Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BDG 1979 §36 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel, Hofrätin MMag. Ginthör sowie Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der Landespolizeidirektion Wien in 1010 Wien, Schottenring 7-9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Oktober 2017, Zl. W122 2131369-2/8E, betreffend Besoldungsdienstalter (mitbeteiligte Partei: Dipl.Ing. (FH) T M in M, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte steht seit 1. Dezember 2015 in einem öffentlich-rechtlichen Exekutivdienstverhältnis zum Bund. Mit Antrag vom 24. Februar 2016 begehrte er die bescheidmäßige Feststellung des Besoldungsdienstalters zum Dienstantritt. Begründend führte er aus, dass ihm aus der Zeit in der Privatwirtschaft kein Monat der insgesamt sieben Jahre und zwei Monate dieser einschlägigen Erwerbstätigkeit angerechnet worden sei.
2 Die belangte Behörde gewährte dem Mitbeteiligten Parteiengehör und hielt in einem Schreiben fest, dass gemäß § 12 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54/1956 (im Folgenden: GehG), folgende Zeiten angerechnet würden: Sechs Monate Grundwehrdienst sowie zwei Jahre Grundausbildung für den Exekutivdienst bei der Landespolizeidirektion (LPD Wien). In seiner Stellungnahme vom 20. Mai 2016 führte der Mitbeteiligte aus, dass seine Tätigkeit in der Dauer von sieben Jahren und zwei Monaten als Spezialist im Bereich der IT und Softwareentwicklung mit einer Vielzahl an Zusatzausbildungen und Auszeichnungen erst durch die beiden erfolgreich abgeschlossenen Studien ermöglicht worden sei. Er habe bei seiner Arbeit fachliche Erfahrungen vermittelt bekommen, die es ihm als Exekutivbediensteten erlaubten, durch die vorhandene Routine und einen sicheren Umgang mit allen Ressourcen und Applikationen einen Arbeitserfolg zu erreichen, wie es Kollegen mit sieben oder mehr Jahren Berufserfahrung manchmal nicht möglich sei. Die Arbeit bei der Polizei sei stark durch die Arbeit mit IT und EDV geprägt, er sei bereits jetzt Ansprechpartner für die Kollegen für Übertretungen in diesem Bereich.
3 Mit Bescheid der LPD Wien vom 13. Juni 2016 wurde ein Besoldungsdienstalter von zwei Jahren und sechs Monaten festgestellt. Begründend führte die Dienstbehörde aus, dass der Mitbeteiligte bei Wegdenken der bloß fachverwandten Tätigkeiten bei seinen früheren Arbeitgebern weder schlechter verwendbar, noch eine längere fachliche Einarbeitung und Einschulung am Arbeitsplatz notwendig gewesen wäre, noch würde er die Aufgaben für einen beachtlichen Zeitraum mangels Routine nur deutlich langsamer oder deutlich fehleranfälliger erfüllen können, zumal die polizeiliche Grundausbildung für alle Bediensteten gleichermaßen dieselben Grundvoraussetzungen schaffe.
4 Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) gab der Beschwerde des Mitbeteiligten im ersten Rechtsgang mit Beschluss vom 18. November 2016 Folge, hob den angefochtenen Bescheid auf und verwies die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurück. Das BVwG stellte fest, dass aus dem angefochtenen Bescheid nicht ableitbar sei, welche Tätigkeiten der (nunmehr) Mitbeteiligte wie häufig durchzuführen habe, auf deren Ausübungserfolg die Vortätigkeiten denkmöglicherweise Auswirkungen haben könnten. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das BVwG aus, dass die belangte Behörde zu prüfen habe, wie sich die ausgeübten Vortätigkeiten und die dort angeeigneten Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrungen auf den Exekutivarbeitsplatz auswirkten; die denkmögliche Relevanz von Auswirkungen sei aufgrund der außer Streit gestellten fachlichen Ähnlichkeiten grundsätzlich zu bejahen. Ohne die auszuübenden Tätigkeiten zu nennen, sei die Prüfung eines allfälligen Unterbleibens von Einarbeitungszeiten oder eines Bestehens eines höheren Arbeitserfolges nicht möglich. Um diese Auswirkungen der Vortätigkeiten auf die Exekutivdiensttätigkeit prüfen zu können, sei im fortgesetzten Verfahren zu ermitteln, welche Tätigkeiten der Mitbeteiligte auszuüben habe. Die in der praktischen Ausgestaltung sehr breit gefächerte Exekutivdiensttätigkeit per se sei nicht hinreichend spezifiziert, um den konkreten Anlassfall unter den Tatbestand des § 12 GehG zu subsumieren.
5 Mit Bescheid der LPD Wien vom 13. Februar 2017 wurde nach Gewährung von Parteiengehör zu den Zielen des Arbeitsplatzes als Beamter der Verwendungsgruppe E2b erneut ein Besoldungsdienstalter des Mitbeteiligten von zwei Jahren und sechs Monaten festgestellt.
6 Das BVwG gab einer neuerlichen Beschwerde des Mitbeteiligten mit der nunmehr bekämpften Entscheidung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung teilweise Folge und stellte weitere drei Jahre und sieben Monate als anrechenbare Vordienstzeiten fest.
7 Dabei ging es von folgendem Sachverhalt aus: Der Mitbeteiligte sei am 1. September 2017 in den höheren Dienst der allgemeinen Verwaltung (A1) überstellt worden und werde aktuell im Bereich der Bekämpfung des Cybercrime eingesetzt. Er habe in der Privatwirtschaft in einem fachverwandten Bereich der IT und EDV Vortätigkeiten im Bereich "Software Engineer, Requirements Engineer, Software Architect" sowie als Team- und Projektleiter ausgeübt. Dabei habe er umfassende EDV-Kenntnisse, ausgefeilte Kenntnisse der englischen Sprache in Wort und Schrift, Teamführungskompetenzen, administrative Fähigkeiten und Sachverhaltserhebungskompetenzen erworben. Im Außendienst der Polizei sei er zuständig gewesen für: Durchführung von Aufträgen der Dienstvorgesetzten, der Ausübung polizeilicher Befehls- und Zwangsgewalt, Durchführung des operativen Verkehrs- und Streifendienstes (Lenker- und Fahrzeugkontrollen, Fahndungskontrollen, Personenkontrollen), Mitwirkung an Schwerpunktkontrollen, Teilnahme an Sicherheitsaktionen über internen Auftrag, über Auftrag von Behörden und Ämtern, Objektschutz, Wahrnehmung des großen Sicherheits- und Ordnungsdienstes, Informations-, Ausforschungs- oder Erhebungsdienste sowie Bürgerservice. Im Innendienst sei er für die Ausübung des Parteienverkehrs, die Bearbeitung und Vorlage von Anzeigen, Berichten und Meldungen, Unterstützung in der Einschulungsphase für Polizeischüler, die Wahrnehmung der dem Erhalt eines geordneten Dienstbetriebes dienenden notwendigen administrativen Tätigkeiten, Instandhaltung, Wartung und Pflege des Fuhrparks, der gesamten Einsatzmittel und Ausrüstung sowie der Ausstattung der Dienststelle, Führen von Statistiken, Nachweisen und internen Aufzeichnungen zuständig gewesen.
