TE Bvwg Beschluss 2018/3/2 W227 2118219-1

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Veröffentlicht am 02.03.2018
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Entscheidungsdatum

02.03.2018

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W227 2118219-1/22E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde der syrischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , gegen Spruchteil I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 19. November 2015, Zl. 1050240603-150059253, den Beschluss:

A)

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG wird der angefochtene Bescheid hinsichtlich seines Spruchteiles I. aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Die Beschwerdeführerin, eine syrische Staatsangehörige muslimischen Glaubens und Angehörige der arabischen Volksgruppe, brachte am 18. Jänner 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Bei ihrer Erstbefragung gab sie u.a. an, sie stamme aus XXXX , Bezirk Damaskus; Syrien habe sie Ende 2014 aufgrund des Bürgerkrieges legal mit dem Kleinbus Richtung Türkei verlassen. Ihr Ehemann sei (nach wie vor) Arzt beim syrischen Militär; zwei seiner Kollegen sowie ihr Schwager seien getötet und zwei weitere Schwäger seien entführt worden. Im Falle einer Rückkehr habe sie Angst um ihr Leben und die Sicherheit ihrer Familie.

2. Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 20. April 2015, Zl. XXXX rechtskräftig geworden am 24. April 2015, wurde die Beschwerdeführerin wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 2 und 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Wochen verurteilt, die unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

3. Mit Schreiben vom 12. Mai 2015, dessen Übersetzung nicht das BFA, sondern erst das Bundesverwaltungsgericht veranlasste, äußerte sich die Beschwerdeführerin dahingehend, dass sie Syrien verlassen habe, da sich ihre Familie, insbesondere ihr Ehemann in Gefahr befände. Ihr Ehemann sei seit 35 Jahren bei der palästinensischen Befreiungsarmee als "Oberstarzt" tätig. Er habe mehrmals versucht, seinen Dienst beim Militär zu verlassen. Schließlich sei es ihm am 2. März 2015 aus gesundheitlichen Gründen gelungen, seinen Dienst zu quittieren. Als ihr Ehemann den Militärdienst verlassen habe, sei er "von beiden Seiten bedroht" worden. Zwei seiner Kollegen seien getötet worden. Weiters sei ihr Schwager ermordet worden;

diesbezüglich verweise sie auf die dem Akt beiliegende polizeiliche Niederschrift. Zwei weitere Brüder ihres Ehemannes seien vermisst;

deren Verbleib sei bis dato unklar. Aufgrund der hohen Gefahr, der ihre Familie ausgesetzt (gewesen) sei, hätten ihre Töchter, ihre Schwiegertochter und sie beschlossen, aus Syrien auszureisen. Die Ausreise ihres Ehemannes habe sich "schwieriger" gestaltet, außerdem würden im Falle der Flucht seiner Familie Repressalien durch die Sicherheitsorgane drohen.

4. Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 14. Oktober 2015 gab die Beschwerdeführerin zusammengefasst Folgendes an:

Sie habe bis zum Abschluss der Schule in XXXX gelebt und anschließend in Damaskus Geschichte studiert. Danach sei sie nach XXXX gezogen, wo sie mit ihrer Familie bis 1988 gelebt habe. Dann habe sie bis 2012 in XXXX und schließlich bis zu ihrer Ausreise in XXXX gelebt, wo das syrische Militär die Kontrolle gehabt habe. Die Beschwerdeführerin habe ein Jahr unterrichtet und sei danach hauptsächlich Mutter und Hausfrau gewesen. Finanziell sei es ihnen "gut" gegangen. Ihr Ehemann sei palästinensischer Abstammung und habe bei der palästinensischen Befreiungsarmee als Arzt und Offizier gearbeitet. Er habe zudem in XXXX eine eigene Ordination gehabt. Aufgrund der Tätigkeit ihres Ehemannes seien ihre Familie und sie bedroht worden. Ihr Schwager sei aufgrund des Berufes ihres Ehemannes getötet worden, als er im Zuge einer Autofahrt von bewaffneten Gruppen aufgehalten und nach dem Aufenthaltsort ihres Ehemannes befragt worden sei. Zuerst hätten diese ihm in das Bein geschossen. Als er den Aufenthaltsort ihres Ehemannes jedoch nicht preisgegeben habe, sei er getötet worden. Diese Gruppierungen "sehen jeden Offizier als Mann des Regimes und wollen sich rächen." Zwei weitere Brüder ihres Ehemannes seien zudem verschollen.

