Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Agrargemeinschaft M*****, vertreten durch Dr. Alois Schneider, Rechtsanwalt in Rattenberg, wider die beklagte Partei E*****, vertreten durch Dr. Walter Hausberger, Dr. Katharina Moritz und Dr. Alfred Schmidt, Rechtsanwälte in Wörgl, wegen Entfernung und Unterlassung (Revisionsinteresse 10.000 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. November 2017, GZ 3 R 172/17s-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Rattenberg vom 17. Mai 2017, GZ 3 C 401/15k-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833 EUR (darin enthalten 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Nach Art III Tiroler Grundbuchsanlegungsreichsgesetz RGBl 1897/77 (TirGARG) bestehen – abweichend von § 295 ABGB – die vor der Grundbuchsanlegung in Tirol begründeten Sonderrechte an Bäumen weiter. In diesem Fall sind Bäume selbständige Vermögensobjekte, die nicht im Eigentum des Liegenschaftseigentümers stehen.
Die Klägerin (eine Agrargemeinschaft) ist Eigentümerin einer Liegenschaft, auf der sich Obstbäume befinden, an denen der beklagte (pensionierte) Landwirt Eigentum iSd Art III TirGARG behauptet. Das Obst dieser Bäume wird seit jeher vom Beklagten bzw dessen Rechtsvorgängern geerntet und verzehrt und auch zum Schnapsbrennen verwendet.
Die Klägerin begehrt, der Beklagte möge zwei Obstbäume (des Altbestands) entfernen sowie Eigentumseingriffe durch Anpflanzen von Obstbäumen auf ihren (näher bezeichneten) Grundstücken unterlassen und die von ihm im Jahr 2015 dort neu gepflanzten Bäume entfernen.
Sie bringt zusammengefasst vor, zwei Obstbäume des Altbestands seien auf Basis einer 1977 getroffenen Vereinbarung abgelöst worden. Für die weiteren vom Beklagten vorgenommenen Neupflanzungen bestehe keine rechtliche Grundlage. Durch die Grundbuchseintragungen im Jahr 1958 seien die betroffenen Grundstücke „lastenfrei abgeschrieben“ worden; die Rechtsvorgänger des Beklagten hätten sich trotz Zustellung des betreffenden Beschlusses nicht widersetzt, sodass der Beklagte an den Obstbäumen keine Rechte mehr habe.
Der Beklagte bestritt die angebliche Ablösevereinbarung aus dem Jahr 1977. Jedenfalls seien die aus einer solchen Vereinbarung abgeleiteten Rechte der Klägerin verjährt. Die irrtümliche Nichtübertragung der Eintragung auf die neuen Grundstücke ändere nichts am bestehenden Eigentumsrecht an den Bäumen (und sei allenfalls im Grundbuch zu berichtigen). Einer lastenfreien Abschreibung habe er nicht zugestimmt, ein entsprechender Grundbuchsbeschluss sei ihm oder seinen Rechtsvorgängern nicht zugestellt worden. In eventu werde Ersitzung der Dienstbarkeit des Fruchtgenussrechts an den Obstbäumen geltend gemacht. Einer Verpflichtung zur (aktiven) Entfernung der Bäume des Altbestands mangle es jedenfalls an einer Rechtsgrundlage, weil die Klägerin – selbst ausgehend von ihrem eigenen Vorbringen – nur einen Anspruch auf Eigentumsübertragung an den Bäumen haben könnte.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Aus den Feststellungen sind folgende – für das Revisionsverfahren noch wesentliche – Feststellungen hervorzuheben:
Im A2-Blatt der Liegenschaft der Klägerin ist mit „Stand 1911“ eingetragen: „Die auf Gst ... stehenden Obstbäume bilden selbständige Vermögensobjekte“. Die konkret angeführten Grundstücksnummern haben sich jedoch im Zeitablauf geändert. Im Zuge mehrfacher Grundstücksteilungen bzw Ab- und Zuschreibungen in den Jahren 1958 und 2010 wurde diese Eintragung nicht deckungsgleich auf die abgeschriebenen Grundstücke ausgedehnt. Tatsächlich stehen sämtliche von der Klage betroffenen Bäume auf Grundstücken, die von dieser Eintragung nicht mehr erfasst sind, es jedoch vor dem Jahr 1958 noch waren.
