TE Lvwg Erkenntnis 2018/1/11 LVwG-AV-1227/001-2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.01.2018
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Entscheidungsdatum

11.01.2018

Norm

FSG 1997 §7
FSG 1997 §24
FSG 1997 §25
FSG 1997 §26
StVO 1960 §5

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Marzi als Einzelrichter über die Beschwerden des DP, vertreten durch Dr. Franz Amler, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen

1.   das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 11. Oktober 2017, Zl. PLS2-V-17 52774/5, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960; in der Folge: angefochtenes Straferkenntnis; protokolliert unter LVwG-S-2676/001-2017) und

2.   den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 7. September 2017, Zl. PLS1-F-061080/006, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und begleitende Maßnahmen (in der Folge: angefochtener Bescheid; protokolliert unter LVwG-AV-1227/001-2017)

nach Durchführung einer gemeinsamen mündlichen Verhandlung zu Recht:

1.   Die Beschwerde gegen das angefochtene Straferkenntnis wird als unbegründet abgewiesen.

2.   Der Beschwerdeführer hat – aufgrund der Abweisung der Beschwerde gegen das Straferkenntnis – einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 320,-- Euro zu leisten.

3.    Aufgrund der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid vom
7. September 2017 dahingehend abgeändert, dass die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für Kraftfahrzeuge der Klassen AM, A, B, BE und F bis 11. November 2018 entzogen wird. Im Übrigen wird die Beschwerde gegen diesen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

4.   Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Zahlungshinweis:

Der hinsichtlich des Verwaltungsstrafverfahrens zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt 2.080,-- Euro und ist gemäß § 52 Abs. 6 VwGVG iVm
§ 54b Abs. 1 VStG binnen zwei Wochen einzuzahlen.

Entscheidungsgründe:

1.   Feststellungen:

1.1.  Am 7. Juni 2017 gegen 21:50 Uhr fiel einer dritten Person das auf den Beschwerdeführer zugelassene Kraftfahrzeug, der Marke Fiat, Coupe, silber, mit dem behördlichen Kennzeichen *** auf, welcher ihr auf der *** in Richtung *** auf der Straßenmitte entgegenkam. Da diese dritte Person den Eindruck hatte, dass sich der Lenker in einem alkoholisierten Zustand befunden hat, verständigte sie mit ihrem Handytelefon die Polizei.

JL, ein Organ der Bundespolizei, begab sich daraufhin zur Wohnadresse des Zulassungsbesitzers, des Beschwerdeführers, in ***, ***, und fand das auf ihn zugelassene Kraftfahrzeug mit dem oben angegeben Kennzeichen vor dem Wohnhaus parkend vor. Die Motorhaube und die Reifen waren noch warm. Die Zeugin JL traf in der Folge den Beschwerdeführer in seiner Wohnung an. Im Gespräch bemerkte sie die lallende Aussprache, den starken Alkoholgeruch und das Schwanken des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer gab gegenüber der Zeugin JL zunächst an, das Kraftfahrzeug von einer Tankstelle in *** nach Hause gelenkt zu haben, stritt dies jedoch in der Folge ab und behauptete – ebenfalls wechselnd – Alkohol konsumiert zu haben bzw. keinen Alkohol konsumiert zu haben.

Die Zeugin ersuchte den Beschwerdeführer daraufhin einen „Alkohol-Vortest“ abzulegen und forderte ihn, auf Grund seiner Weigerung diesen durchzuführen, um 22:05 Uhr dazu auf, seine Atemluft am geeichten Alkomaten auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen. Der Beschwerdeführer weigerte sich jedoch, seine Atemluft am geeichten Alkomaten untersuchen zu lassen, indem er angab, dass er den Test nicht durchführen werde, da er kein Kraftfahrzeug gelenkt habe.

1.2.  Aufgrund des Vorfalls vom 7. Juni 2017 entzog die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 7. September 2017 (angefochtener Bescheid) die Lenkberechtigung der Klassen AM, A, B, BE und F auf die Dauer von sechs Monaten ab Zustellung des Bescheides. Überdies ordnete sie darin die Absolvierung einer Nachschulung sowie die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens und einer verkehrspsychologischen Stellungnahme an. Überdies wurde auf die Verpflichtung zur unverzüglichen Ablieferung des Führerscheins hingewiesen.

Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde ausgeschlossen.

Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 12. September 2017 durch Hinterlegung und Bereithaltung zur Abholung zugestellt.

1.3.  Am 12. September 2017, gegen 16:50 Uhr, lieferte der Beschwerdeführer seinen Führerschein bei der Polizeiinspektion *** ab.

1.4.  Am 3. Oktober 2017, gegen 08:13 Uhr, lenkte der Beschwerdeführer sein silberfarbenes Kraftfahrzeug im Gemeindegebiet ***, Bundesstraße-Ortsgebiet (***) auf Höhe des ***.

1.5.  Am 9. November 2017 lenkte der Beschwerdeführer sein Kraftfahrzeug gegen 11:25 Uhr im Gemeindegebiet ***, ***, auf der Gemeindestraße auf Höhe ***.

1.6.  Am 11. November 2017 lenkte der Beschwerdeführer sein Kraftfahrzeug gegen 14:05 Uhr im Gebiet der Gemeinde *** Höhe *** Richtung/Kreuzung: ***. Er wurde dabei vom Zeugen HW angehalten. Der Zeuge HW nahm ihm die Fahrzeugschlüssel ab und untersagte dem Beschwerdeführer die Weiterfahrt.

Etwa eine halbe Stunde später, gegen 14:40 Uhr, lenkte der Beschwerdeführer sein Kraftfahrzeug in ***, diesmal Höhe ***. Er wurde diesmal vom Zeugen PS angehalten, der ihm ebenfalls die (Zweit-) Fahrzeugschlüssel abnahm. Der Beschwerdeführer gab gegenüber dem Zeugen PS auf die Frage an, warum er schon wieder das Kraftfahrzeug lenke, dass er sonst keine Möglichkeit gehabt hätte, nach Hause zu kommen. Der Zeuge PS erwiderte, dass eine Station der *** lediglich einen Kilometer vom Anhalteort entfernt sei.

1.7.  Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 11. Oktober 2017 wurde dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt:

„Sie haben als Fahrzeuglenker folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Zeit:

07.06.2017, 22:05 Uhr (Verweigerung)

Ort:

Niederösterreich, Gemeindegebiet von ***, ***

Fahrzeug:

*** (Österreich), Personenkraftwagen

Tatbeschreibung:

Die Untersuchung Ihrer Atemluft auf Alkoholgehalt gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht am oben beschriebenen Ort zur oben genannten Zeit verweigert, obwohl Sie das Fahrzeug zuvor am 7.6.2017 um 21:54 Uhr im Gemeindegebiet von *** auf der Landesstraße *** in Fahrtrichtung Landesstraße *** gelenkt haben und vermutet werden konnte, dass Sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden haben. (eindeutige Alkoholisierungsmerkmale: deutlicher Alkoholgeruch, schwankender Gang, lallende Sprache, schläfrig, leichte Bindehautrötung)

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 5 Abs.2, § 5 Abs.4, § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960“

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von 1.600 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 336 Stunden) gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 verhängt sowie gemäß § 64 Abs. 2 VStG ein Kostenbeitrag in der Höhe von
160 Euro, sohin ein Gesamtbetrag in der Höhe von 1.760 Euro zur Bezahlung vorgeschrieben.

1.8.  Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden.

1.9.  Der Beschwerdeführer hat ein monatliches Nettoeinkommen von etwa
1.400 Euro und ist für eine Person sorgepflichtig. Er wies zum Tatzeitpunkt zwei rechtskräftige, jedoch nicht einschlägige und bis dato nicht getilgte Verwaltungsstrafen auf.

2.   Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen auf den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung am
9. Jänner 2017, in welcher Beweis erhoben wurde durch Einsichtnahme in die von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungs(straf)akten, Einvernahme der Zeugen JL, PS, HW und HS sowie durch Einsichtnahme in die von der belangten Behörde dem Landesverwaltungsgericht übermittelten Anzeigen (Beilage./1 bis ./4 der Verhandlungsschrift). Der Beschwerdeführer blieb der Verhandlung ohne Angabe von Gründen fern.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hegt aufgrund der Aktenlage sowie der völlig stimmigen Zeugenaussagen (Zeugin JL betreffend Verweigerung am 7. Juni 2017, Ablieferung des Führerscheins am 12. September und Lenken des Kraftfahrzeuges am 3. Oktober 2017; Zeuge HS betreffend Lenken am 9. November 2017; Zeugen HW und PS betreffend Lenken am 11. November 2017 um 14:05 Uhr bzw. 14:40 Uhr) keinerlei Bedenken, dass sich der Sachverhalt so wie festgestellt zugetragen hat.

