht nämlich, dass den Angeklagten vorliegend nicht die Veruntreuung der Sparurkunde selbst, sondern des darin verbrieften Giralgeldes durch Behebungen vom Sparkonto vorgeworfen wird, welche sie vornahmen, nachdem ihnen Johanna E***** das Sparbuch (irrtumslos) zur Aufbewahrung in einem Safe in ihren Alleingewahrsam übergeben und Peter Z***** – zwecks Durchführung einer Abhebung von 10.000 Euro und Übergabe des Bargelds an sie – das Losungswort genannt hatte (US 7 f, 9 f; vgl dazu Kirchbacher in WK² StGB § 146 Rz 140 ff; RIS-Justiz RS0094579).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht;

Textnummer

E120955

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00123.17W.0306.000

Im RIS seit

22.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

22.03.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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