TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/2 W202 2112676-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.03.2018
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Entscheidungsdatum

02.03.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W202 2112676-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHLAFFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.07.2015, Zahl 83.079.650.3-1668379, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.08.2016 und 13.12.2017 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides wie folgt zu lauten hat:

Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG 2005 wird nicht erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 13.06.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am folgenden Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.

Hiebei gab der Beschwerdeführer betreffend den Fluchtgrund zu Protokoll, dass sein Schwager Dolmetscher sei, welche Sprache er übersetze, wisse er nicht. Vor ca. einem Jahr seien vier maskierte Männer mit Polizeiautos zu ihnen nach Hause gekommen. Sie hätten nach seinem Schwager gefragt. Der Beschwerdeführer habe nicht gewusst, wo sein Schwager gewesen sei. Darauf hätten sie ihn, seine Schwester und seinen Neffen geschlagen. Ihnen sei von den Personen aufgetragen worden, der Beschwerdeführer solle seinem Schwager ausrichten, dass, falls er wieder als Dolmetscher tätig sein sollte, sie sie alle töten würden. Daraufhin seien sie aus Afghanistan geflüchtet. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan habe er Angst um sein Leben.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Perg vom 06.11.2013 wurde die einstweilige Obsorge hinsichtlich des zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen Beschwerdeführers dessen Schwester übertragen.

Am 28.04.2014 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt im Beisein seiner Schwester einvernommen. Dabei hat sich im Wesentlichen Folgendes ergeben:

" . . .

F. Welche Sprachen sprechen Sie?

A: Dari.

F. Sprechen Sie schon ein bisschen Deutsch.

A. Ja, sehr wenig.

F. Seit wann lernen Sie Deutsch.

A. Seit ca. fünf Monaten besuche ich einen Deutschkurs.

F. Nach fünf Monaten kann man doch schon ein bisschen sprechen.

A. Ich bin Analphabet. Für mich ist es besonders schwer. ich bin nur für ca. 4 oder 5 Monate in die Koranschule gegangen.

F. Wie kommt es, das Ihre Schwester 9 Jahre zur Schule ging und Sie nicht.

A. Ich habe gearbeitet.

F.: Verstehen sie den Dolmetsch einwandfrei?

A.: Ja.

...

F. Sind Sie einvernahmefähig, d.h. sind Sie psychisch und physisch in der Lage der Befragung zu folgen?

A. Ja.

F. Wie geht es Ihnen gesundheitlich.

A. Mir geht es gut.

F. Nehmen Sie Medikamente oder sind Sie in ärztlicher Behandlung.

A. Weder noch.

F. Haben Sie irgendwelche Dokumente oder Beweismittel.

ASt. legt eine Kopie seiner Tazkira vor

F: Wo befindet sich das Original.

A. Das Original war bei meinem Vater und ging verloren, die Kopie war bei meiner Schwester.

...

F. Haben Sie im Verfahren bis dato, bei den bisherigen Befragungen, der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht und wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt?

A. Ich habe die Wahrheit gesagt, alles wurde mir korrekt rückübersetzt.

F. Wann haben Sie das letzte Mal gearbeitet.

A. Ich weiß es nicht mehr.

F. Was heißt das wissen Sie nicht.

A: Weil ich meistens zu Hause war.

F. Wann haben Sie das letzte Mal gearbeitet.

A. Ich kann mich nicht mehr erinnern.

AW wird nochmal sauf die Wahrheits- und Mitwirkungspflicht hingewiesen.

Frage wird wiederholt

A. Ich bin Analphabet, ich weiß es nicht, ich bin nicht zur Schule gegangen.

F. Haben Sie seit dem Tod der Eltern gearbeitet.

A, Nein.

F. Warum nicht.

A. Weil mein Leben in Gefahr war.

F: warum.

A. Vier Personen kamen in unser Haus und sind auf mich losgegangen. Dann habe ich Angst bekommen und bin nicht mehr hinausgegangen.

F. Wann.

A. Das war in der Nacht.

F. Wann war das datumsmäßig.

A. Ich weiß es nicht.

F. Wie lange vor der Ausreise war es ungefähr.

A, Das weiß ich auch nicht.

V. Ungefähr.

A. Ca. sechs Monate vor der Ausreise.

F. Wann sind Ihre Eltern gestorben.

A. Das Datum weiß ich nicht mehr.

F. Wie lange ist es ungefähr aus.

A. Vor ca. vier Jahren.

F. Warum konnten Sie dann nicht mehr arbeiten.

A. ich habe weiter gearbeitet. Ich habe auch noch nach dem Tod der Eltern gearbeitet.

F. Sie haben vorhin gesagt, dass Sie seit dem Tod Ihre Eltern nicht mehr gearbeitet haben.

A. Ich habe mich geirrt. Ich habe nach dem Vorfall mit den vier Personen nicht mehr gearbeitet.

F.: Können sie bitte einen kurzen Lebenslauf bezüglich ihrer Person schildern? Z.B.: Wo sind sie aufgewachsen, welche Schulausbildung haben sie absolviert, welchen Beruf haben sie ausgeübt etc.?

A: Ich bin in Kabul, XXXX geboren. Ich bin nicht zur Schule gegangen. Ich war nur einige Monate in der Koranschule in XXXX . Dann habe ich mit meinem Vater gearbeitet. Ich weiß aber nicht wie alt ich war.

F. Wie lange haben Sie mit Ihrem Vater gearbeitet.

A. Ich weiß es nicht.

F. Weiter.

A. Ich habe immer gearbeitet, unsere finanzielle Lage war sehr schlecht, ich musste immer arbeiten.

F. Als was haben Sie gearbeitet.

A. Ich habe Textilien auf der Straße verkauft. Sonst habe ich nichts gemacht.

F. Welcher ethnischen Gruppe gehören Sie an.

A. ich bin Tadschike

F Und welcher Religionsgruppe.

