TE Vfgh Erkenntnis 2018/3/6 WI4/2017

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Veröffentlicht am 06.03.2018
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Index

10/04 Wahlen

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita
B-VG Art26, Art26a
VfGG §12, §67 Abs2
NRWO 1992 §42, §43, §44, §49, §57, §65, §68, §106, §107, §108, §110
EMRK 1. ZP Art3
EGVG ArtI Abs3 Z4

Leitsatz

Keine Stattgabe der Anfechtung der Nationalratswahl 2017 durch die Wählergruppe "Für Österreich, Zuwanderungsstopp, Grenzschutz, Neutralität, EU-Austritt (EUAUS)" betr den Landeswahlkreis Wien und das dritte Ermittlungsverfahren; verfassungsrechtlich vorgegebenes System der Briefwahl mit den Grundprinzipien der Verfassung vereinbar; kein Verstoß gegen die NRWO durch Verwendung von Sonderzeichen und Abkürzungen in Parteibezeichnungen mangels Beeinträchtigung der Unterscheidbarkeit von anderen wahlwerbenden Parteien; keine Bedenken gegen die Reihung der Parteien auf den Stimmzetteln angesichts Abstellens auf die materielle Identität der kandidierenden Listen mit den nach der Nationalratswahl 2013 im Nationalrat vertretenen Parteien; unterschiedliche zustellungsbevollmächtigte Vertreter für eine Wahlpartei auf den Landeswahlvorschlägen und dem Bundeswahlvorschlag gesetzlich gedeckt; keine Verletzung des geheimen Wahlrechts durch Veröffentlichung eines Fotos bei Stimmabgabe; keine Bedenken gegen die Ergebnisermittlung der - in beschlussfähiger Weise besetzten - Bundeswahlbehörde; Zurückweisung der Wahlanfechtung betr den Landeswahlkreis Niederösterreich mangels Einbringung eines Wahlvorschlages durch die anfechtungswerbende Partei

Spruch

I. Der Anfechtung wird in Bezug auf den Landeswahlkreis Wien und das dritte Ermittlungsverfahren nicht stattgegeben.

II. Im Übrigen wird die Anfechtung zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Sachverhalt, Anfechtung und Vorverfahren

1.       Am 15. Oktober 2017 fand die von der Bundesregierung durch Verordnung BGBl II 190/2017 ausgeschriebene Wahl zum Nationalrat statt.

2.       Dieser Wahl lagen im Wahlkreis Wien die von den folgenden wahlwerbenden Parteien eingebrachten, gemäß §49 der Nationalrats-Wahlordnung 1992 (NRWO) abgeschlossenen und veröffentlichten Landeswahlvorschläge zugrunde:

-  Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ)

-  Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei (ÖVP)

-  Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)

-  Die Grünen – Die Grüne Alternative (GRÜNE)

-  NEOS – Das Neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung (NEOS)

-  Obdachlose in der Politik (ODP)

-  Liste Roland Düringer – Meine Stimme GILT (GILT)

-  Liste Peter Pilz (PILZ)

-  Kommunistische Partei Österreichs und Plattform Plus – offene Liste (KPÖ)

-  Freie Liste Österreich & FPS Liste Dr. Karl Schnell (FLÖ)

-  Sozialistische LinksPartei (SLP)

-  Die Weissen – Das Recht geht vom Volk aus. Wir alle entscheiden in Österreich. Die Volksbewegung. (WEIßE)

-  Für Österreich, Zuwanderungsstopp, Grenzschutz, Neutralität, EU-Austritt (EUAUS)

3.       Der Wahl lagen die von den folgenden wahlwerbenden Parteien eingebrachten, gemäß §106 Abs6 NRWO abgeschlossenen und veröffentlichten Bundeswahlvorschläge zugrunde:

-  Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ)

-  Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei (ÖVP)

-  Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)

-  Die Grünen – Die Grüne Alternative (GRÜNE)

-  NEOS – Das Neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung (NEOS)

-  Liste Peter Pilz (PILZ)

-  Liste Roland Düringer – Meine Stimme GILT (GILT)

-  Freie Liste Österreich & FPS Liste Dr. Karl Schnell (FLÖ)

-  Kommunistische Partei Österreichs und Plattform Plus – offene Liste (KPÖ)

-  Die Weissen – Das Recht geht vom Volk aus. Wir alle entscheiden in Österreich. Die Volksbewegung. (WEIßE)

-  Sozialistische LinksPartei (SLP)

-  Für Österreich, Zuwanderungsstopp, Grenzschutz, Neutralität, EU-Austritt (EUAUS)

-  Männerpartei – für ein faires Miteinander (M)

4.       Laut am 31. Oktober 2017 verlautbarter Feststellung der Bundeswahlbehörde wurden bei dieser Wahl von den 5.120.881 abgegebenen Stimmen 50.952 als ungültig und 5.069.929 als gültig gewertet; es gelangten 183 Mandate zur Vergabe. Davon entfielen auf die

-  Sozialdemokratische Partei Österreichs 1.361.746 Stimmen (26,86 %; 52 Mandate)

-  Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei 1.595.526 Stimmen (31,47 %; 62 Mandate)

-  Freiheitliche Partei Österreichs 1.316.442 Stimmen (25,97 %; 51 Mandate)

-  Die Grünen – Die Grüne Alternative 192.638 Stimmen (3,80 %)

-  NEOS – Das Neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung 268.518 Stimmen (5,30 %; 10 Mandate)

-  Liste Peter Pilz 223.543 Stimmen (4,41 %; 8 Mandate)

-  Liste Roland Düringer – Meine Stimme GILT 48.234 Stimmen (0,95 %)

-  Freie Liste Österreich & FPS Liste Dr. Karl Schnell 8.889 Stimmen (0,18 %)

-  Kommunistische Partei Österreichs und Plattform Plus – offene Liste 39.689 Stimmen (0,78 %)

-  Die Weissen – Das Recht geht vom Volk aus. Wir alle entscheiden in Österreich. Die Volksbewegung. 9.167 Stimmen (0,18 %)

-  Sozialistische LinksPartei 713 Stimmen (0,01 %)

-  Für Österreich, Zuwanderungsstopp, Grenzschutz, Neutralität, EU-Austritt 693 Stimmen (0,01 %)

-  Männerpartei – für ein faires Miteinander 221 Stimmen (0,00 %)

-  Christliche Partei Österreichs 425 Stimmen (0,01 %)

-  NBZ– Neue Bewegung für die Zukunft 2.724 Stimmen (0,05 %)

-  Obdachlose in der Politik 761 Stimmen (0,02 %)

5.       Am 2. November 2017 brachte die Anfechtungswerberin, vertreten durch ihren zustellungsbevollmächtigen Vertreter, bei der Bundeswahlbehörde einen Einspruch gegen die ziffernmäßigen Ermittlungen der Bundeswahlbehörde ein. Dieser Einspruch wurde von der Bundeswahlbehörde am 9. November 2017 unter Hinweis darauf, dass keine Rechtswidrigkeiten betreffend ziffernmäßige Ermittlungen iSd §110 NRWO vorgebracht worden seien, abgewiesen.