8 Aufgrund seiner Vortätigkeiten sei der Mitbeteiligte in die Lage versetzt worden, wesentlich schneller und effizienter Einvernahmen durchzuführen sowie Protokolle von Einvernahmen anzufertigen. Er habe mit fremdsprachigen Parteien erheblich besser arbeiten können, da er über professionalisierte Englischkenntnisse mit Verhandlungsfähigkeit verfüge. Ohne die doppelt so hohe Schreibgeschwindigkeit wäre ein wesentlicher Teil der Erledigungen nur deutlich langsamer möglich gewesen. Mit den Englischkenntnissen habe der Mitbeteiligte regelmäßig bei der Beteiligung fremdsprachiger Parteien erwirkt, dass der Sachverhalt rascher und klarer habe festgestellt werden können. In mehreren Einzelfällen habe dies dazu beigetragen, dass schwere Missverständnisse vermieden worden seien; bei Opferbefragungen habe seltener ein Dolmetscher beigezogen werden müssen. Aufgrund der Vorkenntnisse habe der Mitbeteiligte den Erwerb der Fähigkeit, ein polizeiliches Team erfolgreich zu führen, beschleunigt. Er habe mit seinen EDV-Kenntnissen wesentlich dazu beigetragen, dass administrative Abläufe und Personaleinteilungen an der Dienststelle hätten beschleunigt werden können. In manchen Bereichen seien die EDV-Kenntnisse jenen der EDV-Abteilung überlegen gewesen und es habe diese Abteilung seltener eingebunden werden müssen. Es sei daher in den ersten sechs Monaten ein wesentlich höherer Arbeitserfolg zu attestieren. Von insgesamt vierzehn Punkten aus dem Katalog der Tätigkeiten sei der Mitbeteiligte bei sechs Punkten, nämlich den Aufträgen der Dienstvorgesetzten, den Informations-, Ausforschungs- oder Erhebungsdiensten, der Bearbeitung und Vorlage von Anzeigen, Berichten und Meldungen, der Unterstützung für Einschulungsmaßnahmen für Polizeischüler, bei administrativen Tätigkeiten, der Führung von Statistiken, Nachweisen und internen Aufzeichnungen wesentlich erfolgreicher als ohne Vortätigkeit. Dagegen seien die Vortätigkeiten bei der Ausübung polizeilicher Befehls- und Zwangsgewalt, Durchführung des operativen Verkehrs- und Streifendienstes, Mitwirkung an Schwerpunktkontrollen sowie Teilnahme an Sicherheitsaktionen, beim Objektschutz, bei der Wahrnehmung des großen Sicherheits- und Ordnungsdienstes, der Instandhaltung, Wartung und Pflege des Fuhrparks, der Einsatzmittel und Ausrüstung sowie Ausstattung der Dienststelle von unerheblicher Bedeutung gewesen. Bei der Erfüllung des Auftrages, für die Rat und Hilfe suchende Bevölkerung als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen sowie der Ausübung des Parteienverkehrs seien die Vortätigkeiten von einer Bedeutung, die lediglich an die Erheblichkeitsschwelle heranreiche und insgesamt als ein erwähnenswerter Punkt gewertet werden könne, sodass sieben von vierzehn Punkten aus dem Tätigkeitskatalog erreicht würden, wo der Mitbeteiligte einen höheren Arbeitserfolg aufweise. Bei der Hälfte der Tätigkeiten sei daher aufgrund der Vortätigkeiten ein erheblich höherer Arbeitserfolg vorgelegen. Es habe sich nicht nur um Routinetätigkeiten gehandelt.
9 Das BVwG erläuterte seine Beweiswürdigung und führte rechtlich aus, dass festzustellen gewesen sei, welche tatsächlichen Verrichtungen der Mitbeteiligte während der maßgeblichen Vordienstzeit besorgt habe, in welchem Ausmaß dies geschehen sei, welche Kenntnisse und Fähigkeiten erworben worden seien sowie welche tatsächlichen Tätigkeiten er auf dem Dienstposten, auf den er aufgenommen worden sei, zu verrichten gehabt habe, inwieweit der Verwendungserfolg über dem eines Beamten ohne ähnliche Vortätigkeit gelegen sei und ob die Vortätigkeit für den Verwendungserfolg als Beamter ursächlich gewesen sei. Betreffend den Zusammenhang zwischen Vortätigkeit und Tätigkeit des Beamten sei die Rechtslage nicht wesentlich geändert worden. Weiters sei auf die Verwendung des Beamten in den ersten sechs Monaten seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses abzustellen. Es sei unbestritten geblieben, dass ein erheblich erhöhter Arbeitserfolg vorgelegen sei. Die belangte Behörde sei auf dem Standpunkt geblieben, dieser Arbeitserfolg sei nicht durch die Vortätigkeiten des Mitbeteiligten verursacht worden; demgegenüber habe der Mitbeteiligte dargelegt, dass sowohl die im Zuge der Vortätigkeit erworbenen Erfahrungen als auch die Kenntnisse im Gebiet der Computeranwendungen, Menschenführung, Englischkenntnisse und Ausdrucksfähigkeit wesentlich zu seinem Erfolg beigetragen hätten. Der Begriff der "Routine" in § 12 Abs. 3 GehG werde dabei so ausgelegt, dass dies nicht im Sinne von einfachen wiederholenden wenig komplexen Tätigkeiten verstanden werde, sondern im Sinne von Erfahrung, die auch höhere Fähigkeiten und Kenntnisse begründen könne. Der im Gesetzestext angeführte Mehrwert einer Vortätigkeit beziehe sich nicht auf eine Ersparnis an Einarbeitung auf den neuen Arbeitsplatz (Z 1), sondern könne auch ohne erforderliche Einarbeitung durch eine Erfolgserhöhung (Z 2) begründet werden. Dadurch könne sichergestellt bleiben, dass alle Polizeischüler die erforderlichen Voraussetzungen für den ordnungsgemäßen Dienst eines eingeteilten Polizisten erwerben würden. Da sich die erhebliche Erhöhung des Arbeitserfolges auf die Hälfte der Tätigkeiten des Mitbeteiligten bezöge, seien diese zur Hälfte anzurechnen.