A. Ich bin Sunnit.

F.: Welche Angehörigen der Kernfamilie (Großeltern, Eltern, Geschwister) und sonstigen Verwandten leben noch in ihrer Heimat.

A.: Ich habe niemanden mehr. Ich habe nur einen Onkel der ist im Iran.

F.: Beantworten sie die nachstehenden Fragen mit "ja" oder "nein". Sie haben später noch die Gelegenheit, sich ausführlich zu diesen Fragen zu äußern:

F.: Sind Sie vorbestraft oder waren sie in Ihrem Heimatland inhaftiert oder hatten Sie Probleme mit den Behörden in der Heimat.

A.: Dreimal nein.

F.: Bestehen gegen Sie aktuelle staatliche Fahndungsmaßnahmen wie Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbrief, etc.

A.: Nein.

F.: Sind oder waren Sie politisch tätig.

A.: Nein.

F.: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei.

A.: Nein.

F.: Hatten Sie in ihrem Herkunftsstaat aufgrund Ihres Religionsbekenntnisses bzw. Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit irgendwelche Probleme.

A.: Nein.

F.: Hatten Sie gröbere Probleme mit Privatpersonen (Blutfehden, Racheakte etc.)

A.: Nein.

F.: Nahmen Sie in ihrem Heimatland an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aktiv teil.

A.: Nein.

F.: Schildern Sie die Gründe, warum sie Ihr Heimatland verlassen und einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, von sich aus vollständig, detailliert und wahrheitsgemäß.

Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können.

Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren.

Sie haben jetzt auch Gelegenheit sich zu den Fragen, die von ihnen mit "ja" oder "nein" beantwortet wurden, zu äußern.

A. Ich habe in Afghanistan bei meiner Schwester gelebt. Eines Nachts kamen vier Personen in unser Haus. Sie gingen auf mich los, haben mich geschlagen, dann sind sie auf meine Schwester losgegangen: Wir haben geschrien und dann sind sie weggegangen.

Diese Personen wollten eigentlich meinen Schwager finden, aber er war nicht zu Hause. Mein Schwager heißt XXXX . Sie sagten uns, dass wir den XXXX ausrichten sollen, dass er mit ihnen zusammenarbeiten soll, ansonsten werden sie alle umbringen. Als sie weg waren, haben wir meinen Schwager benachrichtigt und er hat uns mitgeteilt, dass wir keine Angst haben sollen, er wird alles erledigen.

In der Früh kam der Schwager von XXXX zu uns und brachte uns zu sich nach Hause. Nachher kam XXXX auch zu uns. Wir haben sechs Monate dort gelebt. Wir wussten nicht, dass XXXX für die Franzosen als Dolmetscher gearbeitet hat. Der XXXX hat uns mitgeteilt, dass wir aus Afghanistan ausreisen sollen. Wir sind von Kabul nach Mazar gefahren, wir waren zwei Nächte in Mazar, dann sind wir von dort nach Europa gekommen, wie der Schlepper uns herbrachte weiß ich nicht, XXXX hat alles organisiert.

F.: Gibt es noch andere Gründe, warum sie ihren Herkunftsstaat verlassen haben.

A.: Nein. Ich habe deshalb bei meiner Schwester gelebt, weil ich sonst niemanden hatte.

F.: Was würde Sie konkret erwarten, wenn jetzt sie in ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten.

A.: Mein Leben ist dort in Gefahr. Ich kann auf keinen Fall nach Afghanistan zurückkehren. Ich habe dort keine Familienangehörigen mehr. Wo soll ich in Afghanistan leben.

F. Warum sollte Ihr Leben in Gefahr sein.

A. Weil mein Schwager hat mit den Ausländern zusammen gearbeitet. Ich habe niemanden mehr. ich wurde auch durch diese Personen mit dem Tod bedroht.

F.: Haben sie Verwandte in Österreich.

A. Nein.

F. Besuchen sie eine Schule oder einen Kurs.

A.: Ja, ich besuche einen Deutschkurs.

F. Wie sehen Ihre sozialen Kontakte/Aktivitäten in Österreich aus.

A. Ich gehe auch zur schule und wenn ich Zeit habe spiele ich Fußball

F. Seit wann besuchen sie die Schule.

A. Seit ca. 4 oder 5 Monate.

F: Haben Sie da eine Bestätigung.

A. Ich habe bisher keine bekommen.

AW wird aufgefordert sich eine Bestätigung ausstellen zu lassen.

F. Mit wem spielen Sie Fußball.

A: Mit anderen Afghanen und Schulkollegen.

F. Wie sah Ihr Sozialleben in Afghanistan aus.

A. Ich habe nur gearbeitet. Sonst konnte ich nichts machen.

Es wird rückübersetzt. Ast wird aufgefordert genau aufzupassen und sofort bekannt zu geben, wenn etwas nicht korrekt sein sollte bzw. er noch etwas zu ergänzen hat.

Nach erfolgter Rückübersetzung gebe ich an, dass alles richtig und vollständig ist und alles richtig wiedergegeben wurde.

F. Wem gehört das Haus, in dem Sie gewohnt haben.

A. Es war gemietet, wem es gehört weiß ich nicht.

F. Seit wann wohnen Sie bei Ihrer Schwester

A: Seit meine Eltern verstorben sind.

F. Hat ihr Schwager Sie davor schon unterstützt.

A: Mein Schwager hat mich immer unterstützt.

F: Warum sind nicht in die Schule gegangen, Ihr Schwager hätte sie doch sicher unterstützt.