6.       Mit der vorliegenden, auf Art141 Abs1 lita B-VG gestützten und am 20. November 2017 persönlich eingebrachten Wahlanfechtung beantragt die Wählergruppe "Für Österreich, Zuwanderungsstopp, Grenzschutz, Neutralität, EU-Austritt (EUAUS)", vertreten durch ihren zustellungsbevollmächtigen Vertreter, u.a. "die Wahlentscheidungen und Verlautbarungen der Landes- und Bundeswahlbehörden auf[zu]heben und für nichtig zu erklären".

6.1.    Die Anfechtungswerberin bringt vor, dass gegen Bestimmungen "der Nationalratswahlordnung (NRWO), ausdrücklich gegen §49 Abs3 und 4 NRWO (wegen mißbräuchlicher Verwendung von Listenplätzen der im Nationalrat vertretenen Parteien am Stimmzettel), gegen §43 Abs1 NRWO (wegen unerlaubten Abkürzungen in den Parteibezeichnungen), gegen §106 Abs2 NRWO (wegen unerlaubten Zusammenzählens von Reststimmen verschiedener Parteien), gegen §42 Abs4 NRWO (wegen unerlaubten Einbehaltens von Unterstützungserklärungen durch ein Gemeindeamt), gegen §57 Abs2 und zu §65 Abs1 NRWO (wegen unerlaubten Fotografierens von Außenminister Sebastian Kurz bei der Stimmabgabe), gegen Art6 EMRK (da kein faires Verfahren stattgefunden hat), und der jeweils dazugehörenden Rechtsprechung, sowie gegen Art7 B-VG, Art26 B-VG und Art2 des Staatsgrundgesetzes aus dem Jahr 1867 und Art8 Staatsvertrag von Wien 1955, in einem Maße verstoßen [wurde], dass die Rechtswidrigkeiten auf das Wahlergebnis von Einfluß sein konnten und auch tatsächlich von Einfluß waren". Betreffend Art26 Abs6 B-VG und Art1 Abs3 Z4 EGVG beantragt die Anfechtungswerberin die Einleitung von Gesetzesprüfungsverfahren durch den Verfassungsgerichtshof.

6.2.    Ihre Anfechtungslegitimation begründet die Anfechtungswerberin wie folgt: Das Wahlergebnis der Nationalratswahl vom 15. Oktober 2017 sei von der Bundeswahlbehörde am 31. Oktober 2017 kundgemacht worden. Die am 20. November 2017 eingebrachte Anfechtung sei somit jedenfalls rechtzeitig. Die Anfechtungswerberin sei eine Wählergruppe im Sinne der NRWO, die für die Nationalratswahl 2017 rechtzeitig einen Landeswahlvorschlag für Wien und einen Bundeswahlvorschlag für Österreich eingebracht habe und im Bundesland Wien auf den amtlichen Stimmzetteln gestanden sei. Die Anfechtungswerberin, vertreten durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter, habe auch rechtzeitig Einspruch gegen die ziffernmäßige Ermittlung der Bundeswahlbehörde zur Nationalratswahl 2017 erhoben, der in der Folge "abgelehnt" worden sei. Die "zahlreichen monierten Rechtswidrigkeiten mach[t]en die unmittelbare Anrufung des Verfassungsgerichtshofes zulässig".

6.3.    Die Anfechtungswerberin behauptet Mängel des Wahlverfahrens, die sie zusammengefasst wie folgt begründet (Zitate jeweils ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

6.3.1.  Die Bestimmungen über die Briefwahl in Österreich würden "nicht dem persönlichen, geheimen, freien Wahlrecht und auch nicht der Bundesverfassung" entsprechen. Dies ergebe sich auch aus dem – in Auszügen wiedergegebenen – "heute noch voll zutreffenden" Erkenntnis VfSlg 10.412/1985 betreffend die NÖ Wahlordnung für Statutarstädte. Art26 B-VG sei zwar novelliert und die Briefwahl auf "eine neue rechtliche Grundlage gestellt" worden, dadurch sei es aber – anders als der Verfassungsgerichtshof in den Erkenntnissen VfSlg 19.893/2014 und VfSlg 20.071/2016 "ohne jegliche Begründung" behaupte – auf Grund der Schwächung des demokratischen Grundprinzips zu einer Gesamtänderung der Bundesverfassung gekommen, weshalb Art44 Abs3 B-VG zufolge eine Volksabstimmung durchgeführt hätte werden müssen. Überdies verweist die Anfechtungswerberin in diesem Zusammenhang auf Art3 1. ZPEMRK.

Zudem sei ein Missbrauch der Briefwahl "gegenwärtig leicht möglich, insbesondere auch das Weitergeben oder Verkaufen von Briefwahlkarten". Keine Wahlkommission garantiere die persönliche und geheime Stimmabgabe. "Die Unterschrift zur eidesstaatlichen Erklärung greif[e] zu kurz, denn die könnte man sich bei der rechtswidrigen Weitergabe der Wahlkarte gleich mitgeben lassen". Verschärfend komme hinzu, dass "weder bei der Antragstellung der Briefwahlkarte, noch bei der eidesstattlichen Erklärung auf der abgegebenen Briefwahlkarte die Unterschrift des Antragssteller bzw. des Wählers durch die zuständigen Behörden überprüft" werde. Die Unterschriften auf den Briefwahlkarten würden von den Wahlbehörden "nicht einmal stichprobenartig auf Echtheit und Rechtskonformität geprüft". Es sei "leicht möglich, daß Personen, die in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen, gezwungen werden können, ihre Wahlkarte wem anderen zu überlassen". Die Briefwahl würde so "durch das Umgehen der Wahlkommissionen im Wahllokal schlicht und ergreifend zu Wahlmanipulationen und Wahlbetrug ein[laden]". Es werde daher die Überprüfung der "Bestimmungen zur Briefwahl in der Bundesverfassung – mit Auswirkung auf die Nationalratswahlordnung – [angeregt]"; die Nationalratswahl 2017 müsse dann "ab den eingebrachten Wahlvorschlägen wiederholt werden".

Da einerseits "der Anteil der Briefwähler bei 790.606 gültigen Stimmen bzw. 15,6 % der gültigen Stimmen" liege und die "Wahlkartenwähler […] somit über ca. 28 Mandate der insgesamt 183 zu vergebenden Nationalratsmandate" entschieden hätten und andererseits "das Ergebnis der Briefwahl auffällig anders[…] als bei der Stimmabgabe in den Wahllokalen" sei, sei die "Ergebnis-wirkung der – verfassungswidrigen – Briefwahl […] evident".