Schließlich sei die Beschwerdeführerin aus Syrien geflüchtet. Ihr Ehemann habe nicht flüchten können, da er zu diesem Zeitpunkt noch beim Militär gewesen sei und keinen Reisepass gehabt habe. Nach ihrer Ausreise habe er jedoch aus gesundheitlichen Gründen seine Befreiung beantragt. Als er vom Militärdienst befreit worden sei, habe er sich versteckt. Ihr Ehemann, ihr Sohn, ihr Schwiegersohn sowie zwei Enkelkinder lebten nach wie vor in Damaskus. Zwei Töchter, ihre Schwiegertochter, ihr Schwiegersohn sowie vier Enkelkinder befänden sich in Schweden.

Weiters legte die Beschwerdeführerin ihren syrischen Reisepass, ihren (aktuellen und alten) syrischen Personalausweis, ihre Heiratsurkunde, ihren Ehevertrag, Auszüge aus dem Familien- und Personenstandsregister, ein Zeugnis über ihren Hauptschulabschluss, ihr Maturazeugnis und ihr Zeugnis über den Universitätsabschluss in Geschichte vor. Darüber hinaus legte sie die Geburtsurkunde ihres Ehemannes, die UNRWA (United National Relief and Works Agency) Registrierungskarte ihres Ehemannes, ein von der UNRWA ausgestelltes "Family Record" (in dem auch der Name der Beschwerdeführerin mit einer Registrierungsnummer vermerkt ist), den Militärausweis ihres Ehemannes, den Militärführerschein ihres Ehemannes, den Entlassungsbescheid aus dem Militär ihres Ehemannes sowie den palästinensischen Personalausweis ihres verstorbenen Schwagers und den Polizeibericht zum Tod ihres Schwagers vor.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 i. V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG) ab (Spruchteil I.), erkannte ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchteil II.) und erteilte ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 18. November 2016 (Spruchteil III.).

Zur Person und den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin stellte das BFA u.a. Folgendes fest:

Sie sei syrische Staatsangehörige muslimischen Glaubens und gehöre der arabischen Volksgruppe an; ihre Identität stehe fest.

Die Beschwerdeführerin sei mit XXXX verheiratet und habe zwei Töchter namens XXXX und XXXX sowie einen Sohn namens XXXX . Ihr Ehemann, ihr Sohn, ihr Schwiegersohn und zwei Enkelkinder lebten nach wie vor in Syrien.

Die Beschwerdeführerin habe Syrien Ende 2014 aufgrund des Bürgerkrieges legal Richtung Türkei verlassen. Eine individuelle gegen sie gerichtete Verfolgung habe jedoch nicht festgestellt werden können. Weiters habe nicht festgestellt werden können, dass sie unter dem Schutz der UNRWA stehe und ihr ein "ipso facto" Schutz zukomme. Das Fehlen eines Schutzes oder Beistandes der UNRWA ergebe sich aus ihrer Staatsangehörigkeit und der Vorlage ihres Reisepasses. Ein Beistand oder Schutz durch die UNRWA werde bloß registrierten Palästina-Flüchtlingen und deren Nachkommen in männlicher Linie innerhalb ihres Mandatsgebietes gewährt.

Da die Beschwerdeführerin angegeben habe, dass das Regime die Kontrolle über XXXX ausübe, erscheine eine Bedrohung durch andere bewaffnete Gruppierungen unglaubwürdig. Weiters zeige die Ausstellung ihres Reisepasses am 10. September 2014 von "Damas-Center", dass es ihr möglich gewesen sei, sich in Syrien frei zu bewegen. Zum von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Mord ihres Schwagers sei auszuführen, dass die bewaffneten Gruppen laut Polizeibericht nach ihrem Schwager XXXX gefragt hätten, aber nicht nach ihrem Ehemann. Darüber hinaus habe sie sich bis zur Ausreise noch eineinhalb Jahre in XXXX aufgehalten, ohne verfolgt zu werden. Zusätzlich könne im Falle einer drohenden Gefährdung nicht nachvollzogen werden, dass es ihrem Ehemann, ihrem Sohn, ihrem Schwiegersohn und ihren Enkelkindern problemlos möglich (gewesen) sei, sich weiterhin in Syrien aufzuhalten. Auch könne aus dem Entlassungsbescheid ihres Ehemannes entnommen werden, dass er mit 2. März 2015 aus der palästinensischen Befreiungsarmee entlassen worden sei. Für bewaffnete Gruppierungen bestehe daher kein Grund mehr nach ihrem Ehemann zu suchen.

