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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Verstoß der Erfordernisse einer mindestens fünfjährigen einschlägigen Tätigkeit in verantwortlicher Leitungsposition für die Herstellung von Kennzeichentafeln gegen das Legalitätsprinzip und gegen die Erwerbsausübungsfreiheit; keine gesetzliche Grundlage; unzulässiger KonkurrenzschutzSpruch
§25c Abs3 der Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung 1967, BGBl. Nr. 399 in der Fassung der Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, mit der die Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung 1967 geändert wird (40. Novelle zur KDV 1967), BGBl. Nr. 214/1995, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine zu B1968/95 protokollierte Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 11. Mai 1995, Z427.435/2-I/10/95, anhängig, mit welchem der Antrag des nachmaligen Beschwerdeführers auf Erteilung der Bewilligung zur Herstellung von Kennzeichentafeln gemäß §49 Abs5 Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267 (im folgenden: KFG 1967) idF der 17. KFG-Novelle, BGBl. Nr. 654/1994, in Verbindung mit §25c Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung 1967, BGBl. Nr. 399 idF der 40. KDV-Novelle, BGBl. Nr. 214/1995, (im folgenden: KDV 1967) abgewiesen wurde.
2. §49 Abs5 KFG 1967 idF der 17. KFG-Novelle, BGBl. Nr. 654/1994, lautet:
"(5) Zur Herstellung von Kennzeichentafeln ist eine Bewilligung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr erforderlich. Eine solche Bewilligung ist zu erteilen, wenn der Antragsteller über eine durch Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr festgesetzte Gewerbeberechtigung und über die ebenfalls durch Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr zusätzlich festgelegten besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten, die zur Erfüllung der mit dieser Bewilligung verbundenen Aufgaben erforderlich sind, verfügt und wenn auf Grund seines bisherigen Gesamtverhaltens zu erwarten ist, daß er die für die Ausübung der Berechtigung erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Bei der Festsetzung der notwendigen Gewerbeberechtigung ist insbesondere auf die bei der Fertigung von Kennzeichentafeln nötigen Kenntnisse und Erfahrungen Bedacht zu nehmen."
§25c KDV 1967 lautet:
"(1) Die Ermächtigung zur Herstellung von Kennzeichentafeln (§49 Abs5 KFG 1967) kann nur erteilt werden, wenn der Antragsteller die Gewerbeberechtigungen zur Ausübung des Gewerbes der Schilderhersteller und des Gewerbes der Kunststoffbearbeiter besitzt. Bei juristischen Personen muß der gewerberechtliche Geschäftsführer diese Voraussetzungen erfüllen.
(2) Weiters muß der Antragsteller, bei juristischen Personen der gewerberechtliche Geschäftsführer, über folgende zusätzliche Kenntnisse und Fähigkeiten, die zur Erfüllung der mit dieser Bewilligung verbundenen Aufgaben erforderlich sind, verfügen:
1.
Herstellen von Metall- und Kunststoffverbund-Platinen
2.
Prägen von speziellen reflektierenden Metall- und Kunststoffverbund-Platinen mit Ziffern und Buchstaben durch Prägewerkzeuge, wie für die Kennzeichentafelherstellung erforderlich
3.
Mehrfarbensiebdruck auf Metall- und Kunststoffverbundplatinen
4.
Heißprägetechnik und thermische Einfärbung auf
Metall- und Kunststoffverbund-Platinen mit den für die Kennzeichentafelherstellung erforderlichen Farben
5.
Besondere Fähigkeiten und Kenntnisse in der Leitung von Produktionsbetrieben, wobei vor allem auf folgende Schwerpunkte zu achten ist:
5.1 Integrierte Serien- und Einzelproduktion
5.2 Organisation und Leitung von Produktionen, die
hohen Sicherheitsanforderungen unterliegen
5.3 Geordnete und kontrollierte Bestell- und Lieferorganisation.
(3) Der Antragsteller, bei juristischen Personen der gewerberechtliche Geschäftsführer, muß die Befähigung zur Durchführung der mit dieser Bewilligung verbundenen Tätigkeiten durch den Nachweis einer mindestens fünfjährigen Tätigkeit innerhalb der letzten sieben Jahre vor Antragstellung nachweisen. Diese Tätigkeit muß alle in Abs1 und 2 angeführten Bereiche beinhalten und in verantwortlicher Leitungsposition in einem Unternehmen ausgeübt worden sein."
3.1. Aus Anlaß dieses Verfahrens beschloß der Verfassungsgerichtshof am 18. Juni 1997, die Gesetzmäßigkeit des §25c Abs3 KDV 1967 gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen zu prüfen.