6.3.2.  Die Anfechtungswerberin bringt weiters vor, dass amtliche Stimmzettel entgegen §49 Abs3 und 4 NRWO ausgestellt worden seien. Die Anfechtungswerberin merkt vorerst an, dass die Anzahl der produzierten Stimmzettel nicht protokolliert worden sei, wodurch man "der Wahlmanipulation Tür und Tor öffn[e]", und führt dann aus, dass auf den amtlichen Stimmzetteln die – der "Österreichischen Volkspartei" vorbehaltene – Listenspalte 2 hätte leer bleiben müssen: Die wahlwerbende "Liste Sebastian Kurz – Die neue Volkspartei" (ÖVP) sei "nicht die politische Partei namens 'Österreichische Volkspartei' (ÖVP) und auch nicht der Parlamentsklub 'Österreichische Volkspartei' (ÖVP) und hätte daher auch nicht den der Partei 'Österreichische Volkspartei' zustehenden Listenplatz 2 am Stimmzettel der Nationalratswahl 2017 verwenden dürfen. […] Da die 'Österreichische Volkspartei' – bis auf in Niederösterreich – keinen Landeswahlvorschlag im Wahlverfahren der Nationalratswahl 2017 einbrachte, hätte auf allen Stimmzetteln – außer in Niederösterreich – die Listenspalte 2 gemäß §49 Abs3 und 4 NRWO leer bleiben müssen". Die Wählergruppe habe erstmals kandidiert. Sie habe bei der Nationalratswahl 2017 lediglich die gleiche Kurzbezeichnung wie die im Nationalrat vertretene Partei "Österreichische Volkspartei" verwendet, weshalb sie rechtswidriger Weise den Listenplatz 2 erhalten habe. Die Stimmzettel seien daher "in allen 9 Bundesländern gesetzwidrig". Da der Gesetzgeber "die bestimmte Reihenfolge der Wahlvorschläge in dieser besonderen Reihenfolge ausdrücklich gesetzlich statuiert hat und die Reihenfolge nicht bloß vom Zeitpunkt der Einbringung des Wahlvorschlages abhängig gemacht hat[,] kann dem Gesetzeszweck nur entsprochen werden, wenn diese Reihenfolge peinlich genau eingehalten wird. […] Wird dem gesetzwidrig nicht entsprochen, wird der Wähler, der auf die gesetzmäßige Reihenfolge gemäß §49 iVm §75 NRWO ve[r]traut, geradezu bewußt in die Irre geführt und so das Wahlergebnis verfälscht". Die "Liste Sebastian Kurz – Die neue Volkspartei" sei durch diese Rechtswidrigkeit "massiv begünstigt" worden.

Das "Vorreihen" habe den Sinn und jedenfalls die Wirkung gehabt, dass dadurch diese Wählergruppe ein besseres Ergebnis bei der Wahl erzielen habe können, weshalb diese Rechtswidrigkeit auch von Einfluss auf das Wahlergebnis sei. Nach dem Wortlaut des §49 Abs3 und Abs4 NRWO wäre diese neue Wählergruppe als "übrige wahlwerbende Parte[i]" einzustufen und erst im Anschluss an die Parteien, die zuletzt im Nationalrat vertreten waren, zu reihen gewesen.

Sollte der Verfassungsgerichtshof zur Auffassung gelangen, "die 'Liste Sebastian Kurz – Die neue Volkspartei' wäre bislang sehr wohl durch Personen im Nationalrat vertreten gewesen – nämlich mittels Abgeordnete[r] bei einer anderen Partei namens 'Österreichische Volkspartei' – […], so müßte das auch für andere wahlwerbende Gruppen gelten". Folglich müssten auch "die Listen 'PILZ', 'FLÖ' und 'Weiße' mit ihren kandidierenden Abgeordneten […] gem. §49 Abs3. NRWO als 'im zuletzt gewählten Nationalrat vertreten' gelten, worauf diese Parteien vor den wahlwerbenden Listen 'ODP' und 'GILT' zu reihen gewesen wären". Auch in diesem Fall "wären alle Stimmzettel der Nationalratswahl 2017 gesetzwidrig erstellt worden".

Im Übrigen sei der "Antrag auf Beschluß des gesetzwidrigen Stimmzettels – mit der die 'Liste Sebastian Kurz – Die neue Volkspartei' begünstigenden Vorreihung – […] vom Vorsitzenden-Stellvertreter der Bundeswahlbehörde" gekommen. Dieser sei ein Parteikollege des kandidierenden Sebastian Kurz in der Österreichischen Volkspartei und hätte auf Grund "seiner Befangenheit den Antrag gar nicht stellen […] und nicht mitstimmen dürfen".

6.3.3.  Die Anfechtungswerberin führt des Weiteren aus, dass auch die Listenspalte 6 leer bleiben hätte müssen: Die "NEOS Das Neue Österreich und Liberales Forum" hätten bei der Nationalratswahl 2013 kandidiert und seien als "NEOS – Das neue Österreich" im Nationalrat vertreten gewesen. Die Partei "NEOS – Das neue Österreich" habe keinen Landeswahlvorschlag eingebracht, weshalb der Listenplatz 6 in allen 9 Bundesländern leer bleiben hätte müssen. Stattdessen sei die neue Liste "NEOS – Das Neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung" in allen 9 Bundesländern auf Listenplatz 6 der Stimmzettel gestanden.

In Vorarlberg habe die Partei "NEOS Das Neue Österreich und Liberales Forum" einen Landeswahlvorschlag lautend auf die Parteibezeichnung "NEOS – Das Neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung" eingebracht. Der neuen Liste "NEOS – Das Neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung" hätte "allenfalls nur in Vorarlberg der Listenplatz 6 zugewiesen werden dürfen".

Das "Vorreihen" der "NEOS – Das Neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung" auf Listenplatz 6 habe den Sinn und jedenfalls die Wirkung gehabt, dass diese ein besseres Ergebnis bei der Wahl erzielen habe können, weshalb die Rechtswidrigkeit von Einfluss auf das Wahlergebnis sei.

6.3.4.  Die Anfechtungswerberin führt aus, der Parteiname der Liste "Freie Liste Österreich & FPS Liste Dr. Karl Schnell" verstoße gegen §43 Abs1 NRWO: So habe diese Liste gesetzwidriger Weise Abkürzungen ("FPS", "Dr.") und das Schriftzeichen "&" in der Parteibezeichnung in ihren Wahlvorschlägen verwendet. Die gesetzwidrige Parteibezeichnung sei auf allen Stimmzetteln aufgedruckt worden, weshalb "alle Stimmzettel der Nationalratswahl 2017 gesetzwidrig gewesen" seien.

Wofür "FPS" stehe, könnten "die allermeisten Wähler nur erraten". Im Bundesland Salzburg könnten "viele Wähler die Abkürzung richtig entschlüsseln […], in den restlichen Bundesländern so gut wie gar nicht". Insgesamt würde sich eine Verwechslungsgefahr mit der FPÖ ergeben bzw. sei eine solche nicht ausgeschlossen. §43 Abs1 NRWO sei "eine Schutznorm gegen Irreführung der Wähler"; bei einem Verstoß gegen eine Schutznorm brauche "die Ergebniswirkung im Sinne des §70 Abs1 VfGG gar nicht mehr extra nachgewiesen zu werden". FPS sei "nicht in Worten 'Freie Partei Salzburg' ausgeschrieben [worden], weil sich die FPS durch das Wort 'Salzburg' in der Parteibezeichnung in allen Bundesländern außer in Salzburg klarerweise schlechtere Wahlergebnisse erwart[e ...]. Konkret hätte im Bundesland Wien eine wahlwerbende Liste, die 'Salzburg' im Namen trägt, schlechter abgeschnitten […] als eine Liste, die dies unter der Abkürzung FPS verschleiert".