Der Beschwerdeführer ist den Aussagen der Polizisten nicht substantiiert entgegen getreten, sondern hat sich in seiner Beschwerde sowie in der Stellungnahme vom 21. November 2017 darauf beschränkt, die Begehung der Tathandlungen zu bestreiten.

Die Feststellung betreffend die Einkommensverhältnisse gründen auf den unwidersprochen gebliebenen Annahmen der belangten Behörde im angefochtenen Straferkenntnis.

3.   Rechtliche Erwägungen:

3.1.  Rechtsgrundlagen:

3.1.1.  Die maßgeblichen Bestimmungen der StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1960 in der im Hinblick auf den Tatzeitpunkt (7. Juni 2017) im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung, lauten (auszugsweise):

§ 5. Besondere Sicherungsmaßnahmen gegen Beeinträchtigung durch Alkohol.

(1) Wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.

(1a) [...]

(2) Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und – soweit es sich nicht um Organe der Bundespolizei handelt –von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen,

1.

die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, oder

2.

bei denen der Verdacht besteht, dass ihr Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht,

auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

[…]

§ 99. Strafbestimmungen.

(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 1600 Euro bis 5900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen,

a)

[…],

b)

wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht

[…]

3.1.2.  Die maßgeblichen Bestimmungen des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. 120/1997 idgF, lauten (auszugsweise):

„Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

      1. […]

      2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

[…]

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

      1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

      2. [...]

(2) […]

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

      1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz – SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;

        […]

6.

ein Kraftfahrzeug lenkt;

a)

trotz entzogener Lenkberechtigung oder Lenkverbotes oder trotz vorläufig abgenommenen Führerscheines oder

b)

wiederholt ohne entsprechende Lenkberechtigung für die betreffende Klasse;

[…]

(4) Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs. 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist.

[…]

5. Abschnitt

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

      1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

      2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.

[…]

(3) Bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann die Behörde begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. Die Behörde hat unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a eine Nachschulung anzuordnen:

      1. […]

      2. […]

      3. wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 oder 1a StVO 1960.

[…] Bei einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 ist unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 sowie die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme anzuordnen. […]

[…]

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Endet die Gültigkeit der Lenkberechtigung vor dem Ende der von der Behörde prognostizierten Entziehungsdauer, so hat die Behörde auch auszusprechen, für welche Zeit nach Ablauf der Gültigkeit der Lenkberechtigung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf.

(2) […]

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen. […]

Sonderfälle der Entziehung

§ 26. (1) Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 begangen, so ist, wenn es sich nicht um einen Lenker eines Kraftfahrzeuges der Klasse C oder D handelt und zuvor keine andere der in § 7 Abs. 3 Z 1 und 2 genannten Übertretungen begangen wurde, die Lenkberechtigung für die Dauer von einem Monat zu entziehen. Wenn jedoch

1. auch eine der in § 7 Abs. 3 Z 4 bis 6 genannten Übertretungen vorliegt, oder

2. der Lenker bei Begehung dieser Übertretung einen Verkehrsunfall verschuldet hat,

so hat die Entziehungsdauer mindestens drei Monate zu betragen.

[…]

(2) Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges

      1. erstmalig ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung auf die Dauer von mindestens sechs Monaten zu entziehen,

      2. ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 innerhalb von fünf Jahren ab der Begehung eines Deliktes gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, ist die Lenkberechtigung auf mindestens zwölf Monate zu entziehen,

      3. […]

[…]

(5) Eine Übertretung gemäß Abs. 1 oder 2 gilt als erstmalig, wenn eine vorher begangene Übertretung der gleichen Art zum Zeitpunkt der Begehung bereits länger als fünf Jahre zurückliegt.

[…]“

3.2.  Zum angefochtenen Straferkenntnis:

3.2.1.  Besteht im Zeitpunkt der Aufforderung seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen der durchaus begründet gewesene Verdacht des Lenkens eines Fahrzeugs in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand, so ist der vermutliche Lenker verpflichtet, sich einer entsprechenden Untersuchung gemäß § 5 Abs. 2 StVO 1960 zu unterziehen (zB VwGH vom 9. Oktober 2017, Ra 2017/02/0138).