10 Weiters sprach das BVwG aus, dass die Revision zulässig sei; dem Inhalt der Zulassungsbegründung nach fehle Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffes der "vorhandenen Routine" in § 12 Abs. 3 GehG.
11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Amtsrevision der Dienstbehörde. Zur Zulässigkeit wird u.a. ausgeführt, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, welche Zusatzqualifikationen unter den Tatbestand der "vorhandenen Routine" in § 12 Abs. 3 Z 2 GehG als Vordienstzeiten anrechenbar seien, fehle. Eine solche Rechtsprechung fehle auch im Hinblick auf die Frage, wann ein "erheblich höherer Arbeitserfolg" vorliege, der ebenfalls für eine Anrechenbarkeit erforderlich sei. Es liege auch eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, weil für die Beurteilung der Einschlägigkeit nach § 12 Abs. 3 GehG ein Betrachtungszeitraum von sechs Monaten nach der Aufnahme ins Dienstverhältnis ausreichend sei.
12 Die revisionswerbende Partei bringt zu den Revisionsgründen u.a. vor, dass das BVwG bei der Auslegung des Begriffes "erheblich höherer Arbeitserfolg" auf jeden Maßstab verzichte. Die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses sei mangelhaft, bei der mündlichen Verhandlung sei etwa hervorgekommen, dass eingeteilte Polizisten aufgrund der Grundausbildung regelmäßig imstande seien, ihre Anforderungen zu erfüllen. Im Rahmen der Beweiswürdigung werde jedoch nur für wenige Tätigkeiten ein Zusammenhang zwischen der Vortätigkeit und der Übererfüllung der Anforderungen dargelegt; für die Mehrheit der Tätigkeiten eines Exekutivbeamten werde ein solcher Zusammenhang jedoch nicht erörtert, sondern ohne Nachweise festgestellt. Dabei würden Eigenschaften, die in der Person des Mitbeteiligten lägen, auf seine Vortätigkeit zurückgeführt, wobei eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass dieser die Eigenschaften von Natur aus aufweise und nicht erst aufgrund der Tätigkeit im IT-Bereich erworben habe. Kognitive Fähigkeiten (Erfassen komplexer Sachverhalte) stünden in keinem Zusammenhang mit einer spezifischen beruflichen Vorerfahrung, sondern seien vielmehr von der Dienstbehörde bei der Einrichtung und Besetzung des Arbeitsplatzes als allgemeine Anforderungen zu berücksichtigen. Ebenso könnten Softskills (Teamfähigkeit, allgemeine Stressresistenz) bei jeder beliebigen Berufstätigkeit erworben werden bzw. von Natur aus gegeben sein. Ein besonderer Zusammenhang zu einer beruflichen Tätigkeit ließe sich kaum herstellen bzw. wäre allenfalls bei Arbeitsplätzen denkbar, die überwiegend aus Führungsaufgaben bestünden. Darüber hinaus sei die weitere Laufbahn des Mitbeteiligten nicht miteinzubeziehen, sondern nur die ersten sechs Monate des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses. Das BVwG stelle etwa darauf ab, dass der Mitbeteiligte nach sechs Monaten als Gruppenkommandant verwendet worden sei; darüber hinaus würden jene Kompetenzen erörtert, die für die gegenwärtige Verwendung im Cyber-Crime-Bereich einschlägig sein könnten, jedoch im regulären Exekutivdienst keine besondere Bedeutung hätten, sondern nur gelegentlich nützliche Zusatzqualifikationen darstellten. Überdies sei ein "erheblich" höherer Arbeitserfolg gefordert und nicht nur ein "deutlich überdurchschnittlicher", wobei auf die Frage der Erheblichkeit der betreffenden Qualifikationen für den Exekutivdienst nicht weiter eingegangen worden sei. Es sei aus den Ausführungen des BVwG nicht nachvollziehbar, ob es für die Dienstbehörde in einer wahrnehmbaren Form einen Unterschied bei der Besetzung oder der Gestaltung des Arbeitsplatzes mache, ob die mitbeteiligte Partei diesen höheren Erfolg vorweisen könne. Wenn bei Wegdenken der Vortätigkeit die dienstliche Inanspruchnahme in den ersten sechs Monaten im Großen und Ganzen dieselbe gewesen wäre, könne es sich nicht um einen erheblich höheren Arbeitserfolg handeln, weil sich die Vorkenntnisse nur vereinzelt als nützlich erwiesen hätten. Qualifikationen von erheblicher Bedeutung würden regelmäßig bereits in der Ausschreibung des Arbeitsplatzes angeführt. Das BVwG habe keine Gewichtung der polizeilichen Tätigkeit vorgenommen, sondern nur eine schematische Liste erstellt und in der Folge festgestellt, dass die Vortätigkeiten für den Kern der exekutiven Tätigkeit nicht einschlägig seien, jedoch für die administrativen Nebentätigkeiten. Das Bundeskanzleramt bejahe in einem Rundschreiben etwa bei sämtlichen Verwendungen, die mit dem Führen einer Dienstwaffe verbunden seien, die Einschlägigkeit bei Tätigkeiten bei privaten Sicherheitsfirmen nur in Ausnahmefällen, da dort kein ausgeprägt hoheitlicher Charakter vorliege. Aufgaben, die andere Arbeitsplätze beträfen und für die es eigene Einrichtungen gebe (Dolmetscher oder EDV-Abteilung), könnten nicht Gegenstand der Betrachtung sein, sondern allenfalls sogar Fragen zur Verfahrensqualität oder IT-Sicherheit aufwerfen. Der Begriff der "Routine" sei so auszulegen, dass dies bedeute, eine Tätigkeit so häufig wiederkehrend ausgeübt zu haben, dass im Bedarfsfall ohne besondere Beanspruchung des Denkvermögens die weitere Vorgangsweise bekannt sei und ohne besondere Aufmerksamkeit vollzogen werden könne. Für einen nicht schematisch gestalteten Dienstbetrieb wie den Exekutivdienst sei Routine nur eingeschränkt einsetzbar bzw. außerhalb des Dienstbetriebes des hoheitlichen Bereiches kaum erwerbbar. Der Mitbeteiligte habe bei Dienstantritt daher nicht mehr Routine als Exekutivbeamter aufgewiesen als andere Personen nach der polizeilichen Grundausbildung. Die revisionswerbende Partei beantragte die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, hilfsweise die Abweisung des Begehrens des Mitbeteiligten sowie Kostenersatz.