Bei "Dr." könne "die Abkürzung für 'Doktor' oder 'Dragan' oder 'Dragomir' stehen […]. Ließe der Verfassungsgerichtshof 'Dr.' als Abkürzung zu, dann könnte es in Zukunft sehr viele irreführende Parteibezeichnungen auf den Stimmzettel[n] geben. Bei '&' handelt es sich um ein Sonder-Schriftzeichen und kein Wort".

In diesem Zusammenhang führt die Anfechtungswerberin auch aus, dass in Kärnten die wahlwerbende Partei "Freie Liste Österreich & Freie Partei Salzburg Liste Dr. Karl Schnell" – wobei "FPS" handschriftlich auf "Freie Partei Salzburg" abgeändert worden sei – die Kurzbezeichnung FLÖ verwendet habe, in allen anderen Bundesländern habe die Liste "Freie Liste Österreich & FPS Liste Dr. Karl Schnell" die Kurzbezeichnung FLÖ verwendet. Der Schriftverkehr zwischen FLÖ und der Landeswahlbehörde Kärnten sei in der 2. Sitzung der Bundeswahlbehörde am 23. August 2017 zwar vorgelegt worden, der stellvertretende Leiter der Bundeswahlbehörde habe der Vertrauensperson der Anfechtungswerberin aber die Aushändigung einer Kopie verweigert, weshalb darauf nicht näher eingegangen werden könne.

6.3.5.  Auch der Parteiname der Liste "NEOS – Das Neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung" sei auf Grund der Verwendung der Abkürzung "NEOS" wegen Verstoßes gegen §43 Abs1 NRWO gesetzwidrig. In weiterer Folge sei die "gesetzwidrige Parteibezeichnung auf allen Stimmzetteln in allen 9 Bundesländern aufgedruckt [worden] und somit waren alle Stimmzettel der Nationalratswahl 2017 gesetzwidrig". "NEOS" könne allenfalls "noch als Kurzbezeichnung gesehen werden […], aber nicht als Wort auf Basis von Wörterbüchern". Wäre eine Interpretation des Gesetzestextes "in Worten" nicht möglich, würde die Bestimmung einen unbestimmten Gesetzesbegriff enthalten und wäre der "willkürlichen Anwendung von Gesetzestexten […] Tür und Tor geöffnet"; diesfalls werde ein Gesetzesprüfungsverfahren angeregt.

6.3.6.  Die Anfechtungswerberin bringt weiters vor, dass im dritten Ermittlungsverfahren bei der Wählergruppe "NEOS – Das neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung" "wegen Zusammenzählung der Reststimmen von verschiedenen Rechtspersonen" ein falsches Ergebnis ermittelt worden sei. Die Anfechtungswerberin führt dazu – auszugsweise – Folgendes aus:

"In Kärnten und Tirol brachte die Partei 'NEOS – Das Neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung' jeweils einen Landeswahlvorschlag 'NEOS – Das Neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung' ein.

In Vorarlberg brachte hingegen die Partei 'NEOS – Das neue Österreich und Liberales Forum' den Landeswahlvorschlag mit der Parteibezeichnung 'NEOS – Das Neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung' ein.

Die Partei 'NEOS – Das neue Österreich und Liberales Forum' ist eine eingetragene Partei nach dem Parteiengesetz (siehe auch das aktuelle Parteienverzeichnis des Innenministeriums), die Liste 'NEOS – Das Neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung' hingegen nicht. Das macht es umso mehr deutlich, daß die wahlwerbende Partei 'NEOS – Das Neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung' eine neue wahlwerbende Wählergruppe ist und nicht dieselbe Partei, wie 'NEOS – Das neue Österreich und Liberales Forum.'

Es liegen somit NEOS-Landeswahlvorschläge mit exakt gleicher Parteibezeichnung und Kurzbezeichnung von zwei verschiedenen Wählergruppen (Rechtspersonen) vor. Die Parteienbezeichnungen und Kurzbezeichnungen der zwei verschiedenen NEOS-Wählergruppen sind nicht zu unterscheiden.

[…]

Gem. §44 Abs1. NRWO hätten die Landeswahlleiter somit die Vertreter dieser Wahlvorschläge zu einer Besprechung zu laden gehabt und ein Einvernehmen über die Unterscheidung der Parteibezeichnung bzw. Kurzbezeichnung anzubahnen gehabt. Ob dies geschehen ist, ist uns nicht bekannt.

Was passiert also, wenn es kein Einvernehmen gibt?

Nach […] §44 Abs1. NRWO hat die Landeswahlbehörde 'Parteibezeichnungen, die schon auf veröffentlichten Wahlvorschlägen bei einer Nationalratswahl innerhalb der letzten zehn Jahre enthalten waren, zu belassen, ...'.

Dies trifft auf den Landeswahlvorschlag der NEOS in Vorarlberg zumindest teilweise zu. Der erste Teil der Parteibezeichnung – 'NEOS – Das Neue Österreich ...' – sowie die Kurzbezeichnung 'NEOS' sind ident mit dem NEOS-Wahlvorschlag der letzten Nationalratswahl. Das deutet darauf hin, daß die NEOS-Partei mit dem Landeswahlvorschlag in Vorarlberg hier bei der Namensbezeichnung […] einen Vorrang gegenüber der anderen neuen NEOS-Partei hat. Aus Vorarlberg ist auch der NEOS-Gründer, NEOS-Parteiobmann und NEOS-Klubobmann im Parlament, Dr. Matthias Strolz.

Die übrigen Landeswahlvorschläge sind gem. §44 Abs1 NRWO nach dem an erster Stelle vorgeschlagenen Bewerber zu benennen. Somit hätten die Landeswahlvorschläge der wahlwerbenden Partei 'NEOS – Das Neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung' in Kär[nt]en auf 'C[.] H[.]' und in Tirol auf 'D[.] O[.]' geändert zu werden. Die Kurzbezeichnung 'NEOS' ist folglich gem. §44 Abs1. NRWO auf allen übrigen NEOS Landeswahlvorschlägen – somit auf allen Landeswahlvorschlägen bis auf Vorarlberg – zu streichen.

Auswirkung auf das 3. Ermittlungsverfahren:

Es handelt sich bei den beiden NEOS-Wählergruppen offenbar um zwei verschiedene wahlwerbende Wählergruppen (Rechtspersonen) bei der Nationalratswahl 2017, wodurch die jeweiligen Stimmen im dritten Ermittlungsverfahren daher gemäß §106 Abs2 NRWO nicht zusammengezählt werden hätten dürfen.

Als Zustellungsbevollmächtigter des NEOS-Bundeswahlvorschlag[es] wurde Mag. Dr. Matthias Strolz angegeben, der aber selbst bei keinem Landeswahlvorschlag Zustellungsbevollmächtigter ist. Auf Basis des §106 Abs2 NRWO hat Mag. Beate Meinl-Reisinger als Zustellungsbevollmächtigte der NEOS in Wien mitunterschrieben.