Angesichts des Anrufs der dritten Person betreffend eine vermutete „Alkofahrt“ mit dem auf den Beschwerdeführer zugelassenen Kraftfahrzeug, dem vor seinem Wohnhaus abgestellten Kraftfahrzeug mit warmem Motor und Reifen, seiner wechselnden Angaben betreffend das Lenken des Kraftfahrzeuges gegenüber der Zeugin JL sowie der von ihr wahrgenommenen Alkoholisierungsmerkmale des Beschwerdeführers war die Zeugin JL berechtigt, den Beschwerdeführer zur Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt aufzufordern. Trotz dieser (rechtmäßigen) Aufforderung hat sich der Beschwerdeführer geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.

Es ist nichts hervorgekommen, das am Vorliegen zumindest fahrlässigen Verhaltens des Beschwerdeführers, was bei Ungehorsamsdelikten wie dem vorliegenden (vgl. schon VwGH vom 23. September 1987, 87/03/0108) für die Strafbarkeit ausreicht, Zweifel aufkommen hätte lassen (vgl. § 5 Abs. 1 VStG).

Der Beschwerdeführer hat somit eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 begangen und auch zu verantworten.

3.2.2.  Zur Strafhöhe:

Gemäß § 19 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991, sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Mit Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses wurde die Mindeststrafe gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 verhängt.

Da keine Milderungsgründe hervorgekommen sind, ist die Anwendung des § 20 VStG ausgeschlossen, weil keine Rede davon sein kann, dass die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen würden (vgl. zB VwGH vom 19. Juli 2013, Zl. 2013/02/0101).

Die von der belangten Behörde verhängte Mindeststrafe ist daher nicht zu beanstanden, weshalb die Beschwerde betreffend diesen Spruchpunkt als unbegründet abzuweisen ist.

3.2.3  Zum Kostenausspruch betreffend das Beschwerdeverfahren:

Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat; dieser Beitrag ist für das Beschwerdeverfahren mit 20% der verhängten Geldstrafe (hier demnach: 320 Euro) zu bemessen.

3.3.  Zum angefochtenen Bescheid (betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung und Anordnung begleitender Maßnahmen):

3.3.1.  Zum Vorliegen „bestimmter Tatsachen“ iSd § 7 FSG:

Unabdingbare Voraussetzung für die Verneinung der Verkehrszuverlässigkeit (und der Zulässigkeit einer darauf gründenden Entziehung der Lenkberechtigung) ist, wie der Wortlaut des § 7 Abs. 1 FSG unmissverständlich zum Ausdruck bringt, das Vorliegen zumindest einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 FSG (vgl. VwGH vom 23. November 2011, 2009/11/0263).

Wie oben dargestellt, hat der Beschwerdeführer am 7. Juni 2017 eine Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 begangen und zu verantworten. Es liegt demnach eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 Z 1 FSG vor.

Überdies hat der Beschwerdeführer am 3. Oktober, 9. November, sowie zweimal am 11. November 2017 sein Kraftfahrzeug trotz entzogener Lenkberechtigung gelenkt. Auch hinsichtlich dieser Verwaltungsübertretungen ist nichts hervorgekommen, dass an einem zumindest fahrlässigen Verhalten Zweifel aufkommen hätte lassen. Vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer seinen Führerschein am 12. September 2017 selbst bei der Polizeiinspektion *** abgeliefert hat, ist vielmehr davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in vollem Bewusstsein, keine Lenkberechtigung zu besitzen, sein Kraftfahrzeug gelenkt hat.

Er liegen somit zusätzlich vier bestimmte Tatsachen iSd § 7 Abs. 3 Z 6 lit. a FSG vor, die allesamt während der Anhängigkeit des Beschwerdeverfahrens beim Landesverwaltungsgericht gesetzt wurden.

3.3.2.  Zu den begleitenden Maßnahmen (Nachschulung, Amtsarzt, verkehrspsychologische Stellungnahme):

Der Beschwerdeführer hat eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen. Die belangte Behörde war daher aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 24 Abs. 3 zweiter und fünfter Satz FSG zur Anordnung einer Nachschulung, der Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 und einer verkehrspsychologischen Stellungnahme verpflichtet.

3.3.3.  Zur Entziehungsdauer:

Der Beschwerdeführer hat am 7. Juni 2017 ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen.