In den 1930-iger und 1940-iger-Jahren bewirtschafteten die Eltern des Beklagten zwanzig bis dreißig Obstbäume auf der Liegenschaft der Klägerin. Infolge von Geländeveränderungen (Einebnungen und Aufschüttungen) gingen einige Bäume zugrunde oder wurden entfernt. Nunmehr umfasst der Altbestand noch zehn Bäume. Im Jahr 2015 (kurz vor Klagseinbringung) pflanzte der Beklagte 13 neue Obstbäume auf der Liegenschaft der Klägerin.
Im Jahr 1977 wollte der Beklagte von der Klägerin eine bestimmte (andere) im Eigentum der Klägerin stehende Liegenschaft erwerben. In der Vollversammlung vom 10. 3. 1977, an der auch der Beklagte – der zugleich Mitglied der Klägerin ist – teilnahm, stellte er ein entsprechendes „Grundansuchen“. Von einem weiteren Mitglied der Klägerin wurde beantragt, das vom Beklagten gewünschte Grundstück solle nur dann an diesen verkauft werden, wenn er auf sein „Obstbaumrecht“ (damals bestehend aus 11 Bäumen) verzichte. Der Verzicht solle schlagend werden, wenn die Klägerin (als Eigentümerin) das Grundstück, auf dem die Bäume stehen, für ihre Zwecke benötigen sollte. Es wurde weiters gefordert, dass der Beklagte für die Ablöse seiner Obstbäume nicht mehr als 1.500 ATS je Stück verlangen dürfe. Unter diesen Bedingungen stimmten die Mitglieder der Klägerin dem Grundverkauf mehrheitlich zu. Der Beklagte erbat sich eine halbe Stunde Bedenkzeit, unterfertigte aber dann als Zeichen seiner Zustimmung das Protokoll der Vollversammlung. Daraufhin verkaufte die Klägerin dem Beklagten das von ihm gewünschte Grundstück.
Im Jahr 1984 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, nunmehr zwei der betroffenen Obstbäume vereinbarungsgemäß ablösen zu wollen. Der Beklagte bestritt jedoch, dass eine derartige Vereinbarung getroffen worden sei.
Im Jahr 2013 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass nunmehr die Ablöse von 11 Obstbäumen anstehe. Der Beklagte widersetzte sich dem Ansinnen erneut und retournierte mehrfach den überwiesenen Kaufpreis. Daraufhin erlegte die Klägerin gemäß § 1425 ABGB gerichtlich 3.300 Euro für 11 Obstbäume.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Da sich die betreffende Eintragung im Grundbuch nicht auf jene Grundstücke beziehe, auf denen die gegenständlichen Bäume stehen, habe der Beklagte kein Recht mehr zur Haltung oder Anpflanzung der Obstbäume.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Die Bäume stellten selbständige Vermögensobjekte dar. Der entsprechenden Anmerkung im A2-Blatt einer Liegenschaft komme nur Publizitätswirkung zu, ihr Unterbleiben führe nicht zum Erlöschen des (Sonder-)Eigentumsrechts. Die Nichtübertragung der Grundbuchseintragung auf die betroffenen Grundstücke schade nicht. Das Eigentumsrecht des Beklagten an den Obstbäumen sei daher durch die Grundstücksteilungen und Abschreibungen nicht verloren gegangen. Die Anmerkung könne nur im Wege eines Löschungsverfahrens gemäß Art V des TirGARG beseitigt werden. § 64 GBG komme nur dann zur Anwendung, wenn dritte Personen gutgläubig im Vertrauen auf den Grundbuchsstand Rechte erworben hätten. Die hier geteilten Grundstücke stünden aber nach wie vor im Eigentum der klagenden Partei. Ob und