Problem dabei: Frau Mag. Beate Meinl[-]Reisinger kandidierte für eine andere NEOS-Wählergruppe als Dr. Matthias Strolz. Welche NEOS-Wählergruppe hat nun den Bundeswahlvorschlag rechtskonform bei der Bundeswahlbehörde eingebracht?

a) 'NEOS – Das neue Österreich und Liberales Forum' oder

b) 'NEOS – Das Neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung'?

Die Bundeswahlbehörde hätte hier eine Entscheidung treffen müssen, hat sie aber nicht. Es wurden vom Vorsitzenden-Stellvertreter[…] einfach beide NEOS-Wählergruppen in eine[n] Topf geworfen und die Stimmen der unterschiedlichen NEOS-Rechtspersonen zusammengezählt!!!

Erst wenn das Innenministerium – das ja eigentlich nur ein Hilfsorgan der Bundeswahlbehörde ist – den Mitgliedern der Bundeswahlbehörde die Berechnungszahlen zur Mandatsvergabe vorlegt, kann gesagt werden, ob und wieviele Mandate sich im dritten Ermittlungsverfahren verschoben hätten. Es ist anzunehmen, daß die NEOS eines der fünf Mandate im dritten Ermittlungsverfahren verlieren würde. Sollte der Bundeswahlvorschlag der NEOS-Wählergruppe in Vorarlberg zugerechnet werden, dann verlören die NEOS auf Bundesebene sogar 4-5 Mandate.

Fix ist für uns jedenfalls, daß die Bundeswahlbehörde nicht die Stimmen von verschiedenen NEOS-Rechtspersonen zusammen zählen hätte dürfen (und darauf aufbauend die Mandate vergeben hätte dürfen)."

6.3.7.  Auch bei der Wählergruppe "Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei" sei es im dritten Ermittlungsverfahren "wegen Zusammenzählung der Reststimmen von verschiedenen Rechtspersonen" zu einem falschen Ergebnis gekommen. Die Anfechtungswerberin führt dazu – auszugsweise – Folgendes aus:

"Es haben mehrere verschiedene Wählergruppen (verschiedene Rechtspersonen), die allesamt mit der Parteibezeichnung lautend auf 'Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei' kandidieren wollten und sich allesamt mit 'ÖVP' abkürzen, einen Landeswahlvorschlag zur Nationalratswahl 2017 in ihrem Bundesland eingereicht. […]

Es sind dies zumindest die

* 'Kärntner Volkspartei' in Kärnten,

* 'Österreichische Volkspartei' in Niederösterreich (mit Logo 'volkspartei niederösterreich'),

* 'Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei' in Burgenland, Vorarlberg und Tirol,

* 'ÖVP Wien' in Wien und

* eine mangels Unterschrift und Bezeichnung nicht erkennbare Person bzw Wählergruppe in Oberösterreich, Salzburg und der Steiermark.

Bundesland

Antragsteller des Wahlvorschlages (= Rechtsperson)

Parteibezeichnung

Kurzbe-

zeichnung

Burgenland

'Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei'

'Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei'

ÖVP

Kärnten

'Kärntner Volkspartei'

'Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei'

ÖVP

Niederösterreich

'Österreichische Volkspartei'

'Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei'

ÖVP

Oberösterreich

?

'Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei'

ÖVP

Salzburg

?

'Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei'

ÖVP

Steiermark

?

'Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei'

ÖVP

Tirol

'Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei'

'Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei'

ÖVP

Vorarlberg

'Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei'

'Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei'

ÖVP

Wien

'ÖVP Wien'

'Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei'

ÖVP

Landeswahlvorschlag der ÖVP-Kärnten:

Zitat: 'Gemäß §42 ff der Nationalrats-Wahlordnung 1992 idgF. wird seitens der Kärntner Volkspartei für die Nationalratswahl am 15. Oktober 2017 folgender Landeswahlvorschlag eingebracht:

I. Parteibezeichnung: Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei

Kurzbezeichnung: ÖVP'

Es fehlt die Unterschrift des Zustellungsbevollmächtigen Mag. (FH) J[.] A[.], der als Beruf Landesgeschäftsführer angibt, ohne zu sagen von welcher Partei.

Landeswahlvorschlag der ÖVP-Niederösterreich:

Zitat: 'Gemäß §42 NRWO, i.V.m. §43 leg.cit. überreicht die Österreichische Volkspartei den Landeswahlvorschlag für die NRW 2017 für den Landeswahlkreis 3 – Niederösterreich, lautend auf die Parteibezeichnung 'Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei' Kurzbezeichnung: ÖVP' ...'

Landeswahlvorschlag der ÖVP-Vorarlberg (und fast wortgleich Tirol):

Zitat: 'Die Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei bringt folgenden Landeswahlvorschlag ein.

Landeswahlvorschlag

I. Parteibezeichnung: Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei

II. Kurzbezeichnung: ÖVP

Landeswahlvorschlag der ÖVP-Wien:

Zitat: 'Die gefertigte wahlwerbende Partei bringt hiemit ihren Landeswahl-vorschlag für den oben genannten Wahlkreis ein.

Unterscheidbare Parteibezeichnung in Worten und allfällige Kurzbezeichnung in Buchstaben (maximal 5)

______________ Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei (ÖVP) __________'

Gefertigt wurde der Landeswahlvorschlag von der ÖVP Wien, Lichtenfelsgasse 7, 1010 Wien. Die Unterschrift ist vermutlich vom Zustellungsbevollmächtigten Dr. M[.] W[.], der als Beruf 'Landesgeschäftsführer ÖVP Wien' angibt.

Landeswahlvorschlag der ÖVP-Oberösterreich, Salzburg und Steiermark:

Es ist nicht erkennbar, wer den ÖVP-Landeswahlvorschlag Oberösterreich, Salzburg und Steiermark eingereicht hat. Weder gibt es eine Unterschrift des Zustellungsbevollmächtigten, noch ist ersichtlich, welche Partei den Landeswahlvorschlag eingereicht hat.

Wenn nun zumindest 4 verschiedene ÖVP-Wählergruppen einen Landeswahlvorschlag mit derselben – also exakt gleichen – Parteibezeichnung und Kurzbezeichnung einbringen, dann ist fraglich, wer nun diese Parteibezeichnung verwenden darf. Wie nach der Nationalratswahlordnung als gesetzlicher Grundlage vorzugehen ist, steht in §44 NRWO und wurde im vorigen Punkt dieses Schriftsatzes bei den NEOS schon ausgeführt.

Wenn nun der Landeswahlvorschlag der ÖVP-Niederösterreich als Vertreterin der bei der letzten Nationalratswahl wahlwerbenden Partei 'Österreichische Volkspartei' ein rechtskonformer Landeswahlvorschlag ist, dann sind die übrigen Landeswahlvorschläge gem. §44 Abs1 NRWO nach dem an erster Stelle vorgeschlagenen Bewerber zu benennen. Somit hätten beispielsweise die Landeswahlvorschläge der wahlwerbenden Partei 'Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei' in Kärtnen auf 'Elisabeth Köstinger' und in Vorarlberg auf 'Mag. M[.] E[.]' und in Wien auf 'K[.] M[.]' geändert zu werden. Dann würde jedem sofort auffallen, daß man die Zahlen dieser verschiedenen Listen nicht zu einer Gesamtsumme zusammenzählen darf.

