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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §839;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des F in E, vertreten durch Mag. Harald Schuh, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Lüfteneggerstraße 12, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 24. Oktober 1996, Zl. 300/IIf/12181/1996, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Vorgeschichte des vorliegenden Beschwerdefalles geht aus dem hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1996, Zl. 95/08/0163, hervor. Mit dem damals angefochtenen Bescheid hatte die belangte Behörde den Notstandshilfebezug des Beschwerdeführers für die Zeit vom 1. Oktober 1990 bis 31. Juli 1992 "wegen nachträglicher Anrechnung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung" gemäß § 38 in Verbindung mit § 24 Abs. 2 AlVG rückwirkend berichtigt und ab 1. August 1992 bis 3. Oktober 1994 die Zuerkennung von Notstandshilfe wegen einer solchen Anrechnung widerrufen. Der daraus sich ergebende Übergenuss in der Höhe von S 229.227,-- wurde zurückgefordert. Die belangte Behörde ging in der Begründung ihres damaligen Bescheides davon aus, dass eine näher bezeichnete Liegenschaft zu drei Viertel im Miteigentum des Beschwerdeführers stehe, woraus sich die Anrechnung von drei Viertel der Gesamtmieteinnahmen (S 41.250,-- bei Gesamteinnahmen von S 55.000,--) auf den Notstandshilfebezug des Beschwerdeführers ergebe.
Mit Erkenntnis vom 23. Jänner 1996, Zl. 95/08/0163, hat der Verwaltungsgerichtshof diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Er hielt die Gründe für klärungsbedürftig, aus denen - nach den Behauptungen des Beschwerdeführers - "die Mieteinnahmen mit seiner Zustimmung zur Gänze den beiden anderen Miteigentümern" (seinen Geschwistern) verblieben seien. Die belangte Behörde habe zu prüfen, ob insoweit die Miteigentümer von § 839 ABGB abweichende Vereinbarungen getroffen hätten, die freilich im Hinblick auf ihre Motivation dahin zu untersuchen seien, ob sie nicht ausschließlich dem Zweck dienten, dem Beschwerdeführer die Notstandshilfe zu erhalten.
Überdies habe die belangte Behörde außer acht gelassen, dass der Beschwerdeführer nicht im gesamten Rückforderungszeitraum Drei-Viertel-Eigentümer der Liegenschaft gewesen sei.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid hat die belangte Behörde für die Zeit vom 1. November 1990 bis 30. Juni 1994 die Bemessung der Notstandshilfe wegen nachträglicher Anrechnung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung rückwirkend berichtigt und den daraus sich ergebenden Übergenuss in der Höhe von S 85.351,-- dem Beschwerdeführer zum Rückersatz vorgeschrieben.
Zur Frage des Zufließens der Mieteinkünfte ging die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides vom Vorbringen des Beschwerdeführers aus: Danach sei ursprünglich vereinbart gewesen, dass der Beschwerdeführer zwei der vier in dem Haus befindlichen Wohnungen und ein im Erdgeschoß befindliches Geschäftslokal nutzen solle und er auch tatsächlich begonnen habe, eine der beiden renovierungsbedürftigen Wohnungen in Stand zu setzen. Aus finanziellen Gründen habe er jedoch die Renovierung einstellen müssen. Weitere Aufwendungen für die Instandsetzung dieser Wohnung seien von seiner Schwester, einer Miteigentümerin, getragen worden. Als Gegenleistung sei mit seiner Schwester vereinbart gewesen, dass die so renovierte, ursprünglich zur Nutzung des Beschwerdeführers vorgesehene Wohnung durch seine Schwester vermietet werden solle, damit aus den lukrierten Mieteinnahmen die finanziellen Verpflichtungen des Beschwerdeführers seiner Schwester gegenüber abgestattet würden.
Ferner hat die belangte Behörde die Feststellung getroffen, dass das Grundbuchsgesuch über die Einverleibung des Eigentumsrechtes bezüglich der Liegenschaft am 14. Februar 1994 erfolgt sei, sodass erst ab 1. April 1994 eine Anrechnung von drei Viertel der Mieteinnahmen des Beschwerdeführers auf den Bezug erfolgen könne.
Zur Anrechnung auf den Bezug des Beschwerdeführers würden - soweit die Begründung der belangten Behörde - die "Einnahmen aus folgenden Mietverträgen berücksichtigt".
"1.
Mietvertrag REDZIC vom 01.08.1992 bis 31.07.1993;
Mieteinnahmen in der Höhe von S 2.900,--
2.
Mietvertrag SLADOVIC vom 01.08.1992 bis 31.07.1993;
Mieteinnahmen in der Höhe von S 2.900,--
3.