13 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er die Zulässigkeit der Revision bestritt, sowie ausführte, dass das BVwG nach dem VwGVG verpflichtet gewesen sei, eine inhaltliche Entscheidung zu treffen. Es seien nicht nur die ersten sechs Monate des Dienstverhältnisses zu beurteilen. Schreibtischarbeiten seien ein wesentlicher Teil der Exekutivtätigkeit. Es wurde die Zurück- bzw. Abweisung der Revision unter Gewährung von Kostenersatz beantragt.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
15 Im Fall einer Amtsrevision geht es nicht um die Geltendmachung subjektiver Rechte, weshalb in solchen Revisionen das Formerfordernis der Angabe der Revisionspunkte nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG nicht zum Tragen kommt. Die Grenzen des Rechtsstreites werden bei Amtsrevisionen durch die Anfechtungserklärung des Revisionswerbers gezogen.
16 Dabei tritt an die Stelle der Angabe der Revisionspunkte nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG das in § 28 Abs. 2 VwGG enthaltene Gebot der Erklärung über den Umfang der Anfechtung. Diesem Gebot ist bereits dann entsprochen, wenn die Revision die Angabe enthält, dass das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit angefochten werde (vgl. VwGH 26.6.2014, Ra 2014/03/0004, mwH). Da die vorliegende Revision der LPD diese Angabe enthält, erweist sie sich insoweit als zur ordnungsgemäßen Behandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof geeignet.
17 Die Revision ist zulässig, weil zur Auslegung der Begriffe "erheblich höherer Arbeitserfolg" sowie "vorhandene Routine" in § 12 Abs. 3 Z 2 GehG keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt.
18 Die Revision ist aus folgenden Gründen auch berechtigt:
19 § 12 GehG idF BGBl. I Nr. 64/2016 lautet auszugsweise wie folgt:
"Besoldungsdienstalter
§ 12. (1) Das Besoldungsdienstalter umfasst die Dauer der im Dienstverhältnis verbrachten für die Vorrückung wirksamen Zeiten zuzüglich der Dauer der anrechenbaren Vordienstzeiten.
(2) Als Vordienstzeiten auf das Besoldungsdienstalter
anzurechnen sind die zurückgelegten Zeiten
1. in einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft
oder zu einem Gemeindeverband eines Mitgliedstaats des
Europäischen Wirtschaftsraums, der Türkischen Republik oder der
Schweizerischen Eidgenossenschaft;
2. ...
3. ...
(3) Über die in Abs. 2 angeführten Zeiten hinaus sind Zeiten
der Ausübung einer einschlägigen Berufstätigkeit oder eines
einschlägigen Verwaltungspraktikums bis zum Ausmaß von insgesamt
höchstens zehn Jahren als Vordienstzeiten anrechenbar. Eine
Berufstätigkeit oder ein Verwaltungspraktikum ist einschlägig,
insoweit eine fachliche Erfahrung vermittelt wird, durch die
1. eine fachliche Einarbeitung auf dem neuen Arbeitsplatz
überwiegend unterbleiben kann oder
2. ein erheblich höherer Arbeitserfolg durch die vorhandene
Routine zu erwarten ist.
(4) ...
(5) Die Beamtin oder der Beamte ist bei Dienstantritt von der Dienstbehörde nachweislich über die Bestimmungen zur Anrechnung von Vordienstzeiten zu belehren. Sie oder er hat sodann alle vor Beginn des Dienstverhältnisses zurückgelegten Vordienstzeiten nach Abs. 2 oder 3 mitzuteilen. Die Dienstbehörde hat aufgrund dieser Mitteilung und bei Vorliegen entsprechender Nachweise die Dauer der anrechenbaren Vordienstzeiten festzustellen, um welche die für die Vorrückung wirksame Dienstzeit bei der Ermittlung der Einstufung zu verlängern ist.
(6) Teilt die Beamtin oder der Beamte eine Vordienstzeit nicht innerhalb von drei Monaten nach der gemäß Abs. 5 erfolgten Belehrung mit, ist ein späterer Antrag auf Anrechnung dieser Vordienstzeit unzulässig. Der Nachweis über eine Vordienstzeit ist spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Tag der Belehrung zu erbringen. Wird der Nachweis nicht fristgerecht erbracht, ist die Vordienstzeit nicht anrechenbar.
..."
20 Das Besoldungsdienstalter in § 12 GehG wurde durch die Novelle BGBl. I Nr. 32/2015 geschaffen. Im Bericht des Verfassungsausschusses, 457 BlgNR 25. GP, 2, heißt es in Bezug auf die Anrechnungsvoraussetzungen in § 12 Abs. 3 GehG:
"Die Berücksichtigung von Zeiträumen, die auf die besoldungswirksame Zeit weiterhin anrechenbar sind, beschränkt sich auf jene Vordienst-Zeiten (im Ausmaß von maximal zehn Jahren), die eine einschlägige Bedeutung im Hinblick auf die aufzunehmende Tätigkeit im Bundesdienst aufweisen."
