TE Vwgh Beschluss 2018/2/22 Ra 2017/18/0367

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Veröffentlicht am 22.02.2018
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Index

10/07 Verfassungsgerichtshof;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
14/02 Gerichtsorganisation;

Norm

BVwGG 2014 §21 Abs6;
BVwGG 2014 §21 Abs8;
BVwGG 2014 §21 Abs9;
GOG §89a;
GOG §89g;
GOG §89o;
VwGG §23;
VwGG §24;
VwGG §28;
VwGG §29;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §34 Abs4;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über den Antrag des H T in S, vertreten durch Mag. Dr. Ralf Blaha, LL.M., Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Domplatz 1, als bestellten Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Dr. Claudia Stoitzner, MBA Rechtsanwältin in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 45/5/36, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. August 2017, Zl. L504 2167037- 1/3E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 22. August 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 11. Juli 2017 erhobene Beschwerde des Revisionswerbers, eines irakischen Staatsangehörigen, als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Innerhalb der Revisionsfrist stellte der Revisionswerber beim Verwaltungsgerichtshof einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Revision.

3 Mit hg. Beschluss vom 16. Oktober 2017 wurde der Antrag auf Verfahrenshilfe bewilligt. Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Kärnten übermittelte dem zum Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwalt den Bescheid über die Bestellung vom 25. Oktober 2017 im Weg der sog. "Teilnehmer-Direktzustellung" noch am 25. Oktober 2017 um 09:25 Uhr.

4 Mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2017 erhob der Revisionswerber gegen das genannte Erkenntnis des BVwG außerordentliche Revision, die im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) am 6. Dezember 2017 um 15:24 Uhr beim BVwG eingebracht wurde.

5 Unter Hinweis darauf, dass die Revision nach der Aktenlage außerhalb der in § 20 der Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichts (GO-BVwG) kundgemachten Amtsstunden eingebracht worden sei und somit verspätet erscheine, wurde dem Revisionswerber vom Verwaltungsgerichtshof die Möglichkeit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen.

6 Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2017 stellte der Revisionswerber daraufhin den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision.

7 Begründet wurde der Antrag im Wesentlichen damit, dass es am 6. Dezember 2017 zu einem Ausfall des Netzwerksystems bzw. WLAN-Systems der Kanzlei der Substitutin des bestellten Verfahrenshelfers, welcher von ca. 13:00 Uhr bis kurz nach 15:00 Uhr gedauert haben solle, gekommen sei. Demnach sei eine Übermittlung per ERV technisch nicht möglich gewesen. Die Substitutin habe in weiterer Folge sämtliche erforderlichen Schritte in die Wege geleitet und habe schließlich nach einer Neuaufsetzung des Systems bzw. des Modems erreichen können, dass um kurz nach 15:00 Uhr wieder eine WLAN-Verbindung bestanden habe und eine Übermittlung per ERV wieder möglich gewesen sei. Da zu diesem Zeitpunkt die technischen Gegebenheiten für eine Übermittlung des Schriftsatzes möglich gewesen seien, habe sie auch nicht die Möglichkeit gehabt, die Revision postalisch unter Hinweis auf die technische Unmöglichkeit der Einbringung zu übermitteln. Die Substitutin sei durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis im Sinne des § 46 VwGG daran gehindert gewesen, die bereits fertig gestellte außerordentliche Revision vor 15:00 Uhr per ERV einzubringen. Es liege kein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden vor, zumal alle erforderlichen Schritte in die Wege geleitet worden seien und bislang ein derartiger Ausfall des ERV bedingt durch das WLAN-System nie eingetreten sei. Des Weiteren finden sich im Antrag weitere Ausführungen zur Behauptung einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von jenen Revisionswerbern, die von einem beauftragten Rechtsanwalt vertreten seien, und von jenen, die von einem Verfahrenshelfer vertreten seien, im Zusammenhang mit § 21 Abs. 8 und 9 BVwGG sowie §§ 89a bis 89g und 89o GOG.

8 Zur Rechtzeitigkeit der Revision:

9 Hat die Partei innerhalb der Revisionsfrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt (§ 61), so beginnt gemäß § 26 Abs. 3 VwGG für sie die Revisionsfrist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwalts an diesen.