Das BFA erließ den angefochtenen Bescheid ohne die (damals nicht übersetzte) Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 12. Mai 2015 zu berücksichtigen.

Weiters setzte es sich unzureichend mit dem "Family Record" ihres Ehemannes auseinander, zumal auch der Name der Beschwerdeführerin darauf vermerkt ist. Entsprechende Feststellungen, ob auch die Beschwerdeführerin Leistungen der UNRWA in Anspruch genommen hat und welche Folgen dies im syrischen Bürgerkrieg mit sich trägt, wurden im angefochtenen Bescheid nicht getroffen.

Das BFA traf zudem keine Feststellungen zur Mischehe der Beschwerdeführerin und setzte sich unzureichend mit den Folgen der Tätigkeit ihres Ehemannes und den daraus resultierenden (möglichen) Gefahren seiner Familienangehörigen auseinander.

Weiters fehlen Feststellungen zur konkreten (sunnitisch oder schiitisch) Glaubenszugehörigkeit der Beschwerdeführerin.

Zur Nichtzuerkennung des Status einer Asylberechtigten führte das BFA aus, dass keine konkrete Verfolgung oder drohende asylrelevante Verfolgung vorgebracht worden sei. Die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten begründete das BFA mit der allgemeinen schlechten Sicherheitslage in Syrien.

6. Gegen Spruchteil I. dieses Bescheides erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde, in welcher sie zusammengefasst Folgendes vorbrachte:

Ihr Ehemann sei hochrangiger Angehöriger der palästinensischen Befreiungsarmee gewesen, weshalb ihre Familienmitglieder als Anhänger der syrischen Regierung gesehen würden. Seitens der in Syrien operierenden Islamisten seien die Beschwerdeführerin und ihre Familie daher Todesdrohungen ausgesetzt (gewesen). Einer ihrer Schwäger sei aufgrund dessen ermordet und zwei weitere seien entführt worden. Zum von der Beschwerdeführerin vorgelegten Polizeibericht sei festzuhalten, dass der beim Vorfall anwesende Zeuge vor der Polizei die tatsächlichen Umstände der Ermordung nicht erwähnt habe, um ihren Ehemann zu schützen bzw. um eine vollständige Protokollierung der Daten betreffend ihren Ehemann zu vermeiden. Auch der Vorwurf bezüglich des weiteren Aufenthaltes der Beschwerdeführerin bzw. ihres Ehemannes in Syrien nach der Ermordung ihres Schwagers sei nicht nachvollziehbar, da sie angegeben habe, dass sie sich in der Folge versteckt hätten. Unrichtig sei auch, dass danach keine sicherheitsrelevanten Vorfälle mehr passiert seien, da die Beschwerdeführerin angegeben habe, dass zwei weitere Brüder ihres Ehemannes entführt worden seien. Mangels Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit des syrischen Staates sei daher von einer asylrelevanten Verfolgung von privaten Gruppierungen, insbesondere der radikal-islamistischen Rebellengruppierungen auszugehen. Darüber hinaus werde die Beschwerdeführerin aufgrund ihres Auslandaufenthaltes und des Austrittes ihres Mannes aus dem Militär als Gegnerin des Regimes gesehen.

7. Mit Bescheid vom 21. Februar 2017, Zl. 1100300806 VZ 152056986, erkannte das BFA dem Ehemann der Beschwerdeführerin den Status des Asylberechtigten zu, ohne sich mit dem "ipso facto" Schutz seitens der UNRWA auseinandergesetzt zu haben.

8. Am 17. Mai 2017 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Verfahrensparteien vorläufige Sachverhaltsannahmen zur aktuellen Situation in Syrien und räumte der Beschwerdeführerin die Möglichkeit ein, allfällige weitere Beweismittel vorzulegen.

In der Folge brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass ihr aufgrund ihrer Herkunft, insbesondere aufgrund ihrer familiären Beziehungen eine regimefeindliche Haltung unterstellt werde. Darüber hinaus sei ihrem Ehemann bereits die Flüchtlingseigenschaft in Österreich zuerkannt worden, weshalb ihr im Familienverfahren ebenfalls die Flüchtlingseigenschaft - unabhängig von ihren eigenen Fluchtgründen - zuzuerkennen sei.