21 Die Materialien zu § 12 Abs. 3 GehG, idF BGBl. I Nr. 65/2015, RV 585 BlgNR 25. GP, S 8f, lauten wie folgt:
"Mit dieser Änderung wird klargestellt, dass die Höchstgrenze von zehn Jahren für die Berufstätigkeit und das Verwaltungspraktikum gemeinsam gilt. Darüber hinaus wird klargestellt, dass die Vordienstzeiten nur teilweise anzurechnen sind, wenn sie nur zum Teil einschlägig sind. Im Übrigen bleiben die Kriterien zur Beurteilung, ob eine Berufstätigkeit oder ein Verwaltungspraktikum einschlägig ist, im Vergleich zur Stammfassung der Novelle BGBl. I Nr. 32/2015 unverändert:
-
Anrechenbar sind nur Zeiten eines Verwaltungspraktikums oder einer Berufstätigkeit. Es muss sich dabei - abgesehen vom Verwaltungspraktikum - um eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit handeln. Eine Tätigkeit, die überwiegend der Ausbildung dient, ist daher keinesfalls als Berufstätigkeit anrechenbar. Damit sind z. B. die Gerichtspraxis und das Unterrichtspraktikum von einer Anrechnung ausdrücklich ausgeschlossen, diese werden mit dem Einstiegsgehalt bereits pauschal abgegolten.
-
Anrechenbar sind nur Zeiten, die nicht ohnehin von der Mehrheit der potentiellen BewerberInnen vorgewiesen werden können oder die gar vorausgesetzte Ausbildungszeiten für den jeweiligen Arbeitsplatz sind. Derartige Qualifikationen sind ebenfalls mit dem Gehaltsansatz für die erste Gehaltsstufe bereits abgegolten. Maßgeblich für die Beurteilung ist nicht der Kreis der tatsächlichen BewerberInnen, sondern jener Personenkreis, auf den eine entsprechende Ausschreibung typischerweise zutreffen würde (objektiver Maßstab). Praktisch geht es daher vor allem um Zeiten, durch welche sich die Bedienstete oder der Bedienstete hinsichtlich ihrer oder seiner Verwendbarkeit deutlich von typischen Berufseinsteigerinnen und -einsteigern abhebt.
-
Eine Berufstätigkeit kann daher im Ergebnis nur dann einschlägig sein, wenn sie zu einer erheblich besseren Verwendbarkeit im Vergleich zu einer durchschnittlichen Berufseinsteigerin oder einem durchschnittlichen Berufseinsteiger führt. Dieser Vergleich ist zur Beurteilung stets anzustellen. Eine bloß fachverwandte Vortätigkeit genügt für sich alleine nicht für eine Anrechnung. Maßgeblich ist vielmehr stets die Frage der besseren Verwendbarkeit. Ein Indiz zur Beurteilung der Verwendbarkeit ist dabei vor allem die Frage, ob die Bedienstete oder der Bedienstete deutlich schlechter verwendbar wäre, wenn man sich die zu beurteilende Vordienstzeit wegdenkt - also ob dann z. B. längere fachliche Einarbeitung und Einschulung auf dem neuen Arbeitsplatz notwendig wäre, oder ob die Bedienstete oder der Bedienstete die Aufgaben für einen beachtlichen Zeitraum mangels Routine nur deutlich langsamer oder deutlich fehleranfälliger erfüllen könnte.
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Die Einschlägigkeit des Verwaltungspraktikums wird regelmäßig dann gegeben sein, wenn dieses unmittelbar vor der Aufnahme in das Dienstverhältnis absolviert wurde und die Bedienstete oder der Bedienstete im Dienstverhältnis weitgehend mit denselben Aufgaben betraut werden soll wie während des Verwaltungspraktikums.
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Die vor Ausübung der Berufstätigkeit abgeschlossene Ausbildung ist für die Anrechenbarkeit nicht unmittelbar von Bedeutung. Jedoch kann das Fehlen einer entsprechenden formellen Ausbildung (z.B. wenn nach Abschluss einer BHS das Hochschulstudium parallel zur Berufstätigkeit betrieben wird und nach Abschluss eine Aufnahme in v1 erfolgt) als deutlicher Hinweis darauf gewertet werden, dass die Berufstätigkeit möglicherweise nicht facheinschlägig ist. Generell wird eine niederwertigere Tätigkeit in der Regel keine ausreichende Erfahrung für einen höherwertigen Arbeitsplatz vermitteln und damit keine Anrechenbarkeit begründen können. Nachdem es aber auf die Beurteilung der früheren Tätigkeit, nicht auf die absolvierte Vorbildung oder gar die frühere Einstufung ankommt, ist eine Anrechenbarkeit bei Prüfung im Einzelfall nicht auszuschließen - wenngleich hier ein strenger Maßstab anzulegen sein wird.
Der Begriff der "Berufstätigkeit" ist dabei deutlich weitläufiger als jener des "Dienstverhältnisses", wie er z.B. in Abs. 2 Z 1 gebraucht wird ("Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft"). Während der Begriff "Dienstverhältnis" stets nur ein bestimmtes Rechtsverhältnis auf Grundlage eines Vertrages (Dienstvertrag nach VBG, freier Dienstvertrag) oder auf Grundlage einer Ernennung ins öffentlichrechtliche Dienstverhältnis erfasst, kann eine Berufstätigkeit auch auf selbständiger Grundlage ausgeübt werden, also z.B. auf Grundlage von Werkverträgen oder Lehr- und Forschungsaufträgen."
22 Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zur Vorgängerbestimmung des § 12 Abs. 3 GehG davon ausgegangen ist, dass bei Prüfung der Anrechenbarkeit von Zeiten nach § 12 Abs. 3 GehG auf den Zeitpunkt der Anstellung des Beamten und auf die Tätigkeit abzustellen war, die der Beamte bei Antritt des Dienstes auszuüben hatte. Der damals vorzunehmenden Beurteilung der Frage der besonderen Bedeutung der Vortätigkeit war für die erfolgreiche Verwendung grundsätzlich nicht mehr als der Zeitraum eines halben Jahres nach Beginn des Dienstverhältnisses zu Grunde zu legen (vgl. etwa VwGH 21.11.2001, 99/12/0097, mwN).
