Index
E3R E02202000;Norm
31992R2913 ZK 1992 Art201 Abs1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, LL.M., über die Revision des W B in D, Slowakei, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Steuerberater in 1220 Wien, Stadlauer Straße 39/1/Top 12, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 15. März 2016, Zl. RV/7200523/2011, betreffend Antidumpingzoll (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Bei den vom 30. Juni 2008 bis 2. September 2009 für den Revisionswerber als indirekt vertretenen Warenempfänger erfolgten Abfertigungen der von den beauftragten Speditionen zur Einfuhr angemeldeten Säcke und Beutel aus Kunststoff (Taric-Code 3923 29 90 20) kam zunächst der mit Verordnung (EG) Nr. 1425/2006 des Rates vom 25. September 2006 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Säcke und Beutel aus Kunststoffen mit Ursprung in der Volksrepublik China und Thailand und zur Einstellung des Verfahrens betreffend die Einfuhren bestimmter Säcke und Beutel aus Kunststoffen mit Ursprung in Malaysia (im Folgenden: VO 1425/2006) festgelegte begünstigte Antidumping-Zollsatz von 8,4 % zur Anwendung, weil in den Rechnungen X als Versender und Rechnungsleger genannt wurde.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde gemäß Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 2, 220 Abs. 1, 221 Abs. 1 ZK iVm § 2 Abs. 1 ZollR-DG Antidumping-Zoll nachgefordert. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass X die Einfuhrware nicht hergestellt habe und andere Unternehmen, an welche die Zahlungen erfolgt seien, nicht als neue ausführende Hersteller im Sinne des Art. 2 VO 1425/2006 zu gelten hätten, sodass der Residual-Zollsatz von 28,8 % gelte. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Unter dem Titel "Fehlen einer geschlossenen Sachverhaltsdarstellung" moniert der Revisionswerber als ersten Zulassungsgrund, dass die Feststellung von Umständen im angefochtenen Erkenntnis zu kurz gekommen sei. Allerdings wurde das so angesprochene Vorbringen betreffend ein Unterlassen von Ermittlungen in Richtung einer langjährigen unrichtigen Abfertigungspraxis des Zollamts beim Import von Beuteln des chinesischen Unternehmens X erstmals in der Revision erstattet und verstößt somit gegen das Neuerungsverbot des § 41 VwGG (vgl. VwGH 19.5.2015, Ra 2015/16/0035).
7 Der zweite in der Revision genannte Zulassungsgrund betrifft das vom Bundesfinanzgericht anzuwendende Beweismaß und geht über allgemeine Rechtausführungen nicht hinaus. Damit zeigt die Revision nicht konkret bezogen auf den festgestellten oder festzustellenden Sachverhalt auf, bei welchen Aspekten das Bundesfinanzgericht ein falsches Beweismaß angewendet hätte.
8 Als dritten Zulassungsgrund macht der Revisionswerber geltend, das Bundesfinanzgericht habe die am 4. November 2011 in Kraft getretene Durchführungsverordnung (EU) Nr. 474/2011 des Rates vom 3. Mai 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1425/2006 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Säcke und Beutel aus Kunststoffen mit Ursprung unter anderem in der Volksrepublik China (im Folgenden: VO 474/2011) rückwirkend auf die hier beanstandeten, jedoch zuvor erfolgten Abfertigungen angewendet. Das Bundesfinanzgericht zog die in der VO 474/2011 wiedergegebenen Ermittlungsergebnisse der Europäischen Kommission für die Beweiswürdigung seiner Tatsachenannahmen heran und stützte seine rechtliche Beurteilung für die Heranziehung des Residual-Zollsatzes von 28,8 % ausdrücklich auf die VO 1425/2006. Damit hängt die Revision nicht von der Lösung der Rechtsfrage einer rückwirkenden Anwendung der VO 474/2011 ab.
9 Soweit die Revision in ihrem vierten Zulassungsgrund zum Vertrauensschutz angesichts einer langjährigen unrichtigen Abfertigungspraxis eine - vom Bundesfinanzgericht unterlassene - Beurteilung des Einzelfalls fordert, steht dem der schon oben dargestellte Verstoß gegen das Neuerungsverbot entgegen und es wird zudem nicht dargestellt, welche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen gewesen wären.
10 Zu der als fünften Zulässigkeitsgrund angesprochenen Unzulässigkeit der Bestätigung einer Gesamtschuld nach deren Erlöschen ist darauf hinzuweisen, dass die Entrichtung von geschuldeten Beträgen nach der Geltendmachung beim (Gesamt-)Schuldner nicht zur Aufhebung eines zuvor ergangenen Abgabenbescheides führt.
11 Mit dem sechsten Zulässigkeitsgrund macht der Revisionswerber einen Begründungsmangel betreffend die Unzulässigkeit seiner Heranziehung als Gesamtschuldner angesichts seiner Einkommens- und Vermögenslosigkeit geltend, weil es einen unauflösbaren Widerspruch darstelle, wenn das Bundesfinanzgericht auf der einen Seite betone, dass bei Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen eines von zwei Gesamtschuldnern ein Ermessensspielraum für die Behörde nicht mehr vorliege, um dann die Abgabenvorschreibung gegenüber dem Revisionswerber nicht als unbillig zu beurteilen. Das bedeute im Ergebnis die Steuervorschreibung an einen Gesamtschuldner, den es gar nicht (mehr) gebe. Damit übergeht der Revisionswerber die weiteren Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis, wonach das angesprochene Fehlen des Ermessensspielraumes die (notwendige) Heranziehung des zahlungsfähigen Gesamtschuldners betreffe und nicht bedeute, dass die bereits erfolgte Geltendmachung gegenüber dem illiquiden Gesamtschuldner ohne jedes weitere Abwägen aufzuheben sei. Daran schließt das Bundesfinanzgericht Ausführungen, dass es zwischen dem Einzelunternehmen des Revisionswerbers und dem Unternehmen, über welches das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, unterscheide. Damit hat das Bundesfinanzgericht nachvollziehbar dargelegt, welche tragenden Überlegungen tatsächlich für die getroffene Entscheidung ausschlaggebend waren, und ist der behauptete Begründungsmangel nicht ersichtlich.
12 Als siebenten und letzten Zulassungsgrund behauptet die Revision, das Bundesfinanzgericht habe gegen das Überraschungsverbot verstoßen. Der Revisionswerber unterlässt es allerdings, die Relevanz des solcherart gerügten Verfahrensfehlers aufzuzeigen und darzulegen, was er bei Einräumung des rechtlichen Gehörs vorgebracht hätte (vgl. VwGH 28.9.2016, Ra 2016/16/0084).
13 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 27. Februar 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016160050.L00Im RIS seit
20.03.2018Zuletzt aktualisiert am
14.05.2018