3.2. Der Verfassungsgerichtshof hegte zum einen das Bedenken, daß das in §25c Abs3 KDV 1967 normierte Erfordernis "einer mindestens fünfjährigen Tätigkeit innerhalb der letzten sieben Jahren vor Antragstellung" als spezieller Befähigungsnachweis eines die Herstellung von Kennzeichentafeln anstrebenden Bewilligungswerbers in keiner der drei in §49 Abs5 KFG 1967 idF der 17. KFG-Novelle festgelegten Voraussetzungen für die Bewilligung der Herstellung von Kennzeichentafeln eine im Sinne des Art18 Abs2 B-VG hinreichende gesetzliche Grundlage finde.
3.3. Der Verfassungsgerichtshof hegte darüber hinaus das Bedenken, daß die Verordnungsbestimmung des §25c Abs3 KDV 1967 auch dem im Lichte des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Erwerbsbetätigung auszulegenden §49 Abs5 KFG 1967 idF der 17. KFG-Novelle widerstreite.
4. Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr hat eine Äußerung erstattet.
4.1. Die Bestimmungen des §25c KDV 1967 seien durch die Bestimmungen des §49 Abs5 KFG 1967 idF der 17. KFG-Novelle gesetzlich gedeckt. Entsprechend dieser gesetzlichen Grundlage seien in §25c Abs1 KDV 1967 die notwendigen Gewerbeberechtigungen festgelegt worden, im Abs2 die zusätzlich erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, und im Abs3 werde - um sicherzustellen, "daß die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten auch in der Praxis umgesetzt werden können und sich nicht lediglich auf theoretische Kenntnisse beschränken" - eine bestimmte Praxiszeit festgelegt, innerhalb der sich der Antragsteller bereits einschlägig betätigt haben müsse.
Da es sich bei der Herstellung der Kennzeichentafeln um eine besonders qualifizierte Tätigkeit handle, sei es "unabdingbar, den Nachweis der Befähigung an eine entsprechende Verwendungszeit und Qualifikation der Verwendung und somit an die hiedurch erworbene Praxis und Erfahrung zu knüpfen". Die Festlegung einer mindestens fünfjährigen Tätigkeit innerhalb der letzten sieben Jahre vor Antragstellung gründe sich auf den letzten Satz des §49 Abs5 KFG 1967 idF der 17. KFG-Novelle, wonach bei der Festsetzung der notwendigen Gewerbeberechtigung insbesondere auf die bei der Fertigung von Kennzeichentafeln nötigen Kenntnisse und Erfahrungen Bedacht zu nehmen ist. Der Begriff "Erfahrungen" bedinge eine "bestimmte qualifizierte Tätigkeit durch einen bestimmten Zeitraum". Diese sei in §25c Abs3 KDV 1967 festgelegt worden.
4.2. Auch die Bedenken vor dem Hintergrund des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Erwerbsbetätigung bestünden nicht zu Recht. Der Verfassungsgerichtshof sei in seiner bisherigen Judikatur zur Erwerbsfreiheit davon ausgegangen, "daß ein gewisses Ausmaß einer praktischen Vorbereitungszeit vom Gesetzgeber als Antrittsvoraussetzung für eine berufliche Betätigung aufgestellt werden darf, wenn und soweit diese praktische Betätigung im angestrebten Beruf angemessen und erforderlich ist, um einen im öffentlichen Interesse gelegenen Berufsstandard zu erreichen".
Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr verweist zur Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der Herstellung von Kennzeichentafeln für Kraftfahrzeuge neuerlich darauf, daß der Hersteller auch einen reibungslosen und raschen Vertrieb an alle 102 Kraftfahrbehörden sicherstellen müsse, was entsprechende Kenntnisse und vor allem Erfahrungen in diesem Bereich voraussetze. Ein nichtfunktionierendes Vertriebssytem für die 37, sehr unterschiedlichen Arten von Kennzeichentafeln würde zu einem Zusammenbruch der Zulassungsverfahren führen und hätte auch auf andere Bereiche, die an eine Zulassung anknüpfen (Kraftfahrzeugsteuer, Haftpflichtversicherung, Schadenersatzrecht, Amtshaftung) negative Auswirkungen.