23 Diese Rechtsprechung ist auch für die Anrechenbarkeit von Vordienstzeiten auf das Besoldungsdienstalter gemäß § 12 Abs. 3 GehG in der hier maßgeblichen Fassung weiterhin anwendbar:
Der Beamte ist gemäß § 12 Abs. 5 GehG bei Dienstantritt von der Dienstbehörde nachweislich über die Bestimmungen der Anrechnung zu belehren und hat alle vor Beginn des Dienstverhältnisses zurückgelegten Vordienstzeiten mitzuteilen. Teilt der Beamte eine Vordienstzeit nicht innerhalb von drei Monaten nach der erfolgten Belehrung mit, ist ein späterer Antrag auf Anrechnung dieser Vordienstzeiten gemäß § 12 Abs. 6 GehG unzulässig. Eine über sechs Monate hinausgehende Betrachtungsweise verbietet sich daher nach der Intention des Gesetzes, die auf eine Beurteilung in zeitlicher Nähe zum Zeitpunkt der Ernennung abstellt. Es ist daher bei der Prüfung auf den Zeitpunkt der Anstellung als Beamter und die Tätigkeit abzustellen, die dieser auf Grund seiner Anstellung bei Antritt des Dienstes auszuüben hat, und nicht auf sonstige vorübergehende oder zukünftige Verwendungen (vgl. zu § 12 Abs. 3 GehG aF auch VwGH 21.1.1998, 96/12/0001, mwN).
24 Der Verwaltungsgerichtshof vertrat weiters zur Vorgängerbestimmung des § 12 Abs. 3 GehG in ständiger Judikatur die Auffassung, dass eine mehrjährige Tätigkeit als Vertragsbediensteter, die unmittelbar der Tätigkeit, die der Beamte bei Antritt seines Dienstes ausübte, vorangegangen und mit dieser im Wesentlichen gleichartig war, von vornherein ausschließt, dass eine weiter zurückliegende Tätigkeit in der Privatwirtschaft für den Erfolg der Verwendung als Beamter von besonderer Bedeutung ist (vgl. hiezu etwa VwGH 25.6.2008, 2005/12/0264). Diese Rechtsprechung beruht auf dem Gedanken, dass eine Berufspraxis in der Privatwirtschaft schon während der daran mittelbar oder unmittelbar anschließenden gleichartigen Tätigkeit als Vertragsbediensteter auf Grund der in diesem Zusammenhang gesammelten Berufserfahrung ihre besondere Bedeutung für den Verwendungserfolg als Beamter verliert (VwGH 29.9.1993, 92/12/0107). Der Verwaltungsgerichtshof hält an dieser Rechtsprechung auch in Ansehung der Neufassung des § 12 Abs. 3 GehG fest. Dies kann aber nicht dazu führen, dass eine allenfalls relevante Berufserfahrung durch eine während des Dienstverhältnisses als Vertragsbediensteter genossene Ausbildung gleichsam ersetzt werden würde (vgl. zur Bedeutung der Ausbildung Rn. 37 ff). Eine solche Ausbildung vermittelt vielmehr von einer Berufserfahrung zu unterscheidende Grundkenntnisse, von denen ausgehend ein allfälliger erheblich höherer Arbeitserfolg zu ermitteln ist.
25 Die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat darüber hinaus die grundsätzliche Zulässigkeit der Aufteilung einer Vortätigkeit in Voll- und Teilanrechnungszeiträume wiederholt bejaht. So kann bei zeitlich lang andauernden Vortätigkeiten, die für die erfolgreiche Verwendung des öffentlichrechtlich Bediensteten von Bedeutung sind, eine Einschlägigkeit im Sinne des § 12 Abs. 3 GehG allenfalls auch nur für einen Teil dieser Zeit, der in der Regel erforderlich ist, um die notwendigen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen für die erfolgreiche Ausübung der Vortätigkeit zu erwerben, gegeben sein. Die wesentlichen Auswirkungen der Vortätigkeit auf die erfolgreiche Verwendung des öffentlich-rechtlich Bediensteten können daher zeitlich begrenzt sein (vgl. VwGH 2.7.2002, 97/12/0007). Es liegt vor dem Hintergrund der Materialien (vgl. RV 585 BlgNR 25. GP, 8), wonach Vordienstzeiten nur teilweise anzurechnen sind, wenn sie nur zum Teil einschlägig sind, kein Grund vor, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
26 Gemäß § 12 Abs. 3 Z 2 GehG sind Zeiten der Ausübung einer einschlägigen Berufstätigkeit bis zu einer Höchstgrenze von zehn Jahren als Vordienstzeiten anrechenbar, wobei eine Berufstätigkeit einschlägig ist, wenn insoweit eine fachliche Erfahrung vermittelt wird, durch die ein erheblich höherer Arbeitserfolg durch die vorhandene Routine zu erwarten ist.
27 Zur Beantwortung der Frage, ob ein erheblich höherer Arbeitserfolg durch eine Vortätigkeit des Beamten vorliegt, ist in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren festzustellen, welche tatsächlichen Verrichtungen während der Vortätigkeit besorgt wurden, in welchem Ausmaß dies geschehen ist und welche Kenntnisse und Fähigkeiten erworben wurden. Darüber hinaus ist festzustellen, welche tatsächlichen Tätigkeiten der Beamte zu Beginn seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses auf Grund seiner Anstellung zu verrichten hat, mit welchem Erfolg er diese Tätigkeiten besorgt hat, ob und inwieweit sein Arbeitserfolg erheblich über dem von Beamten ohne ähnliche Vortätigkeit liegt bzw. die Vortätigkeit für den erheblich höheren Arbeitserfolg als Beamter ursächlich war.
28 Nach den Materialien ist dabei ein Indiz zur Beurteilung der Verwendbarkeit - im Sinne der Bemessung des Arbeitserfolges - vor allem die Frage, ob der Bedienstete deutlich schlechter verwendbar wäre, wenn man sich die zu beurteilende Vordienstzeit wegdenkt - also ob dann z.B. eine längere fachliche Einarbeitung und Einschulung auf dem neuen Arbeitsplatz notwendig wäre, oder ob der Bedienstete die Aufgaben für einen beachtlichen Zeitraum mangels Routine nur deutlich langsamer oder deutlich fehleranfälliger erfüllen könnte (vgl. zur "besonderen Bedeutung" einer Vordienstzeit in der Vorgängerbestimmung etwa VwGH 5.7.2006, 2003/12/0157).
