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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §232 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des P B in M, vertreten durch Mag. Dr. Othmar Mair, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Fallmerayerstraße 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 4. Juni 1996, Zl. 50.240-5/96, betreffend Sicherstellungsauftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Sicherstellungsauftrag vom 21. Juni 1995 ordnete das Finanzamt gemäß § 232 BAO die Sicherstellung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Beschwerdeführers zur Sicherung von Abgabenansprüchen in Höhe von insgesamt S 7,100.000,-- an. Der Beschwerdeführer habe durch die fiktive Leistungsverrechnung mit einer ihm wirtschaftlich zuzurechnenden liechtensteinischen Aktiengesellschaft beträchtliche Betriebsausgaben in seiner inländischen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung in Abzug gebracht und dadurch erhebliche Einkommensteuerbelastungen vermieden. Die Gefährdung bzw. Erschwerung der Einbringlichkeit sei zu befürchten, weil der Beschwerdeführer zuletzt mehrere Liegenschaften an seine Ehegattin veräußert habe und zudem eine Wohnung in Liechtenstein besitze, weshalb die Gefahr einer Absetzung in das Ausland bestünde.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung und beantragte die Aufhebung des Sicherstellungsauftrages. Das Finanzamt habe die Feststellungen einer gemäß § 148 Abs. 3 BAO nicht zulässigen Wiederholungsprüfung verwertet. Diese entbehrten im Übrigen auch jeglicher sachlichen Grundlage. Auch liege keine Fluchtgefahr vor. Da die abgabenbehördliche Prüfung bereits im Jahr 1993 begonnen habe, hätte sich der Beschwerdeführer bereits damals - bei entsprechender Absicht - ins Ausland absetzen können. Die Liegenschaftsverkäufe hätten ausschließlich familiäre Hintergründe. Erhebungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage des Beschwerdeführers würden ergeben, dass die Einbringung von Abgaben keineswegs gefährdet sei. Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid schränkte die belangte Behörde den sicher zu stellenden Betrag auf S 6,900.000,-- ein, wobei sie zur Begründung auf die zwischenzeitig ergangenen Abgabenbescheide für die Jahre 1989 bis 1991 sowie eine dazu erlassene ausführlich begründete Berufungsvorentscheidung hinwies. Eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung einer Abgabenschuld liege vor, wenn - wie im Falle des Beschwerdeführers - von einer Auswanderungsabsicht auszugehen sei, Vermögensverschiebungen an Verwandte stattfänden und der dringende Verdacht einer Abgabenhinterziehung bestehe. Die Abgabennachforderungen seien mittlerweile auf einen Betrag von über S 8,600.000,-- angewachsen, sodass eine Sicherstellung der Abgabenschulden auf die dem Beschwerdeführer im Inland noch verbliebenen Liegenschaften und Vermögenswerten erforderlich sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung jedoch mit Beschluss vom 30. September 1996, B 2454/96, abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. Abs. 2 dieser Gesetzesstelle normiert, dass der Sicherstellungsauftrag u.a. die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld sowie die Gründe zu enthalten hat, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 21. Oktober 1986, 84/14/0023, und vom 20. Februar 1997, 95/15/0057, m. w.N.), liegt eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung einer Abgabenschuld schon dann vor, wenn aus der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen und den besonderen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden kann, dass nur bei raschem Zugriff der Abgabenbehörde die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheint. Der Annahme der Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung einer Abgabenschuld müssen entsprechende Tatsachenfeststellungen zugrunde liegen. Vom Abgabenschuldner selbst gesetzte Gefährdungshandlungen sind hingegen nicht erforderlich.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung zeigt das Beschwerdevorbringen eine dem angefochtenen Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit nicht auf:
Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde zunächst vor, sich in keiner Weise mit seiner wirtschaftlichen Lage auseinander gesetzt zu haben. Dabei übersieht der Beschwerdeführer, dass die Abgabenbehörde die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung einer Abgabenschuld auf konkrete, vom Beschwerdeführer gesetzte Handlungen gestützt hat. So wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, in den Prüfungsjahren wirtschaftlich unerklärbare Gewinntransferierungen in das Ausland getätigt zu haben und nach Aufgreifen dieser Gewinnverschiebungen durch eine abgabenbehördliche Prüfung Vermögen (ein Betriebsgebäude sowie drei Wohnungen) an seine die liechtensteinische Staatsbürgerschaft besitzende Ehegattin übertragen zu haben. Wenn die belangte Behörde aus diesen Umständen darauf geschlossen hat, der Beschwerdeführer werde sich der Entrichtung der noch festzusetzenden Abgaben zu entziehen trachten, erscheint dies nicht unschlüssig. Eine solche Vorgangsweise eines Steuerpflichtigen ist allein schon geeignet, die Annahme einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung von Abgaben zu rechtfertigen.
Gegenteiliges zeigt auch der Beschwerdeführer nicht auf, wenn er darauf hinweist, infolge der langen Betriebsprüfungsdauer hätte er - entsprechende Absicht vorausgesetzt - bereits vor Erlassung des Sicherstellungsauftrages hinreichend Zeit zur Vermögensverlagerung bzw. Flucht ins Ausland gehabt. Es entspricht vielmehr der Lebenserfahrung, dass mit Fortschreiten des Prüfungsgeschehens und zunehmender Konkretisierung der Prüfungsfeststellungen die Neigung der Abgabenpflichtigen, sich den möglichen Konsequenzen der getroffenen Feststellungen zu entziehen, zunehmen kann. Eine derartige Zuspitzung der Situation zeigt der Beschwerdeführer selbst auf, wenn er darauf hinweist, die abgabenbehördliche Prüfung sei zunächst bereits mit Schlussbesprechung vom 23. April 1994 beendet worden und erst im Zuge der "fortgesetzten Betriebsprüfung" sei es zu gravierenden Meinungsdifferenzen zwischen dem Beschwerdeführer und dem einschreitenden Prüfer, welche in eine Strafanzeige seitens der Betriebsprüfungsabteilung Strafsachen an die Staatsanwaltschaft gegipfelt haben, gekommen.
Die Beschwerde wendet sich weiters dagegen, dass der angefochtene Bescheid von einer abgabenbehördlichen Prüfung nach § 99 Abs. 2 Finanzstrafgesetz spreche, während tatsächlich erst nach Ergehen des erstinstanzlichen Sicherstellungsauftrages der Prüfungsauftrag in einen solchen nach dem Finanzstrafgesetz abgeändert worden sei. Man habe dem Beschwerdeführer einerseits mangelnde Mitwirkung im Rahmen der abgabenbehördlichen Prüfung vorgeworfen und einen Schlussbericht im Sinne einer Prüfung nach der Bundesabgabenordnung verfasst und andererseits nachträglich die durchgeführte Prüfungstätigkeit hinsichtlich ihrer Rechtsgrundlage auf das Finanzstrafgesetz gestützt. Eine finanzstrafrechtliche Prüfung verpflichte den Abgabepflichtigen jedoch nicht zur Mitwirkung, da er sich ansonsten selbst belasten müsste.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer zwar eine mögliche Verletzung von Verfahrensvorschriften bei der abgabenbehördlichen Prüfung auf, nicht jedoch, dass die allenfalls unter Verletzung von Verfahrensvorschriften gewonnenen Prüfungsfeststellungen unzutreffend seien. Davon abgesehen kommt der Rechtsgrundlage abgabenbehördlicher Erhebungen für die Frage, ob ein Sicherstellungsauftrag ergehen durfte, keine Relevanz zu.
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Von der Abhaltung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 26. April 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997140003.X00Im RIS seit
20.11.2000