Das BFA äußerte sich dazu nicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Zur Zurückverweisung (Spruchpunkt A)

1.1. Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Diese Vorgangsweise setzt voraus, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

1.2. In seinem Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, hielt der Verwaltungs-gerichtshof fest, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG insbesondere dann in Betracht kommen wird, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang [Hrsg], Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, S. 127 und S. 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang [Hrsg], Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, S. 65 und S. 73 f.; vgl. auch VwGH 25.01.2017, 2016/12/0109, Rz 18ff.).

1.3.1. Vorab ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 AsylG straffällig geworden ist (vgl. Punkt I.2.), weshalb eine Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten gemäß § 34 Abs. 2 AsylG nicht in Betracht kommt.

Weiters ist der angefochtene Bescheid aus folgenden Gründen mangelhaft:

Zunächst ermittelte das BFA nicht, ob auch die Beschwerdeführerin als Ehefrau eines Palästinensers Leistungen der UNRWA erhält bzw. erhalten hat. So legte die Beschwerdeführerin bereits bei der Einvernahme vor dem BFA am 14. Oktober 2015 ein UNRWA "Family Record" ihres Ehemannes vor, auf der auch sie mit einer Registrierungsnummer vermerkt ist. Das BFA stellte zwar fest, dass nur ihr Ehemann eine UNRWA Registrierung habe und die Beschwerdeführerin syrische Staatsbürgerin sei, weshalb ihr ein "ipso facto" Schutz grundsätzlich nicht zukomme. Ob die Beschwerdeführerin dadurch auch in den Genuss von Leistungen der UNRWA kommt bzw. gekommen ist, wurde vom BFA hingegen nicht ermittelt (vgl. dazu Consolidated Eligibility and Registration Instructions der UNRWA, Punkt III.A.2.5.).

Das BFA wird daher im fortgesetzten Verfahren zu ermitteln haben, ob und in welcher Form die Beschwerdeführerin als Ehefrau eines Palästinensers Leistungen der UNRWA erhält bzw. erhalten hat und welche Auswirkungen dies im syrischen Bürgerkrieg mit sich trägt, zumal durch den Empfang von Leistungen auch für Außenstehende eine "Verbindung" zur UNRWA ersichtlich werden könnte.

Weiters ist die Mischehe der Beschwerdeführerin einer näheren Prüfung zu unterziehen (zur möglichen Asylrelevanz bei gemischt-ethnischer Ehe vgl. etwa VwGH 28.08.2009, 2007/19/1075). Da der Ehemann der Beschwerdeführerin zudem Arzt bei der palästinensischen Befreiungsarmee war, ist auch zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin aufgrund der Tätigkeit ihres Ehemannes (Angehöriger bestimmter Berufsgruppen, u.a. Ärzte) einer besonderen Gefahr ausgesetzt gewesen ist bzw. ihr dadurch eine regimetreue Haltung (Personen, die tatsächlich oder vermeintlich die Regierung unterstützen) unterstellt wird und Verfolgungen, insbesondere durch oppositionelle Gruppierungen befürchten muss (vgl. zur Indizwirkung von UNHCR-Positionen etwa VwGH 16.01.2008, 2006/19/0182, m.w.N., sowie zur möglichen Asylrelevanz der sozialen Gruppe der Familie VwGH 14.01.2003, 2001/01/0508, und 13.11.2014, Ra 2014/18/0011, jeweils m.w.N.).

Außerdem unterließ das BFA nähere Feststellungen zur konkreten (sunnitisch oder schiitisch) Glaubenszugehörigkeit der Beschwerdeführerin, was ebenfalls relevant ist.

1.3.2. Der Sachverhalt ist somit in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben (damit unterscheidet sich auch das gegenständliche Verfahren von jenem, das der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 2017, Ro 2017/20/0011, zu Grunde lag). Es kann auch nicht gesagt werden, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind daher im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Folglich ist das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

2. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B)

2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

2.2. Die Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG insbesondere dann in Betracht kommt, wenn die Verwaltungsbehörde bloß ansatzweise ermittelt, entspricht der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

3. Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Familienangehöriger, Familienverfahren,
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Militärdienst,
Mischehen, Religion, strafrechtliche Verurteilung, UNRWA,
unterstellte politische Gesinnung, Urkundenfälschung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W227.2118219.1.00

Zuletzt aktualisiert am

16.03.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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