A. Unsere finanzielle Lage war sehr schlecht, mein Vater konnte es sich nicht leisten. Trotz der Unterstützung meines Schwagers musste ich arbeiten gehen. Ich habe nur für ein Taschengeld gearbeitet.

F. Schildern Sie mir bitte den Vorfall mit den vier Männern genau.

A. Ich bin jeden Tag in der Früh zur Arbeit gegangen und dann war ich wieder zuhause. Fragen Sie mich ich beantworte die Fragen.

F. Ich würde gerne die Geschichte mit den vier Personen hören.

A. Es war nachts. Es kamen vier Personen in unser Haus. Sie haben zuerst geklopft, ich habe die Tür aufgemacht. Sie sind auf mich losgegangen und mich geschlagen. Meine Schwester hat geschrien: Sie sind auf Sie losgegangen, sie wollten XXXX finden. Er war aber nicht zuhause, sondern bei der Arbeit. Sie haben das ganze Haus durchsucht. Sie haben uns gesagt, dass XXXX mit ihnen zusammenarbeiten soll. Wenn er nicht mit ihnen zusammenarbeitet, werden sie uns umbringen.

F: Wer waren diese Personen.

A. Es waren bewaffnete Personen. Wer sie waren weiß ich nicht. Ich habe vor der Haustür ein Polizeiauto gesehen. Sie waren vermummt.

F. Woher sollte Ihr Schwager wissen mit wem er zusammenarbeiten soll.

A. Die vier Personen haben gewusst, dass mein Schwager für die Franzosen gearbeitet. Sie haben mit der Regierung zusammenarbeitet. Alle vier Personen waren bewaffnet und in Zivil, als sie weggingen habe ich draußen das Polizeiauto gesehen.

F. Wenn die Herren Sie bedrohen und sagen, dass Ihr Schwager mit ihnen zusammenarbeiten soll, müssen Sie doch wissen wer sie sind.

A. Sie haben mit uns überhaupt nicht mehr gesprochen. Sie wollten meinen Schwager finden.

F. Wurden Sie bei dem Vorfall verletzt

A. Sie sind mit Faust und Fußtritten auf ich losgegangen.

F. Das heißt

A. ich wurde nicht verletzt.

F. Haben Sie den Vorfall bei der Polizei angezeigt.

A. Nein. Ich habe das Polizeiauto vor dem Haus gesehen. Wir konnten nicht zur Polizei gehen, weil sie von der Polizei waren.

V. Warum sollte die Polizei Ihren Schwager zwingen nicht mehr für die Franzosen zu arbeiten.

A. Ich weiß es nicht.

F.: Haben sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben, Ihr Heimatland zu verlassen, vollständig geschildert.

A.: Ja.

F.: Wurde Ihnen ausreichend Zeit eingeräumt, Ihre Probleme vollständig und so ausführlich, wie Sie es wollten, zu schildern.

A.: Ja.

F.: Wollen Sie noch etwas angeben, was ihnen besonders wichtig erscheint.

A.: Nein.

F.: Sind Sie, falls notwendig, mit amtswegigen Erhebungen vor Ort unter Wahrung ihrer Anonymität, eventuell unter Beiziehung der Österreichischen Botschaft und eines Vertrauensanwaltes/Vertrauensperson einverstanden.

A.: Ja.

Es wird rückübersetzt. Ast wird aufgefordert genau aufzupassen und sofort bekannt zu geben, wenn etwas nicht korrekt sein sollte bzw. er noch etwas zu ergänzen hat.

Nach erfolgter Rückübersetzung gebe ich an, dass alles richtig und vollständig ist und alles richtig wiedergegeben wurde.

F.: Haben sie den Dolmetsch während der g e s a m t e n Einvernahme einwandfrei verstanden?

A.: Ja.

F.: Hat der Dolmetsch das rückübersetzt, was sie gesagt haben?

A.: Ja.

. . ."

Am 13.05.2015 langte beim BFA eine Säumnisbeschwerde des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt, gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.) und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Beweiswürdigend führte das BFA aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu einer konkreten Bedrohungssituation auf Grund zahlreicher Widersprüche und Ungereimtheiten nicht glaubhaft sei.

Rechtlich führte das BFA zu Spruchpunkt I. aus, dass der Beschwerdeführer wie in der Beweiswürdigung aufgezeigt, ein Vorbringen zu einer Verfolgung und zu Verfolgungshandlungen aus Afghanistan aus asylrelevanten Gründen nicht habe glaubhaft machen können, da es seinen Angaben insbesondere an Schlüssigkeit und Plausibilität mangle. Der Umstand, dass er sunnitischer Tadschike sei, rechtfertige eine Asylgewährung nicht. Es seien weder im Verfahren, noch in den Länderinformationen Hinweise auf eine Verfolgung oder Diskriminierung der tadschikischen Bevölkerung hervorgekommen. Dem Umstand, dass in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten, liege für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention. Ebenso wenig könne eine allgemein desolate wirtschaftliche und soziale Situation nach der ständigen Judikatur als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden.

Zu Spruchpunkt II. führte das Bundesamt rechtlich aus, das Bestehen einer Gefährdung sei bereits unter Spruchpunkt I. geprüft und verneint worden. Es seien im Gesamtverfahren keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in das Heimatland erheblichen Beeinträchtigungen seiner körperlichen bzw. seelischen Unversehrtheit, seiner Freiheit und/oder seines Lebens ausgesetzt wäre. Auf Grund der derzeitigen Sicherheitslage in Afghanistan erscheine auf Grund der konkreten Umstände des vorliegenden Falles seine Rückkehr in die Heimatprovinz Kabul möglich. Es seien im gegenständlichen Fall hinsichtlich der Beurteilung der Zumutbarkeit der Rückkehr nach Afghanistan auch sonst keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend vorgekommen, wonach es ihm nicht möglich oder zumutbar wäre, dass er in Kabul lebe und erwerbstätig werde. Es lägen keine individuellen Umstände vor, die dafür sprächen, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan in eine derart extreme Notlage gelangen würde, die eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Artikel 3 EMRK darstellen würde.