Mietvertrag GOCAN vom 01.10.1990 bis 31.03.1991 und vom 10.10.1991 bis 31.03.1992 Mieteinnahmen in der Höhe von
S 2.500,--
vom 1.1.1993 bis 30.6.1993 und vom 1.12.1993 bis 31.11.1994 Mieteinnahmen in der Höhe von S 2.700,--"
Der Beschwerdeführer habe in seiner Stellungnahme vom 20. Juni 1995 angegeben, dass die Familie Gocan das Bestandobjekt durchgehend bewohne, weshalb die belangte Behörde von einer Anrechnung von S 2.500,-- für die Zeit vom 1. Oktober 1990 bis 31. März 1992 und von S 2.700,-- in der Zeit vom 1. Jänner 1993 bis zum 30. Juni 1994 ausgehe.
In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, es sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine von § 839 ABGB abweichende Vereinbarung zwischen ihm und den beiden anderen Miteigentümern über die Nutzung und Erträge der Mietobjekte im Hause darzulegen. In seiner Stellungnahme vom 20. Mai 1996 habe der Beschwerdeführer lediglich Nutzungsvereinbarungen dargelegt, wobei nicht habe festgestellt werden können, wann diese Vereinbarungen getroffen worden seien. Über allfällige Erträge aus den Mietobjekten sei lediglich bezüglich einer Wohnung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Schwester eine Vereinbarung getroffen worden. Diese Vereinbarung habe festgelegt, dass die Erträge aus einer ursprünglich dem Beschwerdeführer zur Nutzung zugewiesenen Wohnung seiner Schwester zufließen sollten, um auf diese Weise seine finanziellen Verpflichtungen seiner Schwester gegenüber abzutragen. Die Erträgnisse seien dem Beschwerdeführer daher "indirekt wirtschaftlich zugeflossen", der wirtschaftliche Nutzen demzufolge dem Beschwerdeführer verblieben.
Somit ergäbe sich im Gegenstand in der Zeit vom 1. November 1990 bis 30. Juni 1994 folgende Anrechnung auf den Notstandshilfebezug des Beschwerdeführers:
"ab 1.11.90 S 1.250,-- (= 1/2 v. 2.500,--
ab 1.09.92 S 4.150,-- (= 1/2 v. 2.500,--
2.900,--)
2.900,--)
ab 1.02.93 S 4.250,-- (= 1/2 v. 2.700,--
2.900,--
2.900,--)
ab 1.09.93 S 1.350,-- (= 1/2 v. 2.700,--)
ab 1.04.94 S 2.025,-- (= 3/4 v. 2.700,--)"
Der Bezug der Notstandshilfe werde somit im genannten Ausmaß rückwirkend berichtigt. Da der Beschwerdeführer die Vermietung der in seinem Eigentum stehenden Bestandobjekte der regionalen Geschäftsstelle verschwiegen habe, sei er gemäß § 25 Abs. 1 zum Rückersatz der unberechtigt empfangenen Leistung verpflichtet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gem. § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Soweit der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides rügt, dass die belangte Behörde zu Unrecht sein Vorbringen unbeachtet gelassen habe, dass die Mieteinnahmen zur Gänze den beiden anderen Miteigentümern verblieben seien, geht der Beschwerdeführer nicht vom festgestellten Sachverhalt aus: Die belangte Behörde hat aufgrund der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 20. Mai 1996 als erwiesen angenommen, dass - wie vom Beschwerdeführer behauptet - Mieteinnahmen einer näher genannten Wohnung seiner Schwester zur Abdeckung der Verbindlichkeiten zugeflossen seien, die der Beschwerdeführer gegenüber seiner Schwester gehabt habe. Hinsichtlich weiterer Wohnungen und anderer Miteigentümer hat der Beschwerdeführer weder Behauptungen aufgestellt, noch Nachweise über von § 839 ABGB abweichende Vereinbarungen erbracht.
Soweit die belangte Behörde eine Vereinbarung des Beschwerdeführers mit seiner Schwester im Sinne der oben wiedergegebenen Begründung zwar als erwiesen angenommen, diese Vereinbarung jedoch wegen des wirtschaftlichen Vorteils des Beschwerdeführers für nicht relevant angesehen hat, belastete sie jedoch ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Vorauszuschicken ist, dass die belangte Behörde keine Feststellungen in der Richtung getroffen hat, die behauptete Vereinbarung sei nur zum Schein oder nur zum Zwecke der Vermeidung der Einkommensanrechnung im Zusammenhang mit dem Notstandshilfebezug des Beschwerdeführers getroffen worden.
Der Beschwerdeführer hatte nach den behördlichen Feststellungen aus Renovierungsarbeiten, die aufgrund seines Miteigentumsanteils und der getroffenen Nutzungsvereinbarung an sich von ihm hätten bezahlt werden müssen, tatsächlich aber von seiner Schwester (einer weiteren Miteigentümerin) bezahlt wurden, eine Verbindlichkeit gegenüber seiner Schwester, zu deren Abstattung er ihr das Recht übertrug, eines der Mietobjekte bis zur Abstattung der Verbindlichkeit auf eigene Rechnung zu vermieten.