inwieweit die unterbliebene Mitübertragung der Anmerkung berichtigungsfähig sei, sei nicht zu erörtern. Die Beweisrüge zu den allenfalls in der Vollversammlung 1977 getroffenen Vereinbarungen müsse aus rechtlichen Gründen nicht erledigt werden, weil seither mehr als 30 Jahre vergangen seien und ein Anspruch aus der von der Klägerin behaupteten Vereinbarung jedenfalls verjährt sei. Soweit die Streitteile vereinbart haben sollten, dass der Verzicht auf die Obstbäume schlagend werde, wenn die klagende Partei das Grundstück benötige, stehe auch dieser Passus einer Verjährung nicht entgegen. Hänge nämlich die Leistungspflicht des Schuldners von einer Erklärung des Berechtigten ab, beginne die Verjährungsfrist mit der Möglichkeit bzw Zulässigkeit dieser Erklärung, ansonsten das Verbot einer privatautonomen Verlängerung einer Verjährungsfrist umgangen werde. Infolge Fortbestehens des Eigentums an den Obstbäumen habe der Beklagte auch Nachpflanzungen vornehmen dürfen, nachdem ein Teil der 1958 bestehenden Obstbäume bei Geländeveränderungen eingegangen bzw entfernt worden war.
Das Berufungsgericht ließ die Revision mit der Begründung zu, dass keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Folgen der unterbliebenen Mitübertragung der Anmerkung des selbständigen Eigentums an Bäumen bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
1. Zur Rechtslage:
1.1 Anlässlich der geplanten Einführung des Grundbuchs in Tirol stellte sich heraus, dass ein dem ABGB widersprechendes, jedoch seit jeher anerkanntes Rechtsverhältnis in Bezug auf Bäume, die einem anderen als dem Grundeigentümer gehören, bestand. Es handelte sich um ein unbeschränktes Eigentumsrecht verbunden mit einer unentgeltlichen Servitut für die Benutzung des Bodens und den Zugang zum Baum. In manchen Gegenden endete das Verhältnis mit dem Absterben des Baumes, in anderen war der Baumeigentümer nach Absterben oder Umschlagen des Baumes zur Nachpflanzung berechtigt. Da man diese eingebürgerten und anerkannten Verhältnisse bei der Grundbuchseinführung nicht ignorieren wollte, sollten diese ausdrücklich anerkannt werden und im Grundbuch Ausdruck finden. Für die Zukunft sollten solche Sonderrechte jedoch nicht mehr begründet werden können (Justizausschussbericht 1516 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses XI. Session, 2 f, 5 ff; Pitreich, Zur Geschichte des Immobiliarrechtes seit der Kodifikation in: FS Jahrhundertfeier ABGB [1911] II 493).
1.2 Als reichsrechtliches Begleitgesetz zur Grundbuchseinführung in Tirol wurde daher das „Gesetz vom 17. März 1897, womit für den Fall der Einführung der Grundbücher in Tirol einige grundbuchsrechtliche Sonderbestimmungen und erleichternde Gebürenvorschriften erlassen und Beschränkungen der Theilung von Gebäuden nach materiellen Antheilen eingeführt werden (Wirksam für die gefürstete Grafschaft Tirol)“ erlassen und unter RGBl 1897/77 kundgemacht („Tiroler Grundbuchsanlegungsreichsgesetz“ [TirGARG] in Abgrenzung zum parallel beschlossenen landesrechtlichen „Tiroler Grundbuchsanlegungsgesetz“, GVBlTirVbg 1897/9).
1.3 Das Baumeigentum ist in den (seither unveränderten) Artikeln III bis V TirGARG geregelt:
Artikel III.