Zu Spruchpunkt III. führte die belangte Behörde rechtlich aus, im Verfahren hätten sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben, die die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gem. § 57 AsylG 2005 rechtfertigen würden. Hinsichtlich Art. 8 EMRK führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Abwägung durch und kam zu dem Schluss, dass eine Rückkehrentscheidung nicht als unverhältnismäßig anzusehen sei. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 komme daher nicht in Betracht. Das Bundesamt verband seine Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und sprach aus, dass im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 46 Abs. 1 Z 1-4 FPG zulässig sei.

Zu Spruchpunkt IV. führte die belangte Behörde rechtlich aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tagen ab Rechtskraft des Bescheides betrage.

Gegen den Bescheid des Bundesamtes erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde, die er mit unrichtiger Beweiswürdigung, unrichtigen Tatsachenfeststellungen und unrichtiger rechtlicher Beurteilung begründete.

Im November 2011 sei das Haus der Familie seiner Schwester, bei der der Beschwerdeführer gelebt habe, von den Taliban aufgesucht worden. Dabei sei auch der Beschwerdeführer, wie auch seine Schwester geschlagen und die gesamte Familie mit dem Tode bedroht worden. Der Beschwerdeführer habe nicht zurückgeschlagen, er habe ein Polizeiauto vor dem Haus gesehen, deswegen hätten sie sich nicht an die afghanischen Behörden wenden können. Der Beschwerdeführer habe im selben Haus gelebt, weil die übrigen Geschwister und die Eltern bei einem Autounfall im Jahr 2010 ums Leben gekommen seien. Der Beschwerdeführer habe nicht gewusst, dass sein Schwager für die Franzosen gedolmetscht habe. Der Schwager des Beschwerdeführers habe seiner Familie über seinen Beruf nichts Wahres erzählt, da die Dolmetschtätigkeit für ISAF bzw. das Verteidigungsministerium mit einem ziemlich unsicheren Image behaftet sei. Dies sei eine Sicherheitsvorkehrung seines Schwagers gewesen. Afghanistan sei für den Beschwerdeführer ein fremdes, unsicheres Land geworden. Afghanistan sei nach wie vor nicht in der Lage, einzelnen Menschen bzw. Menschen überhaupt Schutz zu bieten.

Am 10.08.2016 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, bei der sich im Wesentlichen Folgendes ereignete:

"R: Was hat Sie bewogen Ihre Heimat zu verlassen, was waren die maßgeblichen Umstände?

BF1(Anm.: Schwager des Beschwerdeführers): Ich habe Afghanistan verlassen, weil ich für die französischen Truppen als Dolmetscher gearbeitet habe. Ich wurde bedroht, daraufhin habe ich gekündigt. Ich habe meine Kündigung den Franzosen zukommen lassen und ich erhielt die Antwort auf meine Kündigung, die Antwort habe ich bei der Einvernahme beim BFA vorgelegt. Dieser Vorfall war im Jahr 2009. Als ich gekündigt habe, war ich vier Monate lang arbeitslos, ich habe auch mein Haus verlassen und bin woanders hingezogen. Nach vier Monaten habe ich wieder zu arbeiten begonnen mit den Franzosen in XXXX . Diese Kaserne ist nach ein paar Monaten nach XXXX verlegt worden, jener Teil für den ich gearbeitet habe. Meine Tätigkeit als Dolmetscher war mit den französischen Truppen und mit der afghanischen Nationalarmee die gemeinsam die Lebensmittel, Gewand, Treibstoff usw. nach Kapisa transportiert haben. Ich habe sie begleitet als Dolmetscher. Ich war beteiligt an der Planung der ganzen Reise und der Organisation als Dolmetsch. Die vorletzte Tätigkeit, bevor ich gekündigt habe, war so, dass ich telefonisch bedroht worden bin, weil meine Tätigkeit beim Geheimdienst zwischen afghanischen und französischen Truppen war. Alles, was da besprochen wurde, musste streng geheim bleiben, ich wusste davon. Diese telefonischen Drohungen waren der Grund, warum ich gekündigt habe. Als ich dann arbeitslos wurde, wurde ich dann wieder von den Leuten, die mich telefonisch bedroht haben kontaktiert und sie wussten davon, dass ich gekündigt habe, obwohl ich meine SIM-Karte und alles schon gewechselt habe, haben sie mich gefunden und mich aufgefordert, den Job in XXXX zu übernehmen. Sie wussten Bescheid, dass ein Posten frei ist und die Franzosen dort jemanden brauchen. Mit diesem Job habe ich im April 2010 begonnen, das Datum genau weiß ich nicht.

R: Habe ich das richtig verstanden, dass die Leute, die Sie bedroht haben, Sie aufgefordert haben, diesen Job bei den Franzosen anzutreten?