Auch wenn die belangte Behörde daraus zutreffend den Schluss gezogen hat, dass die diesbezüglichen Mieteinkünfte, die an seine Schwester gegangen sind, insofern wirtschaftlich dem Beschwerdeführer zugeflossen sind, als damit seine Verbindlichkeiten gegenüber seiner Schwester getilgt worden sind, vermag diese Überlegung die Anrechnung dieser Einkünfte nicht zu rechtfertigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof im vergleichbaren Fall einer Zession von Mietzinsen zur Tilgung von Bankverbindlichkeiten ausgesprochen hat, hat der durch eine solche Vereinbarung bewirkte Übergang der Rechtszuständigkeit an einen Dritten zur Folge, dass die Forderung (hier: das Recht auf eine dem Miteigentumsanteil entsprechende anteilige Lukrierung von Mieteinnahmen) aus dem Vermögen des Übertragenden (Zedenten) ausscheidet und dem Vermögen des Dritten (Zessionar) zugeordnet wird (vgl. das Erkenntnis vom 12. Jänner 1993, Zl. 91/08/0167). Die insoweit abgetretenen Einkünfte stellten daher - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - kein anrechenbares Einkommen des Beschwerdeführers dar. Die Behörde hätte daher - freilich unter entsprechender Mitwirkung des Beschwerdeführers, allenfalls auch durch Einvernahme von dessen Schwester - prüfen müssen, in welcher Höhe Verbindlichkeiten des Beschwerdeführers gegenüber seiner Schwester bestanden haben, in welcher Höhe diese Rückzahlungen aus den ihr zur Vermietung überlassenen Räumlichkeiten erlangen konnte und wann daher diese Verbindlichkeiten allenfalls getilgt gewesen sind.
Da die belangte Behörde diese Ermittlungen aufgrund einer unzutreffenden Rechtsauffassung unterlassen hat, ist der angefochtenen Bescheid schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer jedoch überdies zu Recht, dass die belangte Behörde auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, ein näher genannter Mieter habe längere Zeit hindurch keine Miete entrichtet, weshalb er habe geklagt werden müssen und die Wohnung überdies zwangsweise geräumt worden sei, übergangen hat: Die belangte Behörde hat dazu in ihrer Gegenschrift ausgeführt, dass die Behauptungen des Beschwerdeführers, der genannte Mieter sei die Mietzinse schuldig geblieben, auch durch die Vorlage des Urteils des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 16. November 1993 und des Beschlusses dieses Bezirksgerichtes über die zwangsweise Räumung vom 17. Oktober 1994 nicht erwiesen seien.
Damit scheint die belangte Behörde Fragen der Beweislast zu verkennen: Die Anrechnung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung stellen anspruchsmindernde Umstände dar, hinsichtlich derer zwar die Behörde keine formelle Beweislast trifft, deren Unerweislichkeit - bei ausreichender Mitwirkung des Beschwerdeführers an der Sachverhaltsermittlung - jedoch nicht zu Lasten des Anspruchsberechtigten, sondern zu Lasten der Behörde ginge: Auf die Notstandshilfe anzurechnen sind nicht Ansprüche des Beschwerdeführers auf Mietzahlungen, sondern ausschließlich ihm tatsächlich zugeflossene Einkünfte. Die belangte Behörde hätte somit in der Begründung des angefochtenen Bescheides darzulegen gehabt, aufgrund welcher Beweisumstände sie es als erwiesen angenommen hat, dass dem Beschwerdeführer die Monatsmieten aus der Vermietung an Zoran Sladovic, auf die er Anspruch hatte, ungeachtet seines Vorbringens, dass dieser ihm Mieten schuldig geblieben sei, dennoch zur Gänze zugeflossen seien.
Entgegen der Behauptung der belangten Behörde von der Unbeachtlichkeit des erwähnten Urteils ist diesem im Rahmen der Tatsachenfeststellungen zu entnehmen, dass beim Beklagten (dem Mieter) ein Zahlungsrückstand von zunächst drei Monatsmieten aufgelaufen sei, der sich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung 1. Instanz um weitere, insgesamt auf offenbar mindestens sieben Monatsmieten erhöht habe. Es trifft daher die Behauptung der belangten Behörde nicht zu, dass die vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen schlechthin ungeeignet seien, seine Behauptungen zu untermauern.
Die belangte Behörde hätte sich daher mit diesem Beweisergebnis auseinandersetzen und überdies die bei der Anrechnung von Mieteinkünften sonst geltenden Grundsätze (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 1999, Zl. 96/08/0092 mwH) beachten müssen.
Der Aufhebungsgrund der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geht jenem der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aber vor.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 26. April 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1996080354.X00Im RIS seit
18.10.2001