Rechtsverhältnisse, die vor dem Beginne der Wirksamkeit dieses Gesetzes in Ansehung von Bäumen derart begründet wurden, daß letztere abgesondert vom Grund und Boden als selbständige Vermögensobjecte sich darstellen, werden durch dieses Gesetz nicht berührt. Demnach können die Eigenthümer solcher Bäume auch in Zukunft über dieselben frei verfügen und, wofern das Rechtsverhältnis auch die Berechtigung umfaßt, an Stelle zugrunde gegangener oder beseitigter Bäume neue Baumpflanzungen vorzunehmen, dieses Recht frei ausüben.
Hingegen können nach dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Gesetzes Rechtsverhältnisse dieser Art in Ansehung von Bäumen, welche unter die vorstehenden Bestimmungen nicht fallen, nicht neu begründet werden.
Artikel IV.
Ist im Grundbuche bei einer Liegenschaft bemerkt, daß sich Bäume auf derselben befinden, welche selbständige Vermögensobjecte bilden, so äußern die eine solche Liegenschaft betreffenden grundbücherlichen Eintragungen keine Rechtswirkung auf diejenigen Bäume, welche vor der Eröffnung des Grundbuches in rechtlicher Beziehung nachweisbar nicht als Zugehör des Grundes behandelt wurden, ebensowenig auf jene, welche etwa im Sinne des Artikels III, Abs. 1, nachgepflanzt werden.
Solche Bäume sind als unbewegliche Sachen zu behandeln, bei denen als Erwerbungsart des Eigenthumes die Übergabe, als Erwerbungsart des Pfandrechtes die pfandweise Beschreibung in Anwendung kommt.
Die Verpflichtung des Grundeigenthümers, die Benützung einer Grundfläche im Umkreise solcher Bäume zu deren Pflege und Genuß zu gestatten, bildet keinen Gegenstand der Eintragung in das Grundbuch.
Artikel V.
Die Löschung der im Artikel IV, Abs. 1, erwähnten grundbücherlichen Bemerkung hat zu erfolgen, wenn nach dem Ergebnisse des in den folgenden Paragraphen geregelten Verfahrens anzunehmen ist, dass auf der betreffenden Liegenschaft Bäume als selbständige Vermögensobjecte nicht mehr bestehen und auch nicht gemäß Artikel III, Abs. 1, durch Nachpflanzungen entstehen können.
§. 1. (1) Das Löschungsgesuch, das eine genaue Bezeichnung der Liegenschaft zu enthalten hat, ist im Grundbuche durch eine Anmerkung ersichtlich zu machen.
(2) Zugleich hat das Gericht durch eine Kundmachung alle jene Personen, welchen Eigenthums- oder sonstige dingliche Rechte an Bäumen als selbständigen Vermögensobjecten auf der betreffenden Liegenschaft zustehen oder die hierauf an Stelle zugrunde gegangener oder beseitigter Bäume neue Baumpflanzungen vorzunehmen berechtigt sind, von der Einbringung des Löschungsgesuches zu verständigen und aufzufordern, ihre Rechte binnen einer Frist, welche nicht weniger als drei Monate betragen darf, bei dem Gerichte anzumelden, widrigens bei Abgang von Anmeldungen die angesuchte Löschung verfügt werden würde.
(3) Die Kundmachung ist auf der Gerichtstafel, dann in der Gemeinde, in deren Gemarkung sich die betreffende Liegenschaft befindet, sowie in den benachbarten Gemeinden auf den Amtstafeln anzuschlagen und in allen diesen Gemeinden überdies auf die ortsübliche Art zu verlautbaren. ...
§. 2. Wurde binnen der festgesetzten Frist keine Anmeldung überreicht, so ist von dem Gerichte die Löschung der gedachten grundbücherlichen Eintragung, sowie der Anmerkung des Löschungsgesuches zu verfügen.
§. 3 (1) Wurden hingegen Anmeldungen überreicht, so hat das Gericht von denselben den Grundeigenthümer mit dem Bedeuten zu verständigen, dass die eingebrachten Anmeldungen der angesuchten Löschung entgegenstehen, und dass es dem Grundeigenthümer anheimgestellt sei, die geeigneten Schritte wegen Aberkennung oder Aufhebung der angemeldeten Rechte zu unternehmen und sich hierüber binnen drei Monaten nach Zustellung dieser Verständigung bei dem Grundbuchsgerichte auszuweisen. ...