29 Nicht jede Überschreitung des Arbeitserfolges kann dabei eine "erhebliche" sein, weil ansonsten diese Beifügung überflüssig wäre. Der Verwaltungsgerichtshof erkennt dabei etwa zur Frage der Zuerkennung einer Verwendungszulage gemäß § 121 Abs. 1 Z 1 GehG, die dem Beamten gebührt, der "dauernd in erheblichem Ausmaß Dienste verrichtet, die einer höheren Verwendungsgruppe zuzuordnen sind", dass der Anteil der höherwertigen Dienstverrichtung wenigstens 25 von Hundert des Gesamtvolumens der Tätigkeit erreichen muss, um ein "erhebliches" Ausmaß im Sinne dieser Gesetzesbestimmung zu erreichen. Das Gesamtvolumen ist dabei durch die Normaldienstzeit unter Berücksichtigung der Summe der im Sinn des § 36 Abs. 2 BDG 1979 zugewiesenen Aufgaben bestimmt (vgl. z.B. VwGH 13.9.2007, 2006/12/0160).
30 Der Verwaltungsgerichtshof geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass ein "erheblich" höherer Arbeitserfolg auch im Sinne des § 12 Abs. 3 GehG erst dann vorliegen kann, wenn der Anteil der Überschreitung mehr als 25 von Hundert des regulären "Arbeitserfolges" ausmacht, wobei diese Überschreitung in einer Gesamtbetrachtung an qualitativen (im Verständnis der Steigerung des Arbeitserfolges in den betroffenen Bereichen) und quantitativen (im Verständnis des Anteiles jener Tätigkeiten, in denen ein höherer Arbeitserfolg erzielt wird) Aspekten zu ermitteln ist.
31 Der "Arbeitserfolg" des Beamten gemäß § 12 Abs. 3 GehG ist dabei in einer ex-ante-Betrachtung (arg. "zu erwarten ist") zum Zeitpunkt seiner Ernennung zu ermitteln und er muss auf einer "fachlichen Erfahrung" beruhen, die die vorangegangene Tätigkeit vermittelt hat. Eine bloß fachverwandte Vortätigkeit reicht dabei jedoch nicht aus, der Beamte muss vielmehr aufgrund der gerade durch die von der durchgeführten Vortätigkeit ermittelten fachlichen Erfahrung einen erheblich höheren Arbeitserfolg aufweisen und somit auf dem Arbeitsplatz besser verwendbar sein als der durchschnittliche Beamte. Damit eine solche "fachliche" Erfahrung vermittelt werden kann, muss die Tätigkeit einschlägig sein, das bedeutet, dass sie Erfahrung vermittelt, deren Nutzbarkeit für die nunmehr ausgeübte Tätigkeit bedeutsam ist. Die erhebliche Überschreitung des Arbeitserfolges wiederum muss Folge der vorhandenen Routine sein, die der Beamte bei seiner Vortätigkeit erworben hat. Diese Routine ist im Zusammenhang des Gesetzestextes so auszulegen, dass der Beamte durch die in seiner Vortätigkeit gesammelten vergleichbaren Erfahrungen bei der Bewältigung seiner Aufgaben an seinem Arbeitsplatz als Beamter nunmehr Fertigkeiten in dem Sinne aufweist, dass etwa eine weitere Einschulung nicht erforderlich ist bzw. dass der Bedienstete die Aufgaben ohne die in der Vortätigkeit erworbene Routine für einen beachtlichen Zeitraum nur deutlich langsamer oder deutlich fehleranfälliger erfüllen könnte (vgl. dazu die Materialien RV 585 BlgNR 25. GP, 8). Diese Routine kann daher nicht verallgemeinert werden, sondern muss unter Bedachtnahme auf die jeweils konkrete Verwendung des Beamten an einem bestimmten Arbeitsplatz zu Beginn seiner öffentlich-rechtlichen Tätigkeit beurteilt werden. Es sind davon nicht nur schematisch gleichgelagerte Handlungen umfasst, sondern alle Tätigkeiten, die durch die zuvor erfolgte oftmalige Wiederholung zu einer rascheren Durchführung befähigen.
32 Für den konkreten Fall bedeutet dies Folgendes:
33 Wie bereits dargelegt (vgl. Rn. 23) ist zur Beurteilung des erheblich höheren Arbeitserfolges nur die Tätigkeit des Beamten zu Beginn seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses heranzuziehen. Soweit das BVwG Feststellungen zur derzeitigen Verwendung bzw. zur Verwendung des Mitbeteiligten nach sechs Monaten des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses trifft und diese in seine rechtlichen Beurteilungen miteinbezieht, erweisen sich diese als nicht entscheidungswesentlich.
34 Das angefochtene Erkenntnis enthält darüber hinaus für die Beurteilung der - keineswegs sofort auf der Hand liegenden - Einschlägigkeit der Vortätigkeit als Software-Entwickler im Vergleich zur Tätigkeit als Exekutivbeamter keine abschließenden Feststellungen zu den konkreten Tätigkeiten der mitbeteiligten Partei während der Vordienstzeiten: Festgestellt wurde vom BVwG, dass die mitbeteiligte Partei "in einem fachverwandten Bereich der IT und EDV" Vortätigkeiten ausgeübt habe, die die Bereiche "Software Engineer, Requirements Engineer, Software Architect" sowie Team- und Projektleiter umfasst hätten. Nach dem in den Verwaltungsakten einliegenden Dienstzeugnis hat sich die mitbeteiligte Partei jedoch darüber hinaus vor allem mit Softwareprodukten im Bereich der Medizintechnik sowie mit solchen, die spezifisch auf seinen damaligen Dienstgeber zugeschnitten waren, beschäftigt. Die Feststellung des BVwG zum "fachverwandten Bereich" bezieht sich erkennbar auf die vorangehende Feststellung, wonach die mitbeteiligte Partei seit 1. September 2017 nunmehr in der allgemeinen Verwaltung im Bereich der Bekämpfung der Cyberkriminalität tätig ist. Wie jedoch bereits ausgeführt, ist für die Frage der Anrechenbarkeit maximal auf die ersten sechs Monate des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses abzustellen.
35 Das EDV-Wissen der mitbeteiligten Partei gehört nach den in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG getätigten Aussagen des Stadtpolizeikommandanten für den 14. und 15. Bezirk, zu deren Zutreffen sich das BVwG nicht geäußert hat, darüber hinaus nicht zu den Anforderungen eines eingeteilten Polizisten. Im Lehrplan zur Grundausbildung der Exekutive ist festgehalten, dass Exekutivbedienstete die Grundzüge der Bürokommunikation verstehen und anwenden können sollen, das EDV-System unter Beachtung des Datenschutzes nützen lernen und den fachspezifischen Schriftverkehr führen können sollen. Eine der Tätigkeit als Software-Entwickler vergleichbare Tätigkeit ist im Lehrplan somit nicht umfasst.