BF1: Ja. Als ich diese neue Tätigkeit in Surobi begonnen habe, war ich eine Woche zu Hause und hatte eine Woche Dienst. Irgendwann im November 2011, eines Abends, als ich in der Arbeit war, kamen bewaffnete Leute zu uns nach Hause und drohten meiner Frau und meinem Schwager und sagten: "Wenn XXXX nicht mit uns zusammenarbeitet, werden wir euch alle vernichten (umbringen)." Das Ganze hat mir meine Gattin dann am Telefon berichtet. Daraufhin nahm ich mit meiner Schwester, die in Kabul in XXXX , XXXX , gelebt hat, Kontakt auf. Meine Familie, meine Frau und mein Schwager lebten in XXXX in Kabul. Bei Tagesanbruch kam mein Schwager, Ehemann meiner Schwester, zu uns nach Hause und nahm meine Gattin, meinen Sohn sowie den Bruder meiner Gattin mit nach Hause. Ich bin dann zwei Stunden später von XXXX nach Kabul gefahren zu meiner Schwester. Als ich nach Hause kam, waren der Bruder meiner Frau und meine Frau sehr ängstlich und sie fragten mich, was los sei, warum diese Leute uns zu Hause aufgesucht haben. Ich habe ihnen über meine Tätigkeit als Dolmetscher mit den Franzosen nichts gesagt gehabt. Ich habe ihnen lediglich gesagt, dass ich bei einer Telefonfirma arbeite. Ich habe ihnen dann über meine Tätigkeit als Dolmetscher bei den Franzosen erzählt. Dann beschlossen wir, Afghanistan zu verlassen, da ich die Franzosen nicht verraten wollte, ihnen treu bleiben wollte und andererseits wollte ich auf keinen Fall diesen Leuten, die mich aufgefordert haben, ihnen Informationen zukommen zu lassen, helfen. Ich habe dann ab dem Zeitpunkt mit meiner Tätigkeit aufgehört, jedoch habe ich fünf bis sechs Monate später mit meiner Familie Afghanistan verlassen. Da mein Kind zu dem Zeitpunkt eineinhalb bis zwei Jahre alt war und es war sehr kalt, war es sehr schwierig, auszureisen. Wie gesagt, ich habe meine Tätigkeit beendet, ich habe meine SIM-Karte weggeworfen. Ich habe bei meiner Schwester gelebt und kaum das Haus verlassen.

R: Wann sind Sie zuletzt telefonisch bedroht worden?

BF1: Das letzte Mal war an jenem Abend, nachdem sie mein Haus verlassen hatten, haben sie mich angerufen, aber ich bin nicht rangegangen. Als meine Familie mich um Mitternacht angerufen und mir gesagt hat, dass sie bedroht worden sind und als ich danach die Anrufe bekam, bin ich dann nicht mehr an das Telefon gegangen, ich habe nicht geantwortet.

R: Wann haben Sie das letzte Mal mit den Personen gesprochen, die Sie bedroht haben?

BF: Das kann ich nicht so genau sagen, es kann sein, dass es ein Monat vor der Bedrohung oder zwei Wochen vor der Bedrohung meiner Familie gewesen ist.

R: Sie haben beim BFA nichts davon gesagt, dass Sie von den Bedrohern aufgefordert wurden, nachdem Sie die Tätigkeit als Dolmetscher beendet haben, wieder die Tätigkeit als Dolmetscher zu beginnen.

BF: Ich habe mich zu dem Zeitpunkt nicht an alles erinnert, man kann nicht an alles denken. Ich habe zu dem Zeitpunkt allgemein alles geschildert.

R: Wie sind Sie zu dem zweiten Job bei den Franzosen gekommen, wie hat sich das abgespielt?

BF: Diese Leute haben mich angerufen und ich habe ihnen gesagt, dass ich gekündigt worden bin, sie meinten jedoch, dass das nicht stimmen würde, ich habe selbst gekündigt und ich könne diese Tätigkeit in XXXX wieder annehmen. Sie haben mir das Ganze am Telefon schon gesagt, wie ich das machen könne.

R: Wie haben Sie es dann gemacht?

BF: Ich bin dann dort hingegangen, bei der Eingangstür, es war eine Kaserne, wurde ich abgeholt und man sprach dann mit mir in der Kaserne, da ich der einzige Dolmetscher war, der Französisch sprach, die anderen Dolmetscher haben alle Englisch gesprochen. Sie interviewten mich, dann teilten sie mir mit, dass Sie mir Bescheid sagen würden und im April 2010 haben sie mich benachrichtigt, dass ich die Stelle als Dolmetscher antreten könne.

R: Was Sie auch gemacht haben?

BF: Ja. Als ich in XXXX tätig war, bin in der Früh zur Arbeit gegangen und am Nachmittag nach Hause gefahren. Aber als ich ein paar Monate später in XXXX gearbeitet habe, konnte ich dann eine Woche nach Hause fahren und eine Woche war ich im Dienst.

R: Warum haben Sie noch einmal eine Stelle bei den Franzosen angenommen, obwohl Sie fortlaufend bedroht wurden?

BF1: Als sie mich das erste Mal bedroht haben, habe ich den Job gekündigt, meinen Wohnort gewechselt und meine SIM-Karte. Somit dachte ich, dass sie mich nicht mehr finden würden und ich meine Ruhe haben würde, aber als sie mich wiedergefunden haben und mich aufgefordert haben, diesen Job anzunehmen, wusste ich, dass ich keine andere Wahl habe. Andererseits habe ich zu dem Zeitpunkt finanzielle Schwierigkeiten gehabt, da ich im Jahr 2009 geheiratet habe und für meine Hochzeit viel Geld ausgegeben habe und deshalb Schulden hatte, musste ich den Job annehmen, weil ich vier Monate lang keine Arbeit hatte und somit nichts verdient hatte.

R: Was ist in den sechs Monaten passiert, als Sie bei Ihrer Schwester waren?

BF1: Nichts ist passiert in der Zeit, ich war immer zu Hause und meine SIM-Karte habe ich auch vernichtet. Es ist nichts passiert.

R: Warum sind Sie nicht bei Ihrer Schwester geblieben?

BF1: Man will ja weiterleben, wie lange hätte ich dort bleiben sollen? Ein Jahr, zwei Jahre, mein ganzes Leben dort verbringen? Auf zwei Arten hätten sie mich gefunden, entweder wenn ich eine SIM-Karte gehabt hätte oder wenn ich das Haus verlassen hätte.