Gemäß § 26 Abs. 2 Z 1 FSG wurde ihm seine Lenkberechtigung daher von der belangten Behörde zu Recht für den Mindestzeitraum von sechs Monaten entzogen.

Aufgrund des Grundsatzes des Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens (vgl. zu diesem zB VwGH vom 11. Mai 2016, Ra 2016/11/0062 oder vom 25. April 2006, 2006/11/0042), sind alle bis zur Erlassung der (früher) Berufungsentscheidung verwirklichten Tatsachen, die eine der Eignungsvoraussetzungen betreffen, zu berücksichtigen (vgl. VwGH vom 18. November 1997, 97/11/0309). Da die Verwaltungsgerichte funktionell als Rechtsmittelbehörde tätig werden und grundsätzlich die Sach- und Rechtslage – und somit auch diesbezügliche Änderungen – im Zeitpunkt der Erlassung ihrer Entscheidung zu berücksichtigen haben (VwGH vom 27. April 2017, Ra 2016/11/0123), ist kein Grund ersichtlich, den Grundsatz der Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens nicht auch auf die Rechtslage nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 zu übertragen.

Bei der Prognose der Verkehrsunzuverlässigkeit ist daher auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer nach Entziehung der Lenkberechtigung nicht bloß einmal, sondern viermal sein Kraftfahrzeug trotz entzogener Lenkberechtigung gelenkt hat, wobei er am 11. November 2017 nach seiner Anhaltung, Abnahme der Fahrzeugschlüssel und Untersagung der Weiterfahrt durch ein Organ der Bundespolizei bereits eine halbe Stunde später sein Kraftfahrzeug neuerlich gelenkt hat.

Zwar rechtfertigt eine bestimmte Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z. 6 lit. a FSG für sich allein nur in enger zeitlicher Nähe mit der Tatbegehung die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit im Sinn des § 7 Abs. 1 FSG 1997 (vgl. VwGH vom 6. Juli 2004, 2002/11/0108), jedoch ist im gegenständlichen Verfahren auch das Delikt gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 in die Wertung miteinzubeziehen.

Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer innerhalb von nur zwei Monaten nach Entziehung seiner Lenkberechtigung für sechs Monate aufgrund eines Deliktes gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 nicht nur einmal, sondern viermal ein Kraftfahrzeug trotz entzogener Lenkberechtigung lenkte, und beim Vorfall am 11. November 2017 sogar nach Abnahme seiner Fahrzeugschlüssel und Untersagung der Weiterfahrt nochmals das Kraftfahrzeug lenkte, hat er in besonders eklatanter Weise seine gleichgültige Einstellung gegenüber Vorschriften, die der Verkehrssicherheit dienen, unter Beweis gestellt.

Vor diesem Hintergrund gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Annahme, dass der Beschwerdeführer noch bis 11. November 2018 (somit ein Jahr seit der letzten „bestimmten Tatsache“ am 11. November 2017) verkehrsunzuverlässig ist, weshalb der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Entziehungsdauer abzuändern war.

3.4.  Zur Unzulässigkeit der Revision:

3.4.1.  Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, sich andererseits auf den eindeutigen und klaren Normenwortlaut stützen kann (vgl. aus der stRsp zur Unzulässigkeit der Revision in derartigen Fällen zB VwGH vom 29. Juli 2015, Ra 2015/07/0095) und im Übrigen nur Fragen der Beweiswürdigung vorliegen, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich nicht berufen ist (vgl. allgemein zur Beweiswürdigung zB VwGH vom 28. Juni 2017, Ra 2017/02/0038).

3.4.2.  Eine nach den Kriterien des § 19 VStG vorgenommene Strafbemessung ist eine einzelfallbezogene Abwägung, die im Allgemeinen keine grundsätzliche Rechtsfrage darstellt (zB VwGH vom 9. Juni 2017, Ra 2017/02/0018), weshalb die Revision auch diesbezüglich unzulässig ist.

3.4.3.  Bei der Entscheidung betreffend die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um das Ergebnis einer Gesamtabwägung unterschiedlicher Faktoren, welche entscheidend von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen ebenfalls nicht revisibel (vgl. zB VwGH vom 10. Mai 2017, Ra 2017/11/0042).

Schlagworte

Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Straßenverkehr; Lenkberechtigung; Entziehung; Verkehrszuverlässigkeit;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.1227.001.2017

Zuletzt aktualisiert am

19.03.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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