36 Zu den Englischkenntnissen ist Folgendes festzuhalten: Ein Erwerb von Englischkenntnissen durch die ausgeübte Vortätigkeit ist aus dem Dienstzeugnis und den darin umschriebenen Tätigkeiten nicht ohne weiteres herleitbar. Im Lehrplan zur Grundausbildung der Exekutive wiederum ist festgehalten, dass die Exekutivbediensteten in der jeweiligen Fremdsprache Dialoge führen, Auskünfte erteilen und Befragungen durchführen können sollen. Englisch ist Teil des Stundenplanes und werden dabei "Auskunftsbegehren, Verkehrsangelegenheiten, Kriminalität, Fremdenwesen, Dokumente und Erste Hilfe" explizit erwähnt. Zur Frage, inwieweit der Mitbeteiligte seine Englischkenntnisse in diesen Bereichen (z.B. Fremdenwesen) durch die Vortätigkeit erworben haben soll, finden sich im angefochtenen Erkenntnis keine Feststellungen.
37 Darüber hinaus traf das BVwG keine Feststellungen zu dem dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis vorangegangenen vertraglichen Dienstverhältnis des Mitbeteiligten zum Bund. Aus dem Verwaltungsakt der Revisionswerberin ergibt sich nämlich, dass der Mitbeteiligte von 1. Dezember 2013 bis 30. November 2015 aufgrund der Grundausbildung für den Exekutivdienst bei der LPD Wien in einem vertraglichen Dienstverhältnis zum Bund stand.
38 Es gibt im angefochtenen Erkenntnis daher auch keine nachvollziehbaren Feststellungen dazu, inwieweit der hohe Verwendungserfolg des Mitbeteiligten angesichts der in der Polizeischule gelehrten Inhalte überhaupt auf die Vortätigkeit zurückgeführt werden kann, da die spezifischen Inhalte der Polizeischule nicht berücksichtigt wurden (etwa Vokabular bei einer fremdenrechtlichen Kontrolle, das eher weniger bei einer Tätigkeit in der IT-Branche erworben werden kann). Entsprechendes gilt für die Abgrenzung zu individuellen natürlichen Begabungen und zu Fähigkeiten, die der Mitbeteiligte im Zuge seiner Studien erworben hat. Ebensowenig gibt es Feststellungen zu den Aussagen des Stadtpolizeikommandanten für den 14. und 15. Bezirk in der mündlichen Verhandlung, wonach Englischkenntnisse lediglich im Einzelfall durchaus von Vorteil seien.
39 Es ist insbesondere nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr naheliegend, dass die vom Mitbeteiligten im Vertragsbedienstetenverhältnis durchlaufene Grundausbildung ihm - auch unabhängig von der Vorverwendung - die für seinen Einsatz als "Eingeteilter Beamter" der Verwendungsgruppe E2b erforderlichen EDV- und Englischkenntnisse im Großen und Ganzen vermittelt hat. Dies schließt freilich nicht aus, dass eine davor erworbene Routine (im vorstehend aufgezeigten Verständnis) beim Mitbeteiligten im Bereich jener Tätigkeiten als "Eingeteilter Beamter", für die EDV- und Englischkenntnisse vorausgesetzt sind, einen ins Gewicht fallenden (erheblichen) Anstieg des Arbeitserfolges hätte verursachen können. Diese Sichtweise wird hier aber wiederum dadurch relativiert, dass jene Aufgabenbereiche (Tätigkeiten), für welche eine durch die private Vorverwendung bedingte erkennbare qualitative Steigerung des Arbeitserfolges überhaupt in Betracht kommt, nur einen (vom BVwG in Ansehung des Zeitaufwandes nicht näher quantifizierten) Teil der Arbeitstätigkeit des Mitbeteiligten ausmachten.
40 Der Hinweis des BVwG, wonach diese Tätigkeiten etwa die Hälfte der Aufgabengebiete des Mitbeteiligten betreffen, greift schon mangels zeitlicher Quantifizierung zu kurz.
41 Darüber hinaus ist die Frage der Erheblichkeit - wie oben ausgeführt - in einer Gesamtbetrachtung aus qualitativen und quantitativen (als Anteil am Gesamtspektrum der Tätigkeit verstandenen) Aspekten des höheren Arbeitserfolges pauschal zu beurteilen. Übersteigt dieser insgesamt die Erheblichkeitsgrenze nicht, so hat keine Anrechnung zu erfolgen und nicht etwa - wie das BVwG annimmt - eine Teilanrechnung, die jenem Prozentsatz der Gesamtzeit der privaten Vortätigkeit entspricht, den die Arbeitstätigkeiten, für die erstere nutzbar ist, an der Gesamtarbeitstätigkeit des Beamten im Beobachtungszeitraum ausmachen. Läge der genannte Anteil etwa bei der Hälfte der Gesamttätigkeit, so könnte von einem erheblich höheren Gesamtarbeitserfolg nur dann die Rede sein, wenn der qualitative Arbeitserfolg im betroffenen Bereich die Grenze der Erheblichkeit noch bedeutend übersteigt.
42 Dass dies hier der Fall wäre, hat das BVwG nicht nachvollziehbar dargetan.
43 Die Frage der Voll- oder Teilanrechnung stellt sich somit erst dann, wenn bei der oben aufgezeigten Gesamtbetrachtung ein insgesamt erheblich höherer Arbeitserfolg festzustellen ist. Erst in der Folge wäre (arg: "insoweit") zu prüfen, ob dieser erheblich höhere Gesamtarbeitserfolg auch dann in gleichem Ausmaß eingetreten wäre, wenn die private Vorverwendung kürzer gedauert hätte.
44 Die getroffenen Feststellungen erweisen sich als unzureichend, um den Spruch des angefochtenen Erkenntnisses zu tragen.
45 Das angefochtene Erkenntnis war daher aus den dargelegten Gründen, insbesondere auf Grund des (prävalierenden) in Rz. 41 aufgezeigten Rechtsirrtums, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
46 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf § 47 Abs. 3 und 4 VwGG.
Wien, am 19. Februar 2018
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Besondere RechtsgebieteAuslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018120001.J00Im RIS seit
16.03.2018Zuletzt aktualisiert am
13.03.2019