Zur Normierung bestimmter Praxiszeiten zum Nachweis für das Vorhandensein bestimmter Erfahrungen wird nicht nur auf das Gewerberecht, sondern auch auf das Kraftfahrgesetz verwiesen; dort normiere etwa §109 Abs1 lith KFG 1967, daß ein Bewerber um eine Fahrschulbewilligung glaubhaft machen muß, daß er innerhalb der letzten zehn Jahre mindestens fünf Jahre lang (bzw. unter bestimmten Voraussetzungen drei Jahre lang) als Fahrschullehrer die für das Ausbilden von Lenkern erforderlichen Erfahrungen auf dem Gebiete des Kraftfahrwesens erworben hat.
Aus der Bestimmung des §25c Abs3 KDV 1967 folge - entgegen der Annahme des Verfassungsgerichthofes im Prüfungsbeschluß vom 18. Juni 1997 - nicht zwingend, daß der Antragsteller innerhalb der letzten sieben Jahre vor Antragstellung "bereits 5 Jahre in Leitungsposition mit der Herstellung von Kennzeichentafeln" beschäftigt sein mußte. Vielmehr müsse er "lediglich 5 Jahre lang innerhalb der letzten 7 Jahre Tätigkeiten ausgeübt haben, die alle die in §25c Abs1 und 2 KDV 1967 angeführten Bereiche beinhalten".
Die in der vom Verfassungsgerichtshof erwähnten Stellungnahme des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst geäußerten Bedenken bezögen sich lediglich auf die Dauer der Praxistätigkeit im Ausmaß von fünf Jahren, nicht aber auf "das Abstellen auf eine bestimmte Praxiszeit als solche". Den Überlegungen des Bundeskanzleramtes-Verfassungdienst sei seinerzeit nicht gefolgt worden, da die Herstellung von Kennzeichentafeln - wie ausgeführt - einen besonders sensiblen Bereich darstelle.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat
erwogen:
1. Da der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die zu B1968/95 eingebrachte - zulässige - Beschwerde §25c Abs3 KDV 1967, auf welchen die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid stützte, anzuwenden hat und auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.
2. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofs erweisen sich auch in der Sache als berechtigt:
2.1. §49 Abs5 KFG 1967 idF der 17. KFG-Novelle legt drei Bewilligungsvoraussetzungen fest, bei deren Erfüllung (anders als nach der Rechtslage vor der 17. KFG-Novelle, vgl. dazu VfSlg. 6141/1970; VwGH 29.6.1993, Zl. 93/11/0020) dem Antragsteller ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Bewilligung zur Herstellung von Kennzeichentafeln eingeräumt ist: Er muß über die "notwendige Gewerbeberechtigung" sowie zweitens über "besondere Kenntnisse und Fähigkeiten, die zur Erfüllung der mit dieser Bewilligung verbundenen Aufgabe erforderlich sind", verfügen und muß drittens "die für die Ausübung der Berechtigung erforderliche Zuverlässigkeit" besitzen. Durch Verordnung des zuständigen Bundesministers sind unter Bedachtnahme "auf die bei der Fertigung der Kennzeichentafeln nötigen Kenntnisse und Erfahrungen" (§49 Abs5 dritter Satz KFG 1967 idF der 17. KFG-Novelle) die notwendige Gewerbeberechtigung und "die zur Erfüllung der mit dieser Bewilligung verbundenen Aufgaben erforderlich(en)" "besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten" festzusetzen.
Als notwendige Gewerbeberechtigungen wurden in §25c Abs1 KDV 1967 "die Gewerbeberechtigungen zur Ausübung des Gewerbes der Schilderhersteller und des Gewerbes der Kunststoffbearbeiter" (§94 Z91 und 92 GewO 1994) festgesetzt, während im Abs2 des §25c KDV 1967 unter den Z1 bis 5.3. die "zusätzliche(n) Kenntnisse und Fähigkeiten, die zur Erfüllung der mit dieser Bewilligung verbundenen Aufgaben erforderlich sind", bestimmt wurden.