10 Der Bestellungsbescheid wurde dem bestellten Verfahrenshelfer im Weg der sog. "Teilnehmer-Direktzustellung" (unbestritten) am 25. Oktober 2017 zugestellt (vgl. dazu etwa VwGH 13.6.2017, Ra 2016/01/0289, mwN). Die vorliegende Revision wurde mittels ERV am 6. Dezember 2017 um 15:24:57 Uhr, sohin am letzten Tag der Revisionsfrist nach Ablauf der in § 20 Abs. 1 GO-BVwG festgesetzten Amtsstunden beim BVwG eingebracht.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Einbringung einer Revision beim BVwG im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs am letzten Tag der Frist nach Ablauf der in § 20 Abs. 1 GO-BVwG festgesetzten Amtsstunden bereits im hg. Beschluss vom 17.11.2015, Ra 2014/01/0198, auseinandergesetzt. Er ist zum Ergebnis gelangt, dass eine am letzten Tag der Revisionsfrist mittels elektronischen Rechtsverkehrs beim BVwG nach Ablauf der in § 20 Abs. 1 GO-BVwG festgesetzten Amtsstunden eingebrachte Revision gemäß § 20 Abs. 6 GO-BVwG erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages als eingebracht gilt und demnach verspätet ist. Es wird daher gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG auf die Begründung dieses Beschlusses verwiesen.

12 Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

13 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt hat und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

14 Nach dem Vorbringen der Substitutin des bestellten Verfahrenshelfers im Wiedereinsetzungsantrag besteht das die Einhaltung der Revisionsfrist hindernde Ereignis darin, dass das Netzwerksystem bzw. WLAN-System der Kanzlei vorübergehend ausgefallen sei und erst kurz nach 15:00 Uhr wieder eine WLAN-Verbindung bestanden habe.

15 Rechtsanwälte sind gemäß § 21 Abs. 6 BVwGG nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet. Verfügt der Rechtsanwalt - wie im vorliegenden Fall - zwar an sich über die Möglichkeit, am elektronischen Rechtsverkehr teilzunehmen, wird er jedoch an der Übermittlung einer elektronischen Eingabe durch eine vorübergehende technische Störung der Verbindung gehindert, so ändert dies an seiner Verpflichtung nach § 21 Abs. 6 BVwGG grundsätzlich nichts; es handelt sich dabei aber um ein unabwendbares und in der Regel auch unvorhergesehenes Ereignis, das die Wiedereinsetzung rechtfertigen kann (vgl. VwGH 26.2.2016, Ro 2016/03/0001).

16 Eine Partei, die einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist stellt, hat den Wiedereinsetzungsgrund im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen bzw. bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel beizubringen (vgl. VwGH 8.9.2015, Ra 2015/01/0125, sowie 27.5.2014, 2014/16/0003, mwN).

17 Dies ist jedoch im vorliegenden Fall nicht geschehen, zumal dem Wiedereinsetzungsantrag weder Bescheinigungsmittel angeschlossen sind, noch entsprechende Beweisanbote zur Aufnahme von Bescheinigungsmittel erfolgt sind. Vielmehr beschränkt sich die Substitutin des Verfahrenshelfers im vorliegenden Fall lediglich auf die Behauptung von Tatsachen, lässt aber jegliche Bescheinigung des Wiedereinsetzungsvorbringens vermissen.

18 Das Fehlen der Angaben zur Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsvorbringens stellt keinen Formbzw. Inhaltsmangel infolge der Verletzung der §§ 23, 24, 28 oder 29 VwGG dar, welcher gemäß § 34 Abs. 2 iVm Abs. 4 VwGG einer Verbesserung zugänglich wäre. Es führt vielmehr zur Nichtstattgebung des Antrages (vgl. VwGH 30.6.2010, 2010/12/0098, mwN).

19 Im Übrigen geht das Vorbringen betreffend die Gesetzesbestimmungen § 21 Abs. 8 und 9 BVwGG und §§ 89a bis 89g und 89o GOG ins Leere, zumal diese genannten Bestimmungen jeweils elektronisch übermittelte gerichtliche Erledigungen und Eingaben regeln, zu denen der Bescheid über die Bestellung eines Rechtsanwalts nicht zählt (vgl. dazu VwGH 13.6.2017, Ra 2016/01/0289, mwN).

20 Dem vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 1 und Abs. 4 VwGG nicht stattzugeben und die vorliegende am letzten Tag der Revisionsfrist (6. Dezember 2017) mittels elektronischen Rechtsverkehrs beim BVwG eingebrachte Revision wegen Versäumung der Einbringungsfrist gemäß § 30a Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 22. Februar 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017180367.L00

Im RIS seit

20.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

27.03.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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