R: Was hat Ihr Schwager, der Bruder Ihrer Frau, gearbeitet?

BF1: Mein Schwager hat Kindergewand verkauft. Im Jahr 2010 ist die Familie meines Schwagers - im Zuge eines Verkehrsunfalls - ums Leben gekommen. Aber abgesehen davon, war mein Schwager eine Woche, wo ich im Dienst war, bei meiner Familie.

R: Hat Ihr Schwager jemals die Schule besucht?

BF1: Nein. Seiner Familie ging es finanziell immer sehr schlecht, aus diesem Grund haben sie von Kindesbeinen an, Gewand verkauft und gearbeitet.

R: Hat Ihre Gattin die Schule besucht?

BF1: Bis zur neunten Klasse hat sie die Schule besucht.

R: Warum war es Ihrer Gattin möglich, aber Ihrem Schwager nicht möglich, die Schule zu besuchen?

BF1: Wie bereits erwähnt, hatten meine Schwiegereltern finanzielle Schwierigkeiten. Aus diesem Grund hat mein Schwager gearbeitet, die Frauen oder die Mädchen können nicht arbeiten.

R: Ist das üblich in Afghanistan, dass die Mädchen die Schule besuchen und die Buben arbeiten gehen?

BF1: Nein, das ist abhängig von der Familie. Bei manchen Familien ist es üblich, dass die Mädchen die Schule besuchen und dann erwachsen werden und ab dem Zeitpunkt dürfen sie nicht mehr die Schule besuchen. Aber wie gesagt, meine Schwiegereltern hatten finanzielle Probleme, aus diesem Grund hat mein Schwager arbeiten müssen.

R: Darf Ihre Gattin arbeiten gehen, wenn sie die Möglichkeit dazu hat?

BF1: Ja. Wo?

R: In Österreich.

BF1: Kein Problem, sie darf.

R: In Afghanistan dürfte sie nicht?

BF1: In Afghanistan hat es für sie gesellschaftlich betrachtet, die Möglichkeit nicht gegeben. Abgesehen davon, sie hatte nur bis zur neunten Klasse die Schule besucht, weil ihre Familie streng ist und sie dann nicht weiter die Schule besuchen durfte. Aus diesem Grund habe ich über meine Tätigkeit ihnen nichts gesagt. In Afghanistan werden die Frauen, die in einem Büro arbeiten, sexuell belästigt, das erfährt man durch die Medien und auch anderwärtig.

R: Wer von Ihrer Familie lebt derzeit noch in Afghanistan?

BF1: Nur eine Schwester. Ein Bruder von mir, war auch noch in Afghanistan, er hat mit den Amerikanern als Dolmetscher gearbeitet, aber er ist auch im Jänner 2015 mit seiner Familie nach Amerika gereist.

R: Was machen Sie hier in Österreich?

BF1: Zu Beginn habe ich zwei Deutschkurse bei der Caritas besucht, ich wollte den Deutschkurs weitermachen, aber der Kurs war sehr weit entfernt von uns, hin und zurück 60 km entfernt und ich musste im Monat 120 Euro für die Fahrkarte zahlen und das war mir nicht möglich. Ich treibe Sport, ich habe auch in Afghanistan professionell diesen Sport betrieben, Bodybuilding, davon gibt es Fotos. Die Caritas hat mir ein Zimmer zur Verfügung gestellt zum Trainieren. Ich spiele auch Volleyball. Ich habe mein Kind immer in den Kindergarten und nach Hause gebracht, jetzt sind Ferien, ich erledige die Einkäufe. Ich lerne auch über das Internet Deutsch, das mache ich nach wie vor. Ich habe auch eine Bestätigung über die Tätigkeit als Dolmetscher für die Caritas, wenn die Leute zum Arzt gehen oder sonst etwas brauchen, dann helfe ich ihnen als Dolmetscher.

BFV legt im Original vor:

-

Bestätigungen über Besuche von Deutschkursen sowie

-

Übersetzungen der Heiratsurkunde und der

-

Übersetzungen der Personalausweise des BF1, der BF2 und des BF3

-

In Kopie die Geburtsurkunde der BF4

-

Eine Kopie einer Geburtsbestätigung

-

Ein Schreiben der Caritas betreffend die Integration der BF

(werden der Verhandlungsschrift beigefügt, Beilage 1).

BF1: Abgesehen davon, werden alle zwei Monate die Flüchtlinge von der Pension von der Ortsbevölkerung ins Kino eingeladen. Ich mache auch mit, wir gehen auch alle ins Kino

R an BFV: Haben Sie Fragen?

BFV: Nein.

Der BF1 verlässt um 10.15 Uhr den Verhandlungssaal. Die BF2 betritt um 10.15 Uhr den Verhandlungssaal.

R: Erzählen Sie mir bitte, was hat Sie bewogen, Ihr Heimatland zu verlassen?

BF2(Anm.: Schwester des Beschwerdeführers): Wir wurden in Afghanistan bedroht und wir wurden auch wegen der Frauenrechte bedroht, aus diesem Grund haben wir Afghanistan verlassen.

R: Können Sie das ein bisschen näher ausführen, inwiefern wurden Sie persönlich in Afghanistan bedroht?

BF2: Mein Mann war als Dolmetscher mit den Ausländern tätig, aus diesem Grund.

R: Ist etwas vorgefallen? Ist Ihnen etwas passiert?

BF2: Eines Abends kamen viele bewaffnete Leute zu uns nach Hause, schlugen meinen Bruder und schubsten mich und fragten mich wo XXXX sei. Ich sagte ihnen, dass XXXX im Dienst sei und nicht zu Hause sei. Sie sagten mir, XXXX auszurichten, dass dies die letzte Warnung wäre und wenn er mit ihnen nicht zusammenarbeiten würde, würden sie ihn und seine Familie vernichten.