Artikel XVIII.
Dieses Gesetz mit Ausnahme des Artikels IX tritt in den einzelnen Catastralgemeinden mit dem Tage in Wirksamkeit, an welchem die Führung des betreffenden Grundbuches beginnt. Die Wirksamkeit des Artikels IX beginnt mit dem Tage der Kundmachung des Gesetzes.
1.4 Zugleich wurde in § 7 Abs. 3 des (landesrechtlichen) Tiroler Grundbuchsanlegungsgesetzes bestimmt: „Bei Liegenschaften, worauf sich Bäume befinden, die selbständige Vermögensobjekte bilden, ist dieses Verhältnis zu bemerken.“ Von der individuellen Eintragung der Bäume (etwa als eigene Grundbuchskörper) wurde jedoch bewusst Abstand genommen. Die „grundbuchsrechtliche Bedeutung dieser bücherlichen Anmerkung“ solle nach den Materialien darin bestehen, dass die Rechtswirkungen der Eintragungen auf dem betroffenen Grundbuchskörper (der bepflanzten Liegenschaft) entsprechend eingeschränkt sind, also sich nicht auf jene Bäume erstrecken, die nicht als Zugehör des Grundes anzusehen sind (Artikel IV Abs. 1). Zur Vermeidung von Zweifeln über die Erwerbungsart „hinsichtlich der vom Grundbuche ausgeschlossenen Bäume“ wurde eine Bestimmung über die künftige Erwerbungsart getroffen (Artikel IV Abs. 2). Schließlich wurde in Artikel V noch ein besonderes Verfahren für die Löschung der „grundbücherlichen Anmerkung des Rechtsverhältnisses“ geschaffen (zu alldem JAB 6 f).
1.5 Das Tiroler Grundbuchsanlegungsreichsgesetz und Tiroler Grundbuchsanlegungsgesetz stehen weiterhin in Geltung. Nach § 72 Allgemeines Grundbuchsanlegungsgesetz bleiben ihre Bestimmungen von diesem Gesetz unberührt; sie sind im Anhang des Ersten Bundesrechtsbereinigungsgesetzes, BGBl I 1999/191, angeführt.
2. Im Schrifttum wird zu § 295 ABGB (Unbeweglichkeit von Pflanzen) und zu § 420 ABGB (Eigentumserwerb durch Pflanzen und Säen) ohne weitere Ausführungen oder Fundstellen auf die Sonderrechte an Bäumen in Tirol hingewiesen (Holzner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 295 Rz 1; Karner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 420 Rz 2; Helmich in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 295 Rz 6; Mader in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 420 Rz 1; Hofmann in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 295 Rz 2; Klicka/Reidinger in Schwimann/Kodek, ABGB-Praxiskommentar4 § 420 Rz 2; Kodek in Schwimann/Neumayr, ABGB-Taschenkommentar4 § 295 Rz 1; Kisslinger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 295 Rz 6; Klang in Klang, Kommentar zum ABGB² § 295 Rz 1; Klang in Klang, Kommentar zum ABGB² § 420 Rz 2). Rassi, Grundbuchsrecht² Rz 216, erwähnt die betreffenden Bäume in Tirol (neben dem Stockwerkseigentum) unter dem Aspekt des real geteilten Eigentums.
3. Zur grundbuchsrechtlichen Behandlung ist auf § 20 lit b GBG zu verweisen, wonach „zur Begründung bestimmter, nach den Vorschriften dieses oder eines anderen Gesetzes damit verbundener Rechtswirkungen, wie zum Beispiel die Anmerkung der Rangordnung, der Abschreibung von Grundstücken, der Simultanhaftung, der Aufkündigung einer Hypothekarforderung, der Streitanhängigkeit, der Zwangsverwaltung, der Erteilung des Zuschlages“ grundbücherliche Anmerkungen erfolgen können.