[…]

Auswirkung auf das 3. Ermittlungsverfahren:

Es handelt sich bei den ÖVP-Wählergruppen offenbar um mehrere verschiedene Rechtspersonen, die bei der Nationalratswahl 2017 angetreten sind, wodurch die jeweiligen Stimmen im dritten Ermittlungsverfahren gemäß §106 Abs2 NRWO nicht zusammengezählt werden hätten dürfen.

Auf dieses Problem wurde von mir, *********************, als Vertrauensperson der Liste EUAUS zweimal bei Sitzungen der Bundeswahlbehörde hingewiesen, das erste Mal am 31.8.2017 und das zweite Mal am 31.10.2017.

Weder der Stellvertreter […] des abwesenden Vorsitzenden […], noch sonst ein Mitglied der Bundeswahlbehörde haben das Thema aufgegriffen und hinterfragt, weder am 31.8.2017 noch am 31.10.2017.

Bei der Sitzung am 31.10.2017 kam es also dazu, daß der Stellvertreter […] des abwesenden Vorsitzenden […] ÖVP-Ergebnis-Zahlen präsentierte, wo einfach alle Ergebnisse von Wählergruppen mit der gleichen Parteibezeichnung bzw Abkürzung zusammengezählt wurden, ohne darauf zu achten, ob sich hinter den gleichen Parteibezeichnungen nicht verschiedene Antragsteller (Rechtspersonen) verbergen. Das ist ungefähr so, wie wenn man die Vorzugsstimmen von allen Kandidaten, die Franz Maier heißen, zusammenzählte, obwohl es sich um verschiedene Personen handelt. Deshalb ist ja die Einhaltung des §43 Abs1 NRWO bezüglich unterscheidbarer Parteibezeichnungen von entscheidender Bedeutung für das gesamte Wahlverfahren der Nationalratswahl.

Da lediglich die Zustellungsbevollmächtigte der 'Kärntner Volkspartei', 'Elisabeth Köstinger', einen Bundeswahlvorschlag mit der Kurzbezeichnung 'ÖVP' eingebracht hat, dürfen aus allen anderen Bundesländern die ÖVP Stimmen im dritten Ermittlungsverfahren bei der Mandatsvergabe nicht mitgerechnet werden.

Dadurch würden der ÖVP in Wirklichkeit nur ca. 1 Mandat im dritten Ermittlungsverfahren zustehen und nicht 8 Mandate. […]"

6.3.8.  Die Anfechtungswerberin führt aus, dass rechtswidrig Unterstützungs-erklärungen in der Marktgemeinde Tulbing in Niederösterreich einbehalten worden seien, wodurch gegen §42 Abs4 NRWO verstoßen worden sei. Am 26. Juli 2017 hätten zwei Personen auf dem Gemeindeamt Tulbing für die Liste EUAUS eine Unterstützungserklärung zur Kandidatur bei der Nationalratswahl 2017 unterschrieben. Diese seien vom Gemeindeamt bestätigt und sodann rechtswidrig einbehalten worden. Die beiden Unterstützungserklärungen seien erst am Freitag, dem 18. August 2017, von der Marktgemeinde Tulbing per Post an die Liste EUAUS geschickt worden, sodass der Brief erst am Montag, dem 21. August 2017, – und somit drei Tage nach dem Fristende für die Einbringung der Wahlvorschläge – an der Zustelladresse der Anfechtungswerberin eingelangt sei. Das Fristversäumnis sei durch die Marktgemeinde Tulbing verschuldet worden.

Derartige "Behördenverstöße gegen §42 Abs4 NRWO" seien "gängige Praxis". So hätten auch mehrere andere Gemeindeämter "Unterstützungserklärungen für die Anfechtungswerberin rechtswidrig einbehalten, jedoch immerhin rechtzeitig an die Anfechtungswerbe[r]in übermittelt". In wie vielen Fällen von Gemeindeämtern Unterstützungserklärungen einbehalten und nicht übermittelt worden seien bzw. in wie vielen Fällen bei der postalischen Übermittlung die Unterstützungserklärungen verschwunden seien, sei der Anfechtungswerberin nicht bekannt.

Zweck des §42 Abs4 NRWO sei es, dass "durch Behörden – die oft mit parteipolitisch zuordenbaren Mitarbeitern besetzt sind – keine Unterstützungserklärungen auf Ämtern verschwinden können sollten". Mehrere Behörden hätten "entgegen der Schutznorm des §42 Abs4 NRWO amtlich bestätigte Unterstützungserklärungen für die Anfechtungswerberin einbehalten […] und zumindest 2 Unterstützungserklärungen durch Behördenverschulden so spät weggeschickt […], daß diese erst nach Abgabefristende für Landeswahlvorschläge bei der Anfechtungswerberin ein[gelangt]" seien. Hätten die Gemeinden die Unterstützungserklärungen gemäß §42 Abs4 NRWO "ordnungsgemäß und unverzüglich an die Unterstützer ausgefertigt, so hätte die Anfechtungswerberin einen gültigen Landeswahlvorschlag in Niederösterreich einbringen können, zumindest wäre es nicht ausgeschlossen gewesen". Eine Einreichung ohne erforderliche Anzahl an Unterstützungserklärungen sei laut NRWO unzulässig; die aussichtslose Einreichung sei auch nicht zumutbar. Das Zurückbehalten der Unterstützungserklärung habe von Einfluss auf das Wahlergebnis sein können, "was aber bei Brechen einer Schutznorm durch eine Behörde nicht mehr nachzuweisen" sei.

6.3.9.  Eine weitere Rechtswidrigkeit sei darin zu sehen, dass in der Printausgabe der Tageszeitung "Österreich" vom 16. Oktober 2017 ein Foto abgedruckt worden sei, das Sebastian Kurz mit offenem Kuvert bei der Stimmabgabe zeige. Daraus ergebe sich, dass "erstens die geheime Stimmabgabe von Außenminister Sebastian Kurz durch die Wahlbehörde nicht gewährleistet" worden und "zweitens eine fremde Person – nämlich der Fotograf – im Wahllokal anwesend" gewesen sei. Dies stehe im Widerspruch zu §57 Abs2 und §65 Abs1 NRWO; die Anfechtungswerberin verweist weiters auf VfSlg 20.071/2016: In dieser Entscheidung habe der Verfassungsgerichtshof – unter Bezugnahme auf VfSlg 11.740/1988 – ausgeführt, "dass schon die rechtswidrige unbefugte Anwesenheit von Personen in einem Wahllokal von Einfluss auf das Wahlergebnis sein kann". Demnach sei die Nationalratswahl 2017 "schon alleine wegen der Anwesenheit einer fremden Person in einem Wahllokal – die noch dazu den amtierende[n] Außenminister bei der Stimmabgabe fotografierte – […] aufzuheben".