R: Ist das alles?

BF2: Es gibt auch andere Probleme betreffend meine Person. Ich konnte selbst nicht Entscheidungen treffen, auch als ich geheiratet habe, habe ich die Entscheidung auch nicht getroffen. Ich habe neun Jahre die Schule besucht, danach ließ mich mein Vater nicht mehr die Schule besuchen. Er hat gemeint, dass ich jetzt erwachsen sei und das nicht erlaubt sei, weiter die Schule zu besuchen. Ich war jedoch sehr interessiert, meine Schule weiterzumachen. Er meinte, dass er mich jetzt verloben würde. Ich hatte sehr viele Wünsche, ich wollte meine Ausbildung weitermachen, ich wollte Sport betreiben, ich wollte laufen, ich wollte Radfahren, diese Wünsche sind einfach geblieben, ich konnte sie nicht in die Tat umsetzen. Aus diesem Grund möchte ich nicht, dass meine Tochter dasselbe erlebt, was ich in Afghanistan erlebt habe.

R: Bei dem Vorfall, als diese vier Männer zu Ihnen nach Hause gekommen sind, wann war denn das?

BF2: Bevor wir ausgereist sind, sechs Monate davor.

R: In welchem Monat war das?

BF2: Den Monat weiß ich jetzt nicht, ich kann mich nicht erinnern.

R: Wann sind diese Personen zu Ihnen nach Hause gekommen, ich meine uhrzeitmäßig?

BF2: Wir schliefen, spät in der Nacht, ich bekam sehr viel Angst und schaute nicht auf die Uhr.

R: Wie hat sich der Vorfall konkret abgespielt?

BF2: Ich habe vorher geschildert, es war sehr spät in der Nacht und wir schliefen. Es wurde an der Tür geklopft.

R: Haben Sie das Klopfen selbst wahrgenommen?

BF2: Ja, mein Bruder ging zur Tür und dann wurde es laut. Ich war aufgeregt, ich nahm mein Kind und ging zur Tür, um zu schauen, was los ist und sah dort vier Personen, die ihr Gesicht bedeckt hatten. Sie waren mit einem Tuch am Kopf bedeckt, man sah nur die Augen. Als ich zur Tür ging und sah, dass sie meinen Bruder schubsten und er sich dabei wehtat, schrie ich. Sie forderten mich auf, nicht zu schreien und fragten, wo XXXX sei. Ich sagte ihnen, dass XXXX nicht zu Hause sei, sondern im Dienst sei. Sie sagten mir, ich soll XXXX sagen, dass dies die letzte Warnung sei. Ich soll ihm ausrichten, wenn er nicht mit ihnen zusammenarbeitet, würden sie ihn und seine Familie vernichten.

R: Wie ist es dann weitergegangen?

BF2: Sie sagten dies und gingen. Ich bekam sehr viel Angst und rief XXXX an und schilderte ihn den Vorfall.

R: Wie spät war es, als Sie Ihren Gatten anriefen?

BF2: Das weiß ich nicht, es war spät in der Nacht, ich kann mich nicht erinnern, wie spät es war. XXXX sagte mir, ich solle keine Angst haben, er würde seinen Schwager, Ehemann seiner Schwester, anrufen und der Schwager würde uns dann abholen kommen.

R: Was haben Sie dann gemacht?

BF2: Ich fragte ihn, was los sei und warum diese Leute bei uns gewesen seien und er sagte mir, dass er mir am Telefon dies nichts erzählen könne, wenn er zu Hause ist, wird er mir das Ganze erklären. Dann haben wir das Telefonat beendet und gewartet, dass der Schwager uns abholt und uns zu sich nach Hause bringt.

R: Wo haben Sie gewartet, sind Sie noch einmal schlafen gegangen?

BF2: Nein, wir saßen, haben zugesperrt und warteten. Dann kam der Schwager und holte uns ab und brachte uns zu sich nach Hause.

R: Wie spät war es, wie Sie der Schwager abholte?

BF2: Es war ein wenig hell.

R: Was heißt das, bei Tagesanbruch?

BF2: Ja.

R: Was machen Sie hier in Österreich?

BF2: Ganz zu Beginn, als ich nach Österreich kam, habe ich ein wenig einen Deutschkurs besucht, sehr wenig, dann wurde ich schwanger und kam meine Tochter zur Welt und habe den Deutschkurs dann nicht mehr weitergemacht.

R: Sprechen Sie Deutsch?

BF2 (muss Dolmetsch nachfragen, was gefragt wurde): Ganz wenig.

R: Warum sprechen Sie kein Deutsch und Ihr Gatte schon, ich dachte, Sie wollten unbedingt eine Ausbildung haben, wie soll das möglich sein, wenn Sie nicht Deutsch sprechen?

BF2: Wie gesagt, ich habe ein wenig einen Deutschkurs besucht, dann wurde ich schwanger, danach bat ich die Caritas wieder darum, mir einen Deutschkurs zu ermöglichen, sie sagten mir, dass es einen weiteren Deutschkurs für mich nicht mehr geben würde und ich solle warten bis wir eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen, dann sei es möglich, einen Deutschkurs zu besuchen.

R: Was machen Sie sonst in Österreich?

BF2: Ich erledige Einkäufe, ich bringe meinen Sohn zum Kindergarten und hole ihn ab, ich laufe, ich fahre mit dem Fahrrad. Jetzt kommen österreichische Frauen zu uns, einmal in der Woche oder alle 15 Tage und lernen mit uns Frauen Deutsch.

R: Haben Sie noch Familienangehörige in Afghanistan?