Anmerkungen nach § 20 lit b GBG sind zur Begründung bestimmter, nach den Vorschriften des Grundbuchsgesetzes oder eines anderen Gesetzes damit verbundener Rechtswirkungen zulässig (RIS-Justiz RS0060679). Erforderlich ist, dass sie im Grundbuchsgesetz oder einem anderen Gesetz ausdrücklich vorgesehen sind (RIS-Justiz RS0060628) wie zB die Anmerkung der Einleitung des Löschungsverfahrens nach Artikel V § 1 Abs 1 Tiroler Grundbuchsanlagungsreichsgesetz (Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 20 GBG Rz 49). Sie unterscheiden sich von der Einverleibung oder Vormerkung vor allem dadurch, dass sie nur dazu dienen, Tatsachen, die gewisse rechtliche Folgen nach sich ziehen, festzustellen; sie können aber nie dingliche Rechte begründen, umändern oder aufheben, wie dies Einverleibungen oder Vormerkungen vermögen (Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 20 GBG Rz 1 mwN).
4.1 Die Revisionswerberin stützt sich vorerst darauf, dass die betreffenden Teilstücke „ohne Sonderrechte“ abgeschrieben worden seien, wodurch die „Lastenfreiheit der dienenden Grundstücke“ eingetreten sei. Wie sich aus Art III der TirGARG ergibt, ist das Baumeigentum aber kein der Eintragung unterliegendes dingliches Recht im Sinne einer Belastung der Liegenschaft, sondern ein Eigentum an einer unbeweglichen Sache (real geteiltes Eigentum), wobei dieses Recht gerade nicht der Eintragung im Grundbuch unterliegt. Demzufolge handelt es sich bei der Eintragung im A2-Blatt um eine Anmerkung im Sinne des § 20 lit b GBG. Deren Rechtswirkung ist in Artikel IV Abs 1 TirGARG dahin umschrieben, dass die Wirkungen grundbücherlicher Eintragungen zur Liegenschaft (etwa Pfandrechte, Eigentumsübertragungen etc) auf die nicht als Zugehör des Grundes geltenden Bäume ausgeschlossen werden. Der Wegfall der Anmerkung (aus welchem Grund auch immer) führt demnach nicht zum Erlöschen des Eigentums, weil eine Anmerkung nicht zur Veränderung (Aufhebung) dinglicher Rechte führen kann. Vielmehr ist der Wegfall des Sonderrechts Voraussetzung für die Löschung der Anmerkung nach Artikel V TirGARG.
4.2 Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ging demnach das Eigentum des Beklagten und dessen Rechtsvorgänger an den Obstbäumen durch die „lastenfreie Abschreibung“ der betroffenen Grundstücke nicht verloren. Im Fall einer irrtümlichen Nichtübertragung der Anmerkung wäre allenfalls ein gutgläubiger Erwerb von Eigentum an den Bäumen durch den Erwerber einer Liegenschaft denkbar, worauf es aber keine Hinweise in den Feststellungen gibt.
4.3 Soweit in der Revision von der Zustellung des betreffenden Grundbuchsbeschlusses an die Rechtsvorgängerin des Beklagten ausgegangen wird (und vorgebracht wird, diese hätte die Rechtspflicht getroffen, die Nichtübertragung zu „korrigieren“) ist die Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil Feststellungen zu einer derartigen Zustellung fehlen.
5.1 Ein rechtlicher Feststellungsmangel infolge Fehlens von Feststellungen dazu, dass das Baumrecht zu Gunsten des Beklagten jemals rechtswirksam begründet wurde, ist zu verneinen, weil beide Parteien im gesamten erstinstanzlichen Verfahren ihrem jeweiligen Vorbringen zugrunde gelegt haben, dass der Altbestand an Obstbäumen (jedenfalls vor dem Zeitpunkt des von der Klägerin behaupteten Verlustes infolge der Teilungen und Abschreibungen) zunächst im Eigentum des Beklagten (bzw seiner Rechtsvorgänger) gestanden sei; auch dass das Baumeigentum des Beklagten das Recht auf Nachpflanzungen mitumfasse (siehe Art III TirGARG) wurde von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen.