6.3.10. Die Anfechtungswerberin bringt vor, dass die Bundeswahlbehörde "falsch zusammengesetzt" gewesen sei. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass "parteipolitisch befangene Mitglieder" mitgewirkt hätten. Die Anfechtungswerberin verweist in diesem Zusammenhang auf §7 AVG, der die Befangenheit von Verwaltungsorganen regelt. Das AVG sei nach Art1 Abs3 Z4 EGVG bei Wahlen nicht anwendbar. Im B-VG und in der NRWO fänden sich keine Bestimmungen zur Befangenheit für Mitglieder der Bundeswahlbehörde. Ein Kollegialorgan, das mit befangenen Mitgliedern besetzt sei, widerspreche aber dem Art6 EMRK, weshalb ein Gesetzesprüfungsverfahren bezüglich dieser Bestimmung angeregt werde.

Zum anderen ergebe sich eine falsche Zusammensetzung der Bundeswahl-behörde auch daraus, dass "fehlende Mitglieder durch Ersatzmitglieder ersetzt wurden, ohne festzuhalten, aus welchen Ersatzmitgliedern Mitglieder wurden und welche Ersatzmitglieder Ersatzmitglieder blieben". Es sei dem zustellungsbevollmächtigen Vertreter der Anfechtungswerberin, der als Vertrauensperson an der Sitzung teilgenommen habe, nicht "möglich, in Erfahrung zu bringen, wer nun abgestimmt hat. Dieses Problem gab es bei mehreren Sitzungen der Bundeswahlbehörde. Der Anfechtungswerberin wurde bis dato auch kein Sitzungsprotokoll zugesandt".

Die Anfechtungswerberin verweist dabei auf VfSlg 20.071/2016, wonach bereits "die gesetzwidrige Einrichtung von Wahlbehörden […] als eine Rechtsverletzung" anzusehen sei, "bei der die gesetzmäßige Durchführung von Wahlen nicht mehr garantiert werde", weshalb diese Rechtswidrigkeit von Einfluss auf das Wahlergebnis sei.

6.3.11. Die Anfechtungswerberin bringt weiters vor, dass die Ergebnisse des dritten Ermittlungsverfahrens nicht durch die Bundeswahlbehörde als Kollegialorgan ermittelt worden seien, sondern durch "unbekannte Dritte (entweder im Innenministerium oder [..] behördenfremde Personen)"; die Zahlen seien von der Bundeswahlbehörde weder selbst ermittelt noch kontrolliert worden. Dies sei schon alleine daran erkennbar, dass "die Sitzung nur ca 35 Minuten dauerte". "Kein einziges Mitglied der Bundeswahlbehörde [hätte] versucht, sich auch nur stichprobenartig von der Richtigkeit der durch das Innenministerium ermittelten Zahlen zu vergewissern". Dadurch sei die "Ergebnisermittlung der gegenseitigen Kontrolle auf Rechtmäßigkeit des Wahlverfahrens durch die Mitglieder der Wahlbehörde entzogen" worden. Auch seien die Niederschriften der neun Landeswahlbehörden entgegen §107 Abs1 NRWO nicht vorgelegt worden und die Ermittlung der Mandate gemäß §107 NRWO habe nicht während der Sitzung der Bundeswahlbehörde am 31. Oktober 2017 stattgefunden, sondern der Stellvertreter des Vorsitzenden der Bundeswahlbehörde (der Innenminister als Vorsitzender der Bundeswahlbehörde sei bei keiner Sitzung anwesend gewesen) habe die "Zahlen und Namen" vorgelesen, die dann von den Beisitzern einstimmig beschlossen worden seien. Vor diesem Hintergrund sei fraglich, warum "nicht gleich das Innenministerium […] alle Ergebnisse zur Nationalratswahl 2017 ermittelt und beschließt, wenn die 17 Mitglieder der Bundeswahlbehörde ohnedies keinen erkennbaren Beitrag bzw. Mehrwert im dritten 'Ermittlungsverfahren' leisten". Die Rechtswidrigkeit könne zudem auf das Wahlergebnis von Einfluss sein, "weil man ja bis heute nicht weiß, ob die Ergebnisermittlung der unbekannten Personen richtig war. Da hier gegen die Sicherung der Wahlgrundsätze schwer verstoßen wurde, ist zumindest die Ergebnisermittlung zu wiederholen".

6.3.12. Die Anfechtungswerberin hält überdies teils an mehreren Stellen, teils bereits unter den Ausführungen zum "Sachverhalt" Folgendes fest:

Die Niederschriften und Protokolle der Landeswahlbehörde Wien und der Bundeswahlbehörde seien ihr nicht zugestellt worden.

Am 24. August 2017 habe sie bei der Sitzung der Landeswahlbehörde Wien einen Schriftsatz eingebracht, in dem sie die Überprüfung von auch in der vorliegenden Anfechtungsschrift behaupteten Rechtswidrigkeiten anregt. Die Landeswahlbehörde habe aber keine Prüfung vorgenommen, sodass die Listen 2 und 6 nicht "leer" geblieben seien, sondern der "Liste Sebastian Kurz – Die neue Volkspartei" bzw. "NEOS – Das neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung" zugewiesen worden seien. Auch ein Schriftsatz der Anfechtungswerberin an die Bundeswahlbehörde vom 31. August 2017, in dem ebenfalls in der vorliegenden Anfechtungsschrift beanstandeten Rechtswidrigkeiten geltend gemacht worden seien, sei unberücksichtigt geblieben.

6.3.13. Die Anfechtungswerberin bringt abschließend vor, die Verfassungsrichter seien auf Grund ihrer Naheverhältnisse zu politischen Parteien, die in einem politischen Wettbewerb zur anfechtungswerbenden Partei stünden, befangen. "Nur weil kein Ausschließungsgrund nach Art147 Abs4 B-VG" vorliege, könne daraus noch nicht abgeleitet werden, dass "kein Befangenheitsgrund nach Art6 EMRK" vorliege. Die Anfechtungswerberin könne "Verfassungsrichter auf Basis des VfGG §12 zwar nicht ablehnen, die allfällige Mitwirkung würde jedoch dem Art6 EMRK widersprechen".

7.       Die Bundeswahlbehörde legte die Wahlakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, "die Begehren der Anfechtungswerberin zurück- bzw. abzuweisen". Den von der Anfechtungswerberin geltend gemachten Bedenken tritt sie zusammengefasst wie folgt entgegen:

7.1.    Insoweit die Anfechtungswerberin das verfassungsrechtlich vorgegebene System der Briefwahl als mit den Grundprinzipien der Verfassung nicht vereinbar betrachtet bzw. die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Briefwahl verfassungsrechtlich als bedenklich erachtet, verweist die Bundeswahlbehörde im Wesentlichen auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 19.893/2014 sowie VfSlg 20.071/2016), in denen das System der Briefwahl als mit den Grundprinzipien der Verfassung vereinbar und die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Briefwahl als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet wurde. Zum Vorbringen der Anfechtungswerberin betreffend die mittels Briefwahl abgegebenen Stimmen führt die Bundeswahlbehörde u.a. aus, dass die Annahme, "dass 15,6 Prozent der gültigen Stimmen aus Briefwahl-Wahlkarten über ca. 28 der insgesamt 183 zur Vergabe gelangenden Mandate im Nationalrat entschieden hätten", nicht zutreffe. Dies insbesondere auch, "weil das Quorum der Stimmen aus Wahlkarten keinen eigenen Wahlkörper bildet und aufgrund der Regelung des Art26 Abs2 letzter Satz B-VG ('Eine Gliederung der Wählerschaft in andere Wahlkörper ist nicht zulässig.') auch nicht bilden dürfte. Vielmehr hängt der wahlarithmetische Erfolgswert einer aus einer Wahlkarte stammenden Stimme – sei es mittels Briefwahl oder mittels Präsenzwahl […] – stets davon ab, welchem Regionalwahlkreis die jeweilige Stimme entstammt und bei der Ergebnisermittlung entsprechend zugerechnet wird". Zudem tritt die Bundeswahlbehörde den Ausführungen entgegen, wonach es "gegenwärtig leicht möglich" wäre, "insbesondere auch das Weitergeben oder Verkaufen von Briefwahlkarten" zu bewerkstelligen:

"Insbesondere mit dem Wahlrechtsänderungsgesetz 2011 hat der Gesetzgeber in §39 NRWO eine Fülle von Regelungen implementiert, die eine missbräuchliche Ausübung der Stimmabgabe mittels Briefwahl verhindern sollen. Bei der Auswertung der Briefwahl-Wahlkarten prüft die zuständige Bezirkswahlbehörde, im Fall des §96 NRWO die zuständige Landeswahlbehörde, das Vorhandensein der eidesstattlichen Erklärung. Bei Zweifelsfällen über das Bestehen eines Nichtigkeitsgrundes, etwa dass im Sinne von §60 Abs1 Z3 NRWO die eidesstattliche Erklärung auf der Wahlkarte nicht oder nachweislich nicht durch den Wahlberechtigten abgegeben wurde, hat die zuständige Wahlbehörde nach im Kollegium durchgeführter Beratung allenfalls eine solche Wahlkarte nicht in das Ergebnis miteinzubeziehen. Ganz allgemein ist hierbei erneut auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 1. Juli 2016 zu verweisen, wonach dem verfassungsgesetzlich vorgesehenen System der Briefwahl – im Vergleich zur konventionellen Stimmabgabe vor der Wahlbehörde – eine geringere Kontrolle der Sicherstellung eines geheimen und persönlichen Wahlvorganges immanent ist (VfSlg 20.071/2016, Rz 161)."

7.2.    Im Hinblick auf die Behauptung der Anfechtungswerberin, die Listenspalten 2 und 6 hätten leer bleiben müssen, zumal es sich bei der "Liste Sebastian Kurz – Die neue Volkspartei" (ÖVP) sowie bei der wahlwerbenden Gruppe "NEOS – Das Neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung" (NEOS) nach Ansicht der Anfechtungswerberin nicht um Nachfolgerinnen von "im Nationalrat vertretenen Parteien" handle, verweist die Bundeswahlbehörde auf §49 Abs2 NRWO, wonach nach der Veröffentlichung der Wahlvorschläge festgestellte Mängel deren Gültigkeit nicht berühren. Eine wahlwerbende Partei werde – "so diese erfolgreich ist" – mit Abschluss des Wahlverfahrens zur "im Nationalrat vertretenen Partei", müsse jedoch für Zwecke der nächstfolgenden Nationalratswahl erneut Wahlvorschläge iSd §42 NRWO einbringen, sodass jeder Wahlvorschlag einer Kontinuitätsprüfung zu unterziehen sei. Dabei sei in einer bundesweiten Gesamtbetrachtung ein Vergleich der wahlwerbenden Partei, wie sie bei der letzten Wahl gewählt worden sei, mit der in Frage kommenden wahlwerbenden Partei anzustellen. Heranzuziehen seien dafür – mangels näherer Anhaltspunkte im Gesetz und in den Materialien – "primäre und sekundäre Identitätsmerkmale". "Primäre Identitätsmerkmale" würden direkt an die Vorschriften der NRWO über Wahlvorschläge anknüpfen, durch die sich die wahlwerbenden Parteien gegenüber den Wahlbehörden und der Öffentlichkeit identifizieren und unterscheiden (zB Übereinstimmungen bei der Parteibezeichnung oder Kurzbezeichnung, den Bewerbern um Mandate, den im zuletzt gewählten Nationalrat vertretenen Mandataren sowie den Personen, die den Wahlvorschlag unterstützen und für die jeweiligen Parteien handeln, wie zustellungsbevollmächtigte Vertreter und Vertrauensleute). Als "sekundäre Identitätsmerkmale" seien sonstige Äußerungen und Übereinstimmungen der "hinter" den wahlwerbenden Parteien stehenden politischen Parteien und der aus ihren Abgeordneten gebildeten Klubs und den wahlwerbenden Parteien anzusehen. Keines der genannten Merkmale reiche allein für eine eindeutige Zuordnung, sondern es sei eine Gesamtschau anhand eines "beweglichen Systems" anzustellen. Die Bundeswahlbehörde führt weiters aus:

"Von den in der Literatur herausgearbeiteten Kriterien sind an dieser Stelle besonders hervorzuheben:

[…] Parteibezeichnung

Die Parteibezeichnung dient in erster Linie zur Unterscheidung wahlwerbender Parteien auf den veröffentlichten Wahlvorschlägen bei derselben Wahl (vgl. §44 NRWO) und sie ist auch für die Identität der Landeswahlvorschläge und Bundeswahlvorschläge vorlegenden wahlwerbenden Partei von Bedeutung (vgl. §106 Abs2 NRWO: 'Partei derselben Parteibezeichnung'). Der Grundsatz der Parteienidentität ausschließlich kraft Bezeichnungsidentität ist auf die Identität von wahlwerbenden Parteien bei aufeinander folgenden Wahlen nicht übertragbar. Abgesehen davon, dass es dafür – anders als jedenfalls bei Wahlvorschlägen für verschiedene Ermittlungsverfahren bei derselben Wahl (§106 Abs2 NRWO) – keine explizite Rechtsgrundlage gibt, muss das schon deshalb gelten, weil unter Umständen bei der letzten Wahl nicht die selbstgewählte Bezeichnung der wahlwerbenden Partei, sondern eine von der Wahlbehörde vorgenommene Benennung nach dem Listenführer auf dem Wahlvorschlag zu veröffentlichen war (vgl. §44 NRWO), oder auch, weil die Bezeichnung sich freiwillig nach dem Listenführer richten kann, dieser jedoch bei der nächsten Wahl ein anderer sein kann und schließlich, weil die Wahl der Bezeichnung zur grundrechtlich garantierten Freiheit der Wahlbewerbung (Art3 1. ZPEMRK) gehört (vgl. VfSlg 13.004/2002) und eine 'Bestrafung' durch Nichtanerkennung der Identität bei aufeinander folgenden Wahlen nur aufgrund einer etwas anderen, die Identität für den durchschnittlichen Wahlberechtigten nicht in Frage stellenden Bezeichnung unverhältnismäßig erschiene.

Die Identität von Wahlparteien kann gerade nicht nur durch völlig identische Bezeichnungen zum Ausdruck kommen. So haben auch langjährig im Nationalrat vertretene Parteien als wahlwerbende Parteien bei verschiedenen Nationalratswahlen immer wieder modifizierte Bezeichnungen verwendet, o

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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