Anders als der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr meint, findet das Erfordernis "einer mindestens fünfjährigen Tätigkeit innerhalb der letzten sieben Jahre vor Antragstellung" als weiterer, spezieller Befähigungsnachweis eines die Herstellung von Kennzeichentafeln anstrebenden Bewilligungswerbers in keiner der drei dargestellten gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Herstellung von Kennzeichentafeln die erforderliche Rechtsgrundlage. Der Gesetzgeber ist nämlich offenkundig davon ausgegangen, daß bereits die Befähigung für die durch Verordnung festzusetzende(n) Gewerbeberechtigung(en) auch eine entsprechende fachliche Betätigung während eines gewissen Zeitraums erfordert (vgl. etwa §18 GewO 1994 über den Nachweis der Befähigung für ein Handwerk). Er ist weiters davon ausgegangen, daß zwar zur Herstellung von Kennzeichentafeln "besondere Kenntnisse und Fähigkeiten" erforderlich sind, hat aber deren Nachweis nicht an eine weitere, über die für die Erlangung der einschlägigen Gewerbeberechtigungen erforderliche Zeitdauer hinaus notwendige fachliche Betätigung geknüpft. Wenn der zuständige Bundesminister das Erfordernis einer besonderen fünfjährigen Praxis auf den letzten Satz des §49 Abs5 KFG 1967 idF der 17. KFG-Novelle gründen will, weil die dort geforderten "Erfahrungen" eine "qualifizierte Tätigkeit durch einen bestimmten Zeitraum" bedingten, ist ihm entgegenzuhalten, daß der Gesetzgeber die Bedachtnahme auf die "Erfahrungen" nur im Zusammenhang mit der "Festsetzung der notwendigen Gewerbeberechtigung" fordert und zuläßt, und daß dem durch Abs1 des §25c KDV 1967 Rechnung getragen wurde. Schließlich ist auch die für die Ausübung der Berechtigung erforderliche Zuverlässigkeit von der Bewilligungsbehörde auf Grund des "bisherigen Gesamtverhaltens" des Bewilligungswerbers zu beurteilen, ohne daß die fachliche Betätigung während einer bestimmten Zeitdauer für diese Zuverlässigkeit maßgeblich sein kann.
Das vom Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr besonders betonte öffentliche Interesse an einer hohen technischen Qualität der Kennzeichentafeln sowie "an einer klaglosen und raschen Zuteilung der Tafeln an die Zulassungsbesitzer durch die Behörden" und damit am "... (F)unktionieren des Vertriebssystems
für die ... unterschiedlichen Arten von Kennzeichentafeln" wird
jedenfalls bereits durch die im Abs2 des §25c KDV 1967 aufgezählten Bewilligungsvoraussetzungen hinlänglich berücksichtigt: Nicht nur, daß unter den Z1 bis 4 des §25c Abs2 KDV 1967 entsprechende technologische Standards angesprochen werden, sondern der Verordnungsgeber hat auch unter der Z5 die besonderen Anforderungen an Organisation, Leitung und Distribution der mit der Herstellung von Kennzeichentafeln zu betrauenden Unternehmen präzisiert. Für ein darüber hinausreichendes, die Zeitdauer fachlicher Betätigung in "verantwortlicher Leitungsposition" berücksichtigendes Erfordernis als Bewilligungsvoraussetzung läßt das Gesetz keinen Raum, gleichgültig ob diese Leitungsposition in einem Betrieb zur Herstellung von Kennzeichentafeln oder (- wie der Bundesminister meint -) in einem technologisch ähnlich orientierten Betrieb wahrgenommen werden muß.
§25c Abs3 KDV 1967 entbehrt sohin der gemäß Art18 Abs2 B-VG erforderlichen gesetzlichen Grundlage.
2.2. §49 Abs5 KFG 1967 idF der 17. KFG-Novelle ist aber auch in Anbetracht des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art6 StGG damit übereinstimmend (verfassungskonform) so zu verstehen, daß der "Nachweis einer mindestens fünfjährigen Tätigkeit innerhalb der letzten sieben Jahre vor Antragstellung" keine für die Bewilligung der Herstellung von Kennzeichentafeln erforderliche Voraussetzung bilden darf:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist der Gesetzgeber - und auf Grund des Gesetzes gemäß Art18 Abs2 B-VG auch der Verordnungsgeber - durch Art6 StGG ermächtigt, die Ausübung der Berufe dergestalt zu regeln, daß sie unter gewissen Voraussetzungen erlaubt oder unter gewissen Voraussetzungen verboten sind. Er darf dabei auch den Erwerbsantritt hindernde Vorschriften erlassen. Solche Beschränkungen sind aber nach der ständigen Rechtsprechung nur zulässig, wenn sie durch ein öffentliches Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, dieser adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind (vgl. zB VfSlg. 11276/1987, 12098/1989, 12677/1991, 13094/1992, 13330/1993, 13560/1993, G115/96 vom 30.9.1996). Der Verfassungsgerichtshof ist in seiner bisherigen Judikatur (vgl. insbes. VfSlg. 12337/1990 und 12578/1990, 13073/1992 ua.) stets davon ausgegangen, daß ein gewisses Ausmaß einer praktischen Vorbereitungszeit vom Gesetzgeber als Antrittsvoraussetzung für eine berufliche Betätigung verlangt werden darf, wenn und soweit diese praktische Betätigung im angestrebten Beruf angemessen und erforderlich ist, um einen im öffentlichen Interesse gelegenen Berufsstandard zu erreichen.