5.2 Wenn sie erstmals in der Revision vorbringt, das Baumeigentum sei niemals wirksam begründet worden, da dessen Eintragung erst 1911 erfolgt war, ist darauf zu verweisen, dass der relevante Zeitpunkt, ab dem Baumeigentum nicht mehr begründet werden konnte (Inkrafttreten des TirGARG), nicht im Jahr 1897 liegt, sondern gemäß Art XVIII mit der Anlegung des Grundbuchs in der betreffenden Katastralgemeinde anzusetzen ist. Wann dies der Fall war, ist dem Klagsvorbringen nicht zu entnehmen und ist auch nicht aktenkundig. Zudem verstößt dieses Vorbringen gegen das Neuerungsverbot.
6.1 Weiters wendet die Klägerin ein, es sei jedenfalls Verjährung des Rechts auf Ausübung einer allenfalls im Jahr 1977 zustande gekommenen Ablösevereinbarung eingetreten. Sie macht geltend, nach den Feststellungen habe der Beklagte bei der Vollversammlung im Jahr 1977 einen sofort wirksamen „Verzicht auf die Obstbäume“ abgegeben, der zum Erlöschen des Rechts insgesamt führe; dieses Recht könne durch Verjährung auch nicht wiederaufleben. Dabei lässt die Revisionswerberin aber die weiters getroffene Feststellung unberücksichtigt, wonach der „Verzicht auf die Obstbäume“ erst schlagend werden sollte, wenn die klagende Partei das Grundstück für ihre eigenen Zwecke benötigt. Legt man den Verzicht iSd § 1444 ABGB als zweiseitiges Rechtsgeschäft („Vertragstheorie“ – RIS-Justiz RS0033948) nach den §§ 914, 915 ABGB aus, ergibt sich eindeutig, dass der übereinstimmende Parteiwillen nicht auf einen sofort wirksamen Verzicht auf das Eigentumsrecht an den Bäumen gerichtet war, sondern auf eine Option der Klägerin auf den hinkünftigen Abschluss eines bzw. mehrerer Kaufverträge über die Bäume (RIS-Justiz RS0017078 [T2]). Zudem wären bei einem Verzicht auf dingliche Rechte die jeweiligen Publizitätserfordernisse zu berücksichtigen (5 Ob 1/07v), die in der in Art IV TirGARG vorgesehenen Übergabe der Bäume an den Erwerber bestünden, wozu (ebenfalls) keine Feststellungen vorhanden sind.
6.2 Die Frage, ob das Optionsrecht der Klägerin verjährt ist (zur Frage der Verjährbarkeit des Optionsrechts siehe etwa 4 Ob 245/12a), muss hier nicht beantwortet werden. Bereits das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass – selbst wenn man nicht von einer Verjährung der Rechte aus der Vereinbarung 1977 ausgehen wollte – lediglich ein Anspruch auf Ablöse der Bäume bestünde, somit ein Anspruch auf Eigentumsverschaffung, nicht aber auf die in Punkt 1 des Klagebegehrens geforderte „Entfernung“ von Bäumen.
7. Entgegen dem Revisionsvorbringen war Gegenstand der Berufung des Beklagten nicht nur die von ihm – nur eventualiter – behauptete Ersitzung der Dienstbarkeit des Fruchtgenussrechts an den Bäumen, sondern auch die Frage der Verjährung sowie die Unbeachtlichkeit des Unterbleibens der Übertragung der Anmerkung.
Die Revision ist daher nicht erfolgreich.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E120947European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0100OB00010.18W.0220.000Im RIS seit
21.03.2018Zuletzt aktualisiert am
10.12.2019