BF2: Nein, ich habe keine Familie in Afghanistan, niemanden.

R: Als Sie noch in Afghanistan waren, hatte IhreBruder, als er noch bei Ihnen gewohnt hat, Freunde zu Ihnen nach Hause gebracht?

BF2: Nein, er hat seine Freunde nicht nach Hause gebracht.

R: Kennen Sie seine Freunde?

BF2: Nein, ich kenne seine Freunde nicht.

R: Hatte er Freunde in Afghanistan?

BF2: Damals habe ich ihn nicht gefragt, wo er gearbeitet hatte, hatte er möglicher Weise Freunde.

R: Was hat Ihr Bruder gearbeitet?

BF2: Er hat in Afghanistan Kindergewand verkauft, "Handverkauf" "Straßenverkauf".

R an BFV: Haben Sie Fragen?

BFV: Nein.

Anmerkung des R: Die BF2 erscheint zur gegenständlichen Verhandlung mit Kopftuch, sodass nur das Gesicht zu erkennen ist.

R: Können Sie so, wie Sie heute bei mir erschienen sind, in Kabul auf die Straße gehen?

BF2: Nein, aber selbst, wenn man so unterwegs ist, wird man von den Leuten belästigt, ich habe die Burka getragen in Afghanistan.

Die BF2 verlässt um 10.45 Uhr den Verhandlungssaal, der BF5 betritt um 10.50 Uhr den Verhandlungssaal.

R: Was hat Sie bewogen, Ihr Heimatland zu verlassen?

BF5: Weil unser Leben in Gefahr war, unsere finanzielle Lage schlecht war und allgemein die Lage dort unsicher war.

R: Inwiefern war Ihr Leben in Gefahr, können Sie das etwas konkretisieren?

BF5: Ich war bei meiner Schwester und bei meinem Schwager, weil meine Eltern schon verstorben sind, aus diesem Grund haben wir Afghanistan verlassen.

R: Konkrete Vorfälle hat es nicht gegeben, wo es eine konkrete Bedrohung gegeben hat?

BF5: Ja. Es war in der Nacht. Ich habe mit meiner Schwester in einem Haus gelebt, es kamen vier bewaffnete Leute ins Haus, mit verdeckten Gesichtern. Sie haben uns bedroht und gefragt, wo XXXX sei und was er tun würde und XXXX war nicht im Hause. Sie sind gegangen, wir blieben zu Hause. Sie haben mich geschubst und meine Schwester geschlagen. Meine Schwester rief dann XXXX an und erzählte ihm, dass die Leute da waren und mit uns - wie geschildert - umgegangen sind. Dann kam der Schwager von XXXX und nahm uns mit nach Hause. Wir waren dann beim Schwager von XXXX , ein paar Stunden später, kam XXXX auch dorthin. Als XXXX kam, haben wir beschlossen, hierher zu kommen.

R: Haben Sie dann sofort das Heimatland verlassen?

BF5: Nein, wir waren noch sechs Monate dort.

R: Warum haben Sie nicht gleich das Heimatland verlassen?

BF5: Das weiß ich nicht, das hat XXXX beschlossen, die Entscheidung lag in seiner Hand.

R: Was haben die Personen gesprochen, als die damals bei Ihnen bzw. bei Ihrer Schwester zu Hause waren?

BF5: Sie fragten, wo XXXX sei und wir sollen XXXX ausrichten, wenn er nicht mit ihnen zusammenarbeitet, würden sie mit ihn "anders umgehen" und warum er nicht mit ihnen zusammenarbeiten würde.

R: Wurde damals die Tätigkeit Ihres Schwagers angesprochen?

BF5: Nein, sie haben uns nichts gesagt, wir wussten auch nicht, was XXXX gearbeitet hat.

R: Wann haben Sie das erste Mal davon erfahren, was Ihr Schwager gearbeitet hat?

BF5: Nach diesem Vorfall, hat er uns das erzählt.

R: Sind Sie damals geschlagen worden?

BF5: Mich haben sie geschubst, meine Schwester haben sie geschlagen.

R: Was ist da der Unterschied, können Sie das ein bisschen verbildlichen?

BF5: Sie kamen ins Haus, ins Zimmer. Meine Schwester schrie, als sie diese Leute sah, ich wurde weggeschubst und meine Schwester wurde mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen.

R: Wer hat damals die Tür geöffnet?

BF5: Ich.

R: Was haben Sie in Afghanistan gearbeitet?

BF5: Ich war Straßenverkäufer, ich habe Kinder- und Frauengewand verkauft.

R: Haben Sie noch irgendwelche Verwandte in Afghanistan?

BF5: Nein.

R: Wer waren Ihre Freunde in Afghanistan?

BF5: Ich war damals klein, ich hatte dort keine Freunde, ich habe mit meinem Bruder und mit meinem Vater gearbeitet.

R: Aber nachdem Ihre Familie ums Leben gekommen ist, haben Sie weitergearbeitet, da müssen Sie doch soziale Kontakte gehabt haben.

BF5: Am Bazar gab es schon Freunde, Bekannte, als ich gearbeitet habe.

R: Was würde passieren, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten?

BF5: Ich kann nicht zurück nach Afghanistan. Zu wem soll ich zurück nach Afghanistan? Ich habe keine Möglichkeiten dort, ich habe niemanden dort, mein Leben ist dort in Gefahr.

R: Könnten Sie wieder zur Schwester Ihres Schwagers gehen?

BF5: Hier?

R: Nein, in Afghanistan.

BF5: Wenn wir zusammen sind, ja, aber sie können nicht zurückgehen.

R: Was machen Sie hier in Österreich?

BF5: Ich besuche einen Deutschkurs, ich habe drei Deutschkurse schon gemacht. Ich spiele Fußball mit den Burschen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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