Auch wenn mit dem Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr davon ausgegangen wird, daß an der Herstellung von Kennzeichentafeln für Kraftfahrzeuge ein besonderes öffentliches Interesse besteht, weil Kennzeichentafeln gemäß §49 Abs1 KFG 1967 öffentliche Urkunden sind, deren Produktion und Distribution die Hersteller vor besondere Sicherheitsanforderungen stellt, um jeden Mißbrauch auszuschließen, verstößt die Regelung des §25c Abs3 KDV 1967 gegen Art6 StGG:
Die entsprechenden Gewerbeberechtigungen, wie sie §25c Abs1 KDV 1967 umschreibt, genügen nämlich gemeinsam mit den zusätzlichen besonderen Kenntnissen und Fähigkeiten, die im Abs2 des §25c KDV 1967 einschließlich der notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse in der Organisation und Leitung der Produktionsbetriebe sowie ihrer Bestell- und Lieferorganisation umschrieben sind, dem geschilderten öffentlichen Interesse, zumal vom Hersteller gemäß §49 Abs5 KFG 1967 auch die "auf Grund seines bisherigen Gesamtverhaltens" zu beurteilende, "für die Ausübung der Berechtigung erforderliche Zuverlässigkeit" gefordert wird. Es bildet ein überschießendes, auch in Anbetracht des geschilderten öffentlichen Interesses an der Herstellung von Kennzeichentafeln nicht zu rechtfertigendes, weil diesem Zweck nicht angemessenes Erfordernis, die Herstellung von Kennzeichentafeln auf Produzenten zu beschränken, die innerhalb der letzten sieben Jahre vor Antragstellung bereits fünf Jahre in leitender Position in einem Betrieb tätig waren, der mit den in §25c Abs2 KDV 1967 beschriebenen Technologien befaßt war. Diese Berufsantrittsvoraussetzung geht über die gebotenen Sicherheitsanforderungen bei der Herstellung und dem Vertrieb von Kennzeichentafeln deutlich hinaus und dient einem anderen Zweck:
das Erfordernis fünfjähriger leitender Tätigkeit in der geschilderten Art besitzt in seiner Auswirkung prohibitiven, den Wettbewerb beschränkenden Charakter, so zwar, daß es auf die Verhinderung neuer Produzenten gerichtet ist und auf diese Weise den bestehenden Herstellern von Kennzeichentafeln einen in Anbetracht des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art6 StGG nicht zu rechtfertigenden Konkurrenzschutz (vgl. auch VfSlg. 11483/1987 und 11625/1988) gewährt.
Der Verfassungsgerichtshof vermochte weder den Erläuterungen zum Verordnungsentwurf noch dem sonstigen Inhalt des Verordnungsaktes Überlegungen der belangten Behörde zu entnehmen, aus denen sich die Angemessenheit einer mindestens fünfjährigen entsprechenden Tätigkeit innerhalb der letzten sieben Jahre als Berufsantrittsvoraussetzung für die Herstellung von Kennzeichentafeln mit der kraft Art6 StGG verfassungsgesetzlich gebotenen Begründung ableiten ließe. Der in ihrer Gegenäußerung von der Behörde angestellte Vergleich eines Bewerbers um eine Kennzeichentafelherstellung mit dem Bewerber um eine Fahrschulbewilligung, für den eine bestimmte Praxiszeit als Fahrschullehrer eine Voraussetzung bilde, überzeugt abgesehen von der Inkommensurabilität der beiden Berufsbilder auch deswegen nicht, weil für den Fahrschulinhaber keine Gewerbeberechtigung als Berufszulassungsvoraussetzung vorgeschrieben ist, deren Erwerb selbst bereits eine gewisse Praxiszeit erfordert.
§25c Abs3 KDV 1967 widerspricht sohin dem im Lichte des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art6 StGG auszulegenden §49 Abs5 KFG 1967 idF der 17. KFG-Novelle.
§25c Abs3 KDV 1967 war sohin gemäß Art139 Abs1 B-VG als gesetzwidrig aufzuheben.
Die Verpflichtung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.
Dies konnte vom Verfassungsgerichtshof ohne mündliche Verhandlung gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Kraftfahrrecht, Kennzeichen, Gewerberecht, Gewerbeberechtigung, Befähigungsnachweis, ErwerbsausübungsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:V104.1997Dokumentnummer
JFT_10028795_97V00104_00